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64 Seiten

Return to Home - Hinter feindlichen Linien (Part I)

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
-Beginn-

Der Flug durch das Wurmloch hatte es etwas von einem Ritt auf einem altmodischen mechanischen Bullen. Sofia schmunzelte innerlich an die Besuche im Pub, wo der mechanische Bulle stand. Es gab regelmäßige Wettbewerbe, wer am längsten im Sattel blieb. Veteranen wie Frischlinge, Rekruten und Kadetten, sie alle versuchten sich. Auch Sofia. Wenn man erstmal einen Ritt machte, wollte man gleich wieder in den Sattel.
Verblüffend was für eine Parallele sich zum wirklichen Leben ergab, wenn man darüber nachdachte. Niemals aufzugeben. Egal wo, egal wann.
Ja, die Grenzflotte wirkte auf den ersten Blick nicht erstrebenswert. Man konnte sie als ungeliebten Cousin der Vereinten Flotte sehen.
Obgleich sie ein Teil davon war. Hatte sich Sofia arrangiert? Vermutlich. Zur Grenzflotte kamen jene die mit Ach und krach den Flottenabschluss schafften, anderen gab man eine zweite Chance oder sollten dort auf ihren beschlossenen Flottenaustritt warten.
Gleichzeitig war die Grenzflotte eine Chance auf sich aufmerksam zu machen. In zweierlei Hinsicht. Positiv und Negativ. Doch in Zeiten wie diesen fiel der Grenzflotte größere Bedeutung zu. Alle mussten ihren Beitrag leisten. Schließlich ging es nicht um das Wohl eines Einzelnen, sondern um das Wohl aller. Menschen, Gvaner und Mischlingen gleicher Maßen.
Das machte die Raumschlacht von Silaa-Stern umso deutlicher.
Das Sternenreich Oclean samt ihren Verbündeten strebten nach mehr. Nach allem!? Und dabei ließen Sie sich nicht einfach niederringen. Es ging um alles oder nichts. Zumindest für die Union. Und Aquian. Niemand wünschte dem Sternenreich den Tod, ja den Untergang.
Wie es aussah, waren sie da nicht alleine.
Jene, die Sie unterstützten, ihnen die Mittel und Macht gaben sie offen herauszufordern, wollten dies ebenso sehr. Wahrscheinlich sogar mehr.
Sofia entkam ihrer Gedankenwelt, konzentrierte sich wieder auf das hier und jetzt.
Die VF Gaius befand sich unter Schleichfahrt. Sie waren vor Stunden in das Sternensystem gesprungen, aus dem das Unioner Signal kam, dass von der anderen Seite des Wurmlochs stammte. Auf dem Ortungsschirm ihres Taktikdisplays waren zwar keine feindlichen Icons zu sehen, was aber nicht hieß, dass keine da draußen waren. Dies hier war unbekannter Raum.
„Haben die Signalquelle verifiziert, Ma’am.“, meldete der Leitende Sensor Offizier (=LSO).
Zeitgleich aktualisierte sich der Ortungsschirm.
Ein Datenfenster öffnete sich. Darin wurden die Sensordaten angezeigt.
Sofia schaute zur Sensorstation.
Sie war nicht überrascht als sich das verifizierte Unioner Signal als ein Schlachtkreuzer der Vermont-Klasse herausstellte, deren Baupläne gerade in der Gegenwart umgesetzt wurden. Auch nicht der Umstand hier draußen, jenseits des Silaa-Wurmlochs überhaupt ein Unioner Großkampfschiff aufzuspüren. Viel mehr der Umstand dass das Schiff sprichwörtlich in einem Kometen steckte, praktisch mit ihm verschmolzen ist und den vorläufigen Sensordaten sogar intakt war. Bis auf den Umstand, dass es übel zugerichtet war.
„Captain.“, sprach Sie der LSO an. Er stand bei einem seiner Leute aus der Sensormannschaft. „Die Langstreckensensoren fangen schwache Signalemissionen auf.“
„Richtung?“, wollte EO David wissen.
Senior Lieutenant Tressier gab ihm die Richtungsangaben. Was eine 27-Stündige-Hyperraumentfernung war. Im Normalraum brauchte man 56 Wochen. Grob gerechnet.
„Können Sie sie spezifizieren?“, fragte Sofia.
Tressier schaute unschlüssig zu den Werten auf seinem Plot.
Fähnrich Lòreen hatte sie auf dem Überwachungsschirm ausgemacht, als sie von den Langstreckensensoren geortet wurden. Woraufhin die junge Gvanerin sie auf die schwachen Signalemissionen ausrichtete um ein besseres Sensorbild zu erhalten. Als die neuen Sensorwerte auf ihrem Plot erschienen, rief sie Lieutenant Tressier und informierten ihn. Er schaute kurz drüber und machte dann Meldung.
„Sie basieren auf veralterten gvanischen Signalcodes.“

***

Was nur eins bedeuten konnte.
Womit keiner rechnete.
Es gab keinen Zweifel, egal wie man es drehte und wendete. Die Sensordaten ließen keinen anderen Schluss zu, auch wenn sie nur eine grobe Skizzierung ermöglichten. Für ein genaueres Sensorbild musste man näher an die Signalquelle. Entweder mit Drohnen, Satelliten und Sonden oder mit dem Schiff.
Letzteres war ein wenig problematisch.
Auf Befehlsebene.
Sie sollten das Unioner Signal aufspüren, verifizieren und den Standort bestimmen. Anschließend sollte man ins Silaa-System zurückkehren. Auf dem Rückflug sollten sie Sensorbojen und Plattformen aussetzen, damit man jenseits des Wurmlochs Ohren und Augen hatte. Demzufolge beabsichtigte man hierher zurückzukehren. Unabhängig von dem, was Sie fand oder nicht.
Der Umstand war nicht weiter verwunderlich.
Immerhin handelte es sich um unbekanntes Raumgebiet.
Eigentlich.
Doch dem schien jetzt nicht mehr so zu sein.
Für die schwachen Signalemissionen in denen veralterte gvanische Signalcodes gefunden wurden konnte es nur eine Erklärung geben.
Sie hatten die Heimatwelt jener Gvaner gefunden, die mit der Epoh aufgebrochen sind, um eine neue Heimat zu finden.
Andererseits, was die Gvaner damals schafften, konnten sie auch ein zweites Mal schaffen! Zumindest theoretisch. Damals hatten sie alle verfügbaren Ressourcen zusammengelegt um die Epoh zu bauen. Eine gewaltige, jahrelange Kraftanstrengung. Schaffte man derartiges ein zweites Mal?
Sofia wusste es nicht.
Sie trat aus ihrem Büro, durchschnitt die Kommandobrücke, ging zu ihrem Sessel und setzte sich. „Steuer, legen Sie einen Kurs zu den Signalemissionen an.“, befahl Sofia. Die Mischlingsfrau wandte sich zur Seite. „EO, schnüren Sie ein Paket mit dem was wir bereits haben und schicken Sie es per Sonde nach Silaa-Stern.“ Senior Commander David wartete einen Moment. „Wir machen einen kleinen Ausflug.“, sagte Sofia auf seinen Blick hin.

***

Er schaute den Mann mit den Kräuselhaaren an. „Verarschen kann ich mich alleine.“ Seinen Kreuzberger Akzent verschleierte der Mann nicht. Schon seit Jahren hatte er aufgehört es anderen Leuten recht zu machen. Vor allem jene die glaubten ihn verarschen zu können, weil er aus einem der Äußeren Unioner Systeme kam.
„Was wollen Sie?“, fragte der Unterhändler neben dem Mann mit den Kräuselhaaren bissig.
Ihr Gegenüber lehnte sich zurück, verschränkte die Arme vor der Brust. Eine gute Frage. Über die er erstmal nachdenken musste. Zumindest sollte dass der Eindruck sein, den sie bekommen sollten. „Was jeder Mann will.“
„Und das wäre?“, hakte der Unterhändler mürrisch nach.
Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Geld.“ Der Aquianer an der Bar rollte mit den Augen. „Frauen.“ Jetzt schüttelte er leicht den Kopf.
Ärger blitzte beim Unterhändler auf. Sein Sitznachbar hingegen schien desinteressiert zu sein. Für solche Spielchen war er eindeutig zu alt.
Er kehrte schnell zum Ernst der Lage zurück. „Setzen Sie sie auf freien Fuß. Dieser Punkt ist nicht verhandelbar.“ Was er sehr deutlich machte.
Der Unterhändler verkniff sich jeglichen Kommentar. Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. Ganz anders bei dem Mann mit den Kräuselhaaren. „Sie erpressen uns.“, sagte der Unterhändler gepresst.
Er schaute den Mann an. Sie mochten einander nicht. Da war er nicht der Erste und nicht der Letzte. „Wenn Sie mich“ Ein Seitenblick. „uns“, korrigierte er. „wollen, dann lassen Sie sie frei. Sie gehört zu meiner… unserer Mannschaft.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie das Erpressung nennen.“ Den Satz ließ er gleichgültig unvollendet.
Ruhe kehrte unter ein.
Im Pub hingegen kümmerte sich niemand um Sie. Was an der Übertragung vom Finalspiel im Speedball lag. Dort kamen die Berlin Blues in die Nähe der Endzone der Neu Rio Angels. Die Mehrheit der Gäste drückten dem Außenseiter, den Berlin Blues, die Daumen.
Er schaute zu einem der Flachbildschirme die über der Bar hingegen. Auf jedem sah man das Spiel des Jahres. Dass die Typen die Treffen auch immer zu solch ungünstigen Zeitpunkten abhalten mussten.
„Lässt sich einrichten.“, entschied der Mann mit den Kräuselhaaren.
Etwas anderes hätte ihn auch überrascht. Er nickte, blickte kurz zum Flachbildschirm, wo die Berlin Blues Aufstellung zum nächsten Spielzug nahmen. Die Neu Rio Angels lagen zwar in Führung, doch die Führung konnte jederzeit wieder bei dem Außenseiter liegen. Sie mussten nur in die Endzone gelangen. Ein wahrlich spannendes Spiel. Und er musste sich mit diesen Typen rumärgern. Das Leben konnte so ungerecht sein. „Gut.“, sagte er abwesend. „Sobald Sie frei ist, brechen wir auf. Bis dahin sollte es ihnen möglich sein unser Honorar aufgetrieben zu haben.“ Damit würden die Männer sicherlich am allerwenigsten Schwierigkeiten haben.
Seine Mannschaft arbeitete seit Jahren zusammen. Weites gehend erfolgreich. Jeder hatte hin und wieder Mal Pech. So war eben das Leben. Es bestrafte immer die Falschen.
„Wir werden alles arrangieren.“, versprach der Mann mit den Kräuselhaaren.
Er stand auf. „Gut.“, ging zum Aquianer an die Theke, setzte sich auf den Hocker neben ihn, bestellte ein Dunkelbier beim Barmann und widmete sich voll und ganz dem Spiel.

***

Die Melodie eines eingehenden Com-Rufs ertönte.
Essien wandte sich einen Moment von der holografischen Abbildung ab, die über seinem Arbeitsplatz schwebte. Er nahm den Anruf entgegen.
Ein Holofenster materialisierte sich. Simon erschien. „Er hat den Auftrag angenommen.“
„Seine Forderungen?“
„Erfüllbar.“
Essien nickte knapp. Sie hätten ihm ein ganzes Sternensystem überschrieben, wenn er es gefordert hätte. Für diesen Auftrag brauchte man den Allerbesten. Und genau den hatte Simon angagiert. „Gut. Und die sonstigen Vorbereitungen?“
Der Mann mit den Kräuselhaaren, ein Mitglied der Unioner Delegation der Allianz, schaute nichtssagend drein. „Liegen im Soll. Sobald Sie bei Silaa-Stern eingetroffen sind, können Sie loslegen.“, unterrichtete er den Ratsvertreter im alliierten Kommandorat.
„Gut. Lass von dir hören wenn es was neues gibt.“
Die Männer nickten sich zu.
Das Holofenster löste sich auf.
Essien lehnte sich in seinen Bürostuhl zurück, nahm das Kristallglas in die Hand, nippte kurz.
Das Holoabbild zeigte ein Großkampfschiff, das in einem Kometen eingeschlossen war. Bei dem Schiff handelte es sich um die VF Orion, dass die VF Gaius jenseits des Silaa-Wurmlochs fand. Der sichtbare Rumpf wies Kampfschäden auf.
Die Entdeckung hatte für Aufruhr in der Unioner Delegation gesorgt. Bisher war man immer davon ausgegangen dass die Orion durch das kollabierte Wurmloch zerstört wurde. Sie hatte das Wurmloch in einem Stück verlassen.
Mitten in feindes Hand.
Der Einschätzung von Captain Sofja nach schien das Großkampfschiff soweit raumtüchtig zu sein. Abgesehen von den Kampfschäden, die sich die Orion beim Raumgefecht bei Silaa-Stern vor 7000 Jahren zu zog, gab es keine Anzeichen für anderweitige Schäden. Ein vollständiges Bild würde sich bei der Bergung ergeben.
Bis dahin hieß es warten.
Essien wechselte zur zweiten, nicht minder bedeutsamen Entdeckung die die VF Gaius auf der anderen Seite des Silaa-Wurmlochs machte.
Sie konnte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen.

***

Ein bulliger Wärter und zwei Wärterinnen tauchten vor der Gefängniszelle 77A auf. Sie trugen die vorgeschriebenen Panzerwesten, Reizgas und die Schockstäbe. „Insasse.“, plärrte der Wärter ungehalten. „In die Markierungen treten.“ Dabei handelte es sich nicht um eine Bitte, sondern um eine Aufforderung.
Insassin erhob sich von der durchgelegten Matratze, trat mit ihren Füßen in die auf dem Boden befindlichen Markierungen, lehnte sich nach vorne an die Wand und legte die Hände die dortigen Markierungsflächen.
Ein Summton ertönte.
Die Zellentür glitt auf.
Eine der Wärterinnen trat ein. Ihre Kollegin folgte ihr. Sie hatte den Schockstab in der Hand, bereit Insassin 77A damit zu schocken, sofern Sie nicht die Verhaltensregeln nachkam und irgendwelche Faxen machte.
Insassin 77A bekam die Handenergieschellen angelegt.
Dann führte man Sie aus ihrer Zelle, schritt durch die Gefängniskorridore. Eine Sicherheitsschleuse nach der Anderen wurde passiert.
Man brachte Sie zum separierten Ankunftsbereich, wo auf der Start- und Landeplattform Versorgungsfähren und Gefangenentransporter starteten und landeten. Jetzt jedoch wartete auf der Plattform ein Beiboot mit laufenden Triebwerken.
Vor der Rampe standen ein Mensch und ein Aquianer.
Insassin 77A kannte die 2. Sie so bald wiederzusehen hatte die Frau nicht erwartet. Immerhin sah Sie einer langen Haftstrafe entgegen. Sofern es je zu einer offiziellen Anklage kam. Was sie irgendwie bezweifelte. Umso verwundeter war sie die 2 hier anzutreffen.
„Sie können ihr die Energieschellen abnehmen.“, sagte der Mensch schroff.
Widerstrebt nahm der Wärter ihr die Handenergieschellen ab.
Maren Yun rieb sich die Handgelenke.
Ihre Aufpasser machten kehrt, ließen sie zurück.
Aus den Augen, aus dem Sinn.
Genau so lautete die Anweisung. Eine Insassin 77A hatte es nie gegeben.
Der Mensch schaute sie nichtssagend an. „Wir haben einen Job.“

***

„Du kannst es ihr nicht verübeln.“, meinte Janus schlicht.
Das sein Freund nicht begeistert war von Captain Sofia’s Eigenmächtigkeit stand außer Frage. Schließlich war Zedek Admiral und zur Zeit Chef der 51. Flotte in Silaa-Stern. Einer der Wohl undankbarsten Flottenposten im Moment.
Trotz des hinzugekommenen Verbandes der Grenzflotte hatte die 51. Flotte keine Sollstärke. Gut, die hatte sie auch nicht, als man sie nach Silaa-Stern schickte und während der Raumschlacht. Die verlorenen Schiffe gehörten nicht zur neusten Baureihe. Schwerer wog der Verlust der Frauen und Männer.
Zedek konnte Sofia’s Tun ohne Zweifel nachvollziehen. Möglicherweise lag jenseits des Wurmlochs die Heimatwelt der Gvaner. Außerdem besaß sie keinen direkten Befehl nach der Feststellung des Signals unverzüglich zurückzukehren. An der Formulierung der Befehle musste er feilen. Egal wie klein, Zedek konnte jedes Kampfschiff gebrauchen, sollten sich die Ocleaner und Familiäros entschließen einen zweiten Angriff zu starten.
Ganz zu schweigen davon, was jenseits des Wurmlochs lauerte. Egal, wie viele Wegekanäle der Nexus besaß, durch einen waren die Gmah einst hierher gelangt und hier gestrandet. Sie konnten also immer noch dort draußen umherschwirren. Ein Signal durch das Wurmloch und die Hölle tat sich auf. Es hätte einer Streitmacht bedurft beidseitig zu agieren. Und die 51. Flotte konnte man nicht als Streitmacht bezeichnen.
Zedek spülte die Bitternis mit dem letzten Schluck Brandy herunter. „Ich sollte nicht besonders überrascht sein.“, grummelte der Admiral. „Sie stand schon auf Greenberg unter schlechten Einfluss.“ Damit spielte er auf die Zeit an der Flottenschule an, die auf der Greenberg Insel ihren Sitz hatte. Sie gehörte zur Inselkette, auf der sich nur Militäreinrichtungen der Vereinten Streitkräfte befanden.
„Bei allem Respekt, Admiral.“, entgegnete Janus theatralisch. „Die Gruppenzuweisung zur Taktikschulung war ja wohl Ihr verdienst.“, erinnerte er den Mann schelmisch. „Und wenn ich mich recht erinnere, haben Sie sich wegen der erzielten Ergebnisse nie beschwert.“
Wohl wahr. Zedek hatte die Gruppe damals zusammengestellt. Keiner der Kadetten jener Gruppe gehörte zu den Vorzeigeschülern. Sie standen einen Schritt davon entfernt rausgeworfen zu werden. Nur seiner Intervention hatten es Janus, Sofia und Co zu verdanken heute überhaupt im Flottendienst zu stehen. Undank ist der Welten Lohn. „Eine Entscheidung, die ich im Moment hinterfrage.“
Janus Kasparow lachte.
Über Zedek’s Gesichtszüge huschte ein Schmunzeln.
Er bereute seine Intervention nicht einen Moment.
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-1-

Sie hatten ihre Kabine auf dem Angriffboot nicht verändert.
Wofür sie allen Grund hatten, gestand sich Maren ein. Sie hatte ihr Vertrauen, ihre Freundschaft missbraucht. Sie regelgerecht ausspioniert. Umso überraschter war Maren auch als Sie Sean und Lando wiedersah. Ganz zu schweigen davon, das man sie einfach so gehen ließ, obgleich sie ihnen kein Grund gegeben hatte sich für sie einzusetzen. Dennoch hatten sie es getan.
Für einen Job, bemerkte ein Stimmchen warnend.
Egal, um was für einen Job es sich handelte, sie hätten sie einfach in der Zelle versauern lassen können. Verständlicherweise.
Natürlich empfing man Maren nicht mit offenen Armen. Dass war ganz klar. Andererseits hatten die übrigen Crewmitglieder andere Dinge zu tun. Immerhin stand ein Job an, dafür mussten diverse Vorbereitungen getroffen werden, sofern sie wussten, worum es sich bei dem Job handelte, den Sean und Lando an Land zogen.
Sie waren eine eingespielte Crew. Schon Jahre zusammen, lebten die meiste Zeit auf engstem Raum zusammen, kannten sich seit Jahren.
Einst gehörte Maren dazu, obgleich sie dazugekommen war. Aus Gründen die ihr später einen Platz in einer Unioner Gefängniszelle einbrachten.
Sie ging durch die vertrauten Gänge des Angriffsboots.
An Bord fühlte sich Maren wohl.
Selbst jetzt noch.
Irgendwo in den Eingeweiden des Schiffs werkelten die übrigen Mitglieder der Besatzung. Entweder am Schiff selbst, es war schon einwenig in die Jahre gekommen oder wegen des Jobs. Aus diesem Grund wollte Maren mit Sean reden.
Das Angriffboot hatte keine Kommandobrücke wie andere Kampfschiffe. Es besaß ein Cockpit (Flightdeck). Dort gab es Platz für 5 Personen. Eigentlich brauchte es nur 2 Mann. Einen Piloten und Co-Piloten. Sie hatten auch die Plätze in der Kanzel. Dahinter fanden sich Kontrollstationen für den Bordingenieur, sofern vorhanden, den Navigator und Waffenmeister.
Das Panzerschott stand offen.
Maren blieb einen Moment stehen.
Sean war der Einzige im Cockpit. Er saß im Sitz des Piloten, schaute verdrossen drein.
Sie klopfte an, trat über die Schwelle und blieb dahinter stehen. „Ich muss mit dir reden.“, sagte Maren schlicht.
Einen Moment lang rührte sich der Mann nicht. „Worüber?“

***

Er klang keinesfalls feindselig. Was er jedoch hätte sein können, ohne das man ihm einen Vorwurf deswegen machte. Eher, das Sean es nicht war. Selbst nach den 3 Jahren, die sie zur Crew gehörte, war er ihr manches Mal ein Rätsel mit 7 Siegeln. „Darüber, dass du… ihr… mich aus dem Gefängnis geholt habt.“
Sean würde sich selbst als einfachen Menschen, Mann bezeichnen. Viele hielten ihn für schwer durchschaubar. Naja, er hatte, wie jeder andere auch, seine Ecken und Kanten. Seine Vergangenheit und Gegenwart war nicht ruhmreich. Dass wusste er. Danach strebte er auch gar nicht. Er mochte die Einfachheit. Aus diesem Grund war Sean… waren Sie selbstständig.
Zusammen mit Lando hatte er Bescheid gewusst.
Einer ihrer Kontakte in der Randzone hatte sie darüber in Kenntnis gesetzt, dass man Maren Yun bei ihnen einschleuste. Sie war eine Spionin von de Witt, beziehungsweise dem Abwehrdienst der Liga, den de facto de Witt nach belieben kontrollierte und einsetzte.
„Da gibt es nichts groß zu bereden.“, entgegnete Sean lapidar.
„Das sehe ich ein wenig anders, Sean.“
Etwas anderes hätte ihn auch überrascht. Verübeln konnte er es ihr wiederum nicht. Sie wollte den Grund wissen. Was relativ einfach und simpel war. Obwohl Maren sie mehr oder weniger ausspionierte, hatte sie sich letzten Endes für Sie entschieden. Deshalb saß sie in einer Unioner Gefängniszelle.
Ohne offizielle Anklage, aber das spielte keine Rolle. Damit wurde jedoch gegen geltendes Recht verstoßen. Anklagen mussten 72 Stunden nach Verhaftung eingereicht werden. Wobei eine Verhaftung auf einen ausgestellten Haftbefehl beruhte. Welchen es in ihrem Fall nie gegeben hat. Zumindest bezweifelte Maren es.
Sean drehte sich halb rum. „Wenn es nach dem Komitee gegangen wäre, hätten Sie am liebsten den Schlüssel eingeschmolzen und sich als Briefbeschwerer auf ihren Schreibtisch gestellt.“, meinte er ruhig. Ein wenig zu ruhig konnte man meinen. Andererseits war Sean kein Choleriker. Man durfte sich bei ihrer Arbeit nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sonst konnte es übel enden. „Wir haben zusammen Blut, Schweiß und Tränen vergossen.“ Etliche Male. Kein Job glich dem anderen. Zumal das Spektrum weit gefächert war. „Du hast uns einige Male das Leben gerettet und wir dir.“, stellte Sean klar. „Obwohl wir wussten, dass du für den Abwehrdienst der Liga arbeitest.“
Diese Neuigkeit kam ein wenig unerwartet. Sie hatten es bereits vorher gewusst!! Und dennoch wurde Sie Teil des Teams. „Ihr habt es gewusst?“ Ihre Überraschung schwang deutlich mit.
„Yep. Kurz, nachdem ich dich angeheuert habe.“ Sean blickte auf einen der Kontrollschirme. Der Autopilot steuerte das Angriffsboot zum vorgegebenen Ziel.
Angeblich sollte ihre Tarnung perfekt sein. Jedoch, was war schon perfekt, entgegnete das Stimmchen ein wenig zynisch. „Woher?“
Er machte eine Eingabe, sah sich die Werte an und wandte sich wieder Maren zu. „Omar.“
„Wenn du es gewusst hast, wieso bin ich geblieben?“
Omar war Beniener, wohnhaft in der Randzone zur Liga, hatte einst für den heimischen Geheimdienst gearbeitet und sich nach seinem Ausscheiden in der Randzone mehr oder weniger niedergelassen. Doch irgendwie arbeitete Omar immer noch für den Geheimdienst. Zumindest inoffiziell, oder nutzte diesbezüglich seine Kontakte.
Er schaute auf eine blinkende Anzeige, die trotz Eingabe nicht aufhören wollte zu blinken. „Ich hab dran gedacht.“, gestand Sean ehrlich. Wann hatte Sean sich entschieden die Angelegenheit weiterlaufen zu lassen? Hatte es überhaupt einen solchen Moment gegeben? Sicherlich, ansonsten hätte er Sie am nächstbesten Ort ausgesetzt und nicht zurückgeblickt. „Du gehörst zur Familie.“, sagte er schließlich. Trotz aller Vorbehalte hatte Maren sich eingebracht. Was wahrscheinlich Teil des Jobs für de Witt war, aber dennoch. Sie hatte sich ohne Wenn und Aber ins Feuer gestürzt, kämpfte mit ihnen Seite an Seite, egal wie brenzlich es war oder wurde. Maren suchte nie ihr Heil in der Flucht.
Das kam für Sie ein wenig unerwartet. Der Zusammenhalt der Gruppe war eng, sehr eng sogar. Tatsächlich waren sie eine Familie, waren füreinander dar, ließen niemanden zurück. Sie standen füreinander ein, kämpften füreinander. Eine derartige Dynamik kam durch Vertrauen und Liebe. Eben eine Familie. Und Maren war ein Teil davon gewesen, war es immer noch.
Sie brauchte einen Moment um die Fassung wiederzuerlangen.

***

Sean sah sie an, ignorierte die wild blinkende Anzeige. „Genau wie deine Schwester.“
Die gerade wiedererlangte Fassung bröckelte. Der Abwehrdienst, bzw. ihr Führungsoffizier und/oder de Witt hatten ihre kleine Schwester im Nachhinein als Druckmittel benutzt, damit Maren ihren Auftrag erfüllte, von dem Sie immer mehr das Gefühl hatte er sei Falsch.
Auch wenn Sean und Co keine Heiligen waren, wer war das in der Randzone schon!!??, waren Sie doch gute Menschen/Leute mit fragwürdigen Hintergrund. Was im Endeffekt keine Rolle spielte.
Die Angst und Sorgen um ihre Schwester trieb Maren letztlich dazu zu tun, was sie tun musste. Zum Schutze ihrer kleinen Schwester.
„Sie ist in Sicherheit.“, erklärte Sean sofort, als die Angst aufblitzen sah, was der Abwehrdienst und Konsorten mit Lisa angestellt hatten. „Ihr geht es gut. Lisa ist auf Benien.“
Tiefe Erleichterung spülte sich durch ihr Sein, wusch die Angst und Sorgen fort.
Für Sean und die Anderen stand außer Frage dass Sie Maren’s Schwester aus den Fängen des Abwehrdienstes befreiten und in Sicherheit brachten. Das waren Sie ihr und sich schuldig. Egal ob Maren Sie ausspionierte.
Man ließ niemanden aus der Familie zurück oder im Stich.
Dass zählte mehr als alles andere.
Sean war kein Unmensch. Er wusste, dass Maren am liebsten sofort mit ihrer kleinen Schwester von Angesicht zu Angesicht gesprochen hätte, doch dies hätte eine Umkehr zur Folge gehabt, was den Job um mindestens 60 Stunden verzögerte. „Auf dem Rückweg werden wir einen Stopp bei Benien machen.“ Sein Vertrauen den Job heil zu beenden war unerschütterlich. Sie hatten bisher jeden Job mehr oder weniger heil beendet. Oder überstanden. Je nach Sichtweise.
Er wandte sich kurz um.
Die blinkende Anzeige hatte weiterhin bestand.
Sean schlug ruppig gegen die Konsole, woraufhin die Anzeige erlosch. Nur um 5 Sekunden später von blinkend Orange zu permanent rot zu wechseln. Er machte eine Eingabe, schaute auf den Schirm, machte eine weitere Eingabe. Doch die Anzeige blieb unbeirrbar auf Dauer Rot. Eigentlich kein gutes Zeichen. Auch ein erneuter Schlag gegen die Konsole änderte nichts.
Soweit Maren es von sich aus sehen konnte, handelte es sich um die Kühlsystemanzeige. Anscheinend gab es irgendwo ein Leck. Zumindest der Anzeige nach. Eine Fehlermeldung wie diese konnte fatale Folgen haben. Doch soweit ihr letzter Stand war, hatte man die Leitungen vom Kühlsystem bei ihrem letzten Stopp prüfen und warten lassen.
„Ich werde dem kleinen Scheißer seine Härchen einzeln rausreißen.“, rumorte Sean gepresst. „Verfluchter Mist.“ Er machte eine Eingabe ins InterCom. Sein Ruf wurde nach 2 Freizeichen entgegengenommen. „Was gibt es, Boss?“, erklang die jugendliche Stimme des Mannes den man in der Crew als Chefingenieur bezeichnen konnte. Mehr oder weniger. „Wir haben anscheinend ein Leck im Kühlsystem.“
„Hmm. Bin noch am Geschütz 16 zugange. Es hat das Interface gegrillt.“, erklärte der vakante Chefingenieur in seiner jugendlichen Leichtigkeit. „Dadurch sind auch die Geschütze 12, 14, 17 und 18 offline.“ Was mehr als 70 Prozent der Steuerbordbewaffnung war. Wodurch man praktisch ungeschützt war, den damit herrschten riesige Löcher in der Geschützabdeckung der Nahbereichsabwehr. Im Kampf brach ihnen dass das Genick. Jedem Kampfschiff.
„Ich kümmere mich drum.“, sprang Maren in die Bresche.
Sean blickte sie an. Er zögerte nicht eine Sekunde. „Hat sich erledigt, Kleiner. Maren kümmert sich um das Leck im Kühlsystem. Sean Ende.“ Aus dem InterCom kamen keine Einwände, selbst wenn Zeit gewesen wäre. „Dann an die Arbeit.“, richtete er Chefmäßig an Maren.
Sie lächelte belustigend und verließ das Cockpit.

***

Sieben Stunden später wurden alle noch nicht beendeten Arbeiten und Vorbereitungen eingestellt, da man die Sprungkoordinaten erreichte. Die Kreuzberg, so lautete der Name des Angriffsboot, als es noch im Dienst der Ligaflotte stand, sprang vom Hyperraum in den Normalraum. Sean hatte den Namen beim Kauf beibehalten. Warum etwas bewährtes ändern?
Das Sternensystem, in das Sie flogen, lag Abseits der Haupt- und Nebenverkehrsrouten. Was nicht verwunderlich war, den laut der Datenbank gab es nichts in dem System, was einen Stopp rechtfertigte. Es gab 2 Monde, die um einen hoch toxischen Planeten kreisten und 1 Gasriesen mit einem Asteroidengürtel. Vor gut 200 Jahren wurde es vermessen. Seit dem hatten wohl nur wenige in dem System einen Zwischenstopp eingelegt.
Für konspirative Treffen war es demnach ideal.
Kein Wunder, das man es als Treffpunkt wählte.
Dass man Sie bereits erwartete, war ebenso wenig verwunderlich.
Umso mehr von wem Sie erwartet wurden.
Niemand von Ihnen konnte glauben, was auf dem Sensorschirm zusehen war.
Auf ihm war eine Kampfgruppe zusehen.
An sich nichts Ungewöhnliches. Doch die Kampfgruppe war ein bunter Haufen von Großkampfschiffen. Was sich auf die Flottenzugehörigkeit bezog, nicht auf die Schiffstypen. Beniener, Malianer, Aquianer, Unioner, Crjaner und Kolianer. Der Sensorschirm war gesprenkelt von Blauen, Grünen, Weißen und Gelben Icons. Bei den Blauen handelte es sich um eigene Truppen, Unioner. Die Grünen waren Unioner Verbündete, wie die Malianer und Aquianer. Weiße waren Neutral, Beniener. Gelbe waren feindlich Gesinnte, Crjaner und Kolianer.
Eine derartige Mischung sah man nicht allzu häufig in einer gemeinsamen Kampfgruppe. Niemand besaß ein Übergewicht an Kräften. Was auch noch aus den Sensorwerten ersichtlich wurde, bei den Raumschiffen handelte es sich um moderne Großkampfschiffe (Kriegsschiffe). Der Schiffstyp der beiden Unioner Schlachtkreuzer befand sich noch nicht Mal in Dienst der Vereinten Terra-Gvan Flotte. Zumindest nicht zu den Flottenverbänden die ihnen bei ihren Reisen durch die Union begegneten. Wozu unter anderem die Heimatflotte zählte, die im Terra-Gvan-System stationiert war.
„Interessant.“, meinte Sean schlicht. Was konnte man sonst zu dieser ungewöhnlichen Konstellation sagen.
Die Melodie eines eingehenden Com-Rufs ertönte.
„Wir werden gerufen.“, sagte Alice daraufhin. Die junge Sàlmàrànerin saß an der Station des Navigators und die gleichzeitig auch die Com-Station war.
„Von wem?“, wollte Lando vom Co-Piloten Sitz aus wissen. Der Aquianer konnte sich einfach nicht vom Sensorschirm losreißen. Aquianer und Crjaner in einer Kampfgruppe. Undenkbar!!
„Vom Flaggschiff.“
Das Icon des Flaggschiffs auf dem Sensorschirm besaß einen goldenen Rahmen. Bei dieser außergewöhnlichen Kampfgruppe handelte es sich um einen Schlachtkreuzer aus der Flotte vom Königreich Aquian.
Doch das war noch nicht alles.
Auf Sean’s Weisung hin nahmen sie den Ruf an.
Woraufhin sich ein Bildfenster aufbaute. Da es sich um ein Großkampfschiff aus der Flotte vom Königreich Aquian handelte, war es nicht weiter verwunderlich das ein Aquianer im Bildfenster erschien.
Eigentlich.
Lando traute seinen Augen nicht.

***

Vor 7 Jahren befand sich Lando noch im Flottendienst ihrer Majestät. Er war ein respektabler Flottenoffizier, dem alle Türen offen standen. Doch dann traf der Aquianer eine Entscheidung, die sein Leben radikal veränderte, ja förmlich auf den Kopf stellte. Lando weigerte sich den Befehlen folge zu leisten. Wodurch er einen diplomatischen Zwischenfall auslöste, der Potenzial hatte in einen Krieg zu münden.
Man stellte ihn vors Kriegsgericht und sprach ihn schuldig. Das Urteil lautete 2 Jahre Gefängnis sowie unehrenhafte Entlassung aus dem Flottendienst. Im Zuge dessen wandte sich seine Familie von ihm ab. Einzig und alleine seine Frau hielt zu ihm. Mehr oder weniger. Sie ging zwar auch auf Abstand, ließ die Ehe jedoch nicht annullieren oder scheiden, wozu Sie durchaus im Recht gewesen wäre. Stattdessen ließ Sie die Ehe Ruhen. Seine Frau ließ sich nicht umstimmen. Weder von ihren Eltern, seinen Eltern oder ihm selbst. Sie weigerte sich strikt den archaischen Geflogenheiten der Gesellschaft Folge zuleisten, nur weil es von ihr erwartet wurde.
Als Lando die 2 Jahre abgesessen hatte, versuchte er erst gar nicht in der hiesigen Gesellschaft Fuß zufassen. Für jemanden wie ihn, war dies faktisch unmöglich. Also kaufte er sich ein Oneway-Ticket in die Liga. Wo der Aquianer in einem Pub Sean begegnete und prompt in eine Schlägerei verwickelt wurde. So lernte man sich kennen.
Bei dem Aquianer auf dem Bildschirm, der ihn keines Blickes würdigte, handelte es sich um Großadmiral Jarò. Einer von an die 120 Prinzen, die Teilweise mit der Königsfamilie verwandt waren oder den Titel wegen außergewöhnliche Verdienste verliehen bekamen. Jarò gehörte zu Letzteres. Er war ein enger Vertrauter des Königs, der schon vor gut 15 Jahren aus dem Flottendienst ausschied und sich seither in der Öffentlichkeit rar machte. Gerüchten zur Folge stand er immer noch im Dienste des Königs.
Was sich hiermit bewahrheitete.
Schließlich trug der Mann die Uniform der aquianischen Flotte. Und zwar einem ganz speziellen Teil der Flotte. Welcher wiederum ein Mythos war. Nämlich die Kronenflotte. Eine Geheimflotte, die unter direkten Befehl des Königs stand. Sie entzog sich somit der Struktur der Admiralität.
Es gab eine strikte Trennung zwischen der Flotte/Militär und der Monarchie. Sie unterstand nämlich dem Befehl des Premierministers und nicht dem König. Obgleich die Soldaten der Streitkräfte ihren Eid auf das Königreich und den König ablegten.
Sich durch die politischen Strukturen von Aquian durchzuwurschteln war eine gewagte und zeitintensive Herausforderung. Dennoch gehörte das Königreich zu den stabilsten Sternennationen in der hiesigen Galaxie.
Oder gerade deshalb!? Wie ein Politikwissenschaftler konstatierte.
Trotz der strikten Trennung besaßen die Frauen und Männer in den Uniformen des Königreichs ein hohes Ansehen. Ganz anders jene, die unehrenhaft Entlassen wurden. Aus welchen Gründen auch immer. Ein Absturz ließ sich kaum vermeiden, da sich zu 99 Prozent die Familie von einem abwendete, um nicht selbst Schaden zu nehmen. Lando’s Ehefrau war eine seltene Ausnahme von der Regel, die es trotz ihrer Weigerung schaffte sich dem Sog mitsamt ihren Töchtern zu entziehen.
„Ich bin Großadmiral Jarò.“, stellte sich der Aquianer hörbar abwertend vor. Was sicher nicht nur an Lando lag, sondern bisweilen auch an Sean und Co. „Befehlshaber der Kampfgruppe Agamemnon.“ Sympathien konnten Sie von dem Mann nicht erwarten, was bereits jetzt zu erkennen war. „Sie sind spät dran.“ Wahrscheinlich war es nicht gewohnt auf jemanden zu warten. Schon gar nicht auf jemanden wie ihnen!!
Pech gehabt, dachte Sean. Sie waren bei der Sache das entscheidende Glied in der Kette und nicht der Großadmiral. Andererseits, dessen war sich Sean durchaus bewusst, konnten Sie im Verlauf des Jobs Hilfe benötigen. In welcher Form, spielte erstmal keine Rolle. Ihm also von vorne rein die Stirn zu bieten konnte unvorteilhaft werden.
„Wir hatten technische Probleme, Admiral.“, entgegnete er. Sean log nicht mal. Anders als Flottenschiffe musste Sie selbst Hand anlegen und die Auswahl an Ersatzteilen war ebenfalls begrenzt, wodurch man Kompromisse eingehen musste.
Dem Aquianer waren die Unannehmlichkeiten seines Gesprächspartners schlicht und weg egal. Doch Sean hatte Recht, bei dieser Mission waren nicht die Militärs das entscheidende Glied. Die Befehle die Jarò erhalten hatte waren unmissverständlich. Kampfgruppe Agamemnon sollte die gerade eingetroffene Gruppe unter allen Umständen beschützen und bei den auszuführenden Arbeiten tatkräftig und ohne Wenn und Aber unterstützen.
„Benötigen Sie Hilfe bei der Beseitigung der technischen Probleme?“ Anfreunden mussten Sie sich jedoch nicht. Nur auskommen bis zum Ende der Mission. Wie auch immer das Ende aussah!?
„Nein.“ Sean war die Gleichgültigkeit nicht entgangen. „Wir kommen schon zu recht.“ Zumindest hoffte er es. Das Gröbste war schon abgearbeitet, jetzt musste nur noch der Feinschliff gemacht werden. Bis der Job anfing, hatten Sie ja noch einige Stunden Zeit.
Großadmiral Jarò schaute zur Seite, sah dann auf das Taktikdisplay an der Armlehne seines Kommandostuhls. „Mit ihrem Eintreffen haben wir die Freigabe zur Ausführung der Mission.“, sagte der Aquianer schlicht, als wäre es das normalste der Welt. Für ihn war es dies wahrscheinlich auch. Der Mann schaute ihn an.
„Wir sind bereit, Admiral.“, versicherte er ihm.
Ein knappes Nicken folgte. Ob es ihm oder jemanden außerhalb des Übertragungsfensters galt konnte man nicht genau sagen. „Wir senden ihnen die Sprungkoordinaten.“ In der gleichen Sekunde ertönte der Piepton einer eingehenden Nachricht.
Sean schaute über seine Schulter zu Maren, die ihm knapp zu nickte. Auf einem der 5 HD-Bildschirme, die vor ihm wie ein Tor angerichtet waren und unterschiedliche Funktionen anzeigen konnten, erschienen die eingespeisten Sprungkoordinaten, die Maren übernommen hatte. Die Sprungkoordinaten zeigten den Sprungpunkt vom Ein- wie Austritt aus dem Hyperraum.
Jetzt wunderte ihn der abgeschiedene Treffpunkt mit der Kampfgruppe nicht mehr. „Haben Sie erhalten, Admiral.“ Erzürnt zuckte die Augenbraue des Aquianer’s kurzzeitig. Denn ein Großadmiral war höhergestellt als ein einfacher Admiral. In der Unioner Flotte hingegen gab es keinen Großadmiral Rang.
Der Mann schluckte seinen Zorn und eine Zurechtweisung runter. „Wir springen in 5…“ Er fragte nicht mal ob Sie bereit waren. „4…“ Vielleicht hatte es Sean ein wenig übertrieben. „3…“ Ach, was soll’s. „2…“ Die Sticheleien musste er ab können. „1…“ Wie es in den Wald hinein schallt, so schallt es auch raus. „Sprung.“
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-2-

Janus schaute den Mann an, der in seinem Büro stand. Der Mensch wirkte auf den ersten Blick wie ein Vertreter. Er besaß ein gepflegtes, gebildetes äußeres, trug einen typischen bürokratischen Anzug, wie ihn Billionen Geschäftsleute, Vertreter und Regierungsangestellte trugen. Ausnahmslos nicht Aussagekräftig.
„Worüber wollten Sie mit uns sprechen, Mr. ?“
Ebenfalls in seinem Büro befand sich das Holoabbild von Admiral Zedek, der in seinem Büro an Bord seines Flaggschiffs weilte.
Beide hatten viel zu tun. Daher war ihre Zeit knapp bemessen. Dass sich der Mensch dennoch mit Ihnen traf, lag an dem Umstand, dass es um die Nationale Sicherheit zugehen schien. Zumindest der Mitteilung vom Unioner Generalinspektor nach, die kurz vorher mit der höchsten Priorität via Subraum eingetroffen war.
Der Mann verzog keinen Muskel. Ausdruckslos schaute er die 2 Männer an, die in Silaa-Stern das militärische Sagen hatten. „In 50 Minuten wird eine Kampfgruppe in die Blase um das Wurmloch springen und kurz darauf hinein fliegen.“, sagte er emotionslos.
Zedek und Janus trauten ihren Ohren nicht. Ungläubig sahen sich die Männer an. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein, war ihr erster Gedanke.
Sicherlich war ein direkter Sprung in die sensorische Dunkelheit der Blase kein Ding der Unmöglichkeit. Jedoch musste man genau wissen, wohin man sprang, andernfalls konnte es ein böses Erwachen geben.
„Wie bitte?“, meinte Janus verwirrt.
Der Typ schien beinahe gelangweilt. „Die Kampfgruppe eskortiert ein Bergungsschiff, welches das Großkampfschiff jenseits des Wurmlochs bergen soll.“ Als ob er ihnen einen Staubsauger verkaufen wollte. Vollkommen desinteressiert, ob Sie einen brauchten oder nicht.
Wie zum Teufel konnte man so schnell eine Kampfgruppe zusammenstellen!? Irgendetwas war daran faul. Die Sache stank bis zum Himmel. Ein Seitenblick zu Zedek sagte ihm, dass der Admiral die gleichen Gedanken hatte, wie er. Seit Wochen redete man sich den Mund fuselig um weitere Verstärkungen zu erhalten. Jedes Mal wurden Sie vom Flottenkommando vertröstet oder schlichtweg in Unkenntnis gelassen.
Jetzt auf einmal stand eine Kampfgruppe zur Verfügung!!
Natürlich lagen die Dinge jetzt anders als damals. Zu der Zeit ahnte noch niemand das sich jenseits des Wurmlochs ein Unioner Großkampfschiff befand, das in der Gegenwart nur auf dem Papier existierte. Es stand auch außer Frage dass das Schiff unter allen Umständen geborgen werden musste. Doch irgendwie bekam man das Gefühl, das viel mehr dahinter steckte, als man ihnen weiß machen wollte. Vor allem aber, welche Rolle spielte der Generalinspektor dabei?
„Warum der Sprung in die Blase?“, fragte Zedek verschwörerisch. Neben allem anderen wollte ihm das nicht einleuchten. Als ob man etwas zu verbergen hatte. Ein Sprung so tief im Systeminneren musste gut getimt sein.
Der Mann zögerte. Unwohl schien er sich jedoch nicht zu fühlen. „Darüber kann ich Ihnen keine Informationen geben, Admiral.“, sagte er zugeknöpft.
So einfach ließ Zedek ihn jedoch nicht vom Haken. „Können oder wollen Sie nicht?“
Ihnen war klar, dass der Mensch weit mehr wusste als er preisgab. Er kannte wahrscheinlich Geheimnisse von denen Sie nicht einmal etwas ahnten. Was wohl auch besser war.
Für eine Mikrosekunde blitzte Ärger auf. Gegen wen es sich richtete blieb verborgen. Der Mann besaß dennoch eine Seelenruhe, die mitunter beängstigend war. Demzufolge bewegte er sich nicht zum ersten Mal auf dem Paket. „Um der Entdeckung durch die Spionagedrohnen zu entgehen.“
BOOM!!
Als ob eine Bombe einschlug.

***

Es war ein Blindsprung.
Zumindest für einige Millisekunde. Was im freien Fall aus dem Hyperraum eine kleine Ewigkeit war. Wenn man nicht über die passenden Kommandocodes verfügte, die via Up-Link zur unbemannten voll automatisierten Kontrollstation geschickt wurden, blieb die sensorische Blindheit bestehen.
Jedoch verfügte die Kampfgruppe über die Kommandocodes. Sie klinkten sich somit in das Sensorkontrollsystem ein, wodurch die sensorische Dunkelheit für sie aufgehoben wurde. Was man wiederum mit der Kreuzberg teilte. Ansonsten hätte Sean und Co rein gar nichts mit den Sensoren gesehen.
Die Kontrollstation stammte aus Unioner Flottenbeständen.
Dass die Kampfgruppe über Unioner Kommandocodes verfügte überraschte Sean nicht sonderlich. Das Komitee oder diejenigen, die hinter dem Komitee standen, besaßen einen unglaublichen Einfluss. Nicht nur in der Union.
Die Kampfgruppe setzte 20 Minuten nach dem Sprung aus dem Hyperraum Kurs auf das Silaa-Wurmloch, um das sich die Blase aus sensorischer Dunkelheit befand. Damit verschleiert wurde, dass es wieder aktiv war.
Wie die Knospe einer Blume öffnete sich das Wurmloch. Ein unglaubliches Farbspiel entstand. Mehrfarbige Schwaden entwichen dem Auge, der Mittelpunkt des Wurmlochs. Sie flogen drauf zu, traten über den unsichtbaren Ereignishorizont, flogen hinein und nutzten den Wurmlochkanal, den 7000 Jahre zuvor die VF Orion durchflog.
Ein Wurmlochflug hatte etwas Unwirkliches und zeitgleich Beruhigendes, sofern man empfänglich für die Schönheit des Schauspiels war. Im Grunde ähnelten sich die Wurmlochflüge nicht voneinander, egal welches der bekannten Wurmlöcher man nutzte. Sie hatten etwas Gemäldeartiges. Eine abstrakte Linienführung zwar aber dennoch wunderschön. Auf seine eigene Art und Weise.
Sean mit geschlossenen Augen zurückgelehnt im Pilotensitz. Ihnen stand noch ne Menge Arbeit bevor. Viel Ruhe bekämen Sie in nächster Zeit also nicht. Demnach musste man die Ruhe und weites gehende Stille nutzen.
Dabei dauerte der Wurmlochflug gerade mal 3 knappe Minuten.

***

Ein Kribbeln verspürte Sofia längst nicht mehr. Mit gebotener Vorsicht näherten Sie sich der einstigen Heimatwelt der Gvaner. Sofern sich die Indizien bestätigen, woran es jedoch keine Zweifel gab.
Sie sprangen hinter dem äußersten Planetoiden des Sternensystems aus dem Hyperraum. So entging man einer möglichen Entdeckung. Denn durch einen Planeten konnten selbst moderne Sensorgeräte nicht sehen. Den Sprungpunkt hatte man vorher mit Aufklärungsdrohnen ausgespäht. Er war sicher und frei.
40 Minuten später flog die VF Gaius unter Schleichfahrt in Richtung des Planeten. Vor ihnen weg flogen die Aufklärungsdrohnen in einer Fächerformation. Sie erhörten die Sicht- und Hörreichweite, die aufgrund der Schleichfahrt eingeschränkt waren. Trotzdem befanden sich alle Stationen in Alarmbereitschaft. Schließlich wusste man nicht, was man vorfand.
„Ma’am.“, meldete sich LSO Tressier. Wie alle Kommandostation war seine voll besetzt und einsatzbereit. „Dass sollten Sie sich ansehen.“
Zusammen mit EO David kam Sofia zu ihm, stellten sich neben ihn und schauten auf den Sensorschirm seiner Kontrollstation. Dort war eins von mehreren gestochen scharfen Bildern zusehen, die eine der Aufklärungsdrohnen machte und in Echtzeit an die VF Gaius sendete.
Auf den Bildern war ein Ausschnitt des Mondes zusehen, der am nächsten um den gvanischen Heimatplaneten kreiste. Insgesamt kreisten nämlich 2 Monde um den Planeten. Sie waren beides Trabanten, umkreisten den Planeten in einer parallel laufenden Umlaufbahn in einem Abstand von 70.000 Kilometer zueinander. Von dem Planeten aus waren es 427.000 Kilometer. Der vordere Mond war zugleich der Kleiner.
Eine andere Besonderheit sahen sie auf dem Bild.
Der Ausschnitt zeigte ein Gebilde in einer stationär laufenden Umlaufbahn des Mondes. Das Gebilde erinnerte stark an ein Teleskop das mit veralterten Sensorantennen ausgestattet war, die über einen begrenzten Radius verfügten. Den Sensorwerten nach besaß das Teleskop, welche die Dimensionen eines kleinen Frachtterminals hatte, über einen altertümlichen Fusionsreaktor. Zusätzlich hatte es starre Solarflügel. Viel wichtiger waren jedoch die fremdartigen Komponenten, aus denen das Gebilde teilweise zusammengesetzt war.
Das war aber noch nicht alles.
Mit einer Eingabe ließ Tressier für den EO und Captain Sofia anzeigen worauf das Teleskop ausgerichtet war. Die Anzeige ließ einen Frösteln.
Es war nämlich auf die Öffnung des Silaa-Wurmlochs gerichtet.
EO David neben ihr schluckte.
Da war jedoch noch mehr.
Tressier tippte wortlos auf ein anderes Bild in der Bildleiste.
Dieses zeigte einen Ausschnitt der schroffen Mondoberfläche. Darin war deutlich eine Bodenstation zu erkennen. In vielerlei Hinsicht ein Fremdkörper.
Sie überkam ein Frösteln.
In einem Nebenfenster rief Tressier schweigend die Sensorwerte auf.
Aus dem Frösteln wurde eine Gänsehaut.
Ihr EO japste geschockt.

***

Wie lange Sie auf die Sensorwerte starrte, konnte Sofia nicht sagen.
Es war lange genug. Zu lange. Doch jede Sekunde war zu lang. Der Schock saß mehr oder minder Tief. Sie war konsterniert von dem, was sich ihnen vor Ort bot. Damit hatte sie wahrlich nicht gerechnet. Ein Albtraum.
Nicht nur dass das Teleskop Fremdtechnologie besaß, so befanden sich in der Bodenstation neben 5 gvanischen Biosignaturen 7 Fremde. Und eine Menschliche. Das war das unglaublich Erschreckende daran. Den Biowerten nach befand sich die Person in keinem guten Zustand. Der Standort lag zentral und gleichzeitig isoliert. Dem Grundriss zufolge, den die Aufklärungsdrohne vom Gebäudekomplex machte, konnte man annehmen, dass der Mensch ein Gefangener war. 2 der fremden Biosignaturen hielten sich Rund um die Uhr vor dem Quartier auf. Es musste sich demnach um Wachen handeln. Die Gvaner und die Fremden hielten sich in getrennten Bereichen auf.
Jedenfalls bis vor 4 Minuten.
Da hatte ein Gvaner nämlich dem Menschen einen Besuch abgestattet. Via Echtzeit hatte Sofia den kurzen Besuch verfolgt. Er dauerte keine 2 Minuten. Demzufolge wussten die Gvaner bescheid. Was die Situation eigentlich nicht verschlimmern konnte. Eigentlich!!
Bei dem Menschen handelte es sich um Captain Luciò.
Zumindest wenn man dem Abgleich der Biowerte glauben schenken konnte.
Dummerweise schien ein Irrtum ausgeschlossen.
Wenn sich vorher bei einem nicht alles drehte, dann spätestens jetzt.
Wie das möglich war, wollte einem einfach nicht einleuchten. Mit der Orion in einem Kometen konnte man ja noch Leben. Dies ließ noch plausibel erklären.
Mehr oder weniger.
Nicht so die Anwesenheit von Captain Luciò in einer Bodenstation, die von Gvanern und Fremden betrieben wurde, die auf einem Mond stand, der den einstigen Heimatplaneten der Gvaner umkreiste.
Spielten das Wie und Warum eine Rolle?
Natürlich!! Doch im Augenblick waren Sie zweitrangig. Wichtig war alleine das man niemanden zurückließ. Egal wen, egal wo und egal wann.

***

Keiner der Frauen und Männer erhob irgendwelche Einwände als Sofia Ihnen mitteilte eine Rettungsmission zu starten, deren vorrangiges Ziel es war Captain Luciò aus der Gefangenschaft zu befreien. Die Durchführung erschien auf den ersten Blick machbar. Sie hatten den Vorteil über modernes Aufklärungs- und Wehrgerät zu verfügen. Einer praktisch lückenlosen Aufklärung stand nichts im Weg. Weder die Fremden noch die Gvaner auf dem Mond oder auf dem Planeten ahnten etwas von Ihrer Anwesenheit. Der Überraschungsmoment war also ihrer.
Einem reibungslosen Ablauf stand also nichts im Wege.
Eigentlich!!
Einzig und allein der Umstand, dass man bei der Rettungsmission Gvanern gegenüberstand, deren Verhalten nicht vorhersehbar war. Wie weit ging die scheinbar freiwillige Kooperation mit den Fremden? Würden Sie sie angreifen? Wie sollten Sie angemessen reagieren, wenn der Fall eintrat? Die Antworten und was sie auslösten, fürchtete man am meisten.
Die Melodie eines Com-Rufs riss Sofia aus ihrer Gedankenwelt, die eine bizarre Wendung genommen hatte. Etwas Derartiges war einfach unvorstellbar. So was brachte man ihnen auf der Greenberg Insel nicht bei.
Sie nahm den Ruf schließlich entgegen, froh darüber ein wenig abgelenkt zu werden. „Ja, David.“ In der Anzeige war die Rufnummer ihres EO zusehen.
„Wir haben eine Mitteilung von Admiral Zedek via Subraum erhalten.“, teilte der Mensch ihr nüchtern mit.
Ihr Augenbrauen zuckten.
Sie hatte einen vorläufigen Situationsbericht über das Wurmloch per Subraum nach Silaa-Stern geschickt. Alle bisherigen Daten hatte sie beigefügt, sowie ihr Vorhaben eine zeitnahe Rettungsmission zu starten, mit der man gleichzeitig die Bodenstation einnehmen wollte. Vorrangig ohne Gewaltanwendung oder jedweder Verluste auf beiden Seiten. Wobei Sie vornehmlich die Gvaner meinte.
Irgendwie hatte Sofia das Gefühl, das da noch mehr war. Sie kannte ihren EO inzwischen gut genug. „Sonst noch was, David?“
Ihr EO zögerte einen Moment. „Wir haben eine Rufanfrage, sobald Sie die Mitteilung des Admirals gelesen haben.“
Ihre Verblüffung sah niemand. „Von wem?“

***

Leopold Alexander kannte mindestens ein Dutzend bessere Umstände jemanden wiederzusehen, als dies hierbei der Fall war. Doch die Dinge lagen nun mal, wie sie lagen. Das Leben war eben kein Wunschkonzert, wie seine Oma zusagen pflegte.
Man konnte ihr die Verblüffung und Überraschung ansehen. Auch wenn sonst niemand es in ihrer Mimik sehen konnte. Er schon. „Captain Sofia.“, eröffnete Leo das Gespräch.
„Wie ich sehe, trägst du die Uniform!!“
Was bekanntlich noch nicht alles war.
Als man sich das letzte Mal auf dem Greenberg Campus sah, bestieg Leo mit einer Reisetasche eine Fähre, die ihn von der Greenberg Insel zum Festland flog. Ohne Rückflug.
Seine Mundwinkel verschoben sich amüsiert. „Wer hätte das gedacht? Hmm.“ Nicht nur das er die Uniform der Unioner Flotte trug, besaß er auch den Rang eines Senior Commander. Viel wichtiger war jedoch der Umstand dass Leopold Alexander hinter dem Schreibtisch im Raum des Kommandanten eines Schweren Kreuzers der Dehli-Klasse saß. „Man hat mir doch tatsächlich ein Raumkommando gegeben!!“
„Scheint so.“, gab Sie zögerlich zurück.
Was wohl das Überraschende an der Sache war. Immerhin war Leo der Flottenschule plus Akademie verwiesen worden. Eine Rückkehr war ausgeschlossen. Auf Lebzeit. Zu diesem Urteil war der Disziplinarausschuss der Flotte gekommen.
Trotzdem trug er jetzt die Unioner Flottenuniform und besaß wahrhaftig ein Raumkommando über ein Großkampfschiff der modernsten Kreuzerklasse in der Vereinten Flotte.
„Wie ich hörte, willst du eine Rettungsmission starten?“ Da man unter sich war, brauchten sie nicht allzu förmlich sein.
Sofia nickte zögerlich. Unerwartete Dinge passieren immer dann, wenn man sie am wenigsten erwartet. Von wem war dieses Zitat gleich noch? Es traf auf jeden Fall den Nagel auf den Kopf. Sie hatte ihn nach seinem Rausschmiss 2 Mal wiedergesehen. Danach war der Kontakt zwischen ihnen irgendwie abgebrochen.
Naja, genau genommen hatte man sich beim letzten Treffen getrennt.
„Ich schicke dir einen Kommandotrupp.“, erklärte Leo ohne jedweden Hintergedanken. „Er ist bereits unterwegs“ Ein kurzer Blick zur Seite. „und müsste in etwa 14 Stunden bei euch sein. Sie haben sicherlich einen eigenen Aktionsplan basierend auf euren Infos ausgearbeitet.“ Zumindest würde ihn das bei Lieutenant Tanaka nicht wundern. Schon eher das Gegenteil. „Lass mich wissen, wie es gelaufen ist, damit ich den Admiral ruhig stellen kann.“ Er schaute Sie einen Moment länger an. „Alexander Ende.“ Bevor er den Rufkanal schloss, dehnte sich der Moment in die Länge. Dann löste sich das holografische Übertragungsbild auf.

***

Wie auch Sofia machte sich Leo nach der Unterhaltung seine Gedanken.
Sie wiederzusehen hatte ihn insgeheim mehr gefreut, als er sich das je eingestand. Damit gerechnet hatte Leo wiederum nicht, da Sie nach seinem letzten Stand in der Grenzflotte Dienst schob.
Als Großadmiral Jarò über den von Admiral Zedek gedeckten Alleingang informiert wurde, war dieser alles andere als erfreut. Ihn hingegen überraschte es nicht sonderlich. Er an ihrer Stelle hätte ebenso gehandelt, immerhin schien es sich um die einstige Heimatwelt der Gvaner zu handeln. Es war ihre Pflicht herauszufinden, wie sich die Lage darstellte. Hinzu kam das Sofia nicht unter die Befehlsgewalt von Großadmiral Jarò fiel. Daher konnte er ihr keinerlei Befehle geben.
Dadurch wiederum eröffnete sich ein Problem.
Zwei von einander unabhängige Operationen in unbekannten Raumgebiet, das von ihnen als feindlich gesinnt eingestuft wurde, konnte zu Komplikationen führen die schnell außer Kontrolle geraten konnten.
Ihre Aufgabe war es die Bergungsmannschaft zu schützen.
Die Bergung der VF Orion hatte höchste Priorität.
Bisher hatten Sie vom Kommandorat der Allianz keine anderweitigen Befehle erhalten.
Sofia’s angedachte Rettungsmission konnte die Bergung gefährden.
Andererseits hatte Admiral Zedek deutlich gemacht, dass Sie niemanden zurückließen.
Was Leo nachvollziehen konnte.
Gleichzeitig mussten Sie herausfinden in welcher Verbindung die Fremden zu den Gvanern standen. Immerhin schien ein technologischer Austausch stattgefunden zu haben. Viel wichtiger dabei war, dass scheinbar die Gmah ihre Finger im Spiel hatten.
Leo machte eine Eingabe.
Woraufhin ein holografisches Doppelfenster über seinem Kommandotisch projiziert wurde. Es handelte sich dabei um einen Abgleich. Links waren die Biosignaturen der Fremden, die die VF Gaius erfasst hatte. Rechts waren ebenfalls Biosignaturwerte zusehen. Laut dem Abgleich gab es zwischen den Primärwerten Übereinstimmungen.
Jedoch stammten die Werte aus dem rechten Holofenster von eben jenen Fremden die einst die Kolonie auf Alpha Centauri angriffen.
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-3-

Die Drohnen schwirrten wie Bienen um den Kometen, lieferten unablässig Datenwerte, die ein nahezu komplettes Bild zeigte. Der Schlachtkreuzer steckte wahrhaftig im Kometen, der von seiner Eigenmasse ein kleiner Mond war. Um so etwas durchzuziehen, musste man entweder ein Genie sein oder komplett bescheuert.
Der Komet an sich besaß eine Eigenrotation. Als Andockstutzen, wenn man so will, hatte man einen Canyon benutzt. Um zu verhindern durch die Rotation hinausgetragen zu werden, hatte die Besatzung mit den vorderen Geschützen das Gestein in der Spalte geschmolzen. Wie in einem Hochofen. Der Schmelzgrad war so gewählt, dass das Gestein sich nicht verflüssigte, sondern eine zähe Masse bildete. Die Panzerung des Schlachtkreuzers schützte den Rumpf des Raumschiffs.
Durch das Abklingen der Befeuerung durch die Geschütze erkaltete das Gestein schlagartig. Mittendrin ein Unioner Großkampfschiff, das 7000 Jahre lang zum ständigen Begleiter des Kometen wurde. In dieser Zeit hatte sich eine Art Kruste gebildet. Wie bei einem Korallenriff.
Kometen konnte man Allgemeinhin als Staubsauger bezeichnen. Die angesaugten Partikel wurden durch die Eigenrotation verdichtet und setzten sich ab. Schicht um Schicht türmte sich auf. So bildete sich eine Mondähnliche Landschaft. Rau. Zerklüftet. Mit Anhöhen, Tälern, Gräben, Spalten und Canyons. Durch die äußeren Einflüsse die ein Komet durch seine Flugbahn durch ein Sternensystem ausgesetzt war, veränderte sich seine Form stetig. Der unmittelbare Bereich zum eingeschlossen Schlachtkreuzer trotzte dem.
Eine Bergung schien auf den ersten Blick aussichtslos.
Kein Wunder, den die VF Orion steckte an die 20 Meter tief im Gestein. Dazu gute 7 Meter unterhalb eines Plateaus. Mal einfach mit Hammer und Meißel rauszuhauen, war nicht.
So aussichtslos es schien war es nicht. Zumindest nicht völlig.
Sean und Co hatten verschiedene Optionen.
Erstmal musste man die Zusammensetzung des Gesteins analysieren. Dafür mussten Probebohrungen gemacht werden. Gleichzeitig wurden mit Bodenradar, Sonden und Sensoren weitere Daten gesammelt. Von der Gesteinszusammensetzung hing das weitere Vorgehen ab.
Durch die Eigenrotation gab es eine minimale aber ausreichende Schwerkraft auf der Oberfläche des Kometen. Was das Arbeiten auf dem Felsbrocken erleichterte.
Alleine für die Vorarbeiten brauchten Sie 4 Stunden.
Eine Bergung dieser Art war enorm zeitintensiv. Was mit einem entsprechenden Aufwand verbunden war. Alles musste dreifach protokolliert und kontrolliert werden. Nur der kleinste Fehler konnte zu einer Katastrophe führen.
Dann war da der Zeitdruck. Sie hatten nicht unbegrenzt Zeit für die Bergung. Man befand sich im unbekannten, feindlich gesinnten Raumgebiet jenseits des Wurmlochs ihrer Galaxie. Umso schneller Sie den Job erledigten umso besser.
Dennoch ließ sich Sean nicht aus der Ruhe bringen, nur weil es schnell gehen musste. Er konnte sich auch bessere Orte vorstellen, wo er im Moment lieber wäre. Dafür brauchte man keine besondere Vorstellungskraft. Sie lagen gut in der Zeit.
Die Vorarbeiten waren so gut wie abgeschlossen.
Jetzt mussten Sie sich die nächsten Arbeitsschritte fußend auf den gesammelten Daten überlegen.

***

Während die Bergungsmannschaft seiner Arbeit nachging, war eine Inspektionsmannschaft über eine der freiliegenden Versorgungsluken in das Raumschiff gelangt. Sie sollten einen Schadensbericht verfassen und die Rumpfintegrität feststellen.
Neben den Technikern und Ingenieuren waren aus beinahe allen Schiffsstationen Frauen und Männer dabei. Dazu gehörte auch eine Hundertschaft Marines. Sie sollten das Schiff sichern. Deck für Deck. Sektion für Sektion.
Wenn die VF Orion flugtauglich war, sollte die Inspektionsmannschaft es bemannen und überführen. Ansonsten würde man den Schlachtkreuzer über das Wurmloch in das Silaa-System schleppen.
Nur wenn es keine Transportmöglichkeit gab, stand noch die Option einer Sprengung zur Verfügung.
Alles im allem sah die Orion raumtüchtig aus.
Die Inspektionsmannschaft überprüften die Schiffssysteme. Prüften den Hauptreaktor, der seit fast 7000 Jahren außer Betrieb war. Ihn wieder in Betrieb zu nehmen würde mehrere Stunden brauchen, da vorher allerhand Sicherheits- und Kontrollchecks durchgeführt werden mussten. Ein Kaltstart stand völlig außer Frage. Abgesehen davon dass das gar nicht möglich war.
Alles musste doppelt und dreifach geprüft werden. Wie die Bergungsmannschaft durften sich die Frauen und Männer an Bord der Orion keine Fehler leisten. Mal so eben einsteigen und losfahren war nicht. Oberflächig mochte der Schlachtkreuzer raumtüchtig aussehen, was kaum aussagekräftig war.
Aus diesem Grund wurde der Aufwand betrieben.

***

Fähnrich Alfred sollte zusammen mit seinem Partner Choò, einem dürren Malianer, den Reservespeicherkern überprüfen. Sie gehörten zum Technikerkontingent der Inspektionsmannschaft. Der Mischling fand es unheimlich, ja beinahe gruselig an Bord der VF Orion. Die weites gehend dunklen Gänge kamen einem wie gespenstische Katakomben aus einem Horrorfilm vor. Bloß das es sich hierbei nicht um Kulissen in einem Filmstudio handelte.
Reservespeicherkerne befanden sich grundsätzlich im hinteren Teil eines jeden Raumschiffs. Die Orion war keine Ausnahme.
Sie mussten praktisch von vorne nach hinten durchs Großkampfschiff laufen. Bei fehlender Gravitation und Lebenserhaltungssystem ein sehr beschwerlicher Weg, der einer Gipfelbesteigung nicht unähnlich war. Wenn Sie den je vorgehabt hätten einen 7000er Berg zu erklimmen, was definitiv nicht der Fall war. Jedenfalls bei Alfred.
Der dürre Malianer war recht schweigsam. Worüber der Mischling auch nicht unglücklich war. Sie beschränkten ihre Unterhaltungen auf das absolut Nötigste. Was scheinbar in ihrem Interesse war.
Es hätte ihn auch schlimmer treffen können!! Mit Cafù, zum Beispiel. Der Gvaner war ne Plaudertasche vor dem Herrn. Gut, das Sie die Schutzanzüge tragen mussten, denn dann hätte Alfred einfach die InterCom Verbindung auf Stumm gestellt. Etwas Positives mussten die Schutzanzüge neben dem offensichtlichen ja haben!! Andererseits konnte man froh sein sie zu haben, wenn man bedenkt wie die Schutzanzüge, aka Raumanzüge früher gewesen sind.
Die Schutzanzüge waren die zivile, abgespeckte Variante der Panzeranzüge.
Sie benutzten die Wartungsröhren um von Deck zu Deck zu kommen.
Jemand mit Platzangst musste in den Schutzanzügen und den Röhren eine enorme Willensstärke haben um nicht auszuflippen. Hinter einander weg krochen Sie die Röhren entlang. Dabei hatte er die beste Aussicht, stellte er zum wiederholten Male fest.
Vor ihm robbte Junior Private Amanda Gonzales.
Der Panzeranzug zeigte nicht mal im Ansatz das was für ein athletischer Körper in ihm steckte. Alleine die Vorstellung ließ Alfred das eine oder andere Mal abschweifen. Die Kleine war der Hammer. Dumm nur das Sie ihn mit dem kleinen Finger fertig machen konnte. Alles hat seinen Preis!!
Sie erreichten einen der unzähligen Wartungsknotenpunkten die mit den weitläufigen Wartungsröhren eines jeden Raumschiffs verbunden waren und einen von A nach B brachten, sofern die Lifts außer Betrieb waren.
Dieser Wartungsknotenpunkt lag am äußeren Ring, auch der E-Ring genannt. Das Schott führte direkt auf den vorbeiführenden Gang, auf dessen Deck der Reservespeicherkern seinen Platz hatte.
Wie nicht anders zu erwarten öffnete sich das Schott nicht. Auch die Berührung des Panels blieb erfolglos. Da es keine Energie gab, funktionierte der Mechanismus hier ebenso wenig wie überall auf dem Großkampfschiff. Also ging Alfred in die Hocke, nahm unter dem Panel eine Verkleidung ab, löste die automatische Verriegelung.
Zusammen stemmten Sie das Schott soweit auf, dass Sie hindurch schlüpfen konnten.
Wie überall auf dem Schiff herrschte auch hier stockfinstere Dunkelheit.
Sie schritten den Flur entlang.
Bis auf das Klacken der Magnetstiefel war es gespenstisch Still im Gang. Einfach nur unheimlich, fand Alfred. Die VF Orion war ein Geisterschiff. Die fehlende Energie verstärkte den Eindruck nur noch. Wie in einem dieser B-Horrorfilme.
Ihre Lichtkegel tanzten umher.
Der Flur lag einsam und verlassen dar.
Etwas anderes wäre auch eine unerfreuliche Überraschung gewesen.
Für den Fall war ja Junior Private Gonzales bei ihnen.
Das Trio bog in den Kreuzungsgang der sie direkt zum Reservespeicherkern führte.
Wenig später standen die 3 ein wenig verdutzt vor dem Schott hinter dem ihr Ziel lag.
Gonzales war sofort alarmiert. Ihre Hände lagen fester um das Impulsgewehr. Eine direkte Bedrohung schien jedoch nicht vorzuliegen. Was sie aber nicht entspannte.
Der Grund war, das in dem Schott zum Raum vom Reservespeicherkern ein Lock klaffte wo kein Loch hätte klaffen sollen. Jemand hatte sich mit Schweißbrennern Zutritt zum Raum verschafft. Nichts deutete daraufhin das jemand an Bord der Orion gelangt war. Doch das Loch im Schott machte sich nicht von selbst.
Eindringlinge!!
Gonzales ging als Erste in den Raum.

***

Um ihn zu sichern. „Er ist sauber. Ihr könnt reinkommen.“, sagte die Frau über den Teamkanal des InterCom.
Behäbig kamen Alfred Choò in den Raum.
Ihre Blicke wanderten umher.
Alles sah normal aus.
Bis auf den Umstand dass der ausgeschnittene Teil des Schotts vor ihren Füßen lag und eine Stufe bildete.
Eigentlich war der Reservespeicherkern nichts weiter als ein großer Datenspeicherserver. Auf ihm wurden alle schiffsrelevanten Kontrollsysteme, Logbücher, Protokolle und Datenbanken als Back-up gespeichert. Für den Fall, dass der Hauptspeicherkern ausfiel oder beschädigt wurde. Jedes Schiffssystem hatte zusätzlich einen eignen Speicherserver auf dem ausschließlich die Systemeigenen Daten gespeichert lagen.
„Choò.“, rief Alfred und zeigte auf die Zugriffsstation.
Teile der Verkleidung waren abmontiert worden. Wer auch immer sich Zutritt verschaffte, hatte es eindeutig auf den Reservespeicherkern, bzw. auf die entsprechenden Datensätze abgesehen. Die Verkleidung für die Ports seitlich an der Eingabebedienung fehlte ebenfalls.
Der Malianer verband sein Pad mit einem Port, da der Up-Link durch die fehlende Energie außer Funktion war. Über das Pad ließ Choò ein Diagnoseprogramm laufen. Eine Fehlermeldung nach der anderen tauchte auf seinem Touchschirm auf.
Alfred, sein Partner, schaute ihm über die Schulter. Günstigerweise war der Malianer einen Kopf kleiner. „Verdammt.“, kommentierte er grimmig. Das ist überhaupt nicht gut!! Verfluchte Scheiße!! „Oh, Mann.“
„Was ist?“, wollte Gonzales von den 2 Nerds wissen.
Der Mischling schaute sie an. Man konnte ihm die Erschütterung ansehen. Er machte eine Eingabe ins InterCom. Sein Ruf wurde nach nicht mal 2 Freizeichen entgegengenommen.
„Was gibt es, Fähnrich?“
Alfred schluckte. Damit hatten Sie wohl am allerwenigsten gerechnet. Zumal es keinerlei Anzeichen gab, das jemand in den Schlachtkreuzer eingedrungen war. „Sir, wir haben einen Code Violet.“

***

Code Violet stand für einen Systemdurchbruch.
Jemand hatte das ausgeklügelte Sicherheitssystem mit dem der Schiffscomputer und damit alle Schiffssysteme geschützt war durchbrochen. Was schon schlimm genug war, doch es kam noch schlimmer.
Wie Alfred und Choò herausfanden, hatten diejenigen einen kompletten Upload des Reservespeicherkerns durchgeführt. Wofür Sie einen mobilen Speicher verwendeten. Laut, den Aufzeichnung die man herausfiltern konnte, hatten sich die Eindringlinge nicht mal die Mühe gemacht ihre Spuren zu verwischen. Dadurch wurde das Ganze noch schlimmer, ja beinahe katastrophal.
Es zeigte sich dass die Eindringlinge nach 110-Stunden durch die Sicherheitssperren durchgebrochen waren, Zugriff auf den Reservespeicherkern erlangten und kurze Zeit später mit einem Datentransfer begannen. Die Spur, die Sie bei ihrem Tun hinterließen, legte offen dass die Basiscodes sowie der Systemcode des mobilen Speichers gvanischen Ursprungs waren. Sie hatten sich demnach die eingebettete gvanische Teilstruktur der Unioner Codes zu nutze gemacht.
Der gvanische Teil der verwendeten Basis- und Systemcodes waren jedoch minimal. Alles andere war fremdartig. Während die gvanischen Codes archaisch, ja förmlich antik wirkten, hatten die fremden Codes einen modernen, aber leicht rückständigen Touch. Sie hatten eine komplexe Struktur, in den unteren Segmenten die gvanischen Codes kombiniert wurden. Eigentlich waren Sie nichts weiter als schmuckes Beiwerk, welches zum Schlüsselelement wurde.
Man hatte sie benutzt, weil es notwendig war.
Das war der Eindruck, den man erhielt, wenn man alles auseinanderpflügte.
Nichtsdestotrotz wog der Durchbruch schwer.
Die Fremden verfügten dadurch über alle Daten des Reservespeicherkerns. Einzig positive war, dass die Daten verschlüsselt waren. Beim Zugriff fehlte der passende Algorithmus, der die Daten automatisch entschlüsselte. Andererseits war aus den zurückgelassenen Spuren nicht herauszusehen, wann der Durchbruch stattgefunden hat. Je nach Zeitspanne konnten die Fremden in Zusammenarbeit mit den Gvanern, so schien es für alle Beteiligten, an der Entschlüsselung arbeiten und möglicherweise einen zweiten Durchbruch erreicht haben.
Was konnten Sie jedoch mit den Daten anfangen?

***

Die Frage stellte sich nicht nur Leopold Alexander im stillen Kammerlein.
Niemand wagte sie bei der Kommandobesprechung zu stellen, die Großadmiral Jarò bezüglich der gewonnen Erkenntnisse einberief. Jeder Schiffkommandant, sowie die Geschwaderführer waren via Holoabbildung anwesend.
Er würde nicht soweit gehen und behaupten die Daten waren für die Fremden, wie Gvaner nutzlos. Andererseits war die VF Orion in der Testphase, daher verfügte Sie über eine minimale Astrometriedatenbank. Das Standardset hätte der Schlachtkreuzer bei seiner in Dienststellung erhalten. Raumschiffe in Testphase waren nur mit minimalen Sets ausgestattet.
Was konnten Sie also mit den Daten anfangen?
Auswerten.
Es würde ihnen einen Einblick verschaffen.
In Bewaffnung. Panzerung. Schussrate. Beweglich- und Schnelligkeit. Verteidigung. Der Stand der Waffen- und Wehrtechnologie.
Zu welchem Zweck?
Die Fremden schienen nicht davon auszugehen dass das Wurmloch alsbald seine Pforten öffnete und ihnen einen Weg nach Silaa-Stern ermöglichte. Ansonsten hätten Sie wohl mehr Kräfte vor Ort oder zumindest in unmittelbarer Nähe gehabt.
Es sei den?
Das Szenario, das just aus seinem Sein kletterte, gab einen ganz neuen Blickwinkel frei. Es erklärte einiges, nicht alles und zu wenig, aber immerhin etwas. Lose Enden verknüpften sich, fanden ein Ende oder verwoben zu einem neuen Faden.
Die Gmah kamen nicht aus dieser Galaxie!!
Das Wurmloch war der gemeinsame Nenner.
Er machte eine Eingabe in das InterCom.
„Ja, Sir.“, ertönte eine weibliche Stimme. Die Frau gehörte zur Com-Mannschaft.
„Rufen Sie Captain Sofia und Lieutenant Tanaka auf der Gaius.“
„Jawohl, Sir. Einen Moment.“
„Danke.“, er schloss den Kanal.
Vor ihm flammte der holografische Com-Schirm über seinem Schreibtisch auf. Verbindung wird aufgebaut, stand darin. Nach gut 50 Sekunden erschien folgendes: Ruf wurde angenommen.
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-4-

Lieutenant Tanaka war eine Mischlingsfrau, bei der man die einstigen japanischen Wurzeln deutlich erkannte. Sie hielten sich seit Generationen, allen Widrigkeiten zum Trotz, im genetischen Stammbaum der Familie. Was seither den Mitgliedern ihrer Familie ein exotisches Aussehen verlieh, mehr als Mischlingskindern wieso schon.
Schon als Kind war Sie sportbegeistert. Daher war Keiko Tanaka drahtig, aber stämmig muskulös. Im Nahkampf konnte ihr niemand so schnell was vor machen. Sie übertraf sogar die Ausbilder der Special Forces. Anders als ihr Bruder, der in der Vereinten Flotte diente, entschied Sie sich für das Vereinte Marine Corp. Wo Sie sich für das Special Forces Programm empfahl, was Keiko schließlich zur Schnellen Eingreifgruppe führte und dem Trupp von Lieutenant Felix Essien zu geteilt wurde.
Gleich beim ersten Einsatz stießen Sie auf etwas, das Sie letztlich zu den Alliierten Streitkräften brachte, die einen geheimen Krieg gegen die Gmah und deren Vasallen im Verborgenen führte.
Sie wusste mehr als die Meisten.
Hatte Dinge gesehen, bei denen sich die Nackenhaare aufrichteten.
Die Gmah existierten.
Auch wenn sie nie einem Gmah begegnet war, waren Sie real und stellten eine essenzielle Bedrohung dar. Nicht für die Menschen oder Gvaner. Nein, für alle Völker ihrer Galaxie. Ohne Ausnahme. Selbst für jene, die im Bund mit den Gmah standen. Direkt oder indirekt.
Und das Silaa-Wurmloch war der Schlüssel.
Alles deutete daraufhin, dass Sie durch das Wurmloch gekommen waren.
Bloß von welchem Ende?
Diese Frage konnte bisher nicht zweifelsfrei beantwortet werden.
Alles deutete mehr oder weniger auf die Heimatgalaxie der Gvaner hin.
Doch das war erstmal nebensächlich.
Ihre Aufgabe war es mit ihren Leuten den Gefangenen zu befreien und die Mondstation einzunehmen. Die Richtlinien für den Einsatz waren klar gezeichnet. Nur wenn eine direkte Bedrohung von den Gvanern ausging, hatten sie die Erlaubnis Waffengewalt anzuwenden, um die Bedrohung auszuschalten. Vornehmlich nicht tödlich.
Sie hatte ihren Trupp in 3 Teams aufgeteilt. Rot, Blau und Gold.
Die Mondstation lag auf einem Hangplateau und war im Umkreis von 200 Kilometern die einzige bergähnliche Erhebung. Eine ideale Lage für die Funkwellenkommunikation zum orbitalen Teleskop. Die Bodenstation bestand aus zusammengesetzten Containerbauten. Dazu gab es eine festinstallierte Andockbrücke.
In einem der äußeren Container, so die Sensoren standen mehrere Bodenfahrzeuge. Demnach handelte es sich um die Garage mit dazugehöriger Werkstatt. Im Kerncontainer befanden sich die Wohnquartiere sowie jener Raum, in dem sich der Gefangene aufhielt. In den übrigen Containern waren Labors, die Kontrollstation, Lagerräume, Technik, Trainingsraum, Kantine, Ruheräume, Werkstätten und Weiteres untergebracht.
Zum Hangplateau führte lediglich eine Straße, die gut einsehbar war. Der Einsatzplan sah ein verdeckt synchrones Eindringen aus unterschiedlichen Richtungen vor. Demnach hatte man für die Straße keine optionale Verwendung. Ein Eindringen vom Boden aus war jedoch unabdingbar. Eine reine Luftlandung hatte Sie zwar erwogen, sich aber letztlich dagegen entschieden.
„Team Rot in Position.“
„Team Blau in Position.“
Ertönte die Meldung der jeweiligen Teamführer über den Gruppenkanal.
Im HUD vom Helm ihres Panzeranzugs sah Keiko die jeweiligen farblichen Teamicons. Sie selbst befahl Team Gold, welches gerade eben vollzählig ihre vorgegebene Position auf dem Dach des Containerkomplexes erreichte. Die Landefähre, die zuvor über dem Dach schwebte, erhob sich lautlos, drehte ab und ging in ihre Warteposition.
„Team Gold in Position.“
„Verstanden, Trupp Tango.“, meldete sich Captain Sofia an Bord der VF Gaius. „EloKa Maßnahmen werden eingeleitet in 5“, leitete Sie den Countdown ein. „4“ Eine Drohne führte die Maßnahmen der elektronischen Kampfführung zur Unterstützung der Bodentruppen aus. „3“ Jeder Einzelne aus ihrem Trupp wusste, was zu tun war. In Hunderten, ja Tausenden Simulationen trainierten und schulten Sie ihr Tun. „2“ Egal wo, egal wann. „1“ Allzeit bereit, lautete das Motto der Schnellen Eingreifgruppe. „EloKa läuft.“
„Trupp Tango“, sagte Keiko keine Sekunde nach der Mitteilung über den Gruppenkanal. „Vorrücken.“

***

Team Rot und Blau sollten im Zuge dessen die Mondstation einnehmen und sichern.
Team Gold war für den Gefangenen zuständig.
Zügig, aber keineswegs leichtsinnig oder hektisch drangen die 3 Teams gleichzeitig in die Mondstation ein. Team Rot über die Garage im Westtrakt. Team Blau über die Zugangsschleuse vom Osttrakt. Team Gold über eine Dachluke im Südtrakt.
Die Impulsgewehre im Anschlag.
Im Helm-HUD hatte man den Echolotdetektor im Blick.
Dazu sahen Sie je nach Gegebenheit alles in einem automatisch zugeschalteten Filter des Helms. Dort wo es dunkel war, war der Nachtsichtfilter aktiviert.
Langsam, Schritt für Schritt rückten Sie vor. Die Finger an den Abzügen, bereit jeden feindlich Gesinnten auszuschalten. Absoluten Vorrang hatte die Befreiung des Gefangenen, seine Sicherheit und ihn schnellstmöglich auszufliegen.
Die Kommunikation beschränkte sich auf Handzeichen.
Jeder Container war eine separate Einheit, konnten vom Energienetz genommen oder eingegliedert werden. Sie besaßen keine eigenen Versorgungssysteme, sondern waren vom Hauptcontainerblock abhängig, der über ein Versorgungssystem verfügte. Container, die vom Personal nicht benutzt wurden, waren demnach nicht an das Versorgungssystem angeschlossen. Sparmaßnahmen.
Für den Einsatztrupp Tango spielte dies keine Rolle. Den Panzeranzügen sei dank.
Container für Container rückten Sie vor.
Obwohl der Einsatz gerade Mal 5 Minuten alt war, hatte es noch keinerlei Kontakt mit der Stationsbesatzung gegeben. Laut der Sensorüberwachung befand man sich gerade im Nachtzyklus, wie auf der Südhalbkugel des Planeten. Dadurch konzentrierte sich der Betrieb der Mondstation vornehmlich auf den Kernkomplex, wo die Unterkünfte, die Kantine und dergleichen lagen. Dort lag auch der Container, indem sich der Gefangene befand. Rundherum patrouillierten ausschließlich die Bio-Signaturen der Fremden.
Es war also nur eine Frage der Zeit bis der Kommandotrupp von Lieutenant Tanaka Feindberührung hatte.

***

Wer letztlich als erstes Feindkontakt hatte, ließ sich aus der Echtzeitaufzeichnung des Einsatzprotokolls entnehmen. Für die Frauen und Männer in den Panzeranzügen spielte es eine Untergeordnete bis gar keine Rolle. Sie führten keine Strichliste, wer wie viele Feinde tötete, wie es in manchen Filmen und Serien im Network suggeriert wurde.
Team Rot, angeführt von Senior Sergeant Rooney, befanden sich im letzten äußeren Container im Westtrakt des Komplexes. Anders als die bisherigen Container war dieser im hiesigen Versorgungssystem eingegliedert. Die Kontrolltafel der Verbindungstür zwischen den Containern befand sich im Ruhemodus. Demzufolge war der Container am Energienetz.
Was also auf eine Nutzung der untergebrachten Einrichtung schließen ließ. Laut den Sensoraufzeichnungen befanden sich in dem Container verschiedene hydroponische Gärten, die eine minimale Versorgung benötigen.
Sie waren also nicht überrascht oder unvorbereitet, als Sie in den Container traten.
Der Container war in Zellen unterteilt, die unterschiedliche Hydrokulturen beherbergten. Hauptsächlich essbare Pflanzen, wenn man nach den alt-gvanischen Symbolzeichen ging, die sich auf den Türen befanden. Mit den hydroponischen Gärten stellte man eine Grundversorgung für die Besatzung sicher.
Wuubb!! Eine der hydraulischen Verbindungstüren öffnete sich am Ende des T-Kreuzungsgangs.
Die Vorhut erreichte gerade die Ecke.
Geradeaus war der Container eine Sackgasse. Der Gang der T-Kreuzung führte zum nächsten Container, der zum inneren Ring des Komplexes gehörte.
Zwei Gvaner, eine Frau und ein Mann, traten über die Schwelle. Automatisch schaltete sich blinkend die Deckenleuchten ein.
Wuubb!! Die Verbindungstür schloss sich hinter ihnen.
Per Handzeichen sprachen sich die Marines ab. Auf ein knappes Nicken hin, traten Sie um die Ecke…

***

„Keine Bewegung.“, riefen Sie.
Die Gvanerin erstarrte augenblicklich vor Schreck. Sie riss die Augen auf. Aus ihren Händen glitt ein Glasbehälter. Darin befand sich eine neue Hydrokultur, die sie im Labor gezüchtet hatte. Aus ihrem Augenwinkel sah sie wie die Hand ihres Begleiters zum Halfter schnellte, auch wenn dies in Superzeitlupe geschah.
Der Behälter fiel zu Boden. Das Glas splitterte. Die Keramikeinfassung der Hydrokultur platzte.
„Keine Bewegung!!“, riefen die Eindringlinge warnend. Einer zielte auf die Frau, der andere auf den Mann. Doch die Bewegung des Gvaners machte deutlich, wer von ihnen eine Bedrohung darstellte.
Der Gvaner zog eine klobige Handwaffe aus dem Halfter, hob den Arm.
„WAFFEE!!“
„NEHMEN SIE DIE WAFFEE RUNTER!!“
Unvermittelt trat die Gvanerin mit dem Gesicht zu ihrem Begleiter und direkt vor ihn. Sie stellte sich damit in die direkte beidseitige Schusslinie. Genau in dieser Sekunde drückte der Gvaner ab. Das Materieprojektil drang in ihren Unterleib ein. Mit weit aufgerissenen Augen sackte sie zusammen.
Eine allerletzte Warnung war überflüssig.
Die Marines schossen.
Die Energiebolzen schlug in die Brust des Gvaners ein, entgeistert blickte er drein und fiel kopfüber auf den Boden. Da war er bereits tot.
Die Einsatzdoktrin war klar umrissen.
Sofern keine akute Bedrohung von den Gvanern ausging, war von Beschuss abzusehen. Sie sollten aber, bis zur Klärung der Lage, ohne Anwendung von Waffengewalt festgesetzt werden. Eröffneten Sie jedoch das Feuer auf die Soldaten, so durften diese zur Selbstverteidigung nach eigenen Ermessen handeln. Was soviel hieß, man durfte zurückschießen.
Genau das hatte man getan, als ihnen der Gvaner keine Wahl ließ.
Über den Gruppenkanal meldete man, dass der Gvaner tot und die Frau schwer verwundet war. Sofort wurden Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen, um die Gvanerin zu stabilisieren. „Teamführer Rot an Gaius.“, rief Senior Sergeant Rooney über den Gruppenkanal.
„Gaius hört Teamführer Rot.“
Die Erste-Hilfe sollte den Verwundeten, je nach Grad der Verletzung, stabilisieren. „Zustand der Gvanerin kritisch.“ Mit einem Pflaster oder einem Wundscanner war es nicht getan. Sie war schwer verwundet. Erste-Hilfe reichte da auf Dauer nicht aus. Sie benötige sofortige medizinische Hilfe, die im Moment vor Ort nicht möglich war. „Sie muss umgehend ausgeflogen werden.“
„Verstanden, Teamführer Rot.“, teilte ihm der EO der VF Gaius mit. „Gaius an Rescue-1.“, rief er den in Bereitschaft stehenden Rettungstrupp über den Gruppenkanal.
„Rescue-1 hört.“
„Übernehmen Sie sofortigen Ausflug der Verletzten zur Gaius.“
In jedem der 3 Landefähren, mit denen die Einsatzteams auf den Mond gebracht wurden, befand sich jeweils ein Rettungstrupp. Alle 3 Fähren waren nach der Absetzung der Einsatzteams abseits der Mondstation gelandet, blieben im Stealth-Modus und in Abflugbereitschaft.
„Verstanden, Gaius.“, meldete die Pilotin und brachte die Fähre im selben Moment in die Luft. „Ankunft in 40 Sekunden.“
„Verstanden, Rescue-1.“, sagte Rooney. „Markieren Landepunkt zur Abholung.“
„Verstanden, Teamführer Rot.“
Er schickte 2 seiner Marines los.
Die verletzte Gvanerin hatten sie in den Gang um die Ecke gebracht. Das restliche Team hatte Stellung an den Ecken bezogen. Man rückte erst weiter vor, wenn der Rettungstrupp mit der Gvanerin an Bord von Rescue-1 war. Die Sicherheit der Verletzten, egal ob es sich dabei um eigene Leute oder Andere handelte, hatte Vorrang.

***

Unterdessen bezog Team Blau Stellung an den Zugangspunkten zum Gesellschaftsraum, dem hiesigen Casino in einem Containerbau des Osttraktes. Dort hatten sich alle übrigen gvanischen Mitglieder der Mondstation versammelt. Anscheinend hatte ein Mitglied Geburtstag. Seine Kollegen hatten eine kleine Feier organisiert.
„Blau-2 in Position.“
Der Gesellschaftsraum verfügte über 2 Zugänge. Sergeant Han, die Teamführerin, hatte ihr Team geteilt. Sie wollte über beide Zugänge eindringen. So konnte niemand flüchten und die Fremden warnen.
Die Anspannung wuchs bei ihr. Denn man wusste nie, was einen hinter einer Tür erwartete. Niemand konnte voraussagen, wie man auf sie reagierte. „Verstanden, Blau-2.“, sagte Ziu Han mit ihrer butterweichen Stimme über den Teamkanal. Per Handzeichen gab Sie ihren Marines von Blau-1 das Zeichen. „Eindringen in 3“ Jeder kannte seine Rolle, wusste, was zu tun war. „2“
„Gaius an Trupp Tango.“, ertönte es über den stetig freien Gruppenkanal. „Mögliche feindliche Gesinnung unter den Gvanern vorhanden. Einsatzdoktrin unverändert. Gaius Ende.“
Sie wurden nicht mit offenen Armen empfangen. Warum auch? Was hatten Sie erwartet!!
Sie hatten einen Auftrag zu erfüllen. „1“ Das alleine zählte. Punkt aus. „Los!!“
Man betätigte den Sensorbutton, mit dem sich die hydraulischen Zugangstüren im Container öffnen ließen. Die Marines traten gewarnt mit den Impulsgewehren im Anschlag über die Schwelle, drangen mit höchster taktischer Effizienz in den Gesellschaftsraum ein.
„Keine Bewegung!! Hände hoch!!“, riefen die Marines.
Die feierliche Stimmung verschwand von der einen Sekunde auf die Nächste.

***

Containermodule waren kostengünstig, schnell hochgezogen und abgebaut und nahmen kaum Transportkapazitäten in Anspruch. Daher kamen sie auch auf Ihrer Seite des Wurmlochs neben der Zeltvariante zum Einsatz. Für Hilfsmissionen und bei Militäreinsätzen waren sie die ideale Lösung, wenn man sich zeitlich begrenzt irgendwo niederlassen musste.
Die Gvaner jedenfalls hatten die Anwendungsmöglichkeiten erkannt und nutzten Sie.
Das Hauptmodul, um das alle weiteren Containerbauten angeordnet waren, war im Grunde nichts weiter als das 3 Container zu einem Modul vereint. Dort befand sich unter anderem das Kontrollzentrum für das Weltraumteleskop, die Krankenstation und der Reaktorkontrollraum, wo ein beinahe antiker Fusionsreaktor stand und die Mondstation mit Energie versorgte.
Sie interessierte mehr der Bereich vom Hauptgebäude, wo der Gefangene festgehalten wurde.
Genau jener Bereich schien hauptsächlich den Fremden vorbehalten zu sein.
Den neusten Sensordaten zur Folge befanden sich in 2 Räumen Ruhekammern, die vergleichbar mit sogenannten Kälteschlafkammern, oder Langzeitflugschlafkammern genannt, waren die während des Unterlichtzeitalters benutzt wurden. Bei den Ruhekammern handelte es sich im Grunde um Schlafplätze/Betten, die von den Fremden genutzt wurden.
Schon beim ersten Kontakt mit den Fremden wurde von Anfang an deutlich das es sich um gut ausgebildete Militärs handelte. Sie trugen einen Mix aus Panzer- und Schutzanzug, wohl dem ihrem Panzeranzug nicht unähnlich. Die Energiewaffen basierten auf veralterter Impulstechnologie.
Wie zu erwarten zeigten die Fremden keine Reaktion auf die Rufe der Marines. Sie zögerten keine Sekunde die Eindringlinge anzugreifen.
Die Marines hatten ohne Zweifel den technologischen Vorteil auf ihrer Seite. Natürlich reichte das Normal nicht aus. Wie die Historie zeigte, konnten auch technologisch fortschrittliche Völker einen Kampf, eine Schlacht oder sogar einen Krieg gegen einen technologisch unterlegenen Gegner verlieren. Entscheidend war, wie man die vorhandenen Ressourcen einsetzte.
Wie sich bei den Scharmützeln herausstellte, trug ein Fremder keine Silber-Schwarze Rüstung. Bei ihm handelte es sich um einen untersetzten unbekannten Humanoiden, der dem Gebaren nach den Befehl hatte. Die Fremden führten sie ohne Wenn und Aber oder zögern aus. Kurz vor dem tobenden Feuergefecht mit den Marines war der Humanoide zusammen mit einem Fremden aus dem Raum gekommen, wo sich der Gefangene aufhielt.
In dem kurzzeitigen Scharmützel starb der Anführer der Fremden ebenso, wie die fremden Soldaten.
Eins stand schon mal fest, dachte Keiko, aufgeben war für die Fremden keine Option.
Die Marines sicherten die Umgebung.

***

Zusammen mit Junior Private Henderson, er war einer von 2 Sanitätern ihres Trupps, trat Keiko in den Raum.
Er erinnerte einen sofort und unvermittelt an einen Befragungsraum. Daran angrenzend, im Nebenraum, befand sich eine Kammer, die mehr eine Zelle war. Dies war jedoch eine Definitionsfrage.
In dem Raum standen 2 Stühle und 1 Tisch.
Auf einem Stuhl saß eine ausgemergelte, zusammengekauerte Gestalt, die mit Magnetbeschlägen an den Stuhl gefesselt war. Der Anblick erschütterte einen, egal ob man dagegen gewappnet war oder nicht. Kam man näher, sah man auch die Spuren der Befragungen, die an dem Menschen zerrten und zu dem Anblick beitrugen, den Keiko und Henderson bekamen.
„Captain Luciò.“
Keine Reaktion.
Der Mann hatte lange, ungewaschene Haare, trug einen sporadisch gestutzten, verfilzten Vollbart. Ein strenger Geruch stieg ihnen in die Nase.
Sie hatten den Helm ihrer Panzeranzüge vor dem Betreten des Raums deaktiviert.
Als sie bei ihm angekommen waren, zögerte Henderson keinen Moment um sich einen Überblick über den Gesundheitszustand des Mannes zu machen. Seine Augenlider flackerten. Sein Körper zitterte. Sie hatten ihm ordentlich zugesetzt und waren wohl nicht allzu zimperlich gewesen. Man sah allerhand Narbengewebe.
Keiko atmete tief durch. Dann betätigte Sie das Com. „Teamführer Gold an Gaius.“ Sie flüsterte beinahe. Henderson sprach leise mit dem einstigen Gefangenen. Die Reaktion war minimal.
„Gaius hört Teamführer Gold.“
„Nummer 1 ist sicher.“ Trotz des Livestream der Sensoren wurden die Worte mit Erleichterung aufgenommen. Henderson sah zu ihr, nickte knapp. Demnach hielt er den Mann für transportfähig. Er deaktivierte die Magnetschellen, legte den Arm des Mannes um den Nacken, stützte den befreiten Gefangenen, der scheinbar weggedämmert war. „Wir beginnen mit der Evakuierung von Nummer 1.“, meldete Keiko. Henderson zog ihn mehr mit sich, als der Mann selbst ging. Seine zerfledderten Schuhe schleiften über den Boden. „Rettungstrupp erforderlich.“
„Verstanden, Teamführer Gold. Evakuierung wird umgehend eingeleitet. Rescue-2?“
„Haben verstanden, Gaius. Rescue-2 ist unterwegs.“, meldete der Pilot der Fähre wo der Rettungstrupp 2 an Bord war. „Ankunft in 40 Sekunden.“
„Verstanden, Rescue-2.“, entgegnete Keiko. Sie gab den Marines vor dem Raum das Zeichen zum Abrücken. Sie nahmen Henderson und den einstigen Gefangenen in die Mitte, bildeten einen Wall aus Panzeranzügen und Impulsgewehren. „Wir rücken ab.“, sagte Sie über den Teamkanal. „Elias! Ròn! Markiert die Landezone Alpha.“ Die beiden Marines nickten und heilten voraus. Keiko wechselte wieder auf den Gruppenkanal. „Landezone Alpha wird markiert, Rescue-2.“
„Bestätige, Teamführer Gold. Landezone Alpha. Rescue-2 Ende.“
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-5-

Unterdessen hatten Sean und Co mit ihren ganz eigenen Problemen bei der Bergung zu kämpfen. Die Bergung eines Schlachtkreuzers, teileingeschlossen in einem Kometen machten selbst Spezialisten in ihrem Berufsleben nie. Für die Crew um Sean war es auch das allererste Mal.
Nach der Analyse der Probebohrungen sowie der Auswertung der Tiefenscans hatte man einen ungefähren Blick auf das, was ihnen bevorstand. Eins stand schon mal fest, der Felsbrocken würde es ihnen nicht einfach machen die VF Orion zu bergen. Die Sache wurde dadurch erschwert, dass sich die Struktur des Gesteins beim Aufweichen der Einschlussstelle veränderte. Es hatte an Festigkeit gegenüber dem übrigen Gestein gewonnen, war Härter, Fester und so gar nicht flexibel, wenn man das Großkampfschiff befreien wollte.
Entlang der Übergangskante, die das Gestein mit dem Schlachtkreuzer verband, setzten Sie Bohrlöcher. In denen sollten dann Sprengladungen platziert werden, die Sprengkraft wurde für jedes Bohrloch einzeln berechnet. Sie war ausschlaggebend für das Gelingen des waghalsigen und einmaligen Vorhabens. War die Sprengkraft zu niedrig oder zu hoch, endete das Ganze in einem Fiasko.
Auf die eine oder andere Weise.
Waren die Sprengladungen platziert wurden die Löcher mit Spezialbeton zu gestöpselt. Dadurch lenkte man die Sprengkraft entsprechend. Vorher musste jedes Bohrloch gescannt werden um die Gesteinszusammensetzung des Schachtes zu ermitteln. Was mit in die Berechnung der Sprengstoffmischung floss. Auch die Bohrtiefe jedes einzelnen Lochs war separat berechnet, gegengerechnet und bestätigt worden.
Die Vorarbeiten waren das Aufwendigste bei der Sache.
Anhand der gesetzten Sprengpunkte wollte man eine Bruchkante schaffen, aus der sich im Idealfall das Großkampfschiff einfach lösen ließ. Zumindest war dies die Absicht dahinter.
Soweit so gut.
Die Umsetzung stand auf einem ganz anderen Blatt.

***

Die Bohrfahrzeuge hatten ihre Leistungsfähigkeit schon in unzähligen Aufträgen unter Beweis gestellt. Sie waren von Lando und Anko konzeptioniert und von einem zufriedenen Stammklienten, unter ihrer Federführung, als Dank gebaut worden. Neben dem vereinbarten Honorar versteht sich.
Die Fahrzeuge besaßen eine unverkennbare Ähnlichkeit mit Schildkröten von der einstigen Erde, basierte auf Leichtbauweise und besaßen eine Geländetauglichkeit, die selbst Geländerover erblassen ließ.
Beide Achsen ließen sich einzeln oder gemeinsam steuern. Das Profil der großen Räder konterte jedes Gelände. Durch die Leichtbauweise waren die Fahrzeuge wendiger und schneller als es den Anschein hatte. Die Nase, die Fahrerkabine, war eigenständig steuerbar. Am Kopf des Kranauslegers, der im Fahrzeug schlummerte, befand sich ein Universaladapter, an dem sich allerhand Zubehör festmachen ließ. Mit zusätzlichen Gestängeachsen ließ sich die Reichweite, je nach Einsatzgebrauch erhöhen oder erweitern. Die Karosserie bestand aus einer, vom Klienten eigens entwickelten Carbonlegierung. Auf dem Fahrzeuggerüst waren Panzerbleche verschweißt worden, die die Bohrfahrzeuge schützten und somit zu einem Bodenpanzer machten. In der Fahrzeugkabine gab es, trotz des platzverschlingenden Kranauslegers, genügend Stauraum. Bis zu 5 Personen hatten in der Fahrzeugkabine Platz. Der Komfort beschränkte sich jedoch auf ein Minimum.
Es handelte sich schließlich um Arbeitsfahrzeuge.
Mit 2 Bohrteams bohrten Sean und Co im Akkord die Löcher in das widerspenstige Mammutgestein. Für das tiefste Bohrloch waren 3 Stunden veranschlagt.
Die Bohrköpfe besaßen Mikrolaserköpfe, deren Strahlkraft über den Bordcomputer eingestellt wurde. Die Laserkerzen im Inneren der Köpfe waren austauschbar aber nicht wiederverwendbar.
Und eigentlich hatten Sie eine lange Nutzungslebensdauer, dachte sich Sean mit einer ordentlichen Portion Ironie. Sie wechselten die Laserkerzen inzwischen das zweite Mal. Bei ein und dem selben Bohrloch. Immer noch besser als einen kompletten Bohrkopf zu verlieren, wie beim letzten Bohrloch. Dort hatte es besagten Bohrkopf regelgerecht zerfetzt. Etwas das man auch nicht alle Tage sah. Das Problem an der Sache war, wenn es mit dem Verschleiß so weiter ging, hatten Sie bald keine Ersatzteile mehr. Man war erst bei Bohrloch 7. Weitere 8 plus 1 standen noch auf dem Plan. Insgesamt waren 31 Bohrlöcher entlang der Übergangskante veranschlagt.
Dieser Felsbrocken war ein Sturkopf.
Über den gesteckten Zeitplan verschwendete Sean inzwischen keinen müden Gedanken mehr. Er hatte sich nämlich längst in Wohlgefallen aufgelöst und war wieso mehr Schein als Sein. Was dem Großadmiral selbstverständlich überhaupt nicht passte. Wahrscheinlich war er es gewohnt das aufgestellte Zeitpläne eingehalten wurden.
Sean zuckte gleichgültig mit der Schulter. Pech gehabt!! Man bekommt halt nicht immer das, was man sich wünscht. Andererseits konnte er den Mann ein Stück weit verstehen. Immerhin saßen Sie hier draußen sprichwörtlich auf dem Präsentierteller. In einer feindlichen Region der hiesigen unbekannten Galaxie. Das Großadmiral Jarò also so schnell wie möglich einpacken und verschwinden wollte, war demnach nicht weiter verwunderlich.
Da erging es Sean nicht anders. Er wollte auch nicht unbedingt mehr Zeit auf dem Felsbrocken verbringen, als er musste. Bis Sie jedoch einpacken und verschwinden konnten, dauerte es noch ein bisschen. Wie lange, da hüllte er sich in Schweigen.
Eben so lange wie Sie brauchten um das Großkampfschiff aus diesem Kometen zu bekommen.
Oder eine Horde schießwütiger Einheimischer tauchte auf.
Je nachdem, was zu erst eintraf.
„Nummer 10 ist fertig.“, hörte Sean Maren triumphal über das Helm-Com des Schutzanzugs sagen. Er war notwendig, da es auf dem Kometen keine Atmosphäre gab.
Maren und Alice bildeten zusammen mit 2 Helfern ein Bohrteam.
Sean, Lando und ebenfalls 2 Helfer bildeten das andere Bohrteam.
Ein Geschlechter-Wettstreit zwischen den Bohrteams war entbrannt.
Wer zu erst 15 Bohrlöcher plus 1 schaffte.
„Bestätige, Boss.“, erklärte der junge Anko aus dem Cockpit der Kreuzberg. „Nummer 10 hat festgelegte Bohrtiefe.“
Er konnte richtig das Grinsen von Maren und Alice sehen, wie sich die Frauen abklatschten, einpackten und zum Bohrpunkt 11 fuhren.
Mist, verfluchter!!

***

Sie waren mit Loch 7 fertig, da begannen Maren, Alice und Co Loch 11 anzubohren.
Die Frauen hatten sich von Anfang an gut verstanden. Sie waren zwar keine beste Freundinnen, aber das war auch nicht nötig. Den letzten Geschlechterwettstreit zwischen ihnen hatten Sean und Lando für sich entschieden. Womit sie auf 5 zu 7 verkürzten.
Die Frauen waren eingespielt, als ob Maren nie weg gewesen wäre. Alice bediente die Bohrsteuerung aus der Fahrerkabine heraus. Auf dem Duranpanzerglas befanden sich seitlich gelegene holografische Fensterprojektionen die diverse Überwachungsdarstellungen beinhalteten. Es war nichts anderes als das HUD eines Panzer- oder Schutzanzugs.
In ihnen wurde Bohrgeschwindigkeit, Bohrtiefe, Außen- wie Innendruck, die Außen- und Innentemperatur vom Bohrloch sowie des Bohrkopfs, Kühlmittelanzeige, Zustand der Mikrolaserköpfe plus Laserkerzen und weitere Anzeigen.
Maren und ihre beiden Helfer hatten die undankbare Aufgabe draußen zu arbeiten. Alice musste keinen Schutzanzug tragen, wie die 3.
Bevor es angezeigte wurde spürte es Alice.
Was!!
Eine kaum wahrnehmbare Vibration, wo keine sein sollte. Just in diesem Moment wollte sie rein instinktiv die Bohrkopfumdrehung verringern, doch da war es bereits zu spät. Allerhand Alarmtöne schrillten los, als es einen heftigen Ruck gab und einen Knall.
Sofort zog Sie den Bohrkopf ein Stück zurück. Der Computer führte innerhalb einer Nanosekunde eine Notabschaltung durch. Gerettet hatte es den Bohrkopf jedoch nicht.
„Zieh ihn raus.“, sagte Maren übers InterCom.
Kaum war er draußen sahen Sie das Ausmaß.
Der Bohrkopf war zertrümmert. Etwas derartiges sahen die Frauen zum ersten Mal. Vom ihm war faktisch nichts mehr übrig. Ein wahrlich zertrümmerter Stumpf hing am Bohrkopfgestänge, welches zu allem Überfluss ebenfalls Schaden genommen hatte. Dazu noch der geschrottete Adapterkopf. Der Schadensjackpot.
„Dann mal an die Arbeit.“

***

Sie brauchten an die 3 Stunden um die Apparatur wieder flottzukriegen.
Als der Trockentest absolviert war, montierte man einen Sensorkopf an. Bevor Sie einen zweiten Bohrkopf ins Loch schickten, mussten sie überprüfen, ob der Bohrschacht beschädigt war, bzw. wissen, was dem Bohrkopf so zusetzte.
Laut den Sensordaten war der Bohrkopf auf eine Iridiumplatte von circa 1 Meter 70 Dicke gestoßen. Kein Wunder also das es ihn zertrümmerte. Damit hatten sie nun wirklich nicht gerechnet, zumal die vorangegangenen Sensordaten keinen Aufschluss über Lage und Existenz der Iridiumplatte gaben. An der Stelle der Probebohrung fanden sich auch keine Anzeichen einer Iridiumplatte, geschweige den Iridiumerz oder Iridiumkristallen.
Durch das Aufweichen des Gesteins, so Anko’s Annahme, waren die zuvor eingeschlossenen Kristalle und Erzfragmente zu der Iridiumplatte geschmolzen.
Nichtsdestotrotz befand sie sich im Weg. Es führte auch kein Weg drum herum. Also blieb ihnen nichts anderes übrig als durch die Iridiumplatte zu bohren. Was zeitintensiv aber machbar war.
Der Sensorkopf wieder raus.
Maren und Co montierten den neuen Bohrkopf. Alice nahm die notwendigen Einstellungen vor, führte das Bohrgerät wieder in den Schacht, schaltete den Bohrkopf an und dann fräste er sich durch die Iridiumplatte.
Geschlagene 4 Stunden und 21 Minuten für 1 Meter 73 Bohrtiefe.
Danach musste der Bohrkopf mitsamt den Laserköpfen 1 Stunde abkühlen. Bei einer Erhöhung der Stickstoffzufuhr bestand die Gefahr dass die Laserköpfe sprichwörtlich Schockgefrostet wurden. Was sie wiederum nutzlos machte. Nicht das Sie überhaupt wiederverwendbar waren, aber die Gefahr dass dadurch der Bohrkopf Schaden nahm war zu groß um ein entsprechendes Risiko einzugehen.
Das war der Sieg über Sean und Lando nicht wert.
Also ließen sie die Laserköpfe abkühlen, wechselten den kompletten Satz aus, ließen einen Simulationstest durchführen und setzten anschließend die Bohrung fort.
Ohne weitere Zwischenfälle.
Jedenfalls vorerst.

***

41 Stunden brauchten Sie insgesamt für die Bohrlöcher. 20 Stunden mehr als veranschlagt. Am Bohrloch Nummer 31 trafen Maren-Alice und Sean-Lando gleichzeitig ein. Kurz um einigte man sich auf ein Unentschieden im Geschlechterwettstreit.
Als Bohrloch Nummer 31 fertig und versiegelt war, um Schachteinbrüche zu verhindern, beschloss Sean kurzerhand eine Ruhepause einzulegen, bevor sie mit dem Befüllen begannen. Die Sprengkörper waren zwar gesichert, aber Unfälle kamen trotz aller Vorkehrungen immer wieder vor. Eine kleine Unachtsamkeit konnte hierbei tödlich sein und schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Daher war es besser sich für 4 Stunden aufs Ohr zu legen. Alle waren erschöpft und ausgelaugt. Weshalb niemand Einwände kundtat.
Bis auf Großadmiral Jarò.
Er ließ es sich nicht nehmen anzurufen, als sein ZO ihm mitteilte, das Sean und Co erstmal eine Pause einlegten. Sean nahm den Anruf zwar entgegen, legte aber im gleichen Moment auf und sperrte den Com-Kanal. Die Bimmelei ging einem ja auf den Sender, wenn man versuchte wenigstens etwas Schlaf vor dem großen Finale zu bekommen.
Schlussendlich blieb dem ehrenwerten Großadmiral gar keine andere Wahl als zu warten.
Die Unverfrorenheit von Sean hingegen musste den Mann zur Weißglut bringen.
Worüber sich dieser aber keinerlei Gedanken machte.
Er brachte den Pilotensitz in die Schräge, machte es sich ansatzweise bequem und nickte umgehend ein. Wie jeder an Bord der Kreuzberg, die in einer Senke des Kometen stand und einen direkten freien Blick auf die VF Orion besaß.

***

Die Schlafpause tat allen gut. Naja, zu Anfang eher nicht, da herrschte an Bord eine griesgrämige Stimmung, weil jeder nach der Tortur länger geschlafen hätte, als nur 4 Stunden. Aber immerhin besser als nichts.
Nach einem kurzen proteinreichen, breiigen Frühstück und unzählige starke Tassen Kaffee ging man frisch ans Werk. Anko überprüfte ein letztes Mal seine Berechnungen für die Sprengstoffpäckchen. Zusätzlich ließ er zur Absicherung eine erneute Sprengsimulation durchlaufen.
Er hatte 3 verfügbare Varianten erstellt:
- Eine zeitverzögerte Sprengung mit einem maximalen Zeitfenster von 2 bis 5 Millisekunden.
- Eine synchrone Sprengung aller 31 Ladungen.
- Eine Teilsprengung von jeweils 15 Ladungen plus 1 zum Schluss.
Bei den mehrstündigen Simulationen zeigte sich das keine Variante auf 10 von 10 Versuchen kam. Die 1e Variante erzielte ein Ergebnis 9 von 10. Nummer 2, 6 von 10 und die letzte Variante 7 von 10.
Obgleich die Militärs die Teilsprengungsvariante favorisierten, entschied sich Sean die 1e Variante. Bei, der die mittige Ladung als Erstes detonierte und sich in einer beidseitigen Kettenexplosion fortsetzte. Links wie Rechts detonierten die nummerierten Ladungen ihrer Nummer entsprechend gleichzeitig. Zwischen den jeweiligen Nummernpaaren lag ein Zeitfenster von unter 2 Millisekunden.
Dass keine der Varianten ein perfektes Ergebnis erzielte, ließ sich nicht ändern. Und selbst wenn, hieß das noch lange nicht, dass das auch so eintraf. Simulationen blieben nun mal, was Sie sind, Simulationen.
Sie arbeiteten wieder in 2 Teams. Doch diesmal befüllte ein Team die Löcher mit den Sprengsätzen und das Andere verschloss diese dann mit Beton, der die Sprengkraft nach oben hin abmildern sollte.
Mit dem Befüllen und Verschließen waren Sean und Co fast 2 Stunden lang beschäftigt. Alle Sprengladungen sendeten via Up-Link ein Signal. Damit hieß es zusammenpacken, zurück zur Kreuzberg und schleunigst von dem Felsbrocken zu verschwinden.
Anders diejenigen, die freiwillig an Bord der VF Orion waren, um bei einer erfolgreichen Freisprengung die sofortige Flugsteuerung zu übernehmen. Alle trugen zu ihrer eigenen Sicherheit Panzeranzüge. Da niemand explizit vorhersagen konnte, welche Folgen und Auswirkungen die Sprengung haben konnte. Daher wurde die Überführungsmannschaft auch auf freiwilligen Basis zusammengestellt. Sie waren sich des Risikos bewusst.
„Wir sind soweit, Orion.“, teilte Sean der Besatzung an Bord des Großkampfschiffs mit. Man hatte vorher einen Countdown von T-Minus 20 Sekunden vereinbart. Denn nach dem Start des Countdowns gab es keinerlei Com-Verbindung mehr.
„Verstanden, Kreuzberg.“, erklärte der Führungsoffizier der Überführungsmannschaft. „Von unserer Seite aus, kann es los gehen.“
Er schwieg einen Moment. „Countdown startet jetzt.“ Auf dem Flaggschiff der Kampfgruppe, sowie jedem zugehörigen Schiff, der Kreuzberg und der VF Orion sprang der voreingestellte Countdown von 20 auf 19 Sekunden um. „Kreuzberg, Ende.“ Sean kappte die Com-Verbindung.
Ein Gebet konnte jetzt nicht schaden.
Die 20 Sekunden schienen eine Ewigkeit zu brauchen um zu verstreichen.
Dann sprang der Chronometer von 1 auf 0.
Die Sprengung wurde umgehend eiskalt, ohne Gewissensbisse oder Zweifeln vom Computer ausgelöst.
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-6-

Sofia betrat die Zentrale Patienten-Aufnahme (ZPA) der Krankenstation.
Neben der Doppeltür stand ein bewaffneter Marine in einer Panzerweste. Was den aktuellen Gegebenheiten geschuldet war. In der Regel war die ZPA ein offener Bereich. Es gab allgemeine Biobetten, wo die Untersuchung stattfand. Bei Raumschiffen auf Fahrt handelte es sich in der Regel um die normalen Wehwehchen, wie im alltäglichen Leben.
In den angrenzenden Nebenbereichen der Krankenstation befanden sich die Quarantäne-, Isolierstation, Operationssäle und Sonderbehandlungsräume, falls ein Patient einen privateren Rahmen wünschte. In der ZPA selbst konnten separate ZBV-Räume geschaffen werden, indem Trennwände eingezogen wurden. 5 Stück konnten innerhalb der ZPA geschaffen werden, ohne verfügbare Bettenanzahlen erheblich zu kürzen. Die ZBV (=Zur Besonderen Verfügung) Räume konnten unter anderem als Operationsräume benutzt werden, wenn die Notwendigkeit bestand. Wie bei einer Schlacht oder einem Gefecht.
Im Notfall konnte sogar ein Lagerraum an Bord der Gaius als Notfallaufnahme umfunktioniert werden. Je nach Größe des Großkampfschiffs gab es 3 Räumlichkeiten die im Eventualfall zu Notfallaufnahmen gemacht werden konnten.
Vor der Tür, die zu den Nebenbereichen führte, stand ebenfalls ein bewaffnete Marine. Ebenso vor einem der eingerichteten ZBV-Räume in der ZPA.
Sie klopfte an den Türrahmen des gläsernen Büros vom Leitenden Medizinischen Offizier (kurz: LMO/Chefarzt). An Bord der Gaius war dies Senior Lieutenant Francesca Maldini. Technisch gesehen besaß Sie sogar eine höhere Befehlsgewalt als der Kommandant und Befehlshabende Offizier eines jeden Ranges.
Francesca war Mitte 40, eine exzellente Chirurgin, die von jedem Krankenhaus der Union mit Kusshand genommen wurde und weitaus mehr verdienen konnte als in der Flotte. Doch Sie entschied sich früh gegen eine berufliche Karriere und für das Leben auf Flottenschiffen. Ein maßgeblicher Anteil daran hatte Doktor Ziyi. Sie war eine Dozentin an der Flottenakademie und unterrichtete Chirurgie. Die Gvanerin gehörte zu den besten Ärzten in und außerhalb der Flotte.
Die schokofarbene Menschenfrau sah von einem der dutzenden Untersuchungsberichte in Form von Pads auf. Egal wie lange sie auf den Beinen war, sie besaß immer eine Frische um die Sofia ihre Chefärztin beneidete. Darauf angesprochen, meinte Francesca das sei genetisch bedingt. Ihre Mutter und Großmutter besaßen diese besondere Eigenschaft.
Sie lehnte sich zurück, froh sich von den Berichten losreißen zu können. Diesen bürokratischen Teil ihres Jobs mochte die Ärztin wie die meisten Leute überhaupt nicht. Über die Überwachungsmonitore hatte Sie Ihre 2 besonderen Patienten visuell und datentechnisch im Blick. Ein kurzer Prüfblick folgte. Alle Werte waren im Rahmen. Ansonsten hätte der markante Alarmton Sie schon darauf aufmerksam gemacht.
Sofia trat ein.
Sie schaute einwenig länger auf den Flachbildmonitor, der Captain Luciò’s vorläufiges Krankenzimmer zeigte. Es war einer der ZBV-Räume in der Zentrale Patienten-Aufnahme. Sofia hatte zwar die aktuellsten Berichte auf ihrem eigenen Schreibtisch liegen, wollte sich jedoch ein eigenes Bild machen. Außerdem kam Sie so mal aus den 4 Wänden ihres Büros.
Musste ja auch mal sein.
Ihr Blick ging zum zweiten Flachbildmonitor, der das Krankenzimmer der Gvanerin zeigte, die bei der Befreiungsaktion angeschossen wurde. Von einem ihrer eigenen Leute zwar, aber das spielte keine Rolle. Die Gvaner an Bord der Mondstation waren nicht der Feind. Zumindest von ihrer Seite aus. Bei den Gvaner sah das aufgrund ihres Verhaltens nach anders aus. „Wie geht es ihr, Doc?“
Francesca sah kurz zum Monitor, prüfte die Werte und blickte zur Kommandantin der Gaius. „Sie ist stabil.“ Gleich nach ihrer Ankunft an Bord der Gaius hatte sie eine Notoperation angesetzt. 4 Stunden lang dauerte sie. „Ich konnte das Projektil entfernen und die Verletzungen der Inneren Organe behandeln.“ Es bestand keine akute Lebensgefahr. Trotzdem mussten die Verletzungen behandelt werden.
„Haben Sie schon mit ihr gesprochen?“
Sie schüttelte leicht den Kopf. „Das wollte ich Ihnen oder dem EO überlassen.“ Francesca hatte der Gvanerin jedoch eine gvanische Krankenschwester und einen gvanischen Pfleger zugeteilt. Man musste ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. „Sie können jederzeit zu ihr.“
Sofia nickte.
Das hatte sie vor.
Beide Seiten hatten mit Sicherheit einige Fragen, die man geklärt haben wollte. Was zumindest für sie persönlich galt. Sie schaute wieder zu Captain Luciò. Ein Kloß in ihrem Hals bildete sich. Dabei kannte sie den Mann nicht, hatte lediglich seine Flottenakte und Francescas Berichte gelesen. „Wie ist der Zustand von Captain Luciò?“

***

Die Chefärztin der Gaius schwieg einen Moment länger, lehnte sich in ihren Stuhl zurück und faltete die Hände ineinander. „Gesundheitlich ist er auf dem Damm.“ Tatsächlich fehlte ihm soweit nichts, was seine Gesundheit oder sein Leben gefährdete oder bedrohte.
Worauf ihre Frage eigentlich abzielte, war Francesca klar. Immerhin war es ja das Offensichtlichste. Schließlich war die VF Orion seit gut 7000 Jahren hier gestrandet. Eine solche Zeitspanne konnte man selbst mit der heutigen medizinischen Versorgung nicht überleben. Daher stellte sich die Frage wie Captain Luciò am Leben sein konnte. Denn technisch gesehen war er der älteste lebende Mensch überhaupt.
„Ich hab bei der Untersuchung keine Besonderheiten festgestellt.“
Damit spielte Sie auf ihre Bitte ab, die DNS von Captain Luciò auf manipulative Veränderungen zu überprüfen. Die Bitte rührte wiederum von einer Mitteilung von Leo her die mit einem Dringlichkeitsvermerk versehen war. In der Mitteilung war er zwar sehr wage, bezüglich einer manipulativen Veränderung der DNS von Captain Luciò. Demzufolge steckte möglicherweise mehr dahinter.
War das gut oder schlecht?
Sofia musste sich mal ausgiebig mit Leo unterhalten, damit er ihr reinen Wein einschenkte. Das war er ihr schuldig. Nach ihrem empfinden. Empfand Sie noch was für Ihn? Die Frage kam so überrascht, das Sofia einen Moment perplex war. Sie versuchte sich ihrer zu entledigen, schließlich war Sie wegen jemand anderem in der Krankenstation. Und nicht um sich über sich selbst Gedanken zu machen.
Francesca hakte nicht nach warum die Kommandantin diese spezielle Bitte an Sie richtete. Stattdessen machte sie eine Eingabe. Sie mochte keine manipulative Veränderung der DNS gefunden haben, dafür jedoch etwas anderes. Nämlich eine mögliche Erklärung für das Überleben von Captain Luciò.
Ein Projektionsfenster baute sich auf.
Darin wurden Messdaten sowie eine Computeranimation angezeigt, die das Zellgewebe darstellte. „Bis auf diese.“, sagte Francesca und erlangte sofort Sofia’s Aufmerksamkeit. Die Chefärztin deutete auf das Projektionsfenster.
Soweit dass die Mischlingsfrau interpretieren konnte, wiesen die Messdaten schwache Spuren von Tachyonstrahlung im Zellgewebe von Captain Luciò auf. Die gemessene Isotopenanzahl hingegen war massiv. Und das bei derartigen Reststrahlwerten.
Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen.
Bevor Sie nachfragen konnte, begann Francesca mit der Erklärung. Obgleich ihr wichtige Bausteine fehlten. Sie wusste nur dass die VF Orion über das Wurmloch hier gestrandet war. Die genauen Umstände, wie es dazu gekommen ist, damit hielt man sich bei der Alliierten Flotte bedeckt. „Wie es scheint, war die Orion einer immensen Tachyonstrahlung ausgesetzt.“ Sie startete die Computeranimation. „Die Hochrechnungen der Isotopenanzahl lassen mich zu dem Schluss kommen, dass die Tachyonstrahlung eine Art einbalsamierenden Effekt auf das Zellgewebe hatte und Captain Luciò sprichwörtlich mumifizierten.“
Überrascht hob Sofia die Augenbrauen. Mit der Erklärung hatte sie nun wahrlich nicht gerechnet. Mumifiziert!! Was sein Überleben erklärte, auch wenn es kaum möglich schien.
„Die Gvaner müssen die Mumifizierung aufgebrochen haben, reanimierten so das Zellgewebe und spülten die Tachyonstrahlung aus seinem Körper.“ Das, wie ließ sich auf vielfältige Art und Weise beantworten. Letztlich konnten nur die Gvaner sagen, wie Sie das vollbrachten. Obwohl ihr epochaler Stand der des 21. Jahrhundert der Erdgeschichte entsprach.
„Vollkommen unversehrt?“
Francesca nickte schlicht. „Soweit ich das beurteilen kann, ja.“

***

Vor dem Krankenzimmer der Gvanerin stand ein Marine. Ein weiterer stand am Zugang von der ZPA zum Flur der Nebenräume. Reine Sicherheitsmaßnahmen.
Sofia nickte dem Marine zu, der es knapp erwiderte. Sie berührte den Türsensor, trat durch die sich öffnende Tür und stand im quadratischen Krankenzimmer. In einem Nebenraum gab es ein WC/Dusche. Im dunklen Weiß gehalten Zimmer gab es einen Schreibtisch + plus Stuhl, eine Terminalstation mit eingeschränkter Nutzerfreigabe, eine Kommode, ein begehbarer Schrank und ein Flachbildschirm, als Unterhaltungsmedium.
Eben eine Flottenstandardeinrichtung.
Was im Gegensatz zu den Krankenzimmern auf Raumstationen (meistens) und planetaren Krankenhäusern fehlte war das obligatorische Fenster. Auf Großkampfschiffen wurde das Fenster von einer holografischen Imitation dargestellt. Die Aussicht waren die endlosen Weiten des Weltraums mit seinen Sternen.
Sofia fand den Ausblick stets beruhigend. Sie trat näher, stellte sich ans Bettende. Die gvanische Krankenschwester beendete ihre Visite, schaute kurz zur Kommandantin, die ihr flüchtig zu nickte und dann verschwand Sie.
Die Gvanerin zeigte keine Angst oder Furcht. Eine gesunde Zurückhaltung und Neugierde. Den Sofia tendierte ihrem Äußeren nach mehr zur menschlichen Seite ihres Mischlings Dasein, als zur gvanischen. Dennoch waren diese erkennbar, aber halt nicht so ausgeprägt wie bei anderen Mischlingen. Für Mischlinge gab es keine Faustregel. Mal dominierten die menschlichen Gene, mal halt die gvanischen oder hielten sich die Waage.
„Ich bin Captain Sofia.“, stellte Sie sich vor, sprach langsam und deutlich. „Kommandantin der Gaius.“ Den Zusatz Vereinte Flotte sparte Sie sich. Die Gvanerin musste für den Moment schon genug verkraften. Und es würde nicht weniger werden. „Wenn Sie es mir gestatten, würde ich mich gerne mit ihnen unterhalten.“ Was die Frau zu verwundern schien. Bisher hatte keiner irgendwelche Anstalten diesbezüglich gemacht. Sie hatte sich auch zurückgehalten. Auch wenn sich ausschließlich gvanisches Personal um sie kümmerte, unterschieden sich die Gvaner hier von denen auf ihrem Planeten. Sie waren fremder. Ein zögerliches Nicken folgte. „Würden Sie mir ihren Namen sagen?“, fragte Sofia lockerer.
Das Zögern war mehr als verständlich. „Mej.“ Ihre Zurückhaltung hörte man deutlich raus. Sie war auch angespannt.
Ein alt-gvanischer Name. Benannt nach der Göttin des Lebens. Epoh hieß ihr Sohn. Bote der Hoffnung. Wenn sich Sofia richtig erinnerte. Wie setzte Sie die Unterhaltung nun fort!? Was schwerer war, als es schien. Konnte man sich überhaupt kurzfassen!? So hatte Sie über die Geschichte der Gvaner und Menschen nie nachgedacht. Jetzt stellten Sie ein Vereintes Volk dar. „Wissen Sie von dem Aufbruch der Epoh?“, fragte Sofia schließlich. Irgendwie musste Sie ja anfangen.
Mej blieb zurückhaltend, obgleich Sie sich keineswegs bedroht fühlte. „Ja.“
Die Epoh ein Raumschiff, die letzte Hoffnung der Gvaner auf ein besseres Leben. Zur damaligen Zeit schien es die richtige Entscheidung zu sein. Bis man den Kontakt verlor und kein Signal mehr vom Raumträger erhielt. Was mit ihr geschah, wusste niemand. Man gab das Schiff auf. In einer der wohl schwersten Stunden der Gvaner.
„Ich kenne die Geschichte.“ Ihre Mutter erzählte Sie ihr immer, als sie noch ein Kind war.
Gut, das machte es einfacher. Zumindest hoffte es Sofia. „Sie flogen durch ein Wurmloch.“ Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. Sie wartete einen Moment, bis sie fortfuhr. „Auf der anderen Seite trafen sie auf das Volk der Menschen.“ Keine Reaktion. Lediglich ihre Augenbrauen zuckten. „Das Raumschiff war schwer beschädigt. Sie halfen den Gvanern, gaben ihnen eine Zuflucht.“ Eine Zukunft. Die Menschen hatten sich als das rettende Ufer erwiesen. Niemand konnte vorhersagen ob ein anderes Volk in ihrer Galaxie ebenso gehandelt hätte. Was irgendwie zweifelhaft war. Obwohl die Schicksale, dank der Gmah, alle miteinander verknüpft waren. „Wir wurden zu einem Volk.“ Ein lebendes Beispiel stand direkt vor der Gvanerin, die besser damit zurecht zu kommen schien, als erwartet. Ausführlicher musste Sofia nicht werden, sofern Mej ihr keine entsprechenden Fragen stellte.
„Ihr seit zurückkehrt.“, nuschelte die Gvanerin mehr zu sich selbst. Ihre Stimme zitterte förmlich. Aus Freude!! Aus Angst!! Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Sie schniefte, schaute auf, sah Sofia direkt an. „Wieso?“
Die Schärfe in der Stimme überraschte die Kommandantin.

***

In ihr braute sich ein ungutes Gefühl zusammen. Die Vorfälle auf der Mondstation waren ja noch erklärbar, da die Gesichter der Marines in den Helmen vom Panzeranzug steckten, waren diese nicht zu erkennen. Daher waren Sie für die Gvaner in erster Linie Eindringlinge.
Doch jetzt!!
In der Schärfe schwang auch Feindseligkeit mit.
„Ihr seit wegen Crewmen Luciò zurückkehrt!“, stellte Mej nüchtern fest. Sie klang milder.
Sofia ließ sich nichts anmerken. „Ja.“ Er war der ausschlaggebende Punkt für die Befreiungsaktion. Ohne ihn hätten Sie wohl abgewartet und beobachtet. Immerhin handelte es sich um die einstige Heimatwelt der Gvaner.
Doch waren Sie auch willkommen?
Diese Frage setzte sich bei Sofia fest.
Allem Anschein nach hatte Luciò seinen wahren Rang verschwiegen. Was natürlich legitim war in seiner Situation. Er wird seine Gründe gehabt haben, dachte Sofia. „Was hat es mit den Fremden auf sich?“, fragte Sie.
Die Gvanerin zögerte einen Moment.
Man konnte schlecht sagen, ob aus Vorsicht oder weil Sie etwas zu Verbergen hatte. In ihrer Lage war dies sicherlich nichts Außergewöhnliches. „Als der Kontakt zur Epoh abbrach, beschloss der Regierungsrat ein zweites Raumschiff zu bauen.“ Sofia wurde hellhörig. Ein zweites Raumschiff!! Alleine die aufgewendeten Ressourcen für den Bau der Epoh waren enorm. „Doch schnell war klar, dass dies unmöglich war.“, fuhr Mej fort. „Dass, was wir hatten, reichte geradeso für das Überleben. Wir lernten aus dem wenigen, was uns zur Verfügung stand, das Beste zu machen.“ In dieser Hinsicht waren sich Gvaner und Menschen ähnlicher als zum Beispiel beim Humor. Auch die Siedler der Neuss II mussten mit dem wenigen, was Ihnen zur Verfügung stand, neu anfangen. Ihr Vorteil war das fortschrittliche Wissen, das Sie besaßen. Dadurch musste man nicht komplett von Null anfangen. „Wir sorgten für eine bessere Versorgung von Wasser und Nahrung. Investierten vornehmlich in Bildung, Forschung und Entwicklung.“ Was in Ihrer Lage eine Langzeitinvestition darstellte. Zu Recht wie die Aufklärungsdaten der Drohnen zeigten. Sie waren zu einer technisierten Zivilisation gewachsen, die sich im frühen Raumfahrtstadium befand. Sie konnten sogar, wenn auch unter Mithilfe der Fremden, einen permanenten Außenposten errichten, betreiben und besetzen. Bemerkenswert für die Ausgangslage, in der Sie steckten. Trotz der Mithilfe der Gmah/Fremden. „Dann kamen die Vaan.“
„Die Vaan?“, hackte Sofia direkt nach.
Mej nickte zögerlich, wartete, bis Sie die passenden Worte für die Erklärung hatte, die notwendig war. „Sie sind die Befehlsempfänger der Gmah und in deren Namen die Befehlsgeber über die Maris.“
Wieder horchte Sofia auf.
Die Maris!!
Eine unvorhergesehene Entwicklung.
Die Fremden in den Rüstungen waren Maris. Soldaten der Gmah!! „Diejenigen in den Rüstungen?“, wollte Sie zur Absicherung ihrer eigenen Gedanken wissen.
Das Nicken sorgte für den Punkt. „Bevor die Gmah“, sprach Mej weiter. „auf ihren Planeten kamen waren die Vaan ein vom Aussterben bedrohtes, unterentwickeltes Volk. Die Gmah veränderten ihre genetische Struktur um Sie vor dem Aussterben zu bewahren, welche in Folge einer klimatischen Veränderung geschehen wäre.“ Eins wusste Sofia mit Sicherheit, die Gmah taten nichts aus reinster Nächstenliebe. Der Preis für ihr Tun war hoch, sehr hoch. „Sie wurden von Gmah als Führungskaste etabliert.“
„Und die Maris?“ Ein vermeintlicher Maris stand im Naturkundemuseum in Vega Stadt. Sie galten als ausgestorben. Was wohl nicht der Wahrheit entsprach, ebenso wenig ihre soziologische Einstufung.
„Sie sind die Kriegerkaste und wurden von den Gmah für diesen Zweck gezüchtet.“ Mej wartete einen Moment, ob Sofia weitere Zwischenfragen stellte, bevor Sie fortfuhr. „Der Vaan bot dem Regierungsrat einen Handel an. Als Gegenleistung für Technologiegüter sollten wir ihnen Mithilfe unserer Genetikforschung universales genetisches Material liefern.“
Verwundert hob sich eine Augenbraue. Bevor Sofja eine erneute Zwischenfrage stellen konnte, gab die Gvanerin die Antwort. „Durch die Veränderung ihrer genetischen Struktur durch die Gmah, wurden die Vaan unfruchtbar.“ Das war also der Preis für das Zutun der Gmah. „Sie benutzten das eigene genetische Material um Nachkommen heranzuziehen. Abgeschnitten von ihrer Heimatregion wurde der genetische Pool, aus dem Sie Nachkommen künstlich befruchten konnten, geringer. Es kam zu Fehlgeburten und häufiger auftretenden Missbildungen. Sie brauchten neues, unverbrauchtes genetisches Material.“ Ohne waren die Vaan vom Aussterben bedroht. Ob Sie sich der Abhängigkeit durch die Gmah bewusst waren. „Der Regierungsrat stimmte dem Handel zu.“ Wohl auch weil die Gvaner erkannten das Ihnen keine andere Wahl blieb. Die Gmah Vasallen verfügten über überlichtschnelle, hyperraumtüchtige Großkampfschiffe. Bei einer Ablehnung hätten Sie demnach einfach angreifen können. Andererseits, warum erst der Handelsvorschlag? „Im Zuge des Handels bekamen wir neue Technologie.“ Was ihrem Technologiestammbaum einen Schub verliehen haben musste, da Sie es nicht selbst erforschen, entwickeln und bauen mussten. „Wir begannen mit dem Bau des Weltraumteleskops.“ Daher die Zwitter ähnliche Technologie. Sie hatten die Technologie der Vaan/Gmah mit der Eigenen kombiniert. Verübeln konnte man den Gvanern die Entscheidung nicht. „Wir schickten eine Sonde zum Kometen, sie sollte Gesteinsproben entnehmen.“ Sie machte eine kurze Pause, trank zögerlich ein Schluck Wasser.
„Dabei entdeckten Sie das Raumschiff?“, fragte Sofia ruhig.
Der Fund musste eine Sensation gewesen sein. Wenn er den je publik gemacht wurde. Derartiges hatte die Angewohnheit von den Regierenden als Geheim eingestuft zu werden.
Mej stimmte ihr nickend zu. „Zu der Zeit verfügten wir bereits über ein bemanntes Weltraumprogramm. Kurz vorher hatten wir die Mondstation in Betrieb genommen.“ Welche ein Meilenstein für das Weltraumprogramm bedeuteten. Mit oder ohne Zutun der Vaan. „Wir versuchten also eine bemannte Weltraummission zum Kometen auf die Beine stellen, mussten aber schnell erkennen, dass wir damit an die Grenzen des machbaren stießen.“
„Also baten Sie die Vaan um Hilfe.“, schlussfolgerte Sofia. Was keineswegs als Vorwurf gemeint war. Wahrscheinlich ließ sich das jedoch nicht vermeiden. Ob dem so war, ließ sich Mej jedenfalls nichts anmerken.
Ein längeres Schweigen entstand.
„Als wir uns auf dem Raumschiff umsahen, fand das Team Crewmen Luciò. Wir stellten fest das er Mumifiziert war, aber über Lebenszeichen verfügte.“ Was am hohem medizinischen Wissensstand der Gvaner lag. Entsprechend hoch entwickelt war demnach auch deren medizinisches Gerät. „Man beschloss ihn für weitere Untersuchungen auf die Mondstation zu bringen.“ Weitere Untersuchungen!! Für das was Sofia gesehen hatte, würde sie ein ganz anderes Wort nehmen. „Der Vaan hat ihn“ Unschlüssig zögerte Mej einen Moment. „befragt.“ Sie wusste wohl dass das nicht ganz zu traf.
Eine Befragung, für ihr Verständnis, zeigte keine Merkmale einer Folterung. Doch genau die waren bei Captain Luciò zu sehen. Und zwar Mehrfach. Sofia erschauderte als Sie seine Narben sah, die Francesca bei der Untersuchung dokumentierte.
Für den Moment ließ Sie es so stehen. Ihr drängte sich eine ganz andere Frage auf. „Gibt es außer dem Vaan und den Maris auf der Mondstation noch andere?“
Mej schüttelte den Kopf. Erleichterung wollte bei Sofia jedoch einkehren. „Nein. Sie wurden abkommandiert, als wir Crewmen Luciò zur Mondstation brachten.“, erklärte die Gvanerin. Irgendetwas sagte ihr jedoch das ein Aber folgte. „Alle 4 Monate kommt ein Patrouillengeschwader zu uns.“ Und da war das Aber.
„Wann war das letzte Mal?“
„Sie sind seit 20 Tagen überfällig.“

***

EO David verfolgte die Unterredung von Captain Sofia mit der Gvanerin Mej über den Livestream der Überwachungskamera im Krankenzimmer. Auch er hatte den Bericht der Chefärztin gelesen.
Verwundert über den Umstand das sich Captain Luciò bei der Befragung als Crewmen ausgab, war David wiederum nicht. Wieso er das tat, war klar. Trotz allem war es dem Vaan, bzw. in Zusammenarbeit mit den Gvanern nicht gelungen die Daten vom Reservespeicherkern zu entschlüsseln.
Wie man nämlich feststellte, waren die Kommandocodes gelöscht und eine strukturelle Selbstzerstörung aktiviert worden. Wodurch der gesamte Hauptspeicher gelöscht wurde. Alle Grundsysteme mussten somit von den Technikern und Ingenieuren neu implementiert werden, damit die VF Orion überhaupt steuerbar und raumtüchtig war.
Ohne die Kommandocodes brauchte man für die Entschlüsselung der Daten eine Ewigkeit.
Als Crewmen besaß man gar keine Zugriffsrechte auf die Kommandocodes. Als kommandierender Offizier hingegen schon. Bis auf den Kommandanten und Ersten Offizier besaßen die übrigen Führungsoffiziere eigene aber nur eingeschränkte Kommandocodes.
Verständlicherweise log Luciò den Vaan an. Anscheinend auch die Gvaner. Demzufolge vertraute er ihnen nicht. Verübeln konnte man es ihm nicht.
Noch während David darüber nachdachte, erfassten die Sensoren etwas. Sofort kümmerte sich jemand aus der Sensormannschaft darum. Derjenige machte eine Eingabe. „Sir.“, wurde der EO angesprochen.
„Lassen Sie mich raten.“, entgegnete David. „Wir bekommen Besuch.“
„Jawohl, Sir. Die Sensoren haben einen Hyperraumabdruck Systemeinwärts geortet.“ Ein Blick auf das Taktikdisplay genügte. „3 Banditen.“ Die 3 Icons waren von Neutral-Weiß zu Feind-Rot gewechselt. „Von der Tonnageklasse her handelt es sich um Kreuzer der Kleinert-Klasse.“, setzte der Fähnrich seine Meldung fort. „Sie haben Kurs auf den kleinen Mond genommen.“
„Dauer?“
„Bei der derzeitigen Beschleunigung, 3 Stunden und 20 Minuten.“, teilte die diensttuende Steuerfrau dem EO mit.
Noch befanden sich die 3 Feindkreuzer wegen dem Sprung in den Normalraum im freien Fall. Sobald Sie auf Nominalwerte abgebremst hatten, würden Sie den Antrieb anwerfen. Dadurch erhöhte sich die geschätzte Ankunft der Kreuzer auf 4 Stunden und 50 Minuten. Laut Computerhochrechnung.
„Alarmbereitschaft für alle Stationen.“, ordnete David an ohne vorher Rücksprache mit der Kommandantin gehalten zu haben. Was auch nicht erforderlich war. Ein EO besaß einen gewissen Handlungsspielraum. „Sensor. Eine Drohne soll die Neuankömmlinge im Auge behalten.“
„Jawohl, Sir.“, bestätigte das ranghöchste diensthabende Mitglied der Sensormannschaft.
An Bord der Gaius hatte die Nachtschicht Dienst. Nicht jeder Führungsoffizier hatte daher Dienst. Was sich mit der vorangegangenen Order vom EO erledigte.
„Steuer.“ Die Steuerfrau wandte sich mit ihrem Drehstuhl zu ihm. „Wir halten unsere jetzige Position.“
„Kontakt!!“, meldete der Crewmen aus der 2-Mann-Nachtschicht der Sensormannschaft. „Ein Raumtransporter ist soeben vom Planeten in Richtung Mond gestartet.“
Es musste sich um einen Versorgungsflug für die Mondstation handeln. Den Gvanern fehlte die passende Frühwarntechnologie um die Ankunft der Kreuzer geortet zu haben. Sie würden sie erst in gut 2 bis 3 Stunden orten.
David gab 2 Nummern in das InterCom ein. Die Zweite wurde gewählt sobald das Gespräch mit dem Teilnehmer der Ersten Nummer beendet war. Sein Anruf wurde bereits nach einem Freizeichen entgegen genommen.
„Ja, David.“, erklang die nüchterne Stimme von Captain Sofia.

***

TOCK!! TOCK!!
Sie hatte altmodisch angeklopft, bevor Sofia das Krankenzimmer von Crewmen/Captain Luciò betrat.
Die Neuigkeiten die ihr der EO mitteilte verlangten nicht ihre sofortige Aufmerksamkeit. Wozu gab es einen Ersten Offizier? Wenn nicht dafür!! So wie es aussah, würde der Raumtransporter 2 Stunden vor den 3 Kreuzern bei der Mondstation sein. Wie schon bei der Stationsbesatzung würden Sie auch die Gvaner an Bord des Raumschiffs festsetzen und gleichzeitig die eigene Anwesenheit auf dem Mond und überhaupt verschleiern.
Dazu blieb die Gaius hinter dem Mond. Trotz des technischen Fortschritts konnten Sensoren nicht durch Planeten oder deren Vettern hindurchspähen. Die Kreuzer würden die Gaius nicht entdecken, solange Sie auf der anderen Mondseite blieben.
Bis es soweit war, hatte Sofia noch genügend Zeit um sich ausführlich mit Captain Luciò zu unterhalten. Irgendwie hatte Sie nämlich das Gefühl, dass die Gvanerin Mej etwas zu verbergen hatte.
„Haben Sie einen Moment Zeit, Captain? Oder sollte ich Crewmen sagen!!“ Ein sanftes Schmunzeln erschien auf ihrem Gesicht.
Luciò lag halb aufrecht in seinem Bett.
Inzwischen hatte er sich rasiert und die Haare schneiden lassen. Außerdem hatte er ausschlafen können. Was man ihm sofort ansah. Die dunklen Ringe unter den Augen waren verschwunden. Ebenso die restlos erschöpfte, übermüdete Mimik.
Seine Mundwinkel zuckten belustigend. „Sie haben also mit Mej gesprochen.“, erwiderte Luciò auf die Eröffnung.
Sofia trat nickend an das Bettende.
„Und jetzt wollen Sie meine Version hören.“ Eine einfache Feststellung.
Sie wartete einen Moment. „Was ist das Letzte an das Sie sich erinnern?“
Trotz der Tortour, die er durchlebte, erinnerte sich Luciò noch sehr gut daran. Immerhin glaubte er es sei das Letzte was er sehen würde, bevor er starb. Der Moment hatte ihm einen nichts ahnenden Seelenfrieden gegeben. „Der Schweif des Kometen.“, flüsterte Luciò beinahe, sah ihn praktisch vor sich. Ohne Angst oder Furcht vor dem was kommen würde schloss er seine Augen. Ahnungslos das dies nicht das Ende war, von dem Luciò annahm er sei es.
Dann kam er langsam wieder zu sich. Seine Sinne kehrten zurück. Sein Bewusstsein. Als Luciò die Augen öffnete, wusste er es. Er war nicht gestorben. Eine Erklärung hatte er natürlich nicht. Sie spielte auch keine Rolle. Sein Tod war keiner. Stattdessen lebte er. Als Gefangener der Fremden, der Gmah.
Die erste Person die Luciò sah, war ein gerüsteter Maris, der regungslos in seinem Zimmer stand und wache hielt. Wie viel Zeit verging, bis ein Gvaner sich blicken ließ, schätzte er auf mehrere Stunden. Ihm fielen auch sofort die Unterschiede zwischen dem Gvaner und denen die er kannte auf. Das Äußere war schroffer, markanter, rauer. Es waren sozusagen Ur-Gvaner, von denen die Unioner Gvaner abstammten.
Dann kam der Vaan in sein Zimmer.

***

Das Krankenzimmer, wo er lag, unterschied sich nicht wesentlich von den Anderen aus seiner Vergangenheit. Bloß Ort und Zeit unterschieden sich gravierend. Paradox.
„Der Vaan, sein Name war Rhox, zeigte mir die Ausweglosigkeit auf in der ich mich befand, um mich zur Kooperation zu bewegen.“
Doch der Vaan war ein herrischer autoritärer Mann, zerfressen von der Scham und Wut seine Zeit auf der Mondstation zufristen. Sein sozialer Rang, bzw. Ansehen und seine Stellung innerhalb der Vaan-Dynastie tendierte gegen Null.
Darum hatte man ihn abkommandiert.
Mithilfe der geborgenen Daten aus der Orion wollte er dies ein für alle Mal ändern.
Dummerweise waren Sie verschlüsselt, mit einem Wechselalgorithmus den die Gvaner nicht entschlüsseln, hacken oder knacken konnten. Sie brauchten den Kommandocode, der die verschiedenen Ebenen des Algorithmus entschlüsselte und miteinander verband.
Er wollte dies mehr als alles andere.
Luciò schaute Captain Sofia an.
Er hatte nicht kooperiert. Was die Narben deutlich bewiesen. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen welchen Schmerz, welche Pein der Mann hatte ertragen müssen. Dabei gab es keinen Ausweg. Trotzdem hatte Luciò allem widerstanden, was ihm der Vaan antat. Sie empfand in diesem Moment eine ungekannte Ehrfurcht für den Mann, einhergehend mit tiefen Respekt. „Wieso?“
Seine Mundwinkel zuckten.
Tja, wenn er das wüsste?
Gut, er wusste es sogar sehr genau.
Obwohl ihm seine Ausweglosigkeit bewusst war, durften die Gmah/der Vaan die Daten um keinen Preis in die Finger bekommen. Ganz egal, um was für Daten es sich handelte. Die Art spielte keine Rolle. Jede noch so unwichtige Information konnte ihnen helfen. Dies musste Luciò unter allen Umständen verhindern.
Den Mut, die Kraft und seine Standfestigkeit waren unglaublich. Viele hätten den Widerstand früher oder später aufgegeben. Dazu zählte sich auch Sofia, wenn Sie darüber nachdachte, an seiner Stelle gewesen zu sein.
„Hätte ich ihnen den Entschlüsselungscode gegeben, wäre ich nicht mehr von Nutzen gewesen.“, antwortete Luciò schlicht. Er machte es sich im Bett etwas bequemer. „Trotz meiner unausweichlichen Lage hing ich an meinem Leben.“ Ihm fehlte die mögliche Todessehnsucht. Er zuckte mit den Schultern.
„Warum haben Sie den Gvanern nicht die Wahrheit darüber gesagt wer Sie sind?“
„Um ehrlich zu sein, Captain.“, begann er. „Ich habe ihnen nicht vertraut. Und das sollten Sie auch nicht.“
„Weshalb?“

***

„Halten Sie hier an.“, sagte Luciò zu Sofia. Sie ließ die Einsatzaufzeichnung per Eingabe pausieren.
Er hatte sie darum gebeten die Aufzeichnung vom dem Zwischenfall zusehen. Es gab keinen Grund sie ihm vorzuenthalten.
Jeder Helm der Panzeranzüge besaß unter anderem ein Aufzeichnungsgerät, dass die Einsätze aufzeichnete. Die Aufnahmen wurden bei der Nachbesprechung ausgewertet und besprochen.
Per Splitscreen sahen Sie die Aufzeichnung der Marines, die in den Zwischenfall verwickelt waren, bei dem die Gvanerin Mej lebensgefährlich verletzt wurde.
„Lassen Sie die Sequenz noch mal mit zehnfacher Verzögerung abspielen.“, richtete er an die Kommandantin der Gaius. Sie hatte es nicht gesehen. Was auch auf den ersten Blick nicht gleich zusehen war. Vor allem nicht in normaler, realer Geschwindigkeit.
Luciò hingegen wusste, worauf er zu achten hatte.
Sofia war sich nicht sicher, was das Ganze sollte. Dennoch tat sie, was der einstige Gefangene wünschte, machte die entsprechende Eingabe und ließ die entsprechende Sequenz der Aufzeichnung erneut abspielen. Mit 10 facher Verzögerung. Super-Zeitlupe würde man im Sport sagen.
Sie sahen, wie Mej vor Schreck das Gehäuse aus den Fingern glitt. Dann wandte Sie sich rum.
„Ach, du Scheiße.“, flüsterte ihr EO ohne das Sie ihn hörte.
Augenblick mal!! Die Bewegung!!
Sofia hielt die Aufzeichnung an, tippte die Rückwärtsfunktion an, spielte dann die Sequenz wieder ab. Ihre Augen weiteten sich. Jetzt erkannte Sie es. Der Gvaner hatte Mej nicht aus Versehen angeschossen. Denn was unter normaler Geschwindigkeit nicht zusehen war, weder für die Marines noch bei der Abspielung der Aufzeichnung, war der Umstand das Mej’s Hand zum Com-Gerät an ihrem Handgelenk ging. Sie wollte Alarm schlagen und sich schützend hinter den bewaffneten Gvaner stellen. Der jedoch schoss auf Sie, um sie daran zu hindern Alarm zu schlagen.
Sie stoppte die Aufzeichnung und sah Luciò an.
Mej war ein Helfershelfer der Gmah/Vaan. Ein Kollaborateur.

***

Darum hatte er ihr nicht die Wahrheit gesagt. Doch woher wusste er es? Egal, unter den Gvanern gab es Kollaborateure die gemeinsame Sache mit den Gmah/Vaan machten. Per InterCom-Ruf ordnete Sofia an Lieutenant Tanaka zu warnen. Gleichzeitig ließ Sie das Sicherheitsaufkommen für Mej erhöhen. Nur noch mit 2 Wachen war es dem medizinischen Personal gestattet die Gvanerin aufzusuchen. Francesca erhob bezüglich der Sicherheitsverschärfung keine Einwände.
Dann wandte Sie sich Luciò zu, warf einen Seitenblick auf die pausierende Aufzeichnung, beendete Sie mit einer kurzen Eingabe. „Woher wussten Sie es?“
„Von Erik, Mej’s Begleiter.“, antwortete er kurze Zeit später. Der Gvaner hatte ihn gewarnt. Es war bereits seine 3 Tour zur Mondstation. Alle 7 Monate wurde die Besatzung ausgetauscht. „Bei einem der wenigen Freigänge steckte er mir einen Zettel zu.“, erzählte Luciò erklärend. „Er warnte mich bei seinem 2en Aufenthalt auf der Station vor Mej’s Vorgänger. Vertrauen Sie ihnen nicht.“, gab er die Worte wieder, die auf dem Zettel standen. „Sie und ihr Vorgänger waren die einzigen Gvaner die direkten Kontakt zu mir hatten.“
Demzufolge handelte es sich um Kollaborateure, die durch die Partnerschaft mit den Gmah/Vaan/Maris die Regierungskontrolle auf dem Planeten Alt-Gvan inne hatten. Der Regierungsrat war nichts weiter als eine Marionette, der für die Öffentlichkeit als Fassade diente um die wahre Herrschaft der Kollaborateure zu verschleiern.
Erik hingegen war einer jener Gvaner der die Wahrheit kannte und zu einer Separatistenbewegung gehörte, die aber viel zu schwach war um die Herrschaft der Elite zu brechen und der Öffentlichkeit die Wahrheit zu offenbaren.
Die einstige erhaltende Freiheit vor den Besatzern, als die den Planeten verließen, war nichts weiter als eine leere Hülle. Eine Lüge. Die Elite hatte nur darauf gewartet, dass ihre Zeit kommen würde. Mit der Rückkehr der Gmah/Vaan hatte das Warten ein Ende gefunden.

***

Der Autopilot führte das Andockmanöver des Raumtransporters, an die festinstallierte Andockbrücke vom Ankunftsterminal, durch. Die 5 Gvaner, 2 Frauen und 3 Männer, saßen in ihren Raumanzügen festgestallt in ihren Sitzen.
Sie sahen über die Bildschirme und die Cockpitsicht wie die Andockbrücke sich näherte. Als der Computer den Leitstrahl empfing, schaltete sich der Hauptantrieb automatisch ab. Fortan wurden die Manövriertriebwerke für die Andockprozedur benutzt.
Mit anfänglichen 170 Stundenkilometern näherte sich der Raumtransporter, der eine wie lange quadratische Doppelcontainer aussah. Der Abschluss bildete ein würfelförmiger Heckaufbau, wo die 5 Triebwerke ihren Platz hatten.
Beim Abbremsen wurden die Gvaner in ihre Sitze gepresst. Innerhalb von 50 Sekunden wurde der Raumtransporter auf 60 Stundenkilometer abgebremst. Was die Stabilisatoren an ihre maximale Belastbarkeit brachte. Ein Ausfall hätte den Tod der 5 Frauen und Männer zur Folge gehabt.
Nach gut 2 Minuten näherte man sich mit 25 Stundenkilometer.
Für das Andockmanöver benötigte der computergesteuerte Autopilot etwas 5 Minuten.
Sie funkten das erfolgreiche Andocken an die Mondstation zum Kontrollzentrum.
Einer nach dem Anderen schnallte sich ab.
Der Schwerkraftgenerator aktivierte sich, als die externe Energieverbindung mit der Mondstation stand. Mit festen Stand begaben sich die Gvaner zur Ein/Ausstiegsluke des Raumtransporters, gingen die Andockbrücke entlang zur Schleuse, öffneten sie.
Eigentlich sollte Sie bereits offen sein sollen und die Stationsbesatzung hätte sie empfangen müssen. So lautete das Protokoll. Ihre Ankunft kam ja nicht aus heiterem Himmel. Doch stattdessen war niemand da um Sie in Empfang zu nehmen. Man hatte aber das Bereitschaftssignal der Mondstation empfangen. Jedoch war der mehrmalige Versuch Funkkontakt herzustellen fehlgeschlagen. Die Gvaner dachten sich nichts weiter dabei. Sie hielten es für eine Fehlfunktion der Funkantennen.
Merkwürdig war das Ganze trotzdem.
Kaum hatte der Letzte die Schwelle der Schleuse übertreten, schloss sich diese unerwartet und verriegelte sich von selbst. In diesem Moment wussten sie das etwas nicht stimmte. Gleichzeitig mit der Erkenntnis, tauchten plötzlich aus allen verbleibenden Richtungen fremde Soldaten in matt glänzenden Panzeranzügen auf, zielten auf Sie und forderten die Gvaner auf sich nicht zu bewegen und die Hände hoch zunehmen.
Bevor auch nur einer überhaupt daran denken konnten, würden jeder einzelne von dem Soldaten ruppig niedergerungen und bekam die Arme auf den Rücken gelegt.
Eine etwas grobe Vorgehensweise aber höchst effektiv um mögliche Mitglieder der Elite daran zuhindern etwas Dummes zu tun.
Schnell und ohne Zwischenfälle hatten die Marines die Neuankömmlinge festgesetzt.
Man brachte Sie zu den anderen Gvanern im Gesellschaftscontainer.
Nach 2 Stunden schwenkten die 3 Kreuzer der Gmah/Vaan/Maris in eine Parkposition im oberen Orbit des Mondes. Keine Sekunde später startete das Führungsschiff den Datenupload der Zentralen Datenbank der Mondstation. In der Annahme alles sei wie immer.
Den laut ihren Sensoren befanden sich 20 Biosignaturen, 6 Maris, 1 Vaan, 1 Mensch und 12 Gvaner, auf dem Mond. Was anhand des angedockten Raumtransporters keine Fragen aufwarf. Der Besatzungsaustausch schien im vollem Gange.
Worüber sich der Vaan an Bord des Führungskreuzers keine Gedanken zu machen schien. Andernfalls hätte er wohl Com-Kontakt gesucht, was nicht der Fall war.
________________________________________

-Ende-

Alle Sprengladungen waren so detoniert wie sie sollten.
Die Risse, die dadurch entstanden verbrüderten sich untereinander, verschmolzen miteinander und bildeten eine Bruchlinie, die exakt an der Übergangslinie entlang führte. Unterhalb kam es zu einem Felsabbruch von der Größe einer Fähre.
Sekundenlang schien es sei Nichts passiert. Die VF Orion verharrte. Aus Sekunden wurde 1 Minute, die zu 2 Minuten ausdehnten.
Unterdessen geschah unter der gesprengten Übergangslinie ein zweiter Felsabbruch, der die Größe von einem Kleinlasttransporter besaß.
Die Bergungssprengung war nicht erfolgreich.
Auf den ersten Blick.
Dann, plötzlich, geriet die gesamte Unterseite der Übergangslinie ins Rutschen. Tonnen von Gestein brachen ab. Und auf einmal war das Großkampfschiff frei. Augenblicklich schaltete die Überführungsmannschaft an Bord die Hilfstriebwerke an, um das Raumschiff in eine stabile Lage zu bekommen. Sonst wäre es abgestürzt.
Die bange Frage und Anspannung fiel von den Leuten.
„Bergung abgeschlossen, Admiral Jarò. Kreuzberg Ende.“, teilte Sean dem Mann lässig mit einer rauchenden Zigarre mit. Den Triumph konnte man deutlich hören.
Als ob nie etwas gewesen wäre fielen sich die Freunde in die Arme oder klatschten einander ab. Die Bergung war abgeschlossen. Wieder ein Job der erfolgreich sein Ende gefunden hatte. Sie hatten ihren Teil eingehalten.
„Also gut Leute“, sagte er lächelnd mit der Zigarre im Mundwinkel. Sie war die obligatorische Siegeszigarre. Jeder der Crew rauchte Sie. „packen wir zusammen. Es geht heimwärts.“
3 Schleppdrohnen näherten sich der Orion, gingen in Schleppposition, schossen ihre Anker ab und begannen das Großkampfschiff abzuschleppen, da es aus eigener Kraft nur schwerlich aus den Hufen kam.
Kaum hatte es den Einzugsbereich des Kometen, der unverdrossen und unbeeindruckt seinen Flug fortsetzte, verlassen, wurde der Schlachtkreuzer von der Kampfgruppe schützend in Empfang genommen.
Erst als die 3 Kreuzer der Gmah/Vaan/Maris nach ihrem 4-stündigen Zwischenstopp beim kleinen Mond wieder in den Hyperraum gesprungen waren, setzte die Kampfgruppe Kurs auf das Wurmloch, welches sich öffnete und man hineinflog.
Um auf der Silaa-Seite wieder hinauszufliegen und keine 7 Minuten später, mitsamt der schleppen VF Orion, in den Hyperraum zu springen.
Die VF Gaius hingegen flog aus der verdunkelten Sensorblase in Richtung Picard-Station.
Mit an Bord Captain Luciò, ehemaliger Kommandant der VF Orion und der wohl älteste Mensch der ehemals gelebt hat und Leben wird. Obgleich man ihm die fast 7000-jährige Schlafenszeit kaum anrechnen konnte.

***

Ohne ihr Tun vorher mit irgendjemanden bei der Alliierten Kampfgruppe oder Zuhause abzusprechen, ließ Sofia eine Aufklärungsdrohne im Toten Winkel der Schiffssensoren an einem der Kreuzer anheften.
Dadurch wurde zwar ihre bisher unentdeckte Anwesenheit gefährdet, aber Sie hielt das Risiko für vertretbar, wenn man dadurch herausfand, wohin die Feindkreuzer flogen. Es musste einen Grund geben, warum ihr Auftauchen überfällig gewesen ist.
Hinzu ließen die Sensordaten darauf schließen dass die Kreuzer in ein oder mehrere Gefechte verwickelt waren. Bei der visuellen Aufzeichnung waren eindeutige Kampfspuren an den Rümpfen der Schiffe zusehen. Was ihren verspäteten Abstecher erklärte.
Ihnen eine Drohne hinterher zu schicken barg die Gefahr einer Entdeckung, egal wie unterentwickelt die Sensorsysteme der Gmah schienen. Sie waren jedoch zweifelsohne modern genug.
Ahnungslos flogen die Kreuzer mit einer Aufklärungsdrohne huckepack in den Hyperraum, um 17 Stunden später in den Normalraum zurückzukehren. Keine 20 Minuten später kehrte das Kreuzergeschwader in den Hyperraum zurück. Bloß diesmal in einem Flottenverband.
Dem passiven Sensorbild nach, das später ausgewertet wurde, handelte es sich um einen Verband aus 33 Großkampfschiffen. Bestehend aus 11 Geschwadern von Kreuzern und Zerstörern unterschiedlichster Tonnageklassen.
In dem 20-minütigen Zeitfenster registrierte die passive Ortung 7 weitere Hyperraumabdrücke.
Bei der Auswertung kam man zu dem Schluss, dass es sich um einen eilig zusammengestellten Verband handelte. Was im weiteren Verlauf bestätigt wurde.
Als der Verband, bzw. der Kreuzer an dem die Aufklärungsdrohne weiterhin haftete, nach 27 Minuten in den Normalraum zurückkehrte, fing die passive Ortung Gefechtsgewitter auf. Es fand ein Raumgefecht statt.
Der positronische Computerkern koppelte die Drohne vom Rumpf des Kreuzers ab, da sich die Mitfluggelegenheit mittendrin statt nur dabei in dem Gefechtsgewitter war.
Man konnte den anschließenden Flug der Drohne als Meisterleistung betiteln. Obwohl drum herum ein ausgewachsenes Raumgefecht stattfand, entkam Sie unbeschädigt den Wirren des Gefechts. Als der Ortungsabstand hergestellt war, schaltete die Drohne von passiver Ortung auf aktive um.
Was Sie zu Gesicht bekam, hatte es in sich.
Nach dem das Aufzeichnungsfenster abgelaufen war, schickte die Drohne die gesammelten Sensordaten via Subraum zur VF Gaius, die beim Erhalt bereits im Silaa-System weilte. Anschließend setzte Sie Kurs auf die nächstgelegene Sonne, um 7 Stunden später zu verglühen.
Zu der Zeit war das Raumgefecht längst entschieden.
Und nicht zum Vorteil der Gmah.

***

Als Chef der 51. Flotte besaß Admiral Zedek ein Büro auf der Raumstation Picard.
Genau dorthin war Captain Sofia unterwegs, als Sie Mitteilung erhielt sich mit ihm dort zu treffen.
Auf die Minute pünktlich traf die Mischlingsfrau ein, betätigte die Türklingel. Eigentlich hätte doch ein Sicherheitsmann der Station oder ein Marine vor der Tür stehen müssen!! Sie dachte nicht weiter darüber nach, den die Tür öffnete sich, sie zögerte nicht und trat über die Schwelle.
Kaum hatte Sofia den Schritt gemacht, wurde ihr bewusst, dass das Treffen eine Finte war. Denn statt Admiral Zedek wurde Sie von jemand anderen erwartet. Sie wusste sofort, wer der Mann war, immerhin sah man ihn das eine oder andere Mal in diversen Network-Nachrichtensendungen.
„Generalinspekteur Essien!!“, sagte Sie überrascht und verwirrt.
Der Mensch lächelte herzlich. „Captain Sofia.“, entgegnete er freundlich. „Freut mich Sie endlich kennenzulernen.“ Er trat auf Sie zu, reichte ihr die Hand zur Begrüßung. Eine gänzlich menschliche Geste. „Hab schon viel von ihnen gehört.“
Da Sie nicht wusste, was sie erwidern sollte, schwieg Sofia, gab dem Berater der Präsidentin die Hand und wartete schweigend auf das, was da auf Sie zukam. So wie es aussah, oder auf Sie wirkte, handelte es sich um ein inoffizielles Treffen.
„Wie ich hörte“, fuhr Felix Essien ungezwungen fort. „hat Admiralin Vic’torja ein Auge auf Sie geworfen.“ Die Gvanerin hatte wahrlich überall ihre eigenen Augen und Ohren. Hinter vorgehaltener Hand sagte man Sie hätte ihren eigenen kleinen Geheimdienst, der weitaus bessere Ergebnisse produzierte als die eigentlichen Geheimdienste. „Doch Admiral Zedek wird sich mit Händen und Füßen wehren Sie an sie abzutreten. Wenn es sein muss, tritt er ihr sogar in einem offenen Kampf gegenüber.“, plauderte der Generalinspektor als würden Sie sich schon seit längerem kennen und nicht erst seit gut einer Minute.
Natürlich ehrte Sofia das Interesse von Admiralin Vic’torja. Schließlich war die Gvanerin nicht irgendwer. In ihrem Notizbuch zu stehen konnte jedenfalls nicht schaden. Andererseits verdankte Sofia Admiral Zedek sprichwörtlich ihre Karriere. Ohne ihn würde Sie nicht die Flottenuniform tragen.
„Bei allem Respekt, Sir.“, sagte Sie. „Warum genau bin ich hier?“, kam Sofia auf den Punkt.
Ein Schmunzeln erschien auf Essien’s Gesicht. Die Mischlingsfrau ließ sich nicht einlullen. Sie wollte wissen, was los war. Zu Recht. Er reichte ihr ein Pad. „Auch wenn Zedek Zeder und Mordio schreien wird, sind Sie und ihre gesamte Crew mit sofortiger Wirkung abkommandiert.“
Ungläubig schaute Sie erst ihn, dann das Pad in seiner Hand an. Zögerlich nahm Sofia es, schaltete es frei und las sich den Inhalt durch. Ihre Augen weiteten sich, dann sah Sie auf. Die Gaius war auf Anordnung der Präsidentin mit sofortiger Wirkung aus der Vereinten Flotte abkommandiert worden. Sie standen fortan unter dem Befehl von Generalinspektor Essien höchstpersönlich.
Neben der präsidialen Anordnung befand sich noch ein weiteres Dokument im Speicher. Dabei handelte es sich um einen Marschbefehl.
Sofia konnte einfach nicht glauben, was Sie da las.
„Leider“, brach Essien das Schweigen. „kann ich ihnen und ihrer Crew nicht die nötige Einarbeitungszeit geben, um sich mit den Systemen der Dakar vertraut zu machen.“ Der Marschbefehl im Pad war gleichzeitig ein Transferbescheid zur Bemannung eines Schweren Kreuzers der Gallier-Klasse. Nämlich die erwähnte VF Dakar. Dass die entsprechenden Großkampfschiffe der Gallier-Klasse nur auf dem Papier existierten schien überholt. „Ihnen ist wahrscheinlich bewusst das wir mit dem Rücken zur Wand stehen.“ Damit spielte der Generalinspektor auf die aktuelle Situation an. Dass es jedoch so schlecht um Sie bestellt war, hätte Sofia nicht erwartet. Trotz ihres Schweigens sprach Essien weiter. „Ihre Mission ist es Kontakt zu den Kräften des Sternenbundes herzustellen.“ Obwohl die gesammelten Sensoraufzeichnungen der Drohne, kurze Zeit nach ihrem Erhalt, vom Strategischen Lagezentrum der Streitkräfte (=SLdS) konfisziert wurden hatte der kurze Blick ausgereicht, um im Ansatz zu erkennen worum es sich handelte. „Captain Luciò wird Sie als Berater begleiten.“ Er hatte sich sofort Freiwillig gemeldet, als ihn Essien besuchte. „Des weiteren wird ihnen Senior Commander Leopold als Verbindungsoffizier zu gewiesen.“ Bevor Sofia etwas sagen konnte, hob der Generalinspekteur und Unioner Vertreter im Allianzrat seine Hand. „Sie werden jede Hilfe brauchen, die Sie bekommen können, Captain. Denn eins sollte ihnen klar sein, Sie werden komplett auf sich gestellt sein bei dieser Mission.“ Was soviel hieß wie, kein Nachschub und keine Rückendeckung, in Form von Verstärkung. „Der Kontakt hat oberste Priorität.“
________________________________________

-Ende-

(31.12.2011)

© by Alexander Döbber
 
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Kommentare  

Hat sich spannend und gut gelesen. Gefiel mir besonders, wie du auf die technischen Details eingegangen bist. So echt, als gäbe es bereits eine derart hohe Technik. Packend, wie es ihnen gelingt, das Raumschiff aus dem Meteoriten zu befreien. Das Lesen hat sich gelohnt.

Marco Polo (04.01.2012)

Hallo Alexander, es hat sich gezeigt, dass kürzere Texte besser gelesen werden, darum wäre es empfehlenswert, wenn du diesen langen Text in kleinere Teile veröffentlichen würdest. Sonst trauen sich nur wenige Leser heran.

Liebe Grüße und ein gutes neues Jahr


Tlonk (01.01.2012)

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