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5 Seiten

Bran - Der blinde Rabe -3-

Romane/Serien · Fantastisches
Ein weiteres tiefes und dennoch fast lautloses Seufzen fand den Weg über Brans Lippen. Er musste gut aufpassen um nicht zu viel Lärm zu machen oder sich allzu viel zu bewegen, denn sonst zog er Aufmerksamkeit auf sich und bekam eventuell erneut die Peitsche zu spüren. Auf letzteres konnte er gut verzichten, sein Rücken fühlte sich sowieso noch ganz wund an von seiner letzten Begegnung mit dem gemeinen Ding.
Er war ein Verlorener, ein verurteilter Schwerverbrecher auf den Weg zu einem Ort, der schlimmer war als die Hölle. Niemand interessierte sich dafür, wie viele der Gefangen nun schlussendlich ankamen, oder in welcher Verfassung sie waren. Schließlich waren sie bösartig, hatten es nicht anders verdient und waren daher weniger Wert als die Ketten, die ihnen angelegt wurden.
Dass diese Auffassung völlig falsch war und viele hier einfach nur jemanden im Weg gewesen waren oder zur falschen Zeit am falschen Ort und von daher verschwinden mussten, auch dafür interessierte sich keiner.
Wenn es nicht so schrecklich gewesen wäre, dann hätte Bran über die Ironie der ganzen Sache gelacht. Die Hälfte dieser ach so schrecklichen Verbrecher waren kleine Diebe oder Leute, die gewissen Kreisen schlicht im Weg waren und daher verschwinden mussten. Er selbst hatte dieses Urteil vielleicht sogar fast verdient, immerhin hatte er ja mehrer Männer getötete und das bei allen sieben auf eine ziemlich grausame, ja langsame Art. Es war seine Rache für Rose gewesen und diese Männer trugen die Schuld an ihrem Tod.
Tief in seinen wundem Herz wusste er, dass es nicht richtig gewesen war, was er getan hatte. Er wusste, dass er damit nicht besser war, als diese Männer und wohl auch nicht besser als die Menschen, die ihm so Schreckliches angetan hatten. Aber mit dieser letzten Grausamkeit, mit diesem letzten Menschen, der ihm auf so schreckliche Weise verloren ging, zerbrach irgendetwas in Bran. Im Endeffekt starb es zusammen mit der Frau, die er liebte.
Bran gab nun doch den Versuch auf seine Erinnerungen zurückzudrängen und stellte sich den Bildern in seinem Geist.

Er lebte schon einige Jahre bei der alten Heilerin. Mittlerweile war Bran schon fast Neunzehn Jahre alt und kam gut mit seiner eingeschränkten Sehfähigkeit zurande, ja sogar Holzhacken konnte er, was Jolanda mit Freude erfüllte. Kam einer der wenigen Bittsteller oder Besucher, so verbarg sich der junge Mann im Wald und kam erst wieder hervor, wenn die Besucher wieder weg waren.
Dennoch ahnten einige wenige Menschen, dass Jolanda jemanden bei sich aufgenommen hatte. Doch diese Leute gehörten zu den Freunden der Heilerin und verrieten niemanden etwas darüber.
Für Bran waren diese Jahre eine stille und ruhige Zeit. Stille Tage angefüllt mit alltäglichen Arbeiten und langen Wanderungen durch die Wälder. Letztere unternahm er manches Mal zusammen mit der Heilerin, wenn diese Kräuter und Pilze sammelte und manches Mal ging er auch ohne die alte Frau, wenn er alleine sein wollte. Pilze und Kräuter konnte er mittlerweile zuverlässig auseinanderhalten und zudem hatte sich eine vierte Gabe bei ihm gezeigt. Wie seine Mutter auch, war Bran ein Windpfeifer und dies machte dem jungen Mann gehörige Freude. Zusammen mit Jolanda übte und formte er seine Künste. Die alltäglichen, körperlichen Arbeiten, wie Holzhacken und ähnliches formten seinen Körper. Jolanda war sich sicher, dass wenn die Narben nicht gewesen wären, sich zahlreiche Mädchen um den wohlgestalteten, muskulösen, stillen, sanften Bran gerissen hätten.
Aber so würden sich die Mädchen und jungen Frauen wohl eher fürchten und davonlaufen, bevor sie das wundervolle Wesen des jungen Mannes erkennen hätten können. Die alte Heilerin wusste, dass Bran die Einsamkeit zwar begrüßte und auch oft brauchte, aber auch er sehnte sich nach Gleichaltrigen Freunden. Ein Wunsch der sich ihm blad erfüllen würde, denn zu dieser Zeit trat Liehr in sein Leben und stellte letzteres ein klein wenig auf den Kopf.

Über Brans Lippen huschte ein wehmütiges Lächeln, als er an den gleichaltrigen Adeligen dachte, diesen jungen, abenteuerlustigen Mann, der so gerne Unfug trieb und der so schrecklich gerne lachte. Bran schluckte hart bei diesen Erinnerungen, denn Liehr war sein einzig echter Freund gewesen, auch wenn sich ihre erste Begegnung eher rabiat und unglücklich gestaltete und ihrer beider Abstammung nicht unterschiedlicher sein konnte.

Damals war er unterwegs gewesen und als er zurückgekommen war, da stand da diese Kutsche vor Jolandas Heim. Bran konnte das Gefährt natürlich nicht wirklich sehen, sondern nur einen dunklen, verschwommenen Fleck, wo keiner sein sollte. Aber er konnte die Pferde und den Kutscher hören, sowie im inneren des kleinen Hauses die Stimmen von Jolanda und einem fremden Mann. Der Fremde hörte sich gebildet an und die Bäume flüsterten Bran zu, dass die Kutsche wohl sehr prächtig sein. Durch Brans Adern schoss Adrenalin, er machte sich Sorgen um Jolanda, aber was sollte er tun. Sich zeigen und womöglich einen Angriff provozieren, oder einfach abwarten und riskieren, dass man der alten Heilerin womöglich weh tun würde. Er seufze leise und beschloss in der Nähe zu bleiben, damit er zur Stelle wäre, sollte etwas schlimmes passieren. So also verbarg sich der junge Mann in der Nähe und hoffte, dass die alte Heilerin nicht in Schwierigkeiten steckte.
Schnell fand er eine der Stellen, von denen er wusste, dass er vom Haus aus und auch vom Weg aus nicht zu sehen war und lehnte wenig später am Stamm einer alten Eiche, die nicht weit entfernt der Küche, nahe am Gartenzaun stand. Seine Sinne konzentrierte er auf die Vorgänge in dem kleinen Haus und erfuhr so, dass der Besucher der Heilerin freundlich gesinnt war. Jedoch war Bran so auf diese Dinge konzentriert, so dass er nicht bemerkte, dass er selbst bemerkt worden war.

Liehr, dessen Vater gerade mit Jolanda sprach hatte sich die Beine vertreten und umgesehen. Hier also sollte er die nächsten Wochen, vielleicht Monate verbringen um zu lernen seine Kunst zu meistern. Sein Vater war der Meinung, dass es hierbei keine bessere Lehrerin als Jolanda geben könnte.
Der junge Adelige war alles andere als begeistert und entsprechend missmutig unterwegs.
Man hatte ihm gesagt, dass hier noch ein anderer junger Mann leben würde, dessen Aussehen allerdings etwas gewöhnungsbedürftig sei. Warum dies so war hatte ihm allerdings noch keiner gesagt.
Er seufzte lautlos und machte sich auf den Weg zurück, da erblickte er diesen Fremden, der da hinter einem Baum verborgen kauerte und das kleine Haus der Heilerin beobachtete. Liehr sah nicht viel von dem Fremden, denn ein dunkler Kapuzenmantel verdeckte den Großteil der Gestalt, dennoch erkannte der Adelige, dass der andere wohl recht muskulös und groß sein musste.
Nichts desto Trotz griff der junge Graf den vermeintlichen Räuber sofort an, denn wer sonst als ein Räuber würde sich so hinter den Bäumen herumdrücken und sich nicht offen zeigen.
Völlig lautlos schlich er sich an den anderen heran und war dann doch sehr überrascht, das der Fremde ihn offenbar doch gehört hatte, denn dieser wirbelte erschrocken herum. Ohne sich lange aufzuhalten stürmte Liehr auf den Mann zu, der stolpernd zurückwich.

Bran gewahrte im letzten Augenblick, dass sich ihm jemand von hinten näherte. So leise der andere sich auch bewegte, so hatte er gegen das mittlerweile sehr geschärfte Gehör des jungen, fastblinden Mannes dennoch keine wirkliche Chance. Wäre Bran nicht so auf das Geschehen vor ihm konzentriert gewesen, so hätte er Liehr wohl schon viel früher gehört.
So jedoch hörte er den jungen Grafen erst, als dieser bereits sehr dicht an ihn herangekommen war. Erschrocken wirbelte er herum, wich zurück und stolperte dummerweise über eine Baumwurzel. So sicher er mittlerweile auch war, so war er dennoch noch nicht einmal ganze fünf Jahre so gut wie blind und dann und wann, insbesondere wenn überraschendes geschah, da zeigte sich dieser Mangel an Erfahrung und Bran stolperte, stürzte sogar manchmal.
Liehr, der sich nicht einmal Zeit nahm sein gegenüber genauer zu betrachten, fragte nicht nach seinem Glück und nutzte die Chance, die sich ihm auftat. Mit einem gekonnten Tritt zog er dem anderen die Beine unter dem Körper fort und ehe sich Bran versah lag er mit dem Gesicht im Dreck und Liehr kniete auf seinem Rücken. Die scharfe Klinge eines Dolches zog eine feine Linie über Brans Kehle und hätte womöglich noch mehr Schaden angerichtet, wenn nicht ein scharfer Ruf den jungen Grafen aufgehalten hätte.
Liehrs eigener Vater hatte ihn aufgehalten und nachdem Liehr sowie Bran wieder auf den Beinen waren, teilte der Graf seinem Sohn mit, dass er die nächsten zwei Jahre hierbleiben würde um von der Besten der Besten seine Kunst beherrschen zu lernen. Damit meinte er natürlich Jolanda, die zu den jüngsten Vorkommnissen auch das ihre zu sagen hatte, insbesondere als Liehr wie jeder andere auf Brans vernarbtes Antlitz zuerst mit Schrecken und auch ein wenig mit Abscheu reagierte.
Liehr war herzlich wenig davon begeistert die nächsten Monate, ja sogar Jahre in dieser Einöde verbringen zu müssen, Bran hingegen fand es nicht gerade gut, dass er mit dem Adeligen zukünftig sein kleines Refugium unter dem Dachstuhl teilen sollte. Andererseits war er aber auch neugierig auf den jungen Grafen und besonders interessierte ihn, wie dieser ihn so schnell zu Fall bringen konnte.
Als Jolanda begann Liehr wegen seiner unbedachten Handlung und seinem Vorgehen zu schelten, mischte sich Bran etwas kleinlaut ein. Er hätte schließlich auch besser aufpassen müssen, so meldete er sich zu Wort und erreichte damit nur, dass er ebenso wie der junge Graf gescholten wurde.

Über Brans Gesicht huschte ein weiteres wehmütiges und auch ein wenig ironisches Lächeln.
Oh ja, an diese Schelte konnte er sich sehr gut erinnern. So wütend und aufgebracht hatte er bis dahin die alte Heilerin noch nicht erlebt. Danach gab es das öfters, nachdem Liehr ihr und vor allem sein Leben auf den Kopf gestellt hatte.
Trauer griff nach Brans Herz und umklammerte es mit scharfen Klauen.
Er erinnerte sich an den Abend, der diesem Vorfall folgte.
 
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Kommentare  

Hallo Ingrid,
schön, dass du auch am dritten Teil Gefallen findest, das freut mich.
Hmm...ja am Anfang ist der junge Graf alles andere als begeistert, aber das wird noch.

Liebe Petra,
freut mich, dass auch dir dieser Teil gefällt.
Nun mein armer Bran wird noch so einiges auszuhalten haben, denke ich mal.
Herzlichen Dank für das Grün.


Liebe Grüße
an euch


Tis-Anariel (04.07.2010)

Der arme Bran. Was wird ihn erwarten? Er hat doch eigentlich schon genug durchgemacht. Er blickt zurück in seine Vergangenheit und dabei erinnnert er sich auch wie seine Freundschaft mit Liehr begann. Grün natürlich.

Petra (03.07.2010)

liehr scheint ja nicht gerade begeistert von bran zu sein, aber mal gucken... ;))
lieben gruß von mir


Ingrid Alias I (03.07.2010)

Hallo Jochen,

wie schön, dass dir auch der dritte Teil gefällt.
Schön, dass ich diese rückblicke offenbar spannend hinbekomme. Ich versuche ja auf diese Weise Brans Leben zu erzählen.
Herzlichen Dank dir für dein kommentieren.

Liebe BalkonienGrüße


Tis-Anariel (02.07.2010)

Da kann man nur hoffen, dass Bran irgendwie befreit wird. Spannende Rückblicke. Man fragt sich, weshalb Brans große Liebe offenbar einen grausamen Tod erleiden musste und wie wichtig die Freundschaft zu dem jungen Adeligen Liehr gewesen und vielleicht noch immer ist. Da bin ich ja mal gespannt, was der nächste Teil bringen wird.

Jochen (01.07.2010)

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