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5 Seiten

Schattengeflüster

Fantastisches · Kurzgeschichten
PROLOG

Amelia drehte die Rose vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger, behutsam darauf achtend, nicht durch eine Dorne ihr Gift versetzt zu bekommen. Ihre aschgrauen Seelenschlünder ruhten mit triumphierendem Glitzern auf der lilanen Blüte, zwischen deren Blütenblätter so dunkle Schattenschluchten lagen, dass sie wie eine bodenlose Tiefe unergründeter Geheimnisse die Blüte teilten, ein Kontrast zu dem hellen, kalten Silber des dornenbesetzten Stängels.
"Die Schattenrose" , hauchte Amelia es in seichtem Nebel in die kalte Nachtluft hinaus, ein zufriedenes Lächeln in die Züge eingebrannt. Das weißblonde, mit blauen Strähnen durchzogene Haar wallte ihr verfilzt bis zur Hüfte hinab, sie besaß einen joghurtweißen Teint, pflegte ihre langen Fingernägel zu präsentieren und trug ein korsettartiges, knielanges schwarzes Kleid, das von der Hüfte abwärts aufgerüscht war. Ja, Amelia war durch und durch Dämonin und nach diesem Erfolg funkelten ihre Augen boshaft.
Endlich, nach so langer Suche... hatten ihre Gefolgsleute die sagenumwobene Schattenrose, Hauptdarstellerin all ihrer Träume, nun zu ihr bringen können. Es hieß, diese verfüge über Magie, wie sie sonst niemand bändigen kann, vom weisesten Druiden über den talentiertesten Jungsporn zum magiebewandelsten Herrscher nicht. Doch ist diese Magie nur für den aktuellen Herrscher zugänglich. Die silber-lilane Blume besaß Macht, wie sie nie ein sterbliches Wesen haben würde, sie beeinflusste alles, was von ihr hörte und stattete naherzu jeden mit einer kaum stillbaren Gier nach ihrem Besitztum aus.
Die Schattenrose zu erlangen war dafür aber umso schwieriger. Wenn sie erstmal einen neuen Herrn bzw. eine neue Herrin "erwählt" hatte, müsste dieser Person erst das Leben genommen werden, um den Täter zum neuen Rosenherren zu küren. Der Haken dabei war schließlich aber, das dieser Herr/ diese Herrin im vollen Besitz der Rosenkräfte war und unter ihrem Schutz stand, wodurch man jenen gar nicht so leicht zu töten vermochte. Somit bliebe nur noch die einzige andere Möglichkeit, die darin bestand, dass man dieses magische Werkzeug aus gänzlich freiem Willen überreicht bekam.
Aber wer tat so etwas Dummes schon? Nur ein Uneingeweihter oder Strohkopf, der sich nicht über den Einfluss der Blume im Klaren war oder mit Magie nichts anfangen konnte,
so wie Tylhon, ihr herzallerliebstes Kriegeroberhaupt.
Tylhon gab nichts auf diese "Zaubertricks" , er setzte meist eher auf die Art Offensive, die mit Schwertern und Pistolen ausgetragen wurde. Diesen treuen Diener hatte sie auch ausgesandt, ihr Verlangen zu besänftigen und ihr die Rose zu beschaffen. Sie hatten das Unmögliche wagen müssem, doch letztendlich hatten sie Erflog gehabt. Tylhon und seine Späher hatten den Besitzer der Rose tatsächlich ausfindig machen und vernichten können. Was ein Triumph!
Und die Rose war einfach eine wundervolle Trophäe!
Auch wenn sie ja noch so viel mehr als nur das war, immerhin war sie in der Lage, mit ihrem Gift in Sekunden zu töten.
Voll Stolz lehnte Amelia sich zurück, dem Anblick der Rose wurde sie einfach nicht satt, sie starrte die Rose unentwegt an, ohne jede Regung ihres Gesichtsausdruckes, nicht einmal ein Wimpernschlag.

"Hast du nun, was du wolltest?" , die tiefe, aber sanfte Stimme hinter ihr ließ Amelia aus ihren Träumereien aufschrecken, sie setzte ein Grinsen auf und zwang sich, die Rose beiseite zu legen. "Ja, es befriedigt mich, endlich die mächtigste Frau zu sein, und mit diesem Instrument noch weitaus mehr. Ich besitze die Schattenrose." , sagte sie wie um sich selbst zu beweisen, dass dies nicht nur eine Fantasie sondern die Realität war. Amelia fühlte zwei starke Hände auf ihren Schultern, über sich den Kopf eines Mannes und sie wusste auch wessen, Maris, ihr Geliebter und die Hauptmacht im Reich der Toten, war zu ihr getreten.
"Wie geht's unserem Kleinen?" , fragte seine angenehm raue Stimme. Amelia schmunzelte.
"Wenn er viel von dir hat, kann's ihm ja schonmal nicht gut gehen." , spöttelte sie mit einem überlegenen Funkeln in den Augen. Maris setzte eine betroffene Miene auf. "Wenn ich so schlimm bin, warum bist du dann immernoch mit mir zusammen?" , verlangte er zu wissen und schwang sich in einer einzigen eleganten Bewegung auf einen Stein neben ihr. "Vielleicht benutze ich dich ja nur..." , hauchte Amelia bedrohlich und ihr Zeigefinger strich unter seinem Kinn ab. Herausfordernd lupfte man eine Braue, während der 'Wow' - Faktor unverhohlen in Maris' Gesicht abzulesen war. In all den Jahren mit all seinen so verschiedenen Liebschaften war er nie dahinter gekommen, wie die Frauen das machten, geschweige denn, wie man ihnen widerstehen könnte. Maris Lid zuckte. "Glaubst du wirklich, etwas so Abscheuliches wie du könne mit mir spielen?" Maris glaubte offenbar, sie damit sprachlos gemacht zu haben, doch da kannte er seine Freundin schlecht. "Sind es denn nicht immer die Monster, die euch zu Sklaven machen?" , meinte sie nun anmutig und wandte sich grinsend wieder der Rose auf ihrer anderen Seite zu.
Ihr Liebster beobachtete derweil den sternlosen Horizont und bekam nun einen Moment für sich.

Das alles, das Land, das sich bis hin zu der unergründlichen Schwärze, die sich über ihre Köpfe erhob, erstreckte, all die Landschaften und Dörfer, die Religion und die Gesellschaften, jede einzelne Person, jeder Krümel gehörte nur ihm und er herrschte darüber. Einmal wollte er leiblich in der Menschenwelt wandeln, als mehr als nur eine Erscheinung, seinen Auftritt abliefern, sondern einmal die Menschen persönlich besuchen, sie sehen können, anfassen, verfolgen, sie hören, alles wovon seine Späher stetig berichteten.
Er besaß alles, was er brauchte, hatte Macht, Ansehen, Frauen, und noch mehr Macht.
Von nahezu allen Dämonen wurde der autoritäre Herrscher um seine Position und sein Glück beneidet, doch das zu kennen, wonach sich die anderen sehnen, ist keine Garantie für die eigene Zufriedenheit. Maris ersehnte sich alleinig das, was ihm nie würde gewehrt sein können:
Einige Eindrücke von der Menschenwelt. Aber sollte er sich nicht eigentlich zufrieden geben?
Er besaß doch bereits alles, sein Herzenswunsch war unnötig. Was wollte er dort?
Töten? Das konnte er auch so tun...
Er hatte doch bereits ein riesiges Reich, mit Millionen von Untertanen, in dem er tun und lassen konnte, was er wollte. Das, was diese ungebildeten Idioten als Hölle bezeichneten. Er kam dabei wohl der Sagenfigur des Teufels am nächsten, auch wenn er keine Hörner trug, nicht rot sondern blass war wie eine Leiche ( wobei er sich von einer solchen ja auch nicht sooo groß unterschied) und ebenso Gefühle besaß wie die Lebenden auch...
Er kannte Liebe, Freude und Freundschaft genauso gut wie Schmerz, Hass und Wut, so wie jeder andere auch. Allerdings war er der Urdämon, Erschaffer aller Weiteren und Leiter der Unterwelt, unsterblicher Diktator, wie man es dem Teufel nachsagte.
Die Verkörperung des Bösen aber stellte er nicht dar, das war lediglich eine Erfindung der Sterblichen, um das 'Böse' greifbar zu machen. Doch das Böse würde immer unbestimmt und ungreifbar sein, ebenso wie Ansichtssache.
Maris pflegte Brutalität in seinem Reich, in all den Tausenden Jahren hatte er gelernt,
dass Unterdrückung und Folterstrafen ihn weit bringen konnten, dies war durchaus von Nutzen.
Die Richtigkeit von seinem Handeln war ihm dabei - kurzgesagt - total egal.
Die vertrauenswürdigsten Dämonen und besten Kämpfer, die loyalsten Männer wurden von ihm losgeschickt, Ordnung zu bringen, Steuern einzutreiben und dafür zu sorgen, dass alles zu seiner Zufriedenheit verlief. Und dort, ein paar hundert Meter weiter, glaubten seine Nachtsicht-Augen eine der Patrouillen zu erkennen, wie sie sich durch's Dickicht schlugen.
Nachdenklich starrte Maris vor sich hin, dachte an die vielen erlebten Jahre zurück, an all die Kriege, Triumphe, Niederlagen & Frauen. Die Liebe.
Sie war für ihn wie eines seiner Machtspielchen. Wenn sich mal wieder eine Gelegenheit bot, sich etwas fand, das es zu verlangen wert war, strebte man danach, für gewöhnlich siegte er, eine kurze Freude und der Reiz war vorüber.
Sie kamen und gingen, die Machtkämpfe wie die Frauen. Nichts von Bedeutung...
nicht, dass er so töricht wäre, das jemals einer Frau gegenüber zu erwähnen.
Maris sandte nun eine magische Kugel in Richtung seiner Patrouille, die diese in der nächsten
Stadt unauffällig und unbemerkt platzieren sollten, damit er das Dorf beobachten und in Erfahrung bringen konnten, ob seine Bewohner ihm noch wohlgesinnt waren.
Razièl, der Anführer der Gruppe, wüsste schon, was zu tun war.
Eine zweite magische Kugel schickte er in die entgegengesetzte Richtung zu der zweiten Patrouille, die um diese Zeit unterwegs war. Oh ja, Maris beherrschte alle Arten Magie, von Lichtmagie und Heilkunst mal abgesehen, aber für die Heilungen waren auch andere zuständig und mit Licht- konnte man auch nichts anderes bewirken als mit Schattenmagie, obwohl sich ein Dämon sich natürlich von Schatten mehr Vorteile versprechen konnte.
Licht war schlichtweg unnötig.
Maris seufzte. Seine Herzensdame (zumindest momentan) saß hier neben ihm,
doch er war nicht glücklich damit. Amelia jagte ständig nur die Macht, die Magie, all das,
was er bereits besaß, von dem er aber nur allzugut wusste, dass es nicht glücklich machte.
"Besprechen wir also Strategisches." , meinte sie kühl und sah ihn erwartungsvoll an,
sodass er gezwungen war, seine Träumerin gewaltsam abzubrechen.
"Nun gut" , begann er sachlich und wandte sich ihr zu, "Was gedenkst du mit der Rose zu tun?"
Auf Amelias Lippen spiegelte sich ein gefährliches Lächeln, triumphierend funkelten ihre Augen.
"Nun, zunächst müssen wir sicher gehen, all ihre Fähigkeiten zu kennen. Also werden wir sie genaustens studieren und einigen Tests unterziehen müssen. Anschließend..." , sie schürzte überlegen die Lippen, "werde ich dann Gebrauch davon machen. Einige nützliche Anwendungen werden sich schon finden lassen... Ein paar Dinge und Leute aus dem Weg räumen..."
Maris übersah das teuflische (zugegeben, die Formulierung war aufgrund der gegebenen Umstände ziemlich unpassend) Auflodern in ihren Nebelschlündern nicht, doch er nickte lediglich, bereits wieder halb abwesend.
So magisch war diese Pflanze, so intensiv hatte sie danach gesucht, hatte sich voll Machtgier
so sehr danach gesehnt, so sehr sehnte er sich nur nach einer einzelnen Erfahrung.
 
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Kommentare  

Oh, das sind ja alles richtige Fieslinge. Flüssig geschrieben und spannend. Gute Unterhaltung.

Evi Apfel (12.01.2012)

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