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Olivenernte - Herbst (Unser italienischer Sommer Teil 18)

Romane/Serien · Romantisches
Gestern war Eva für mehrere Wochen zur Einschulung in die USA geflogen. Sie sollte hier ihren Kenntnisstand in der Labortechnik aktualisieren und die Abläufe einer Pharmafirma studieren. Schau dir besonders die Verfahrenstechnik an, das brauchst du, wenn du unser neues Labor in Siena leiten sollst, hatte mein Vater am Telefon gesagt.
Er hatte Evas Doktorarbeit gelesen, die sich mit ähnlich strukturierten Problemen beschäftigte.

Ich hatte meinen Schatz zum Flughafen gebracht und es war ein tränenreicher Abschied geworden. Mein Vater hatte Eva einen Platz in der ersten Reihe der Business Class gebucht, wo sie optimale Beinfreiheit vorfand.

Jetzt saß ich daheim, das Haus wirkte kalt ohne Evas Wärme. Paola hatte angerufen und mich spontan eingeladen den Abend mit ihr und Bruno im Tre Archi zu verbringen. Ich hatte abgelehnt, weil ich mich nicht vom Telefonhörer entfernen wollte, daraufhin waren die Zwei vorbeigekommen. Bruno war bei Waltraud im Ristorante vorbei gefahren und hatte eine Menuauswahl mitgebracht.

Antipasti: Ziegenkäsebällchen mit Thymianhonig
2 Thymianzweige
100 g Honig
100 g Magerquark
200 g Ziegenfrischkäse
Salz, Pfeffer
20 g Walnusskerne

Thymianblätter abzupfen, fein hacken und unter den Honig mischen. Mind. 2 Std. ziehen lassen.
Den Quark abtropfen lassen, mit dem Ziegenkäse mischen und mit Salz und Pfeffer würzen. Die Walnüsse fein reiben oder hacken.
Aus der Käsemassen kleine Kugeln formen, in den geriebenen Walnüssen wälzen und in Honig tunken.

Primo Piatti: Mangold Pilz Canneloni
Für den Teig:
1 EL Olivenöl
1 Msp. Kurkuma
150 g Vollkornmehl
90 ml heißes Wasser

Für die Füllung:
200 g Pilze
200 g Mangold
100 g Zwiebeln
100 g Hüttenkäse
2 getr. Tomaten
Rukola
Salz, Pfeffer, Muskatnuss
1 Glas Tomatensoße nach Geschmack

Olivenöl, 1 Msp. Salz und Kurkuma glatt rühren und zum Mehl geben, das heiße Wasser zufügen und ca. 5 min kneten. Den Teig 30 min in Folie gewickelt ruhen lassen. Den Teig dann dünn ausrollen und in 10 cm breite Bahnen schneiden.

Für die Füllung die Zwiebeln hacken, die Pilze fein schneiden, den Mangold kurz dämpfen. Zwiebeln, Pilze und Mangold anschwitzen und mit dem Hüttenkäse und den fein geschnittenen Tomaten vermengen. Mit gehacktem Rukola, Salz, Pfeffer und Muskat würzen. Die Füllung 1 cm dick auf die Teigstreifen streichen. Die Cannelloni aufrollen und nebeneinander in eine feuerfeste Form legen und mit der Tomatensoße bedecken. 30 min bei 160°C backen.

Secondo Piatti: Zander al Cartoccio

200 g Zanderfilet
1 Karotte
½ Lauch
½ Sellerieknolle
Salz, Pfeffer
1 Orange
1 Zitrone
2 Blatt Butterbrotpapier

Das Zanderfilet in zwei gleich große Stücke teilen. Das Gemüse fein schneiden oder reiben, mit Salz und Pfeffer würzen und vermischen. Das Gemüse auf die Mitte des Butterbrotpapiers verteilen, den Fisch würzen und auf das Gemüse legen. Etwas Zitronen- und Orangenabrieb darüber reiben. Die Papierenden übereinanderschlagen und wie einen Bonbon zudrehen. Auf ein Blech legen und im Backofen für 15 min bei 150°C garen.

Waltraud hatte alles vorbereitet und die Köstlichkeiten mussten nur noch in den Backofen. Sie hatte mir das Rezept mitgegeben.

Während Paola, danke Paola, das Essen im Backofen garte, holte ich mit Bruno den passenden Wein aus dem Keller.
Die Beiden konnten hier übernachten, die Gästezimmer waren bereit.
„Du hast dich ja schnell getröstet“, lachte Eva, als Paola mir den Hörer übergab. „Ich bin gut gelandet, dein Papa und Laura haben mich abgeholt und wir fahren gleich zu ihrem Haus. Feiert noch schön, Grüße soll ich auch bestellen. Ich rufe morgen Abend wieder an. Ciao mein Liebster und grüß Paola und Bruno noch einmal von mir. Hast du dir das Rezept geben lassen? Gut. Ciao, mein Herz.“ Dann legte Eva auf. Ich hielt den Hörer noch einen Moment in der Hand.
„Cena è pronta, andiamo ragazzi.”
Das ließen wir uns nicht zweimal sagen. Ich bestellte noch Evas Grüße.
„Eva ist bestimmt froh, dass jemand auf dich aufpasst und dir zu Essen gibt.“ Paola kicherte.

Wir genossen unser Mahl andächtig und tranken dazu einen von unseren besten Weinen.


„Hast du ein Kartenspiel da Peter, oder Dominosteine?“, Bruno schaute mich an.
Paola hob theatralisch die Hände „Che noia. Potremmo giocare a strip poker. Im pokern bin ich nämlich gut.“
Bruno und ich verschluckten uns bald an unserem Wein.
„Questo era solo un gioco, non sembrano così inorridito. Das war nur ein Scherz, schaut nicht so entsetzt.” Paola lachte herzhaft. „Schade, ich hätte euch ausgezogen bis aufs Hemd, peccato, avrei ragazzi tirato su le mutande.”
“So ist sie immer”, Bruno grinste “sie erpokert sich das Haushaltsgeld.“

„Übermorgen könnten wir doch eine Radtour machen, was haltet ihr davon? Über Simignano, Ancaiano, Cetinale nach La Cetina und zurück”, Paola musterte uns. “Was haltet ihr Jungs davon, Cosa ne pensate ragazzi?“
Paola klopfte ihrem Bruno auf den Bauch und musterte mich auch stirnrunzelnd.
„Das wird euch gut tun Männer und euch in Form halten. In La Cetina können wir Pause machen und etwas essen. Die 25 km macht ihr doch locker, so wie ihr gebaut seid.“

Es wurde noch spät an diesem Abend. Wir spielten Karten, kein Poker, sondern Scopa. Die beiden hatten uns das Spiel bei unserem ersten Besuch beigebracht und ich beherrschte es hinreichend. Hatte aber keine Chance gegen ein Füchsin wie Paola.

Das Spiel besitzt 40 Karten in vier Farben. Traditionell sind diese denari - Gold, dargestellt als Münzen (auch Sonnen genannt), bastoni – Stäbe, coppe – Kelche und spade - Schwerter
In allen Farben laufen die Werte der Karten von eins bis zehn, wobei das Ass die Eins ist mit jeweils nur einem abgebildeten Gegenstand, die Karten Zwei bis Sieben zeigen dementsprechend die jeweilige Anzahl an Gegenständen. Die Acht ist als Bube (fante), je nach verwendetem Deck auch als Dame (donna) dargestellt, die Neun als Reiter (cavallo) und die Zehn als König (re). Diese Wertigkeiten gelten während des Spielverlaufs, nicht aber beim Auszählen.

Es würde jetzt keinen Sinn machen, den Spielablauf genauer zu erklären, nur man muss so viele Punkte, wie möglich erreichen. Und ich war den Beiden, besonders aber Paola, hoffnungslos unterlegen. Aber Scopa machte einen Riesenspaß, ließ die Zeit im Fluge vorbeigehen und man brauchte keinen Striptease zu machen.


Beppe hatte mir mit dem LKW eine Fuhre gebrannte Ziegel gebracht. Ich wollte den alten Forno mattoni unseren Steinbackofen wieder herrichten. Ich klopfte den Mörtel von den alten Steinen ab und machte erst einmal Pause. Ein Plan wäre jetzt nicht schlecht.
Ich rief Mario an.
„Du hast genau den Richtigen angerufen. Enzo ist doch Maurer und Ofenbauer. Ich rufe ihn an und mache einen Termin aus. Ende der Woche? Bene, ciao Peter.“

Mir fiel ein Stein vom Herzen, das ich noch nicht angefangen hatte, den Ofen zu zerlegen.
Um Ordnung zu machen, stapelte ich die Steine aufeinander.

Am nächsten Morgen, ich hatte ohne Eva ziemlich unruhig geschlafen, holte ich nach dem Duschen meine Radlerkombi aus dem Schrank. Ich zwängte meinen Hintern mühsam in die Hose und versuchte dann mit den Fingerspitzen das Oberteil zu fassen, um es hochzuziehen. Dazu verdrehte ich mich vor dem Spiegel, bis ich es in die Finger bekam. Ich schloss den Reißverschluss, dabei mussten ein paar Brusthaare dran glauben. Ich drehte und wendete mich und kam mir nackt vor, ein hauchdünner Stoff passte sich der Körperform an und betonte jeden Muskel und jede Rundung. Beim auf und ab laufen zupfte ich mir den Anzug zurecht. Dann machte ich Rumpfbeugungen, abrupte Bewegungen, ging in die Knie und stellte fest, der Stoff hielt. Es sah beinahe aus wie Bodypainting, wie damals bei Goldfinger, ganz in Silber mit zwei breiten schwarzen Streifen an der Seite. Ich schlüpfte in meine Radschuhe, nahm Handschuhe und Brille und verharrte. Wohin mit dem Geld? Da entdeckte ich zwei Täschchen an der Seite mit Reißverschluss. Unten holte ich das Rad aus der Garage und überprüfte die Luft, alles bestens. Dann kamen auch schon Paola und Bruno auf den Hof gefahren.
„Wow, dreh dich mal Peter.“ Ich tat ihr den Gefallen. Als ich mich wieder umdrehte sah ich für einen Sekundenbruchteil einen Ausdruck in ihren Augen, so wie eine Löwin ihre Beute betrachtet, bevor sie ihr Opfer erlegt. Der Augenblick war so schnell vorbei, wie er gekommen war.

Wir nahmen die Abfahrt vom Hof verhalten und kamen als wir den Ort verlassen hatten schnell in Tritt. Die Straße nach Sovicille war in der Regel wenig befahren. Wir kamen gut voran. Die Steigungen gingen bei unserem Tempo zwar in die Muskeln, aber mir hatte das Training der letzten Wochen gut getan, trotz der Schlemmerei in der Hochzeitswoche war ich fit.
Paola gab das Tempo vor und scheuchte uns förmlich vorwärts, aber meine Beine funktionierten wie ein Uhrwerk. In Cetinale machten wir Pause. Jetzt war der Asphalt vorbei und die Strade bianche, die gewalzten Schotterstrassen, lagen vor uns und bis La Cetina wo wir einkehren wollten, gab es ein paar tückische Abschnitte mit kräftigen Steigungen und ebenso abrupten Abfahrten.
„Da musst du vorsichtig fahren. Letztes Jahr hab ich mir dort den Knöchel verletzt.“ Bruno warnte mich.
Wir stiegen wieder in den Sattel und mussten auch gleich schalten, denn die Steigung war lang und kräftefordernd. Ich ging aus dem Sattel, gerade als Paola, die hinter mir fuhr, rief „Mozziconi Peter!“ Was so viel hieß wie Hintern hoch. Ich ging in den Wiegeschritt, meine Waden und Oberschenkel zitterten. Die Anstrengung würde ich heute Abend merken. Endlich waren wir oben. Ich atmete kräftig durch. Jetzt wurde es etwa ebener und wir rollten schon bald in La Cetina ein. Ein paar Häuser, eine ehemalige Kirche und eine frühere Einsiedelei. Das war alles. An einem Bauernhaus bekamen wir un spuntino, einen kleinen Imbiss und eine Karaffe recht schmackhaften Roten.
„Spürst du deine Muskeln schon Peter? Ich habe es vorhin nur gut gemeint, aber du hast schnell reagiert.“
Ich nickte und grinste „Das war ja auch ziemlich direkt.“
„Dio mio, mein liebes Weib ist immer ziemlich direkt. Ich höre das jeden Tag.“ Bruno hob übertrieben theatralisch die Arme.
Wir lachten. Es war relativ warm, ich schätzte so um die 20°C und wir öffneten die Reißverschlüsse unserer Hemden. Paola legte den Kopf zurück und ließ sich die Sonne ins Gesicht und aufs attraktive Dekolleté scheinen. Bruno schaute sie verliebt an und ich vermisste meine Eva. Dann zahlten wir und fuhren weiter. Von La Cetina führte eine lange Abfahrt auf die Verbindungsstraße hinunter. Paola legte ein ordentliches Tempo vor, beinahe wäre sie in einer leichten Kurve auf dem Schotter weggerutscht. Aber sie konnte sich gerade noch fangen und drosselte das Tempo. Ich war mit einem Schlenker ausgewichen und konnte mich auch halten. Das hätte ins Auge gehen können.
Unten bremsten wir ab und ließen das einzige Auto vorbei, das uns heute begegnet war. Jetzt wurde es nahezu gemütlich, gut es gab noch ein paar Steigungen aber die waren nicht der Rede wert.
Im Dorf feuerten uns im Vorbeifahren ein paar Jugendliche an, die es sich am Kirchplatz gemütlich gemacht hatten. Matteo winkte uns auch zu.
„Vuoi Giro, wollt ihr zum Giro?”

Francesca schüttelte nachsichtig den Kopf, als sie uns vorbei sausen sah. Und zum Abschluss noch die Steigung zum Hof hinauf. Jetzt reichte es. Bruno und ich bekamen noch jeder einen Klaps auf den Hintern „Ihr wart gut Männer. Das machen wir wieder einmal.“
Wir duschten ausgiebig und zogen uns wieder um. Dann verstauten Paola und Bruno ihre Räder. Wir umarmten uns, ich winkte den Beiden hinterher, bis sie aus den Augen verschwunden waren. Ein wenig zuckten die Muskeln und die Knie waren etwas weich, aber das war eine gute Idee von Paola gewesen. Ich fühlte mich rundum gut.
Ich hatte Jeans und Shirt angezogen, mir einen Pullover über die Schulter gehängt und wanderte noch einmal ins Dorf, auf un quarto di vino rosso.
„Wer war denn dieses rassige Weib?“
„Paola, eine gute Freundin von uns mit ihrem Mann. Du hast keine Chance, portami un quarto, Matteo.“
Marisa und ihr Bruder kamen herüber. Setzt euch zu mir, winkte ich ihnen.
„Cosa fa il tuo amico Marisa, was macht dein Freund?”
“Er holt mich nachher zum Tanzen ab”, strahlte sie, während Claudio nur brummte. Aber es klang gutmütig.
Ich winkte Matteo, uns eine große Karaffe und noch zwei Gläser zu bringen.
„Ho brillo“, kicherte Marisa.
“Aber doch nicht von einem Schlückchen Wein. Du bist doch schon ein großes Mädchen, sei una raggazona.“
Sie nippte am Rotwein und schaute auf die Uhr, da kam ihr Freund schon mit seiner Vespa um die Ecke. Marisa umarmte uns, drückte uns einen Kuss auf die Wange und stieg hinter ihrem Freund in den Sattel.
„Guidare con prudenza, fahrt vorsichtig”, rief Claudio noch hinter ihnen her.
„Was willst du machen, wenn sie heiratet und fortzieht Claudio?“ Ich fasste ihn am Arm.
Er schüttelte seinen Kopf und seufzte „Allora dovrò sposare, dann muss ich wohl doch noch heiraten. Marta drängt mich schon die ganzen Jahre.“
Ich verschluckte mich bald an meinem Wein „Unsere Marta von der Alimentari, hier nebenan?“
Claudio nickte. Das hatten wir bisher gar nicht mitbekommen. Eva und ich hatten die ganze Zeit gedacht, Claudio sei ein eingefleischter Junggeselle.
„Ja, aber ich konnte doch Marisa nicht allein lassen. Jetzt wo sie einen Freund hat, ist das etwas Anderes.“
Da hatten die Zwei sich die ganzen Jahre nicht getraut, weil jeder den Anderen nicht allein lassen konnte und wollte. Das ist wahre Geschwisterliebe.


Im August waren wir ja noch in Massa Marittima. Ich musste gerade dran denken, denn ich hatte klassische Musik aufgelegt, als ich mir das Mittagessen bereitete.
Wir waren nachmittags mit Benedetta, Paola, Mario und Bruno in seinem Großraumtaxi durch die Hügel nach Massa gefahren. Paola hatte Karten besorgt. Sie schien überall ihre Quellen zu haben. Für die gut 60 km auf engen Strassen brauchte Bruno etwas über eine Stunde. Wir hatten uns in Schale geworfen.
Mit etwas Glück fanden wir noch einen Parkplatz auf der Rückseite von San Cerbone, ja ein Taxifahrer kannte sich aus. Paola hatte sogar noch einen Tisch in der Osteria San Cerbone bekommen. Wir aßen eine Kleinigkeit und schauten auf die Fassade des Domes. Heute waren die Treppen der Kirche menschenleer. Sonst saßen hier immer viele Ausflügler und Einheimische.
Die Piazza war für das große Ereignis abgesperrt, die Stuhlreihen aufgebaut. Ordner würden nachher den Einlass kontrollieren.
Wir hatten noch genug Zeit, die Opernaufführung begann erst um 21:15 Uhr.
Es gab Don Pasquale, die komische Oper von Gaetano Donizetti. Und es würden namhafte Künstler aus ganz Italien auftreten. Seit vier Jahren gab es dieses grandiose Ereignis und es war schon zu einem Anziehungspunkt von Opernfreunden aus der ganzen Welt geworden.

Hingerissen lauschten wir nicht nur der Arie der Norina - Quel guardo il cavaliere -
Nach dem Ende der Vorstellung waren wir begeistert.
Seufzend legte ich die Platte auf die Seite und wandte mich wieder meiner Küchentätigkeit zu.

Etwas einfaches, Insalata Caprese, mit Tomaten und Mozzarella di Bufala. Den Käse bekam Marta frisch aus der Maremma . Die Sonne hatte noch ein paar Tomaten reifen lassen, frische Basilikumblätter dazu, fertig.

Enzo hatte sich für heute angekündigt. Da kam er auch schon mit seinem alten amerikanischen Pickup auf den Hof gefahren.
Enzo war gut gelaunt und ließ sich nach der Begrüßung meinen Forno mattoni zeigen. Er wiegte sein Haupt, schob den Hut in den Nacken und überlegte.
„Nessun problema, das ist nicht schwierig. Kann ich die Steine da verwenden?“ Ich nickte. Er ging zum Wagen, holte sein Werkzeug, dann nahm er einen großen Schluck Wasser aus der Flasche und werkelte los. Ich hörte ihn von der Küche aus klopfen, hämmern und zwischendurch ein paar Flüche ausstoßen.
Zwischendurch kam er kurz zum essen in die Küche und nahm sich gern ein Glas Wein.
„Ich müsste den Lehm der Cupola ausbessern. Ich schlage die alte Schicht ab und verputze es dir morgen neu. Bist du um sieben schon wach?“
Ich nickte, noch hatten wir nicht über den Preis gesprochen, aber Mario hatte gesagt, Enzo macht gute Arbeit.
Wieder wurde geklopft und gehämmert. Um fünf schaute Enzo herein, tippte sich an seinen Hut und verabschiedete sich „Sto andando, ich geh dann mal.“
Er hatte alles sauber auf einem Haufen zusammengekehrt. Der Ofen allerdings wirkte trostlos. Enzo ist der Fachmann, er wird wissen, was er tut, dachte ich.

Bald hätte mich Enzo noch geweckt. Ich zog mich gerade an, als sein Pickup den Hügel herauf fuhr.
„Trinkst du noch einen Kaffee mit?“ Wir setzten uns draußen vors Haus und er erläuterte mir, was er vorhatte.
„Ich putze jetzt die Cupola, sie bekommt eine ordentliche dicke Schicht, dann hält sie wieder für Jahrzehnte Peter. Sie braucht allerdings ein paar Tage zum austrocknen.“
„Schau dir doch später noch mal die Frantoio an, ob man die wieder herrichten kann. Das Dach scheint recht desolat zu sein. Es wäre schön, wenn wir unser Öl wieder selbst pressen könnten.“

Ich rief Mario an. „Du hattest doch gesagt, dass ihr die alte Ölmühle zu Appartements umbauen wollt. Habt ihr noch funktionstüchtige Einrichtungsgegenstände? Ich will unsere Frantoio wieder reaktivieren.“
„Komm doch einfach heute Abend herüber und schau selbst. Du kannst deine Eva auch von hier aus anrufen.“

Enzo hatte sich verabschiedet und ich fuhr zu Benedetta und Mario.
„Du kannst mit uns essen“, meinte Benedetta. „Schau dir nur ruhig die Gerätschaften an. Ich wäre froh, sie los zu sein. Die zwei Räuber schlafen schon.“

Ich schaute mir die Mahlvorrichtung und die Zentrifuge genau an.
„Vor fünf Jahren, haben wir sie das letzte mal genutzt. Technisch ist alles noch in Ordnung. Du bräuchtest allerdings neue Pressmatten und ein neues Holzfass und kontrollier das Gewinde für den Stempel. Die Dauben des Fasses sind hinüber. Wenn du die Sachen haben willst, helfe ich dir beim Abbau.“
Ich schlug ein, Mario hatte Platz für den Ausbau und ich Inventar für unsere neue Mühle.
„Du könntest dann unser Öl mit pressen Peter“ Benedetta dachte wieder praktisch.
„Gerne, jetzt brauche ich noch ein paar starke Leute und ein Auto.“
„Bruno, Giancarlo, ich, du und Beppes Bagger und LKW. Das sollte reichen. Übernächste Woche, nach eurer Olivenernte. Ich organisiere das schon.“
„So ihr Männer, nachdem das geschäftliche erledigt ist, können wir essen. Es gibt Ribollita á la Benedetta. Ora per la cena. Und ich habe frisches Olivenbrot gebacken.“

Olivenbrot Toskana

250 g Mehl
1 Päckchen Trockenhefe
150 ml trockener Weißwein
150 ml Olivenöl „extra“
100 g Parmesan
3 Knoblauchzehen
100 g grüne Oliven ohne Stein
100 g getrocknete Tomaten
3 Eier
½ TL Salz
½ TL gerebelter Oregano
1 Päckchen TK-italienische Kräuter (= 20 g)
100 g Haselnusskerne, gehackt
50 g Sonnenblumenkerne

Mehl und Hefe in eine Schüssel geben und mischen, nach und nach zimmerwarmen Wein und Olivenöl unterrühren. Dickflüssigen Teig zugedeckt an einem warmen Ort ca. 30 Minuten gehen lassen.
Käse fein reiben, Knoblauch abziehen und pressen. Oliven grob hacken, Tomaten würfeln.
Nach und nach Eier und Salz unter den Teig rühren, danach Käseraspel, Kräuter, Nüsse und Sonnenblumenkerne unterziehen. Zuletzt Knoblauch, Oliven und Tomaten zufügen.
Teig in einen vorbereiteten Bratschlauch geben, Bratschlauch verschließen und mit einer Schere senkrecht zur Schweißnaht ca. 1 cm einschneiden. Brot ca. 45 Minuten gehen lassen.
Im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad ca. eine Stunde goldbraun backen.
Brot auf einem Kuchengitter abkühlen lassen.
Dazu schmeckt pikante Tomatenbutter.


Auf dem Rückweg tankte ich noch schnell voll bei IP, bevor ich von der Hauptstraße abbog und durchs Dorf auf unseren Hügel fuhr.



Ich machte noch einmal einen Spaziergang durch unseren Olivenhain. Die Früchte sahen gut aus. Gianfranco hatte gemeint, am Samstag könnten wir loslegen. Netze und Kämme lagen bereit und Hilfe hatten wir auch genügend. Da Mario noch eine Woche warten wollte, kam er auch zum Helfen. Ansonsten hatten sich auch alle angemeldet, die bei der Weinlese mitgeholfen hatten.
Wir hatten 16 Bäume, die jedes Jahr gut trugen. Gianfranco hatte gesagt, rechne mit etwa 450 kg Ertrag, das gibt dann gute 80 l feinstes Öl. Das Wetter hat es bisher gut mit den Bäumen gemeint. Die reiche Blüte im Mai, die heiße Sonne und der nächtliche Regen mit der Abkühlung im Juli.
Da olive raccolta a mano, e spremute a freddo, non filtrare , nel mese di novembre.
Mit der Hand geerntet, kalt gepresst, nicht filtriert und das während des Novembers.

Früh standen wir alle leicht bibbernd und warteten auf Gianfrancos Einteilung. Jeder bekam einen Baum zugewiesen. Früh hatten wir die Netze ausgelegt. Drei Mann würden hin und herlaufen, die heruntergefallenen Oliven auslesen, in Körben einsammeln und zu unserer alten, leider nicht mehr funktionstüchtigen Ölmühle bringen und in Jutesäcke verpacken. Wir anderen saßen auf den Bäumen oder standen auf der Leiter und kämmten mit einem rastrello vorsichtig die Früchte aus. Langsam wurde es wärmer, der leichte Nebel verschwand und die Handbewegungen automatisierte sich. Beppe war am Nachbarbaum beschäftigt, trotz seiner bald siebzig Jahre war er flinker als ich. Es war ja auch nicht seine erste Saison.

„Es ist schon eine Plackerei“, rief ich zu ihm hinüber. „Ja, das stimmt. Aber ihr habt auch Glück gehabt, eure Bäume haben vor drei Jahren dem harten Frost standgehalten. Die muss man noch von Hand ernten, so krumm und schief wie sie sind.
Heute stehen sie ja bei vielen in Reihen, da kommt man mit der Maschine gut dran und die Ernte ist einfach. Aber mit der Hand pflücken gibt schon eine viel bessere Qualität.“ Er nickte.
„Du schlägst dich übrigens wacker da oben auf deinem Baum.“

Es war kein Vergnügen die Oliven von Hand mit dem Kamm zu ernten, die Kälte und das Nebelgrau in der ersten Stunde ließen mich manchmal da oben die Idee verfluchen, unbedingt bei der Olivenernte dabei sein zu müssen. Aber immerhin waren es unsere Bäume und hinterher war die Freude über die getane Arbeit groß.
Mittag kletterte ich mit wackligen Beinen von meinem Baum herunter. Paola, Benedetta und Francesca hatten uns Essen zubereitet.
Am Abend zuvor hatte ich mit Gianfranco noch den großen Tisch von der Terrasse in die Diele getragen. Hier hatten wir jetzt alle Platz.

„Übermorgen haben wir einen Termin in der Ölmühle in Casole, bis dahin müssen wir fertig sein. Das schaffen wir schon. Also Männer strengt euch an.“ Gianfrancos Appell trieb uns wieder in die Bäume. Bei angenehmeren Temperaturen, ging auch die Ernte flotter von der Hand.

Wir hatten es geschafft. Der Anhänger war voll geladen und wir fuhren zur Frantoio nach Casole. Unser Termin war um neun Uhr, wir waren pünktlich.
Zuerst wurden unsere Jutesäcke gewogen und dann fielen die Oliven durch ein Rohr eine Etage tiefer in ein Wasserbecken, wo sie gewaschen und die restlichen Blätter ausgeschwemmt wurden.. Danach folgte der Mahlgang, der Brei aus Oliven wurde auf Pressmatten verteilt, die zu mehreren übereinander gestapelt wurden und schließlich in der großen Presse unter steigendem Druck das Öl herausgepresst. Es sammelte sich in einer Wanne und wurde zentrifugiert. Dabei wird das restliche Wasser vom Öl abgetrennt. Und endlich der Lohn der großen Arbeit, das reine Olio nuovo läuft intensiv grün und trüb aus der Zentrifuge. Es klärt sich erst im Laufe der Lagerung bis zum Frühjahr. Gianfranco, Bruno und ich schauten interessiert zu. Nach drei Stunden war unsere gesamte Ernte verarbeitet.
Der Besitzer schrieb die Rechnung aus, 462 kg Oliven ergaben 81 l feinstes, kalt gepresstes, unfiltriertes, extra vergine Olivenöl. Der Säuregehalt war phänomenal 0,4%, also weit unter den vorgeschriebenen Richtwert von 1%.
Wir wuchteten die großen Blechkanister auf den Wagen und fuhren heim.
Die alte Ölmühle bot Platz und das Öl konnte bei der richtigen Temperatur lagern. Ich hatte dunkelgrüne Glasflaschen mit einem Liter Inhalt bestellt gehabt.
Zuerst füllte ich die Flaschen für unsere fleißigen Helfer ab, die traditionell die Hälfte der von ihnen gepflückten Menge in Olivenöl bekamen.
Vor der Ernte hatte ich die Räume erst einmal bis auf einen großen Holztisch leer gemacht und notdürftig geputzt.
Enzo hatte sich die Räumlichkeiten angeschaut und gemeint, die Mauern sind gut in Schuss, ein wenig neu verfugen vielleicht, nur das Dach müsste neu gedeckt werden. Er hätte noch alte Ziegel, die auch farblich passen würden. Mir fiel ein Stein vom Herzen, die Dachsparren und Balken waren in gutem Zustand.






Eva und ich hatten jeden Abend lange miteinander telefoniert. Es fiel mir schwer ohne sie. Die Hälfte der Zeit hatten wir schon geschafft.

„Dein Papa sagt, ich bin gut, und es macht Spaß im Labor und draußen im Technikum zu arbeiten. Mein englisch ist auch schon besser geworden. Und ich bin gestern mit Laura shoppen gewesen, erst die Fifth Avenue hinunter, da ist es genauso teuer wie in Rom, dann sind wir bei Macys gewesen und sind mit vielen Beuteln bepackt wieder herausgekommen. Hoffentlich passt das alles in den Koffer.“
Ich kam kaum zu Wort, Eva sprudelte förmlich über. Ich genoss einfach ihre Stimme und ihre gute Laune.
„Du sagst ja gar nichts Peterl?“
„Ich hab dir so gern zugehört mein Liebes.“ Dann erzählte ich meiner Liebsten von den Plänen mit dem Backofen und der Ölmühle. Eva war hellauf begeistert.
„Hast du mich noch lieb mein Peterl?“
Ich antwortete nicht gleich sondern sang ihr den Refrain unseres Lieblingsliedes in den Hörer


Du entschuldige i kenn di
bist du net die Klane
die i scho als Bua gern ghabt hab
die mit dreizehn schon kokett war
mehr als was erlaubt war
und die enge Jeans anghabt hat.
I hab nächtelang net gschlafen
nur weil du im Schulhof
einmal mit die augn zwinkert hast. –
Komm wir streichen fünfzehn Jahr
holn jetzt alles nach
als ob dazwischen einfach nix war.
Komm wir streichen fünfzehn Jahr
holn jetzt alles nach
als ob dazwischen einfach nix war.

Dann hauchten wir noch ein paar Küsse in den Hörer und legten für heute Abend auf.
 
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Nun ist sie weg, die Eva. Peter muss zusehen wie er klarkommt. Zum Glück hat er Freunde und viel Arbeit. Sehr echt ist alles wieder geschrieben. Man lebt förmlich in deiner Story. Klasse sind auch die Rezepte. Kann man gut gebrauchen.

Jochen (27.02.2012)

Peter ohne seine heißgeliebte Eva. Das ist nicht so einfach, aber er weiß sich zu helfen und hat auch Freunde die ihn unterstützen, seine Einsamkeit zu überwinden. Auch Arbeit kann ablenken. Ein großer Backofen soll entstehen und eine Ölmühle. Und zum Glück gibt es ja auch noch noch das Telefon.

doska (27.02.2012)

Die ersten Wochen ohne Eva fallen Peter nicht leicht, aber die Arbeit auf dem Hof und die Freunde helfen ihm dabei.

Wolfgang scrittore (26.02.2012)

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