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80 Days, Kapitel 10. Mogi und Vergangenheit

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
Kapitel 10
Mogi und Vergangenheit


Klivebacker wusch sich umständlich das Gesicht. Er wollte sich rasieren, ließ es aber. Irgendwie war so eine banale und alltägliche Sache wie eine Rasur zur Zeit nicht in seinen Repertoire vorhanden.
Der gestrige Stromausfall war kein Zufall, so viel war sicher. Er nahm sich seine Zahnbürste und presste umständlich Zahnpasta aus der Tube, die er auf den Borsten verteilte.
Wie viel Zeit blieb ihm noch, bis Viktor Vico ihm jemanden auf den Hals schicken würde? Zwei Tage? Vielleicht drei? Eine Woche? Wohl eher nicht. Nie im Leben eine ganze Woche.
Er spuckte in das Waschbecken und beobachtete verdrießlich, wie der Schaum, gepaart mit Speichel und ein wenig Blut seines Zahnfleisches zäh den Abfluss hinunter floss.
Er konnte nicht glauben, in was er sich da hinein katapultiert hatte. In seinem Leben war er noch niemals so in Schwierigkeiten geraten.
Es war ein Fluch.
Was immer er auch in dieser Sache in die Hand nahm, es ging in die Hose. Und wenn er an den Einbruch bei der jungen Frau dachte, so war das sogar buchstäblich zu nehmen.
Er war angewidert von sich selbst.
Verschlafen taumelte er ins Schlafzimmer, suchte sich seine Hose und seine Socken zusammen.
Er hatte gerade seinen Gürtel umgeschnallt, als es an der Tür klingelte.
Brummelnd tapste er zur Tür und schaute durch den Spion. Der Mann vor der Tür machte keinen Vertrauensvollen Eindruck.
„Was kann ich für sie tun?“
Der Andere kramte in seiner Manteltasche und beförderte eine Polizeimarke zu Tage, die er demonstrativ vor die Linse des Spions hielt.
„Ich würde gerne ein paar Worte mit ihnen reden. Wenn sie nicht bereit sind, die Tür zu öffnen, muss ich sie bitten, ein paar Schritte zurück zu treten, Sir.“
Ok, das wars. Waren sie ihm so schnell auf die Schliche gekommen? Hatten vielleicht Kameras alles aufgezeichnet. Seinen Einbruch bei der Amerikanerin und dazu noch sein peinliches Auftreten.
Am besten noch, wie er sich in die Hose gepisst hatte.
Das wäre wirklich eine Ironie des Schicksals, wenn man bedachte, dass er derjenige sein sollte, der mit Hilfe aller möglichen Kameras andere ausspionierte.
Klivebacker spürte wie alle Hoffnung von ihm ab fiel. Allerdings, vielleicht......war das alles nun doch eine glückliche Fügung.
Wenn er dem Mann nur sagen konnte, wie alles kam und wer eigentlich dahinter steckte, dann hatte er möglicherweise eine Chance zu überleben. In einem Kronzeugen Schutzprogramm oder ähnliches. So war es doch auch immer in den Filmen, oder? Man konnte ein neues Leben beginnen.
War das ein Funken Hoffnung, den er da verspürte? Ein kleiner Lichtblick am Horizont?
Er entriegelte das Schloß und öffnete.
„Bitte kommen sie rein. Ich glaube, ich weiß sehr wohl, worum es geht.“
Der Mann nickte und steckte seinen Ausweis wieder in die Manteltasche.
Klivebacker ging ins Wohnzimmer vor und ließ sich seufzend auf das Sofa fallen. Der Mann folgte ihm und bevorzugte es zu stehen. Mit ruhigem Gesichtsausdruck sah er Klivebacker an, der sein stoppeliges Gesicht in den Händen vergrub.
„Ich kann ihnen eine Menge erzählen, wenn sie wollen. Aber ich will Sicherheiten.“, begann er ohne Umschweife. Es gab ja doch keinen Ausweg.
Der Mann betrachtete ihn aufmerksam. Seine Miene verriet nichts. Keine Regung. Die Augen des Mannes ruhten auf ihn und schienen ihn durchbohren zu wollen. Klivebacker zweifelt und wurde unruhig. Wieso sagte er denn nichts?
Dann, nachdem Klivebacker schon nahe dran war, sich nochmal die Marke zeigen zu lassen, kam endlich eine Reaktion des Mannes.
„Sie haben die Pläne über ihren Kontaktmann bekommen?“
Klivebacker zog die Augenbrauen hoch.
„Ich sollte nur Kameras installieren. Sonst nichts. Aber dann habe ich diese Ungereimtheiten entdeckt. Da steckt mehr dahinter. Ich bin so gut wie tot, wenn ich nicht bis spätestens Morgen ein Bild liefern kann.“
Der Polizist setzte sich nun doch und schlug die Beine übereinander.
„Nicht so gut wie...“, sagte er und alles, was Klivebacker dann noch sah, war der Lauf eines Revolvers.
Er dachte noch, wie beeindruckend dieses im Durchmesser winzige Loch war, so viel beeindruckender als jede Kluft, in die man blickte und dass er es sich hätte eigentlich denken können.
Für den Bruchteil einer Sekunde heulten die Tiere in ihm im Gleichklang des Schusses auf, ehe sie für immer verstummten.
Thomas T. Klivebacker war nie ein spektakulärer Mann gewesen und genau so unspektakulär sank er auf den Kissen seines Sofas zusammen.
Und als der Mann die Waffe wieder wegsteckte, bildete sich auf Klivebackers nackter Brust eine unspektakuläre aber beinahe hübsch an zu sehende Blüte, deren Kelch ein schwarzes Loch war, und deren Stängel ein markanter Faden roten Blutes, welches sich an seinem Hosenbund sammelte.

**

Die Waffe lag schwer in seinem Halfter. Schwerer wie zuvor. Er versuchte, Klivebacker nicht an zu sehen und drehte sich einmal um seine eigene Achse. Er brauchte nur wenige Minuten, bis er in dem übersichtlichen Haushalt des toten Mannes die Pläne gefunden hatte. Klivebacker hatte sich wahrlich nicht die Mühe gemacht, sie zu verstecken.
Das lustige war, dass ein Verbrecher, wie Klivebacker einer war, in den wenigsten Fällen damit rechnete, selbst Opfer eines Verbrechens zu werden.
Nun, er sollte in den letzten Augenblicken seines Lebens noch etwas dazu gelernt haben.
Er musste schmunzeln. Klivebacker war ein Idiot gewesen, aber er hatte zu guter Letzt noch seine Hoffnung in die Justiz gesetzt. Wie so viele vor ihm.
Er setzte sich an Klivebackers Schreibtisch, öffnete einen der beiden Laptops, klickte einige der Dateien an und las interessiert die letzten Aufzeichnungen und Notizen.
Dann begann er, alle Dateien zu löschen. Eine nach der anderen.
Nach vier Minuten zog er den Stecker, wischte mit einem Taschentuch über die Tastatur und dem Touchpad, ebenso über die Stuhllehne, die er angefasst hatte, um den Stuhl zurück zu ziehen.
Als er nach insgesamt sieben Minuten Klivebackers Wohnung verließ, hatte sich sein Herz wieder ein wenig beruhigt.
In seiner Manteltasche knisterte das mehrfach gefaltete Papier der Pläne und flüsterte ihm Mut und Zuversicht zu.
Alles würde gut werden. Letztendlich würde alles irgendwie gut werden.

**

Während Klivebacker seinen letzten Atemzug tat, stopfte sich Mogi ein Hörnchen in den Mund. Er kaute umständlich darauf herum und wunderte sich wieder, wieso es im Mund immer irgendwie mehr wurde.
Er schluckte hart an dem Brocken und hielt sich die Hand auf dem Bauch. Junge, eigentlich hätte er gerne mehr Zeit fürs Frühstück gehabt, aber er wollte mit Souta reden bevor dieser zum Dienst erschien. Also war er wie alle Japaner...nein, alle Menschen auf der Welt, sich quasi noch die Jacke im Laufen anziehend aus die Tür gerannt, kaufte unterwegs irgendeinen Happen und würgte diesen mehr oder weniger trocken herunter, weil er nicht das Kleingeld hatte, sich einen Tee zu kaufen.
Doch wie gesagt, jetzt um diese Uhrzeit....er schaute auf die Uhr, viertel vor acht,... machten das alle Menschen auf der Welt so. Außer die Inder. Er hatte noch nie einen Inder in Eile gesehen. Ganz abgesehen davon, dass er nur drei echte Inder kannte womit er, was er nicht wusste, schon überdurchschnittlich viele indische Mitmenschen kannte als der Rest der japanischen Bevölkerung.
Mogi schüttelte den Kopf. Warum zum Teufel er jetzt darüber nachdachte, war ihm ein Rätsel.
Er versuchte schon den ganzen Morgen Aizawa zu erreichen, gab es aber auf, nachdem ihm seine Frau erläuterte hatte, dass dieser längst zum Dienst war.

Mist...war ja klar. Aizawa hatte auch seinen Job und konnte sich nicht ständig für ihn zur Verfügung halten.
Also wählte er Soutas Nummer, die er von Mattie bekommen hatte, während er den Schlüssel seines Wagens ins Schloss fummelte.
Er ließ es acht mal klingeln, dann gab er auf.
Ok, der also auch nicht. Mogi stöhnte. Er musste sich schon mit Near auseinander setzten. Der kleine Niemalsschläfer wollte alles über den Stromausfall wissen und wie es der Teufel so wollte.... er wusste nichts darüber, außer der Tatsache, dass er vor der Tür stand und nicht reinkam.
Es war pures Glück, dass Aizawa da war, um Souta im Auge zu behalten. Es tat Mogi lediglich leid, dass sein alter aber offenbar nicht älter gewordener Kollege seinen ursprünglichen Plan ändern musste, um Klivebacker für ihn im Auge zu behalten. Wäre Mogi nur einige Minuten früher da gewesen, hätten sie sich die Arbeit teilen können.
Er hatte dem Ausfall nicht einmal besonderer Bedeutung bei gemessen. Die Zeit, in der sie dort noch als Team gearbeitet hatten, gab es auch Stromausfälle.
Er konnte sich an einen erinnern, den Matsu einmal herbeigeführt hatte. Was war das noch?
Tee auf einen Rechner?
Kaffee auf einen Server?
Er wusste es nicht mehr. Nun ja, wie sagte Near noch? Man wurde eben nicht jünger.
Dann gab es noch einen weiteren mitten in der Nacht, als er sich wieder einmal eine Nacht mit Ryuzaki um die Ohren schlug. Dieser wurde aber von L persönlich herbeigeführt. Der junge Mann kam damals aufgebracht aus dem Bad. Was er dort tat, um das gesamte Stockwerk in Finsternis zu hüllen, blieb bis heute sein Geheimnis.
„Also Stromausfall.“, murmelte der „Große“ und ließ den Wagen an. Mit irgendetwas musste er ja heute wohl beginnen.
Es sollte eine Kleinigkeit sein, zumindest das in Erfahrung zu bringen.
Als er los fuhr....unangeschnallt...puhlte er sich immer noch Hörnchenreste aus den Zähnen und schwor sich zum hundertsten Mal, sie nicht noch mal zu essen.


**

Die Frau blickte auf seine Marke und lächelte ihn geschäftsmäßig freundlich an. Er konnte ihre ebenmäßigen und sehr weißen Zähne sehen und fragte sich unwillkürlich, was so was wohl kosten mochte.
„Ja, der Stromausfall gestern hat uns ein bisschen durcheinander gerüttelt. Sie müssen wissen, dass wir sehr empfindliche Gerätschaften hier haben.“
Mogi gab sich Mühe, nicht auf ihre blendenden Zähne zu starrten und zwang sich, ihr in die Augen zu sehen.
„Er hielt ein paar Minuten an?“
Die Frau....Mogi las auf ihren Namensschild den Namen Allica Rayle, machte ein nachdenkliches Gesicht. „Nun, ich würde sagen...vier – fünf Minuten? Pures Geld. Jeder Ausfall hier geht in die zigtausende Dollar.“
Mogi nickte verständnisvoll.
„Haben sie denn die Ursache finden können?“
Allica schien diese Frage nahezu zu kränken. „Nun, die Ursache lag wohl im achten Stockwerk. Aber bevor wir das genauer analysieren konnte, war der Strom auch schon wieder da.
Mogi hatte den Wunsch, sich mit der flachen Hand an die Stirn zu schlagen.
„Achter Stock?“ Er hätte es sich denken können.
„Wenn sie wollen, kann ich ihnen.....“
Mogi winkte ab.
„Danke. Mittlerweile finde ich alleine rauf.“

**

°Mattie, es ist sehr wichtig, dass wir miteinander reden. Ich weiß noch nicht, wie ich es anstellen soll, aber.…°
Sie wandte sich ab und suchte unterm Wohnzimmertisch nach ihren Schuhen.
Ryuzaki lief ihr nach.
°Wenn wir keine Möglichkeit finden, miteinander zu kommunizieren, weiß ich nicht, wie ich die Dinge in Erfahrung bringen kann, die ich wissen muss. Ich weiß nicht mal, welches Jahr wir haben.°
Matties Gesicht erhellte sich. Sie ließ sich auf alle Viere, und schließlich sogar auf den Bauch nieder und hantierte mit einem Arm unterm Sofa rum.
„Ich ...hab...ihn...fast...“
Ryuzaki rollte mit den Augen.
°Ich brauche uneingeschränkten Zugang zum Internet.°
Mattie jauchzte auf und brachte ihren ersten Schuh zu Tage. Siegessicher und Motiviert ging sie wieder Bauchwärts.
Ryuzaki sah ihren Hintern hin und her schwenken.
°Im Internet sind Daten hinterlegt. Außerdem kann ich mich in beinahe jeden Computer haken. Und ich dachte da vor allen an die Ermittlungsdatein des Kira Falls.°
„YEA!“, triumphierte Mattie und kroch wieder unter dem Sofa hervor.
„Ich bin siegreich gegenüber dem üblem Sofamonster, dass Schuhe frisst!“, rief sie aus und streckte den Schuh in die Höhe.
°Sie haben wahrlich ein Problem, über das sie mit einem Spezialisten reden sollten.°
Mattie sprang auf und stieg in ihre Pumps.
°Ich kann ihnen nur empfehlen, es mal ohne zu probieren. Ihre Denkfähigkeit wird sich um einiges erhöhen. Und ich habe das Gefühl, dass das notwendig sein wird.°
„So Geist, ich muss arbeiten. Ich bitte dich, keinen Bockmist zu bauen.“
Ryuzaki machte ein grimmiges Gesicht.
„Ich habe dir Kaffee hingestellt und neuen Süßkram gekauft. Also sei ein braver Geist.“
Sie schnappte sich ihre Tasche, öffnete die Tür und ….

**
….Mogi stolperte zurück. Er war ein 1.86 m Mann, aber die kleine Mattie war ihm mit so einer Wucht in die Arme gelaufen, dass er fast den Boden unter den Füßen verlor.
Wild ruderte er mit den Armen.
Die junge Frau hatte erschrocken aufgeschrien und schlug dem großem Mann gegen die Brust.
„Mr. Mogi! Was zum Teufel denken sie sich? Ich hatte fast einen Herzinfarkt!“
Mogi musste unwillkürlich grinsen.
„Glauben sie mir, Mattie, dass habe ich in meinem Leben schon öfter gehört.“
Freundlich aber bestimmt dirigierte er sie zurück in die Wohnung.
„Bitte nehmen sie sich doch ein paar Minuten für mich.“
Mattie seufzte.
„Ich werde wegen dieser blöden Sache noch meinen Job verlieren.“ Mattie warf ihre Tasche auf die Kommode.
„Wenn ich irgendwas gemacht habe, wofür ich verhaftet werden muss, dann machen sie das. Ansonsten....“
Mogi kannte solche Diskussionen zu gut. Im Regelfall brachte nichts, darauf ein zu gehen.
„Erst komme ich hier an, weil sie den Alarm auslösen, dann muss ich hören, dass sie das ganze Haus lahm legen. Ich frage mich ernsthaft, wie sie das angestellt haben.“
Er wählte ganz bewusst genau jene Taktik, sie glauben zu lassen, dass es keinen Zweifel daran gab, dass sie dahinter steckte.
Mattie stirrte ihn mit offenem Mund an. Für einen Moment sah sie aus wie ein Fisch auf dem Trockenen.
„Also.....pfff....Mogi....wissen sie..“
Der große Japaner verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich warte.“
Mattie rollte mit den Augen wie ein Kind.
„Wissen sie...erst verdächtigen sie meinen Freund der Industriespionage....“
„...ihren Freund? Ich wusste gar nicht, dass er ihr Freund ist...“
„Was nicht ist, kann ja noch werden, oder?“
Mogi zwang sich, ernst zu gucken.
„Und dann kommen sie hier rein und …..beschuldigten uns des.....des....des Stromausfallsdingsda!“

“Stromausfallsdingsda?“

„Stromausfallsdingsda?“ Nun musste Mogi doch schmunzeln.
„Nun, Stromausfalldingsda ist ja meiner Erkenntnis nach ja kein Verbrechen. Industriespionage ist es allerdings und wenn es hier Schwankungen im Stromnetz gibt, muss ich mir Gedanken darüber machen. Setzten wir uns doch.“
Mattie stöhnte.

Sie setzte sich auf ihren Lieblingssessel und bot ihm keinen Kaffee an. Mogi blickte sich um.
Es waren gleich zwei Sachen, die ihm auffielen. Einfach auffallen mussten, als Polizist und als guter, wie er hoffte, durften ihm solche Sachen nicht entgehen.
„Ist noch jemand hier, Miss . Holmes?“
Mattie zog die Stirn kraus. „Nein, ich lebe hier allein. Es sind auch keine Mitbewohner erlaubt. Sie wissen ja...alles streng geheim hier und so.“
„Ich fragte, ob noch jemand hier ist, nicht ob sie mit jemanden zusammen leben.“
Sein Tonfall wurde ungewöhnlich streng und Mattie merkte das.
„Mr. Mogi. Es ist niemand hier. Meinetwegen durchsuchen sie doch die Wohnung. Sie werden niemanden sehen.“
Sehen? Sagte sie „niemanden sehen?“
Das war eine recht ungewöhnliche Formulierung.
Mogi stutze und im gleichen Augenblick bekam Mattie einen Schreck. Wenn er jetzt die Wohnung wirklich durchsuchte, würde er feststellen, dass der Schrank auf war!
Sie stand auf und sah nicht ohne Entsetzten, dass der große Mann seine Hand auf die Waffe legte und ebenfalls auf stand.
„Mein Gott, Mogi. Wollen sie mich erschießen? Ich bins nur!“
„Ich habe ihnen eine klare Frage gestellt und erwarte eine klare Antwort. Sind sie alleine in dieser Wohnung.“
Mattie bekam es mit der Angst zu tun.
„Ich bin alleine in der Wohnung. Es ist niemand außer mir hier. Ich schwöre es.“
Mogi nahm die Hand von der Waffe.
„Mattie. Hier auf dem Tisch steht eine Tasse frischer Kaffee. Er ist noch warm. Als wir rein kamen, lief der Fernseher und hier steht ein Teller Dounats. Das Licht war an. Wozu das, wenn sie die Wohnung verlassen?“
Damit hatte sie nicht gerechnet. Wer zum Teufel schaut auch auf sowas? Nun ja, er war Polizist. Wahrscheinlich war er darauf geschult.
Wortlos sah sie ihn an. Was sollte sie auch sagen.
Mogi setzte sich wieder. Er seufzte und fuhr sich durch das dunkle Haar.
Seine Resignation stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Mattie. Ich bitte sie. Ich möchte ihnen doch helfen. Es ist bei ihnen eingebrochen worden. Sie konnten mir von L erzählen, haben Kontakte zu den Männern, die wir verdächtigen....Sie sind eine junge, intelligente Frau....“

°Nicht voreilig schlussfolgern, Mogi…°

„.....und ich bin mir sicher, sie wollen gar nicht in Schwierigkeiten geraten. Sie sind da nur irgendwie rein gerutscht.“
„Ich BIN nicht in Schwierigkeiten.“
Mogi haute mit den flachen Händen auf die Knie und stand auf. Er griff hinter sich und holte ein Paar Handschellen hervor, die Mattie ungläubig anstarrte.
„Martina Holmes. Hiermit nehme ich sie unter Verdacht der Beihilfe der Industriespionage vorläufig fest.“
Mattie klappte der Kiefer runter.
„Mogi! Was soll das? Wieso nehmen sie nicht den Typen fest, der bei mir eingebrochen ist? Was ist denn das für ein Land hier? Sie sagten doch, sie hätten einen Verdacht, wer das war. Wie kommt es dann, dass sie DEN nicht festnehmen. Ich glaube, ICH muss die Polizei rufen und SIE festnehmen lassen.“
„Wenn sie mir nicht sagen können, was hier los ist, ist das mein letztes Wort, Mattie. Und sie haben keine Ahnung über unser Land. Wir lassen nicht mit uns spaßen. Wenn wir einmal jemanden einbucht haben, dann kommt man so schnell nicht wieder raus. Und kennen sie japanische Gefängnisse?“
Mattie ballte die Fäuste.
„Ich bin amerikanische Staatsbürgerin.“
Mogi Stimme wurde leise und bedrohlich.
„Das ist uns scheißegal.“
Mattie schwieg. In ihrem Kopf drehte es sich. Würde er das wirklich wahr machen? Würde er sie einbuchten? Und wie waren japanische Gefängnisse?
Sie schluckte trocken und ließ die Hände sinken. Wie sehr sie sich wünschte, Souta wäre hier. So langsam wurden ihre Augen feucht und Mogi gab sich alle Mühe, knallhart zu bleiben.
Sie sah es in seinem Gesicht. Er würde ernst machen.
„Also gut.....also gut, Mogi. Aber ich glaube, es ist besser, wir setzen uns wieder. Im Stehen kippen sie mir doch nur aus den Latschen.“

**

Rheiner fluchte leise. Es war nicht zu übersehen, dass die Japaner unter „direkter Nachbarschaft“ zu einem Gebäude etwas andere verstanden als die Amerikaner.
Er war nun wirklich in die Verlegenheit geraten, einen Stadtplan zu kaufen. Ein Taxi wollte er sich nicht nehmen, da er nicht unbedingt von einem Taxifahrer auf der Fahrt dahin gesehen werden wollte. Ein amerikanisches Gesicht würde sich hier jeder sicher schnell merken können, wenn er nicht das Glück hatte, dass es Japanern wie anderen Volksgruppen ging, bei denen auf den ersten Blick alle anderen gleich aussahen.
Aber er kannte seine optischen Vorzüge, die ebenso als Nachteile in seinem Job gelten konnten.
Seine Augen. Die Meerwasser farbenen Augen, ein helles Azurblau.
Dazu noch seine Größe und schon war er identifiziert. Nein, dass konnte er sich nicht wirklich erlauben.
Also setzte er sich auf die einzige Parkbank, die frei war und faltete den Plan auseinander.
Neben ihm auf einer anderen Bank unterhielten sich zwei ältere Frauen in der fremden Sprache und wenn er aufblickte, konnte er ein paar Kinder mit Stöcken spielen sehen. Sie hatten offenbar ein Loch gefunden, in dem man herum pulen konnte.
Die Sonne stand im genau den richtigem Winkel um ihm die Wangen zu wärmen und gleichzeitig zu warnen, sich nicht zu lange ungeschützt ihrer aus zu setzten. Es würde heute warm werden. So viel war mal sicher. Eines der Kinder schrie irgendetwas und schlug den anderen Jungen mit dem Stock, der daraufhin zu weinen begann.
Sogleich sprang die ältere der beiden Damen auf und huschte über die perfekte Rasenfläche auf die Kinder zu.
Sie schimpfte und es klang hart.
Rheiner schüttelte den Kopf und versuchte sich wieder auf seinen Stadtplan zu konzentrieren.
Er war dort.....und da musste er hin.
So auf dem Plan war das keine große Sache. Ein paar Straßen und er wäre da.
Genüsslich lehnte er sich zurück und betrachtete noch eine Weile das Schauspiel der fremden Menschen in der fremden Stadt eines fremden Landes in der er der einzig wirklich fremdartige war.

**

Die Mauern des Gebäudes ragten über ihm empor wie eine riesige Flutwelle. Rheiner schirmte die Hand gegen die Sonne und neigte den Kopf leicht nach rechts.
Es war imponierend. Die Fenster gen Westen gerichtet blickte es durch dutzende Augen auf geschäftige Metropole der Stadt und wollte es verhöhnen. Wie sicher und stolz es dastand, in all seiner Pracht, mit seinem kleinen und so tödlichem Geheimnis.
In einem der oberen Stockwerke öffnete jemand ein Fenster, so das sich der Winkel des Glases neigte und als das Licht der Sonne sich für den Bruchteil einer Sekunde darin brach, schien es, als würde das Haus ihm zuzwinkern.
„Wartest du auf mich?“, fragte er und grinste.
Das würde nun zu seinem Spiel werden und das Haus zu seinem Spielfeld.
Er schlug den Kragen seines Mantels hoch und surrte den Gürtel seines Mantels fester.


Die Inneneinrichtung war nicht wirklich so, wie er es sich vorgestellt hatte. Alles war so unglaublich Modern und schlicht, dass es der Ungewöhnlichkeit des Gebäudes trotze wie eine Zahnlücke in einem hübschem Gesicht.
Er wandte sich nach Links zu der Briefkastenwand und suchte nach Klivebackers Namen.
Sechster Stock. Im Grunde wusste er es, aber es noch einmal zu lesen gab ihm die Sicherheit die er brauchte.
Er brauchte nur einen weiteren flüchtigen Blick in die Runde um zu erkennen, dass er nicht ohne weiteres nach oben kam.
In diesen Dingen war er genau so geschult wie Mogi.
Zum einen kam man nur durch einen Metall Detektor überhaupt in den eigentlichen Komplex hinein, zum Anderen standen zwei uniformierte Männer links und rechts davon, ein weiterer treib sich in der Halle rum.
Sicherheitskräfte des Unternehmens, schätze er.
Wahrscheinlich nicht sehr gut ausgerüstet und für einen eventuellen Ernstfall schlecht Vorbereitet.
Das würde ihm zugute kommen.
Nun, er brauchte keine Waffe um Klivebacker den Weg ins nächste Leben zu ebnen. Jeder hatte Zuhause irgendwelche Messer oder Kabel, mit dem sich die Sache ebenso erledigen ließe. Aber er würde erkannt werden.
Über den Köpfen der Menschen hier waren mindestens 5 Kameras angebracht, drei weitere im Treppenaufgang und in den Fahrstühlen vermutete er weitere.
Von hier aus war nicht so ohne weiteres ein Weiterkommen.
Rheiner machte das nichts aus. Er hatte seine Mittel und Wege und war schon in besser gesicherte Anlagen gekommen.
Auf dem Weg ins Gebäude war ihm schon die Tiefgarage aufgefallen und er nickte ein paar Menschen freundlich zu, als er sich auf den Weg dorthin machte.

Die Garage war weniger gesichert wie der Eingangsbereich, aber dennoch gut genug. Er sah vier Kameras. Eine an der Ausfahrt, eine an der Einfahrt. Eine über dem Zugang zum Treppenhaus und eine über den Fahrstühlen.
Am Treppenausgang lag ein kleines Wachhäuschen mit einem gelangweiltem Angestelltem darin. Er las in einem Comic...nein, Manga, verbesserte sich Rheiner in Gedanken. Er konnte die Monitore der Überwachungskameras sehen.
Sie zeigen das Treppenhaus und natürlich die Ein und Ausfahrten der Garage.
Rheiner vermutete, dass alles von alledem aufgezeichnet wurde. Und , was das wichtigste war. Im Wachhäuschen selbst waren keine Kameras angebracht.
Er blickte sich um und fand augenblicklich, wonach er gesucht hatten.
Mercedes, S Klasse, Mattschwarz, getönte Scheiben, Alufelgen...
Er grinste.

**

„Sind ...sind sie noch da?“
Mattie machte sich langsam Sorgen um Mogi. Seid sie mit ihrer Story fertig war, starrte er sie gute 4 Minuten einfach nur an.
Nun blinzelte er und machte den Mund auf um etwas zu sagen.....schloß ihn wieder....machte ihn wieder auf...wie ein Fisch auf dem Trockenem.
„Möchten sie etwas sagen? Soll ich ihnen was zu trinken holen?“, wollte sie besorgt wissen.
Mogi klappte der Mund wieder hörbar zu.
Er schluckte, fuhr sich mit der Zunge über die spröde gewordenen Lippen und versuchte es erneut mit dem Wiederfinden seiner Sprache.
„Ähm....gut,...Okeeeyyy.“
Wieder schluckte er.
„Jaaa.....hm....gut.“
Mattie hatte ernsthafte Bedenken, dass das so schnell was werden würde.
„Ich geh mal pinkeln.“, verkündigte sie und ließ den kräftigen Mann sitzen.
„Sicher....“, erwiderte er. Nicht wirklich hörend, was sie sagte.
Sein Hirn war im Moment nichts weiter als eine durchgeknetete, nutzlose Masse skurrilen Wissens, das er verarbeiten musste.
„...Ja....okeeyy.“, wiederholte er, als Mattie kurz darauf zurück kam.
„Ich...ich will das ganze mal kurz Revue passieren lassen, damit ich verstehe, was hier vor sich geht.“
Mattie setzte sich entspannt und lächelte ihn aufmunternd an. „Nur zu.“
„Sie sind hier eingezogen und hatten die ganze Zeit das Gefühl, dass sie beobachten werden und als sie unter der Dusche kamen, war ein „L“ an den Spiegel gemalt und dann kam ihnen der Codekasten in den Sinn, und sie glaubten, jemand würde durch den noch in die Wohnung kommen. Soweit richtig?“
„Alles korrekt.“
„Also haben die den damaligen Sicherheitstechniker rufen lassen, der ihnen ermöglicht hat, einen neuen Code ein zu geben aber als sie dann Abends wieder nach Hause kamen und den Code eingeben wollten, ging der Alarm los.“
„Ganz genau.“
„Sie riefen Souta an und dieser löschte wieder alle Daten und erzählte ihnen, dass er während der Löschung der alten Daten und der Eingabe der neuen Daten angegriffen wurde von einer.....sagen wir mal...unsichtbaren Macht.“
„Genau so.“
„ Darauf hin erzählte er ihnen von der Geschichte seines Schwagers, der einen jungen Mann in Verdacht hatte, L zu sein, der seinerzeit, als dies hier gerade gebaut wurde, besonders auffällig war, weil er nach den Zellen fragte., und das dieser junge Mann eines Tages als unidentifiziert nach der Kira Verhaftung in der Zeitung abgebildet war. Dieser war hier im Gebäude gestorben.“
„Immer noch richtig.“
„Und weil Souta merkte, dass er beobachtet wurde, haben sie ein Bild von mir..schlafend! Im Wagen gemacht, weil L es so wollte, um mich zu identifizieren.“
„Stimmt so.“
Mogi nickte.
„Also, ich fasse kürzer zusammen. Weil es einen technischen Defekt mit dem Kasten gab, sie einen Haken am Spiegel entdeckt haben, den sie vermutlich beim Ausziehen ihrer Kleidung selbst dran gemacht haben, und weil sie unter paranoidem Wahnsinn leiden und Souta unter berechtigten Verfolgungswahn, da er vermutlich in Industriespionage verwickelt ist...glauben sie, einem großem L Verschwörungsgeheimnis auf der Spur zu sein und riskieren deswegen ihr Leben. Das nun in Gefahr ist, wie wir durch den Einbruch wissen, weil sie sich mit Leuten abgeben, die eben in diesem Fall verwickelt sind?“
Mattie war sprachlos. Zum Unglück der Bevölkerung des jeweiligen Landkreises, in dem sie sich auffielt, war das kein Zustand von Dauer.
„MOGI! Haben Sie mir nicht selber erzählt, dass L in diesem Gebäude gestorben ist?“
Mogi musste nicken, das stimmte.
„Aber das ist mittlerweile ein offenes Geheimnis, Mattie. Das sind Diskussionen, die durch alle Sender gingen!“
Mattie schnaufte und sprang auf die Füße.
„Gut...gut, wie sie wollen, Mogi! Ich bin froh, dass ich ihnen nicht den Rest erzählt habe!“
Mogi glotze sie an und gab einen grunzenden Laut von sich.
„Es gibt einen REST?“
„Ja, sehr wohl! Und den können sie sich ansehen. Dann müssen sie sich meinen „paranoiden Wahnsinn“ nicht mehr anhören!“
„Gut.“
„Ja allerdings.“
„Klasse, dann mal zu.“
Mattie knurrte. „ Dann mal los.“
Mit energischen Schritten trampelte sie ins Schlafzimmer. Mogi folgte ihr und Ryuzaki folgte beiden.

**

Rheiner musste sich einen Augenblick wirklich die Ohren zuhalten. Der Alarm des Wagens war Wahnsinn. Vor allem in der Garage! Das Getöse wurde von den Wänden hundertfach zurück geworfen und dröhnte durch die schwach beleuchtete, künstlich geschaffene Höhle wie das Brüllen eines wütenden Bären.
Amüsiert sah er, wie der Wachmann aufsprang und verwirrt aus seinem Versteck stolperte. Rheiner blieb in Deckung und schlich hinter einer Reihe Autos zum Wachhäuschen, blickte hoch, sah den armen Mann hektisch um den Wagen rum laufen und rollte sich ins Innere der Wacheinrichtung.
Erst wollte er Vorsichtig sein, aber das brauchte er gar nicht.
Der Mann war so in Panik, dass er keine Angst haben musste, entdeckt zu werden.
Er grinste und schüttelte den Kopf. Er brauchte nur wenige Sekunden.
Er suchte auf der Anlage den richtigen Knopf und Drückte auf „Rec.“
Während die Aufnahme des Treppenhauses lief, schaute er sich belustigt das Theater am Wagen an.
Mittlerweile war der Mann auf die Idee gekommen, sein Walky Talky zu zücken und versuchte nun verzweifelt durch den Lärm hindurch, mit irgendjemanden Kontakt auf zu nehmen.
Rheiner wartete, bis der Mann das Ding wieder weg steckte. Er hatte eine 62 Sekunden Aufnahme des leeren Treppenhauses bis in das Erdgeschoß.
Zufrieden spulte er zurück und hockte sich hinter der Anlage. Er drückte erst auf Play, als der Mann schnellen Schrittes zurück kam.
Anscheinend war er zu der glorreichen Erkenntnis gekommen, dass er am Wagen nichts würde ausrichten können.
Nun kam es auf jede Sekunde an.
Er drückte auf Play, als der Wachmann an der rechten Seite des Häuschens angekommen war. Geschickte rollte er sich um die Ecke und ging in die Hocke.
Gerade rechtzeitig, denn nur den Bruchteil einer Sekunde später war der Mann auch schon an seinem Zugang zum Häuschen angekommen.
Rheiner schaute auf die Uhr. Noch 40 Sekunden.
Er blieb in Deckung, kroch an der Wand entlang und hielt den Kopf unten. Zwei mal holte er Luft.
Es waren keine Zwei Meter bis zum Treppenhaus. Er zog seine Schuhe aus, und lugte Vorsichtig durch das Fensterglas. Der arme Wachmann telefonierte eifrig und gestikulierte wild mit den Händen. Rheiner nutze die einzige Chance, die er nun hatte.
Kurz sah er auf die Uhr.
26 Sekunden. Zeit genug
Er duckte sich tiefer und sprintete auf Socken zum Treppenhaus, öffnete die Tür und dann rannte er.
Er hechtete die Stufen hoch, nahm zwei, drei auf einmal und erst als er völlig atemlos im Erdgeschoss ankam, lehnte er sich keuchend gegen die Wand. Er sah auf die Uhr und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Knapper hätte es nicht werden dürfen.
Hätte der Wachmann in diesem Moment, genau diesen, auf seine Monitore gesehen, wäre ihm noch der Zipfel eines Mantels aufgefallen. Aber vermutlich hätte er sich in der Aufregung nicht mal was dabei gedacht.

**
„Das ….das ist doch....“
Mogi wusste nicht, wo er zuerst hinschaun sollte.
„Mattie, das ist ja Wahnsinn.!“
Er war deutlich perplex.
„Hab ich auch gesagt. Ein paar Mal sogar.“
Sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse und streckte dabei die Arme von sich, als erwarte sie den Applaus ihres Publikums.
„Halten sie mich immer noch für eine paranoide Irre?“
Mogi zwinkerte ihr zu.
„Paranoid ….nein, nicht mehr.“
Mattie brauchte eine Weile, bis sie verstand.
„Oh..“
Der Japaner war zwischenzeitlich an der Tür angekommen. Neugierig schob er das Sichtfenster offen. Lustigerweise waren Mattie und Souta nicht mal auf den Gedanken gekommen.
Interessiert versuchte sie, einen Blick mit zu erhaschen.
„Und? Was sehen sie?“
„Die Zentrale. Die Überwachungszentrale. Wir sind immer von der anderen Seite rein gekommen. Ich wusste nicht mal, dass er einen Zugang zur Zentrale über sein Apartment hatte. Unglaublich.”
Mogi rüttelte am Türknauf aber natürlich tat sich nichts.
„Mattie. Wie kommen wir da rein?“
Sie guckte ihn verdutzt an.
„Aber das ist es doch. Wir haben keine Ahnung.“
Mogi rotierte. In ihm war ein Feuer entfacht, dass er schon nicht mehr zu spüren erhofft hatte.
„Haben sie irgendjemanden sonst davon erzählt. Ich meine, außer mir, Souta und Miko...“
„Mika.“, verbesserte sie ihn.
„Ok, meinetwegen. Haben sie?“
Sie schüttelte den Kopf. „Keiner Menschenseele.“
Seine Gedanken kreisten. Er merkte, wie etwas in ihm hoch kam, dass sich wie Wut anfühlen sollte, aber nach Abenteuer schmeckte.
„Belassen sie es dabei.“
Sie nickte eifrig. Er hatte sie mit seinem Feuer angesteckt und nun legte Kanzo Mogi seine riesigen Hände auf Matties Schulter.
„Mattie....wenn das hier was mit Industriespionage zu tun hat, will ich Betty Midler heißen.“
„okay!“, jauchzte sie mit strahlenden Augen. „In Ordnung.“

**

Rheiner war gut gelaunt aufgewacht. Er hatte sich gut gelaunt auf den Weg gemacht, er war gut gelaunt hier angekommen und gut gelaunt hatte er den Wachmann verarscht. Doch jetzt war seine Laune so was von im Eimer.
Aber so was von.
Ungehalten knirschte er mit den Zähnen und versuchte, wieder ganz ruhig zu werden. Ganz ruhig.
„Gut..“, sagte er und konzentrierte sich auf das Ordnen seiner Gedanken.
Irgendwer hatte ihm den Spaß genommen. Ist schon ok.
Aufgebracht trat er nach Klaivebackers Leichnam, der daraufhin nach rechts kippte und in einer bizarren Haltung verbleib.
„Scheißkerl!“
Rheiner sah sich um.
Wer immer hier war hatte gute Arbeit geleistet. Und musste vertrauenswürdig gewesen sein.
Keine Einbruchspuren, also öffnete Klivebacker seinem Mörder freiwillig.
Ein präzises Einschlussloch direkt ins Herz. Also jemand, der völlig emotionslos agierte und keine persönlichen Motive hatte.
Die Pläne brauchte er nicht zu suchen. Die waren weg, so viel war mal sicher.
Was noch blieb war die Erzählung Klivebackers über die junge Frau, bei der er eingebrochen war.
Rheiner ging seelenruhig in die Küche, öffnete den Kühlschrank, nahm sich etwas zu trinken und starrte dabei aus dem Fenster.
Diese Frau war die einzige Verbindung zu Klivebacker, die er hatte. Und das war besser als nichts.
Nun schön. Würde er eben mit ihr spielen. Er stellte das Glas ordentlich in die Spülmaschine, räumte sogar noch die drei Teller hinein, die auf der Arbeitsplatte standen, schaltete sie ein und marschierte zurück ins Wohnzimmer, wo er sich in aller Ruhe Klivebackers ID Card und seinen Schlüssel vom Tisch nahm. Er legte seine Waffe auf die Garderobe und zog sich erst, als er die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, seine Handschuhe aus.
Jetzt musste er erst mal eine Menge Besorgungen machen und sein Konterfei auf die ID Card bekommen.

**

Mogi sah auf die Uhr. Er hatte noch gute zwanzig Minuten, bis er sich bei Near melden musste. Er erwartete eine Aufklärung zu dem Stromausfall.
Jetzt hatte er ein Glas Wein vor sich stehen, dass er nicht anrührte. Er war im Dienst, wollte die junge Frau aber nicht beleidigen.
„Und sie hatten keine Ahnung von dem Gang?“
Mattie konnte es immer noch nicht glauben aber Mogi schüttelte den Kopf.
„Es gab einen Zugang über die Fahrstühle.“
Sie nickte. „Das wissen wir, aber wir kennen den Code nicht. Sie aber, Mr. Mogi, dürften ihn kennen.“
Ihr neuer Bekannter musste verneinen.
„Wir kannten alle den Code, aber er wurde automatisch gelöscht.“
„Wie das?“
Nun nahm sich Mogi ganz automatisch den Wein. Er trank einen kleinen Schluck und sah sie an.
„ Als L starb, sendete sein Hauptrechner, ohne das wir es zu dem Zeitpunkt wussten, eine automatische Mail an wichtige Leute, die somit erfuhren, dass er verstorben war. Er brauchte diesen Rechner lediglich 24 Stunden nicht zu benutzen, und die Mail ging raus.“
Der Japaner schluckte und sah in sein Glas. Die glitzernde Oberfläche der Flüssigkeit machte einen freundlichen Eindruck auf ihn.
„Automatisch wurden alle Daten und Zugänge gelöscht. Ich meine wirklich alles! Sämtliche Geheimakten, Dateien, Codes....einfach alles.“
Mattie setzte sich im Schneidersitz im Gegenüber und schaute ihn ruhig an. Sie merkte, dass er dabei war, wichtige, tiefe Dinge und Erlebnisse zu verarbeiten. Nun war keine Zeit für Fragen.
„Bei diesen automatischen Versendungen ging auch eine Mail an mich. Genauer gesagt, zwei Mails. Eine kam von Watari. Der alte Mann und ich hatte längere Unterhaltungen darüber, dass er darüber Nachdachte, L zu verlassen...bzw. Langsam aber sicher in Rente zu gehen. Er hatte mich mehr oder weniger dazu auserkoren, sein Nachfolger zu werden. Und.......“

**

….Watari lächelte ihn freundlich an. Sein immer irgendwie gütiges Gesicht zeigte die Anstregungen der letzten Wochen und Monate.
Der alte Mann setzte sich langsam und Mogi war versucht, auf zu stehen und ihm zu helfen.
Doch er ahnte, dass das falsch wäre.
Sie hatten sich heimlich getroffen. Hier in Wataris privatem Bereich, wo er weit weg von L und allem anderen war.
Es war schlicht die Wohnung eines alten und müden Mannes.
„Sie wissen, Mogi, ich werde diese Sache nicht mehr lange durchziehen können.“
Mogi wollte etwas aufmunterndes sagen. So was wie : Ich bitte sie, Sie werden uns alle überleben.“
Ließ es aber.
Statt dessen nickte er wie selbstverständlich.
Watari gab zwei Löffel Zucker in seinen Tee und bot Mogi ebenso Zucker an. Mogi lehnte dankend ab. Er hasste Zucker in seinem Tee.
Watari wusste das, tat es aber aus reiner Höflichkeit.
„Mogi, haben sie eine Vorstellung davon, wie lange ich an Ryuzakis Seite stehe?“
Mogi hatte nicht die geringste Vorstellung.
„Es sind nun 17 Jahre. 17 wirklich wundervolle Jahre.“
Nun staunte Mogi. DAS hätte er nicht erwartet.
Watari sah es in seinem Gesicht und lachte rau aber herzlich.
„Oh ja. 17 Jahre. Er kam zu uns als er acht Jahre alt war. Ein verängstigter kleiner Junge, der seltsam war und den niemand haben zu wollen schien. Mit den größten und klügsten Augen, in die ich je blicken durfte. Ein kleiner Junge, der zu mir gebracht wurde, ohne Socken, nur mit ausgetretenen Schuhen und einem so erstaunlichem Wortschatz, dass ich heute noch den ersten Satz weiß, den er zu mir sprach.“
Mogi wartet und lächelte.
„Es war: Mr. Wammy. Bitte seien sie so freundlich, mir zu sagen, ob ich hier ein Zuhause finde oder auch nicht. Sie haben ein freundliches Gesicht und ich möchte mich nicht daran gewöhnen, wenn ich nicht bleiben kann, damit ich es nicht vermissen muss.“
Es brach mir das Herz. Und natürlich, wie sie wissen, blieb er bei uns im Wammy House.“
Mogi wusste nicht, was das Wammy House war, aber er konnte es sich denken.
„Ein so ungewöhnlicher Junge...“
Watari versank in Gedanken an die frühen Zeiten und schwieg einige Augenblicke.
„Wie dem auch sei...“, nahm er seine Erzählung wieder auf. „Ich lernte sein außergewöhnliches Wesen kennen, seine ungewöhnliche Begabung und ließ ihn gewähren, förderte ihn und er wurde zu dem, was er heute ist.“
Mogi fragte sich kurz, was erstrebenswert daran war, einsam und verlassen, nur mit einem alten Mann an seiner Seite das Leben zu fristen, immer die Gewalt und das Schlechte vor Augen. Keine Freunde, keine Freundin....nichts außer dem Wesen der Menschheit, vor dem andere in Angst bei Nacht die Tür verschließen.
Plötzlich verstand er, warum der Junge so einen krummen Rücken hatte, auf der er sie ganze Last der Welt zu tragen schien.
Watari schien das nicht wirklich klar zu sein.
„Doch nun sehe ich, wie ich an Kraft verliere“
Mogi sah zu, wie der Mann einen Schluck seines Tees mit offensichtlichen Genusses trank. Er stellte die Tasse klappernd wieder auf die Untertasse.
„Mogi...L hält sehr viel von ihnen. Ist ihnen klar, wie sehr er sie schätzt?“
Mogi schüttelte den Kopf, aber da er schon einige auch sehr lustige Nachtschichten mit dem jungen Mann hinter sich gebracht hatte, schwarmte ihm, dass er ihn wohl mochte und vertraute.
„L redet sehr positiv von ihnen. Er ist überzeugt von ihrer Arbeit und ihrem Wesen. Ich würde gar behaupten, dass er ihre Anwesenheit sehr schätzt.“
Mogi war überwältigt. Ein warmes und zutrauliches Gefühl entwickelte sich in seinem Magen.
„Mogi, ich muss ihnen nun eine bedeutende Frage stellen. Ich brauche eine wichtige Entscheidung von ihnen. Vielleicht die Wichtigste, die sie je in ihrem Leben treffen müssen.“

**
„ Und so stellte er sie Frage.“, beendete Mogi seine Erzählung.
Mattie hatte feuchte Augen bekommen und wischte sich nun verfahren darüber.
„Er fragte, ob sie nach seinem Ausscheiden an seiner Seite stehen würden, nicht wahr?“
Mogi nickte so leicht, dass man es kaum wahrnahm.
„Doch es kam nicht mehr dazu.“

“Mogi, ich wusste nichts von alledem.“

Sie sah, wie er mit den Tränen kämpfte.
Sie selbst fühlte sich, als würde sie einen Heulkrampf bekommen.
Er sah sie an und lächelte leicht.
„Aber eigentlich wollte ich sagen, dass automatisch alle Codes und Daten gelöscht wurden. Und ich eben eine automatische Mail bekam, die mit versendet wurde.“
Mattie sah ihn an.
„Was war das für eine Mail, wenn ich fragen darf.“
Mogi zuckte mit den Schultern. „ Was ganz belangloses. Nur, das er mich um eine Entscheidung in Bezug auf L bittet.“
Mattie sah ihn an. Man merkte, wie in ihrem Kopf was arbeitete. Wie sie sich unter ihren Gedanken wandte.
„Mogi...wenn diese Mails nur rausgingen, wenn L offensichtlich tot ist, wieso zum Teufel ist sie dann mit im Versand? Wozu braucht er eine Entscheidung darüber, ob sie bei L blieben oder nicht, wenn L doch tot ist?“
Mogi zog die Stirn kraus. Auch in seinem Kopf war ein Zahnrad angesprungen...dieses setzte ein weiteres in Bewegung und jenes wieder ein anderes.


**
Ryuzaki hatte sich neben Mogi auf den Boden gesetzt. Sein Kopf ruhte auf der Armlehne des Sessels, auf dem der große Mann saß. Er hatte Tränen in den Augen und fühlte sich so unendlich einsam. Wie sehr er sich wünschte, etwas sagen zu können, Mogi sagen zu können, wie sehr er ihn mochte, wie sehr er sich gewünscht hätte, dass er bei ihm geblieben wäre.
Er fühlte sich, als habe er niemals etwas bedeutendes gesagt, weil er eben Mogi das nie hatte sagen konnte.
Überwältigt von seiner Traurigkeit legte er den Kopf auf Mogis Arm.
….

..und Mogi spürte es. Spürte es ganz genau...
 
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Kommentare  

Oh, sich als Polizist einzuschleichen, das ist wirklich sehr listenreich. Irgendwie bekommt man Mitleid mit diesem Klivebacker, obwohl er so ein Fiesling ist. Mattie und Mogi kommen immer besser miteinander klar und Ryuzaki schöpft Hoffnung. Werde bald weiterlesen.

Else08 (27.06.2011)

Ein schönes Kapitel, besonders der Schluss. Toller flüssiger Schreibstil. Werde bald weiterlesen.

Dieter Halle (11.06.2011)

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