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4 Seiten

Unser Lied

Trauriges · Kurzgeschichten
Sie hatten sich mal wieder gestritten und er war verschwunden. Jetzt war Mandy allein in ihrer kleinen Singlewohnung und rannte nervös durch die einsamen Zimmer. Auf dem Esstisch standen immer noch die Weingläser und die fast abgebrannte Kerze. Es hatte am Abend davor alles so harmonisch und schön begonnen. Nach dem Essen hatten sie es sich auf der Couch gemütlich gemacht. Sie hatte in seinen Armen gelegen und einfach den Moment genossen. Sie redeten über Gott und die Welt oder lauschten einfach nur der Musik im Hintergrund.
Und dann war es wieder passiert. Eine Kleinigkeit, ein dummer Satz von ihm und schon war sie explodiert und hatte ihn angeschrieen. Sie hatte es nicht so gemeint, aber wie immer in diesen schrecklichen Momenten konnte sie nicht zurück.

Er war von Anfang an so gut zu ihr gewesen, seit sie sich im dem kleinen Cafe gleich um die Ecke kennen gelernt hatten. Sie hatte wie immer allein dort gesessen und bei Cappuccino und Apfelkuchen ein Buch gelesen. Im Radio lief gerade ihr Lieblingslied und als er sie ansprach, war sie zuerst ein wenig wütend weil er ihre schöne Stimmung unterbrach. Doch als sie im Gespräch waren und er sagte, dass er schon ewig mal auf ein Konzert der Jungs wollte, da hatte er gewonnen. Sie unterhielten sich noch zwei Stunden in dem Cafe, bis er leider weg musste, doch das Lied sollte etwas Besonderes für sie bleiben.

Von diesem Tag an waren sie unzertrennlich. Wenn sie sich nicht sehen konnten, schrieben sie sich oder telefonierten stundenlang. Er hatte ihr durch seine Wärme und Liebe wieder auf die Beine geholfen und ihr wieder Halt gegeben. Doch sie hatte auch nach all den Jahren noch mit den Erinnerungen, den Narben der Zeit zu kämpfen und konnte einfach nicht an ihr Glück glauben. Ihr Misstrauen in ihn und die ganze Welt war immer noch zu groß.

Sie setzte sich auf die Couch, wickelte sich in ihre dicke mollige Wolldecke ein und wünschte sich nichts mehr, als dass er da wäre. Die Angst verletzt zu werden ließ sie immer wieder solche blöden Dinge tun, obwohl sie es gar nicht wollte. Sie fühlte sich wohl bei ihm, liebte ihn und doch überwog einfach manchmal die Angst wieder verlassen zu werden, erneut alles zu verlieren, obwohl sie genau wusste dass sie wohl nie glücklicher sein konnte als mit ihm.

Mandy hatte schon einige Male versucht ihn zu erreichen aber er ging nicht an sein Handy. Tom war nicht wütend gewesen nach ihrem Streit. Er war einfach nur geknickt und traurig gewesen, hatte sich ganz ruhig verabschiedet und war gefahren und sie hatte sich dafür gehasst weil sie genau wusste, wie schwer ihm das gefallen war. Und sie, sie saß nun alleine hier und verfluchte sich selbst, weil sie so dumm gewesen war. Sie machte den nächsten Versuch ihn zu erreichen, aber wieder nur die blöde Mailbox. Sie nahm all ihren Mut zusammen und sprach nach der ungeliebten, von jedem gehassten Ansage auf die Mailbox: „Hallo Tom. Ich bin es. Es tut mir Leid wegen gestern Abend. Ich hab mich ziemlich dumm benommen und wollte mich entschuldigen. Ich liebe dich und manchmal benehme ich mich, wie ein kleines gekränktes Mädchen, aber du kennst mich ja und weißt, dass es nicht so gemeint war. Also bitte melde dich bei mir. Ich würde mich sehr, sehr freuen. Ich sitze schon den ganzen morgen hier rum und vermisse dich. Sei mir bitte nicht böse.“
Sie legte das Telefon wieder auf seine Station und raffte sich von der Couch auf. Es ging ihr ein wenig besser. Sie konnte jetzt nichts weiter tun als auf ihn oder eine Nachricht von ihm zu warten. Nachdem sie die Bude aufgeräumt hatte, machte sie sich auf den Weg in die Stadt. Ein wenig bummeln und einkaufen würden sie wieder auf andere Gedanken bringen.

Als sie von ihrem Einkaufsbummel zurückkam, saß sein Bruder auf der Treppe vor ihrer Tür und sie wusste sofort, dass etwas Schlimmes passiert war.

Am Abend saßen die beiden immer noch zusammen. Die Tränen waren getrocknet aber ihre Augen immer noch rot und geschwollen. Toms Bruder war den ganzen Tag bei ihr geblieben und sie hatten zusammen geweint, geflucht und sich gegenseitig Mut gemacht. Sich über ihn unterhalten, über ihn gelacht, ihn bewundert und manchmal auch geneckt. Sie dachte an all die langen Telefongespräche und die Spaziergänge mit ihm. Sie hatte sich von Anfang an bei ihm wohl gefühlt und das Gefühl gehabt ihn schon ewig zu kennen. In schweren Zeiten hatten sie sich immer wieder gegenseitig Mut gemacht und waren füreinander da gewesen und er hatte nie aufgegeben, auch wenn sie ihn mal zurückwies. Er hatte zu ihr gehalten und ihr wieder das Schöne im Leben gezeigt, ihr immer wieder klar gemacht warum es sich lohnt zu leben. Es war als wäre er das Teil in ihrem Leben, das ihr immer gefehlt hatte und nun war diese Lücke geschlossen. Und jetzt sollte wirklich alles schon vorbei sein, nach so kurzer Zeit? Sie konnte es nicht glauben, dass diese Lücke wieder aufbrechen würde und er ihr für immer fehlen würde.

Auf der Autobahn hatte es einen schweren Unfall gegeben und wie es Toms Art gewesen war hatte er natürlich helfen wollen. Ein anderes Fahrzeug bremste zu spät und überfuhr ihn. Er war auf der Stelle tot.

„Weißt du was das schlimmste ist?“, fragte sie Toms Bruder und wieder wollten die Tränen fließen aber sie unterdrückte sie mit all ihrer Kraft. Er nahm ihre Hand, drückte sie sanft und schüttelte nur den Kopf. „Der Streit, dass wir an unserem letzten gemeinsamen Abend gestritten haben. Wir konnten uns nie voneinander verabschieden, das viel uns immer so unglaublich schwer und gestern Abend…, oh Gott, ich glaube damit werde ich am meisten zu kämpfen haben. Wir kannten uns erst sieben Monate und doch hat er mir so viel gegeben, mich in- und auswendig gekannt und es kam mir vor als wäre er schon immer in meinem Leben gewesen, und nun muss es so schrecklich enden.“
„Ach du weißt doch, wie er war. Er war einfach zu gut für diese Welt unser Tom und er konnte keinem lange böse sein. Er hat dich über alles geliebt Mandy und war verrückt nach dir. Das kannst du mir ruhig glauben. Auch er hatte es nicht immer leicht aber so wie in letzter Zeit hab ich ihn schon ewig nicht mehr gesehen. Er war einfach glücklich, liebte wieder die Welt und sah wieder das Gute und nicht mehr das Schlechte und das alles weil er dich gefunden hatte. Er hat nicht nur gegeben sondern auch viel von dir bekommen. Er war wieder ein verliebter kleiner Junge.“

Als die Tränen doch wieder ungehemmt fließen wollten, sich ihren Weg fast frei gekämpft hatten, läutete das Telefon. „Soll ich für dich rangehen?“, fragte Toms Bruder.
„Nein lass es einfach klingeln. Ich kann jetzt mit niemandem reden. Der Anrufbeantworter wird sich gleich einschalten.“
Aber der ging nicht an und als nach einer scheinbaren Ewigkeit endlich dieses nervtötende Klingeln aufhörte, ging sie langsam zum Telefon und hatte ein merkwürdiges Gefühl. Das rote Licht blinkte und es war eine Nachricht aufgezeichnet worden. Sie sah zu Toms Bruder hinüber: „Der Speicher ist voll, aber es ist nur eine Nachricht darauf und die kann doch nicht so lange sein oder?“
„Hör sie doch einfach ab.“, sagte er und musterte nun auch argwöhnisch das kleine schwarze Gerät.
Sie zögerte und drückte dann mit zittrigen Händen die Play - Taste: „Hallo Engel ich bin’s. Ich bin unterwegs zu dir. Hab gerade eben deine Nachricht abgehört. Ich hab mich sehr gefreut, dass du dich gemeldet hast. Ich liebe dich über alles Maus. Aber du musst endlich deine Angst überwinden und dein Leben wieder genießen. Es ist viel zu kurz um es mit Trauer und Angst zu verbringen. Lass dich wieder auf das Leben und die Liebe ein. Besser einen Tag voller Liebe, als ein ganzes Leben voller Angst und Zweifel. Ich muss dich wohl mal wieder an was erinnern: „Weil du liebst, weil du lebst, weil du glühst und vergehst wirst du geliebt, lass es passieren, lass die liebe regieren“.* Also ich liebe dich und werde ganz viel an dich denken und wie könnte ich dir böse sein, du bist doch mein Engel. Pass auf dich auf und bis später bei dir.“

„Was ist das Mandy?“, fragte Toms Bruder mit erstickter Stimme. „Unser Lied.“, sagte sie mit einem Lächeln im Gesicht, das nun begleitet wurde von befreiten Tränen, die ihr über die Wangen liefen.
Auf dem Anrufbeantworter lief bis zum Ende ihr Lied: „Lass die Liebe regieren von Madsen“, und sie hörten wie er im Auto das Lied laufen hatte und laut mitsang.

Anmerkung des Autors:
* Der Text stammt von Madsen aus dem Lied: Lass die Liebe regieren. Den Rest des wirklich guten Textes und das Lied findet man ganz leicht im Internet.
 
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Kommentare  

Hallo Petra, mal wieder danke fürs Lesen und Kommentieren. Wenn man die Geschichten schreibt hofft man ja auch, dass sie ankommen und was beim Leser auslösen und wenn dann auch noch die ersten grünen Punkte und auch mal ein Kommentar kommen, tut das schon gut.

Daniel Freedom (23.08.2011)

Eine traurige Story, schön und flüssig geschrieben.

Petra (22.08.2011)

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