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Die Notkapsel 3/3

Romane/Serien · Spannendes · Experimentelles
„River, wie viel Zeit bleibt uns noch, bis das Lebenserhaltungssystem abgeschaltet werden muss?“, wollte der Kapitän nun von seinem Mechaniker wissen, nachdem die Notkapsel wieder einigermaßen stabil war.
„Noch drei Minuten“, antwortete River.
„Verstanden. Tun Sie es so, wie wir es besprochen haben.“
Er musste das Schiff nun so schnell es ging runter bringen. Dies durfte allerdings nicht allzu schnell sein, denn das Abbremsen verbrauchte in einer Atmosphäre sehr viel Energie.
Es vergingen weitere zwei Minuten. Dann rief River durch sein Telekommunikationsgerät: „Abschaltung des Lebenserhaltungssystems, jetzt!“
„Verstanden“, antwortete der Pilot und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgaben. Er würde von nun an noch etwa fünfzehn Minuten Energie für den Antrieb zur Verfügung haben.
Er schaute auf den berechneten Kurs. Bei der jetzigen Geschwindigkeit würden sie etwa achtzehn Minuten bis zum Landeplatz benötigen. Dies bedeutete also, dass sie mindestens drei Minuten gleiten mussten.
Der Kapitän machte sich Sorgen. Er hatte zuvor das Flugverhalten des Raumschiffes im Gleitflug erleben dürfen. Ohne jedwede Energie zur Abbremsung käme dieses Manöver fast einem Selbstmord gleich.
„River.“ Hudsen sprach wieder in sein Telekommunikationsgerät.
„Ja, Kapitän.“
„Ich möchte, dass Sie den Antrieb eine Minute bevor er ausfällt abschalten.“
„Wie bitte?“
„Tun Sie es einfach.“ Hudsen wollte keine Zeit mehr für irgendwelche Erklärungen vergeuden.
„In Ordnung.“
„Und schalten Sie den Antrieb etwa drei Minuten später wieder ein. Ich werde ihnen aber vorher noch einmal Bescheid geben.“
„Verstanden.“

Beinahe hatten sie die Atmosphäre dieses wunderschönen Planeten durchdrungen gehabt. Sie waren nun kurz vor ihrem berechneten Landeplatz. Nach Rivers Angaben würden die Batterien noch etwa drei Minuten halten.
Die Landschaft ihres potentiellen Landeplatzes sah ein wenig nach einer Steppe aus. Der Pilot hatte solche Landschaften auf Videoaufzeichnungen der alten Heimat gesehen. Sie schienen tatsächlich Glück im Unglück gehabt zu haben, dass solch ein wundervoller Planet in ihrer Reichweite gewesen war. Na ja, fast in ihrer Reichweite.
„Ich schalte den Antrieb aus, und zwar jetzt!!“, rief River durch das Telekommunikationssystem, als es Zeit dafür war.
Wieder sackte die Notkapsel bedrohlich mindestens zehn Meter nach unten; wieder vernahm Hudsen hinter sich panische Schreie der Passagiere.
Verzweifelt versuchte er nun, die Notkapsel auf Kurs zu halten. Er orientierte sich hierfür wieder an dem virtuellen Muster, das er vor sich auf das Fenster dreidimensional projiziert sah.
Die Notkapsel drohte nun unkontrolliert abzustürzen, weshalb er keine andere Möglichkeit sah, als die Spitze ein wenig nach unten zu ziehen. Der Vorteil eines solchen Manövers lag darin, dass es dadurch einfacher war, das Schiff unter Kontrolle zu halten. Der Nachteil daran war aber, dass sie gefährlich an Geschwindigkeit gewinnen würden, was auch den benötigten Gegenschub und somit die benötigte Energie zum Abbremsen der Kapsel erhöhen würde.
Sie waren nun etwa in hundert Meter Höhe und noch etwa einen Kilometer vom Landeplatz entfernt. Jetzt würde sich alles entscheiden.
Als der Antrieb exakt eine Minute ausgeschaltet war, meldete sich River: „Soll ich den Antrieb jetzt wieder einschalten?“
„Noch nicht!“, rief Hudsen zurück. Er musste zuvor noch die Geschwindigkeit wieder reduzieren. Hierfür zog er die Spitze der Kapsel wieder nach oben.
Zwar reduzierte sich dadurch tatsächlich die Geschwindigkeit, jedoch drohte nun die Notkapsel auch wieder außer Kontrolle zu geraten.
Sie waren immer noch zu schnell. Hoffentlich wird das Schiff auch diese neuerlichen Belastungen aushalten, dachte Hudsen bei sich, als er die Spitze des Raumschiffes noch weiter nach oben gezogen hatte. Er nahm sich vor, sollten sie am Ende dies alles hier tatsächlich überlebt haben, den Ingenieren dieses Raumschiffes seinen Respekt auszusprechen.
„Kapitän!“, hörte er seinen Mechaniker rufen.
„Noch nicht!“, rief dieser zurück.
Die Kapsel fing wieder heftig zu vibrieren an.
„Noch nicht!“, rief er ein weiteres Mal in sein Telekommunikationsgerät, wie um sich selbst davon zu überzeugen, dass es noch zu früh für den Gegenschub war.
Er sah wie gebannt auf die Geschwindigkeit und auf die Höhe. Er wusste sehr genau, wie viel diese nur betragen durften, damit sie wenigstens eine Chance haben würden, das Schiff einigermaßen heile herunter zu bringen.
Nach weiteren ein, zwei Sekunden – die Vibrationen waren jetzt fast so stark wie zuvor beim Eintritt in die Atmosphäre – hatten sie die richtige Geschwindigkeit etwa fünfzig Meter über dem Boden erreicht.
„Jetzt!!!!“, brüllte der Kapitän deshalb durch den unglaublichen Lärm der Vibrationen hindurch.
Sofort hatte er wieder Energie für den Antrieb zur Verfügung und setzte nun alles daran, mithilfe der Steuerungsdüsen das Schiff irgendwie abzufangen. Allerdings stand ihm hierzu nur noch ein äußerst geringer Höhenspielraum zur Verfügung.

Noch fünfzig Meter von der Landefläche entfernt und in nur achtzehn Meter Höhe schoss die Kapsel über die Steppenlandschaft hinweg. Der Kapitän versuchte auch weiterhin, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Als ihm dies schließlich einigermaßen gut gelungen war, fuhr er endlich das Fahrgestell aus. Im gleichen Moment erreichten sie auch die Landestelle. Anschließend nutzte der Kapitän ein weiteres Mal den vollen Gegenschub des Antriebssystems – und… das Antriebssystem fiel komplett aus. Auf der Stelle sackte das Raumschiff wieder nach unten ab und schlug mit einem lauten Klatscht!-Geräusch mit den hinteren Rädern auf dem Boden des Planeten auf. Es war zwar etwas unsanft, aber dennoch hatten sie nun das erste Mal tatsächlich Bodenkontakt mit dem Planeten erreicht.
Das Schiff holperte nur so über die lediglich einigermaßen ebene Piste. Wieder fing das Raumschiff sehr stark zu vibrieren an.
Viel zu langsam neigte sich die Spitze des Raumschiffes nach unten.
Plötzlich fiel Hudsen ein, dass er gar nicht genau wusste, wie lange die Piste überhaupt war. Verdammt. Hätte der Kapitän nur ein wenig mehr Energie zur Verfügung gehabt, wären sie alle wahrscheinlich jetzt schon in Sicherheit gewesen. Da dies aber nicht der Fall gewesen war, hieß es auch weiterhin zu hoffen, dass sie auch diese letzte kritische Situation irgendwie überstehen würden.
Die Geschwindigkeit war immer noch sehr hoch. Zwar hatte der Kapitän die Möglichkeit, auch ohne Gegenschub das Fahrzeug abzubremsen, allerdings ging dies nur in einem sehr begrenzten Rahmen. Denn würde er diese Möglichkeit zu früh nutzen, konnte es durchaus sein, dass das hierfür verwendete mechanische Bremssystem durch die dadurch entstehenden Belastungen auf der Stelle komplett ausfallen würde und dann gab es keinerlei Möglichkeiten mehr für sie, in das Geschehen einzugreifen.
Er tastete mit den Scannern das Gelände vor ihnen ab. Er musste wissen, ob er solch ein weiteres Risiko eingehen, oder das Schiff einfach ausrollen lassen sollte. Als er sich dann kurz danach die Ergebnisse dieses Scanns angeschaut hatte, stockte ihm der Atem. Es würde zu einer letzten Herausforderung kommen. Denn in nicht allzu weiter Entfernung vor ihnen gab es einen riesigen Abgrund. Das Schiff musste schleunigst zum Stillstand gebracht werden!
Jetzt sackte die Spitze des Schiffes vollends nach unten ab, weshalb nun alle Räder Bodenkontakt hatten. Das war gut, denn durch die dadurch entstehenden verstärkten Reibungskräfte reduzierte sich auch zwangsläufig ihre Geschwindigkeit schneller.
Noch konnte er das Bremssystem nicht einsetzen, da es fast sicher war, dass es auf der Stelle ausfallen würde.
Nach einer viel zu kurzen weiteren Zeit hatte Hudsen einfach keine andere Wahl mehr. Allerdings aktivierte er das Bremssystem zunächst nur teilweise, um es erst einmal nur zu testen. Sofort vernahm er ein fürchterliches Quietschen. Weißer Rauch stieg vom Fahrwerk auf und auch die Vibrationen nahmen spürbar zu.
Der Kapitän schaute auf. Er konnte den Abgrund jetzt schon mit bloßen Augen erkennen, der bedrohlich immer näher auf sie zukam. Sofort aktivierte er das Bremssystem vollständig, woraufhin sich auch das fürchterliche Quietschen, der Rauch und die Vibrationen verstärkten. Der Lärm war nun fast unerträglich. Es hörte sich wie das letzte Aufbäumen eines Monsters an, kurz bevor es für immer in den Untiefen versank.
Noch fünf Meter.
Der Kapitän starrte wie gebannt dem Abgrund entgegen. Sein Herz raste.
Noch zwei Meter.
Fast stand das Raumschiff still, aber eben nur fast.
Plötzlich hörte Hudsen einen lauten Knall. Danach war das Bremssystem komplett ausgefallen. Von nun an war für ihn ein weiteres Eingreifen in das Geschehen nicht mehr möglich. Er konnte nur noch zusehen, was geschah.
Noch einen Meter.
Plötzlich sackte das Raumschiff mit der Nase nach unten ab und – blieb etwas nach vorne gekippt kurz vor dem Abgrund mit einem heftigen Ruck stehen. Dadurch wurde der Kapitän mit voller Wucht nach vorne geschleudert, wodurch er sich heftig das Gesicht an der Scheibe anschlug. Sein Blut spritzte ins Cockpit.
Er fiel bewusstlos in seinen Pilotensitz zurück und blieb dort regungslos liegen.

ENDE
 
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Kommentare  

Na, da bin ich ja beruhigt, dass diese Story noch weiter geht. Denn meine Neugierde ist sehr angefacht. Bin gespannt auf das, was nun geschehen wird.

Dieter Halle (02.06.2011)

Hi Pia,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Klar wird die Geschichte weitergehen. Es wird noch mindestens ein Teil folgen.
Liebe Grüße,


Siebensteins Traum (02.06.2011)

wie, ENDE??????
So was von einem Cliffhanger !!!

River erinnert mich immer an Dr. River Song *seufz*

Liebe Grüße DublinerTinte ;0)


Pia Dublin (01.06.2011)

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