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11 Seiten

Die Säulen der Götter - Kapitel 09

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Die Gulfstream G5 landete auf dem israelischen Luftwaffenstützpunkt Negev in der gleichnamigen Wüste des Landes. Als der Jet in den israelischen Luftraum eindrang, wurde er von 3 F-16i, die zuvor von dem Luftwaffenstützpunkt gestartet waren, nach Negev eskortiert. Gestartet war die G5 von der Al Udeid Air Base in Katar.
Als das Flugzeug von der Start- und Landebahn auf den Rollweg rollte, wurde es am Boden von einem Schützenpanzer und 2 Humvee’s und aus der Luft von einem Hughes AH-64A Apache Kampfhubschrauber in Empfang genommen.
Der Grund für diesen schwer bewaffneten Empfang war nicht die Tatsache das es sich um den persönlichen Jet von Scheich Adulaziz Qasim Al Hamat, dem Staatsoberhaupt von Katar, handelte, sondern wegen dem was sich an Bord der G5 befand.
Auf der Parkfläche der Hangars stoppte der Pilot, schaltete die Triebwerke ab. Ein Flugzeugschlepper wurde an das Bugrad gekoppelt. Mit ihm wurde die Gulfstream in den Hangar geschleppt, wo bereits eine Boeing 737-800 stand. Im Hangar befanden sich 20 schwer bewaffnete israelische Frauen und Männer vom Verteidigungsdienst.
Als der Schleppvorgang beendet war, öffnete sich die flugzeugeigene Gangway.
Ali verließ als Erster den Privatjet des Scheichs.
Ben folgte ihm.
„BEN!!“ Amanda rannte los, warf sich ihm förmlich in die Arme und klammerte sich geradezu an ihn, vergrub ihr Gesicht in seine Schulter.
Er gab Ali den Behälter, worin die Säule der Götter verstaut war, drückte das Mädchen, erhob sich und ließ Amanda nicht los. Wie ein Klammeraffe hing Sie an ihm, doch das kümmerte Ben nicht. Er würde Sie nicht loslassen.
Mit Amanda warteten Leonie, Alice, Sarah, Prince und Jonas auf ihre Rückkehr.
Alice nahm den Rollenbehälter von Ali, um die dritte Teilkoordinate zu entschlüsseln.

***

Der Angriff auf die Burg in den schottischen Highlands sollte der Lordsiegelbewahrerin als Vorwand dienen, um die Säule der Götter aus der Burgfestung zu schaffen. Dies war Teil der Vereinbarung die Angela Wilmington mit dem Vertreter der Schreiber-Gruppe traf, als man beschloss sich zusammenzutun. Was andererseits nie die Absicht der Schreiber-Gruppe war.
Nun standen Sie mit leeren Händen dar.
Nicht ganz.
Sie konnten die britischen Aufzeichnungen bergen. Ein winzig kleiner Trost, wenn man bedachte dass Sie in den Besitz der Säule hätten kommen können. So hatten sie nur die Aufzeichnungen, was zwar besser als nichts war, aber weit hinter den Erwartungen zurück blieb.
Das Benjamin Konrad statt in Schottland im Iran zuschlug kam überraschend. Ein waghalsiger, nicht ganz ungefährlicher Zug. Nicht dass Sie ihn unterschätzten, ganz im Gegenteil, aber etwas derartiges hatten sie selbst von ihm nicht erwartet.
Die Sache kam einem Himmelfahrtskommando gleich.
Bei der Sondersitzung des Vorstandes der Schreiber-Gruppe wurden Beschlüsse getroffen, die an der Ausrichtung ihres Vorhabens nichts ändern. Ihn eher festigten, ja zementierten.
Es wurde Zeit nach vorne zupreschen.

***

Die dritte Teilkoordinate konnte mit einer der 2 vorhandenen Teilkoordinaten, die Alice entschlüsselt hatte, zusammengesetzt werden, jedoch nicht mit Beiden gleichzeitig.
Bei ihrer Arbeit stellte sie außerdem fest, dass sich die Säulenfrequenzen synchronisierten, sobald die Säulen zusammengebracht wurden. Brachte man Sie stattdessen auf eine Distanz von etwas mehr als 25 Metern, verschwand das synchrone Frequenzmuster wieder.
Demnach waren Sie miteinander verbunden.
Alice stellte auch fest, das bei einer speziellen Anordnung der 7 Säulen ein zentraler achter Platz entstand, die auf keinem herkömmlichen geometrischen Muster basierte. Verknüpfte man die 7 möglichen Teilkoordinaten, erhielt man die 8te Finale Koordinate. Sie führte demzufolge zur Zentralen Säule.
War Sie der Schlüssel zum Wissen der Säulen!?
Eine Spekulation reihte sich an die Nächste, formte eine Spekulationsblase wie einst die Immobilienblase, die beim platzen die Finanzkrise auslöste.
Die Möglichkeiten waren vielfältig.
Nicht zu überblicken.
Im Moment jedenfalls.
Wenn man jetzt davon ausging, dass die Schreiber-Gruppe mindestens eine Säule besaß, welche auch immer, die Franzosen um Ben’s Bruder ebenfalls mindestens eine Säule, blieben noch 2 offen. Von den Zweien wusste man das sich eine im Besitz der Volksrepublik China befand. Ob Sie sich dessen bewusst waren oder nicht, sei erstmal dahingestellt. Demnach kannte man von einer Säule nicht die genauen Besitzverhältnisse, sofern die Schreiber-Gruppe oder die Franzosen nichts Genaueres wussten, was durchaus möglich war.
Ben und Co hatten 3 Säulen.
Ihre Eigene. Die der USA. Und jetzt die des Irans.
Um die Finale Koordinate zu erhalten, brauchte es demnach mehr als 3. Besser waren natürlich alle, was jedoch utopisch war.
Wenn die Schreiber-Gruppe und die Franzosen um Ben’s Bruder auf die britische Säule aus gewesen waren, egal wer Sie schlussendlich in seine Finger bekam, war klar auf welche nächstliegende sie aus waren. Genau wie Ben und Co.
War die Säule tatsächlich im Besitz der Volksrepublik China, war der gewaltige Staats-, Militär- und Sicherheitsapparat des Landes gewarnt. Sie würden ihnen alles in den Weg stellen, nichts unversucht lassen, dass die Säule da blieb, wo sie war.
Nämlich in ihren Händen.
Ganz zu schweigen davon, dass niemand mit ziemlicher Sicherheit sagen konnte, wo die chinesische Säule der Götter aufbewahrt wurde. Wenn es einer wusste, ob nun Sie, die Schreiber-Gruppe oder die Franzosen, keine der anderen Parteien konnte solange warten, bis die Wissenden zu zuschlugen, um sich die Säule zuholen. Dann wäre es bereits zu spät.
Man benötigte demnach jeden erdenklichen Vorteil, egal wie gering er erschien.
Darum flogen Ben und Co inkognito per regulärem Linienflug der israelischen Fluglinie El’Al nach Sydney, um sich genau diesen Vorteil zusichern.

***

Das New South Wales Ozeaneum hatte seinen Sitz in der australischen Metropole Sydney, die Hauptstadt des Bundesstaates New South Wales. Es gehörte zum Australia Institute of Oceanography, war eins der wichtigsten Maritimen Museen und Ozeanografischen Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet. Am Institut für Ozeanografie konnte man, dank der integrierten Hochschule, unterschiedliche Kurse in den maritimen Fachbereichen belegen.
Eine der knapp 800 Studenten war Keiko Takahashi. Ihr Familienname kam nicht von irgendwo. Masahito Takahashi hieß ihr Vater. Der 61-jährige Mann war auch der Kaiser von Japan. Sie war demzufolge eine Prinzessin. Ihr Bruder, Shinj Takahashi war der Erstgeborene und somit automatisch Thronerbe. Selbst wenn nicht, nur männliche Nachkommen wurden, Thronerben.
Für ein Hauptfach hatte sich Keiko noch nicht entschieden.
Das Sie überhaupt studieren konnte verdankte sie dem Widerstand ihres Vaters gegenüber dem kaiserlichen Hofamt, welches für alle Belange des Kaiserhauses zuständig war. Ihr Vater hatte sich nicht zum ersten Mal mit dem Hofamt auseinandersetzen müssen. Es fing mit der Hochzeit einer Bürgerlichen an, ging über die Darstellung in der Öffentlichkeit, bis hin zur Erziehung der Kinder und dergleichen.
Wahrscheinlich war ihr Vater wegen den Duellen mit dem antiquiert eingestellten Hofamt so beliebt beim Volk. Hinzu war er stets Volksnah, mischte sich in politische Reizthemen ein und ließ sich von niemanden den Mund verbieten. Das Volk, so ihr Vater, hatte ein Anrecht auf einen bürgernahen Kaiser. Was das Hofamt natürlich bei unzähligen Auseinandersetzungen anders sah. Auch wenn er ein offener Mann war, so war er auch Traditionsbewusst.
Er hatte ihr zu keinem Zeitpunkt Steine in den Weg gelegt, als Sie ihm erzählte, dass sie sich am Institut für Ozeanografie in Sydney bewerben wolle. Keiko wollte außerhalb von Japan studieren, ohne durch ihren Titel oder Namen bevorzugt zu werden. Nur die Wenigsten hier wussten, dass Sie die Tochter des Kaisers von Japan war. Trotz der ständigen Leibwächter, ohne die Keiko keinen Schritt machen konnte. Ganz frei und losgelöst war sie also nicht. Sie hatte gelernt sich damit zu arrangieren.
Mehr oder weniger.
Außerhalb des Schullebens erschwerten es ihre Schatten ihr jemanden kennenzulernen. Die Leibwächter konnten einen ganz schön einschüchtern. Was als Abschreckung fungierte. Durchaus mit Erfolg, wie Keiko manches Mal feststellen musste, wenn Sie mit Freundinnen unterwegs war.
Das Leben in Australien gefiel der japanischen Prinzessin. Auch weil Sie nicht allzu weit von Zuhause weg war, wenn das Heimweh unerträglich wurde. Gut, der Flug dauerte gute 9 Stunden, aber besser als an die 20 Stunden Flugzeit von Europa oder Nordamerika.
Inzwischen hatte sich Keiko sehr gut eingelebt. Die Arbeit im Ozeaneum gefiel ihr, ebenso das Studium. Die Ozeane und Meere waren eine aufregende, sich ständig verändernde Welt, die kaum erforscht war. Schon als Kind liebte sie es zu schwimmen und zu tauchen. Daran hatte sich bis heute nichts geändert. Diesbezüglich hatte Australien einiges zu bieten.
Eine Ihrer Aktivitäten war es in der Schulmannschaft im Feldhockey zu spielen. Feldhockey war eine äußerst beliebte Sportart in Australien. Keiko spielte die Position Rechtsaußen.
Doch durch eine Knöchelverletzung musste sie aussetzen. Darum saß sie auf der Tribüne, feuerte ihre Mannschaft enthusiastisch an.
Ihre Leibwächter standen bei den Treppenaufgängen des Zuschauerblocks, wo Sie saß. Dazu kam einer auf dem Stadiongang, über den man die Tribünenblocks erreichte. An den beidseitigen Zugangspunkten des Stadiongangs standen auch noch mal je ein Leibwächter.
Worum sich Keiko jedoch nicht kümmerte.
Viel eher um das Spielgeschehen auf dem Feld. Ihre Mannschaft lag ein Tor zurück. Sie hatten gute Möglichkeiten zum Ausgleich gehabt. Das Spiel war reich an Torszenen. Auf beiden Seiten.
Der Platz neben ihr war frei, weil ihre Mitbewohnerin nicht mitkommen konnte.
Jemand setzte sich auf den leeren Platz.
Was Keiko aus dem Augenwinkel wahrnahm.
Ihr war es egal. Ihre Freundin kam nicht mehr. Wieso also den Platz verschwenden, wenn jemand einen Platz brauchte. Ein Raunen ging durchs Stadion als ihre Mannschaftskameradinnen eine weitere Großchance ungenutzt ließen.
Keiko setzte sich. Die Zuversicht auf das Tor blieb. Auch wenn es momentan wie verhext schien.
„Popkorn?“
Ihr Sitznachbar hielt ihr den Pappbecher mit Popkorn hin.
Er trug das Blaugelbe Trikot der Schule. Sein Gesicht hatte er ebenfalls in den Farben geschminkt. Hinzu befand sich ein Schulschal um sein Handgelenk. Ein derartiger Aufzug war ihr nicht fremd.
„Schade, das dein Knöcheln verstaucht ist.“, plauderte der Mann einfach. Als würde man sich kennen. „Hätte dich gerne spielen sehen.“ Dann schaute er sie an, zwinkerte ihr zu. „Willst du wirklich kein Popkorn?“

***

Keiko konnte es nicht glauben. Weswegen Sie ihn wohl auch anstarrte. Bei dem Fan handelte es sich um niemand Geringeres als Benjamin Konrad. Mit einmal fühlte Sie sich unbehaglich, ja beobachtet. Sofort schaute die japanische Prinzessin wieder aufs Spielfeld.
Ein knapper Seitenblick. „Was machst du hier?“, zischte Sie besorgt. Nicht, dass Sie sich nicht freute, ihn zusehen, das tat sie in der Tat. Ganz anders ihre Leibwächter. Seit einigen Tagen waren die hypersensibel, hochgradig nervös und schnell bei der Stange, sobald sie irgendetwas für eine Gefahr hielten.
„Mir das Spiel ansehen.“ Eine Schiedsrichterentscheidung wurde von Pfiffen begleitet. „Dein Team spielt gut.“, urteilte Ben und aß Popkorn, als würde er zur Fan-Meute gehören, wie jeder andere im Stadion. „Bloß das Tor treffen sie nicht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wirklich kein Popkorn?“
Ihre Leibwächter würden sich sofort auf ihn stürzen, sobald Sie wussten, um wen es sich handelte. Was nicht ganz von ungefähr kam. Andererseits sah Keiko in ihm keine Bedrohung für sich. Im Gegenteil, Ben würde Sie beschützen. Sie mochte ihn, weil er sie wie eine normale junge Frau behandelte, obwohl er von Anfang an wusste, wer Keiko Takahashi war. Jemand, der wohl nie ein normales bürgerliches Leben führen konnte oder durfte. Selbst wenn von heute auf morgen die Monarchie in Japan verschwand, würde Keiko immer die Prinzessin von Japan bleiben.
„Wenn Sie erfahren, wer du bist, dann…“
Ben sprang von seinem Platz auf, wedelte mit dem Schalarm und grölte mit der Menge, als das Ausgleichstor nach einer Strafecke fiel. Jubel brach unter den Zuschauern aus.
Keiko war konsterniert, fing sich jedoch und jubelte verhalten mit. Je länger dieses Treffen ging, umso nervöser wurde sie. Sich normal zu verhalten fiel ihr immer schwerer. Jedes Abnormales Verhalten würden die Leibwächter zum Anlass nehmen um ihren Posten zu verlassen um zu gucken was los war.
Über die Anwesenheit der Leibwächter schien sich Ben jedenfalls keine allzu großen Sorgen zu machen. Er verhielt sich wie ein eingefleischter Fan. „Ich brauche deine Hilfe.“, äußerte er als der Torjubel abgeebnet war.
Dass das kein Freundschaftsbesuch war, war ihr klar gewesen. „Wobei?“
„Ich muss mich mit deinem Vater treffen.“
Ihr fuhr der Schreck in die Glieder. Sie glotzte ihn unverhohlen an. Keiko musste sich verhört haben. Das konnte unmöglich sein Ernst sein.
„Es ist überaus dringend.“
„Wieso?“
„Er wird es wissen.“ Ben schob ihr einen Zettel zu.
Erneuter Torjubel brach aus. Infolge dessen er seinen Platz verließ, die Treppe hinauf ging, vorbei an den wachsamen Leibwächtern und Richtung Toiletten ging.
Für den Rest des Spiels blieb der Platz neben ihr frei.

***

Masahito Takahashi landete samt Gefolge auf dem Flughafen von Sydney. Inoffiziell ohne vorherige Ankündigung bei offizieller australischer Stelle. Daher wurde dem Kaiser von Japan auch kein Staatsempfang bereitet, als das Flugzeug der japanischen Luftwaffe landete.
Er wollte lediglich seine Tochter besuchen.
Wovon in den japanischen Medien kein einziges Wort zuhören oder zu lesen war.
Trotz alle dem schien Benjamin Konrad im Vorfeld gewusst zu haben, dass der Kaiser nach Sydney kam. Ansonsten hätte er sich kaum die Mühe gemacht Keiko mit einzuspannen, um sich mit ihrem Vater zutreffen.
Besonders überrascht darüber war Masahito nicht. Auch nicht über den Umstand das Ben Keiko unter den Augen der Leibwächter aufsuchte, ohne das Sie es merkten. Was die Männer der kaiserlichen Leibgarde in ein schlechtes Licht rückten. Für ihn stand außer Frage das er ihr möglicherweise Schaden wollte. Die Tatsache blieb dennoch bestehen, das er erst gar nicht in ihre Nähe hätte kommen dürfen. Er machte den Leibwächtern trotz allem keine Vorwürfe.
Nach dem Treffen mit seiner Tochter, ließ er alles für ein Treffen arrangieren. Der Grund weshalb Benjamin Konrad, ein ehemaliger Söldner der Bruderschaft, das Treffen wünschte war ihm bewusst. Die Geschehnisse rund um die Säulen der Götter blieben ihnen nicht verborgen.
Das Treffen mit Ben und Co fand im japanischen Konsulat statt. Wo sich Kaiser Takahashi für den Zeitraum seines Besuchs kurzerhand einquartierte. Für diesen Zweck gab es ja die Gästezimmer. Durch seinen Aufenthalt im Konsulat traf die kaiserliche Leibgarde alle erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen.
Bei Ben’s Ankunft wurde er ausgiebig und mehrmals Abgetastet und durchsucht. Kaum hatte der Mann einen Fuß auf das Konsulatsgeländes gemacht wurde er mit Argusaugen beobachtet und auf Schritt und Tritt von Leibwächtern begleitet.
Zusammen kamen Sie in der Bibliothek des Konsulats.
„Kaiser Takahashi.“, sagte Ben und verneigte sich respektvoll vor dem Kaiser Japans, als er diesem gegenüberstand.
„Mr Konrad.“, grüßte Masahito ihn nicht minder respektvoll.
Ben richtete sich wieder auf, nachdem ihn der Kaiser angesprochen hatte.
Mit einem Blick schickte der Mann die Leibwächter weg. Sie verschwanden ohne jedes zögern und kommentarlos, schlossen die Doppeltür hinter sich.
Somit waren der Kaiser und Ben alleine.
Unter 4-Augen.
„Sie haben meiner Tochter einen Schrecken eingejagt.“, eröffnete der Japaner mit ausdrucksloser Maske und emotionsloser Stimme. Scheinbar vollkommen gleichgültig, was keineswegs der Tatsachen entsprach.
„Dafür entschuldige ich mich.“, sagte Ben gleich. „Das war nicht meine Absicht.“ Ihm war bloß kein anderer Weg eingefallen um sich mit ihm zu treffen.
Masahito nahm die Entschuldigung mit einem knappen Nicken entgegen. Die Aufrichtigkeit seines Gegenübers blieb ihm nicht verborgen. Ebenso wenig wie das Leid das er hatte ertragen müssen. Über den Tod der Mutter der Auserwählten wusste der Kaiser Bescheid, genau wie von den Ereignissen vorher und nachher.
Schweigen setzte ein.
Was darauf folgte konnte ihnen ein Vorteil verschaffen. Wie groß, würde sich zeigen. Der Zeitfaktor bestimmte die Größe. „Ich brauche ihre Hilfe.“ Für Spielchen und Schmeicheleien fehlte die Zeit. Zumindest seiner Ansicht nach.
Man konnte glatt meinen über die starre, ausdruckslose Miene des Kaisers huschte im Bruchteil einer Sekunde ein Schmunzeln. Was man nur eine Highspeed Kamera aufzeichnen konnte. So nahm der Mann seelenruhig einen Schluck von seinem Ingwer-Tee.
„Im 2 Weltkrieg“, sagte Ben. „haben Sie in China nach der Säule der Götter gesucht.“ Eine Feststellung die auf keinerlei Fakten oder Beweisen beruhte. Dennoch war er überzeugt das dem so war. Manches was in den Geschichtsbüchern stand, war mehr Schein als Sein.
Sie lieferten sich einen Wettlauf mit Leuten die keinerlei Skrupel kannten. Sein Bruder mitsamt den Franzosen und die Schreiber-Gruppe würden alles nötige tun um die chinesische Säule in ihre Finger zu bekommen.
Masahito setzte die Tasse ab.
Bis heute ignorierte Japan die Vergangenheit und Verantwortung jener Zeit. Einige sahen sich sogar nicht als Aggressor sondern als Opfer. Eine verdrehte und verkehrte Sichtweise, die der Kaiser keineswegs teilte. Jedenfalls im stillen Kämmerlein. „Ja.“ Der Hofgroßmeister vom kaiserlichen Hofamt würde einen Schlaganfall und Herzstillstand erleiden, sollte er je von diesem Zugeständnis des Kaisers erwahren. „Wir haben Sie jedoch nicht gefunden.“
Demnach musste sich die Säule noch in China befinden.
Eins der größten Länder der Erde.
Die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.
Sie zeitnah zu finden, schien kaum vorstellbar.

***

Die Qing-Dynastie wurde 1644 nach der Ming-Dynastie gegründet und endete 1911, wodurch es 1912 zur Gründung der Republik China kam, die 1949 endete und im chinesischen Bürgerkrieg mündete. Welcher nach Ende des Zweiten Weltkriegs fortgesetzt wurde, von den Kommunisten gewonnen und zur Schaffung der heutigen Volksrepublik China führte. Während die Kuomintang (Chinesische Nationalpartei) 1949 nach Taiwan flohen, wo Sie die Republik China fortsetzten.
Pǔ Yí war der letzte Kaiser Chinas, der als zweijähriger von der Kaiserwitwe Cixi eingesetzt wurde. Sie war Nebenfrau des Kaisers Xianfeng, hatte mit ihm einen Sohn, der als Minderjähriger auf den Drachenthron kam.
1912 zwang man ihn zur Abdankung behielt Titel und Würden eines Kaisers, wodurch er im Kaiserpalast in der Verbotenen Stadt bleiben durfte. Er musste 1924 den Palast verlassen, floh in die von Japan besetzte Hafenstadt Tianjin, wo Pǔ Yí 7 Jahre verbrachte. Bis er mit Ende des Zweiten Weltkriegs in sowjetische Gefangenschaft geriet. Wo der letzte Kaiser 1950 an die Volksrepublik China überstellt wurde. Er war bis zu seiner Begnadigung 1959 in Haft. Ab da führte Pǔ Yí ein einfaches Leben arbeitete als Gärtner und später wurde er Archivar an einem Universitätsinstitut für Geschichte, bis er 1967 an Nierenkrebs starb.
Durch seine Begnadigung suchte er bis zu seinem Tod nach der Säule.
Truppen der Kuomintang plünderten 1928 das Grab der Kaiserwitwe Cixi. Die gestohlenen Juwelen und Perlen wurden Song Meiling, der Frau des Staatsführers der Republik China, Chiang Kai-shek, als Trophäe überreicht. Der wahre Grund für die Plünderung war die Vermutung, ja Hoffnung, der Kuomintang das sich im Grab der Kaiserwitwe die Säule der Götter befand, da man Sie für die letzte Besitzerin hielt.
Auch eine japanische Expeditionsgruppe konnte im Dingdongling-Mausoleum, was von ihr erbaut wurde und wo man die Kaiserwitwe bestattete, keine Spuren oder Hinweise auf die Säule finden. Zur Expeditionsgruppe gehörte auch Pǔ Yí, als Berater.
Im Notizbuch von Professor Stein fand sich auf einer Seite zwischen allerhand zusammenhangloser Notizen der Name der Kaiserwitwe. Er hatte ihn umkreist. Ebenfalls auf der Seite fand man das Dingdongling-Mausoleum, die Östlichen Qing-Gräber sowie Pǔ Yí Namen. Was man nicht fand waren Hinweise, jedweder Art zu der chinesischen Säule oder deren Aufenthaltsort.
Nicht ganz.
Man musste nur wissen, worauf man achten musste.

***

Bei seinen Bemühungen mehr über den Aufenthaltsort der Säule herauszufinden überlas Ben genau diesen Punkt mehrmals. Eins ums andere Mal lag es mitten vor ihm, doch er konnte sich keinen Reim drauf machen, weil der Zusammenhang fehlte. Wohl auch weil der Druck die chinesische Säule vor seinem Bruder und der Schreiber-Gruppe zu finden stieg, je mehr Zeit verging. Sein Bruder hatte den Vorteil, dass er sich bereits vorher ausgiebig mit den Säulen der Götter beschäftigte.
Ihnen lief die Zeit davon, rann ihnen praktisch unaufhaltsam durch die Finger. Erschöpft, Müde und verzweifelt lehnte Ben sich zurück, streckte seinen Körper, erhob sich und schlurfte zur Ganzglasbalkontür, schaute auf das abendliche Sydney, blickte zu den Sternen.
Es war zum Verzweifeln.
Ohne den entscheidenden Tipp oder flüchtigen Hinweis hatten Sie keine Chance die Säule vor ihren Konkurrenten zu finden. Am wahrscheinlichsten war, das Sie zu spät kamen. Sobald die Säule einen neuen Besitzer hatte, ob nun sein Bruder mitsamt den Franzosen oder die Schreiber-Gruppe war erstmal nebensächlich, würden Sie versuchen auf Teufel komm raus an die übrigen Säulen zu gelangen. Was Ben und Co zwangsläufig zur Zielscheibe machte.
Sofern er die chinesische Säule fand, würde sich daran natürlich nichts verändern, sondern eher verschärfen, da Sie dann 4 Säulen besaßen. Eine blutige und langwierige Auseinandersetzung wäre die Folge. Denn Sie waren nicht bereit die Säulen einfach herzugeben. Ansonsten hätte man sie auch über eBay anbieten können.
Wie sollte es weitergehen?
Ben schaute über seine Schulter.
Auf dem Sofa schlief zugedeckt Amanda zusammen mit dem Jack Russell Terrier Jonas. Wie Pech und Schwefel. Der Hund spendete dem Mädchen Trost, wich ihr nicht von der Seite. Er würde Sie beschützen. Komme, was da wolle. Genau wie Ben. In Zeiten wie diesen vermisste er den menschlichen Namensgeber des Jack-Russel-Terriers. Jonas stand ihm immer mit Rat und Tat beiseite.
Obwohl er jetzt mit Alice, Leonie, Sarah, Ali und Prince in der Gruppe agierte, fühlte er sich mehr den je alleine und hilflos. Sie hatten sich alle Mühe gegeben eine Spur zu finden. Kaiser Takahashi ließ ihnen in Person von Satō Hokkaidō alle erdenkliche Hilfe zu kommen. Er gehörte zur persönlichen Leibgarde des Kaisers und besaß sein vollstes Vertrauen.
Augenblick!!
Irgendwo in seinem Hinterstübchen hatte sich etwas geregt, als er an den engen Vertrauten des japanischen Kaisers dachte. Was nichts mit der Person zu tun hatte, sondern an seiner Stellung innerhalb des persönlichen kaiserlichen Zirkels.
Er nahm das Notizbuch, blätterte darin rum.
Eine Kritzelei erlangte seine Aufmerksamkeit.
Manches Mal war die Handschrift des verstorbenen Professors echt eine Katastrophe, dass es eines Schriftexperten bedurfte um herauszufinden, was sich der Prof notierte.
Hierbei handelte sich um chinesische Schriftzeichen:

愛新覺羅一心

Ben scannte die Seite ein, hob die Schriftzeichen hervor, verlinkte Sie mit einer Übersetzungsmatrix und ließ sie übersetzen. Heraus kam:

Àixīnjuéluó Yìxīn

Er ging die Unterlagen durch, die sie selbst zusammenstellten, teils vom Kaiser über Satō zur Verfügung gestellt bekamen. Irgendwo hatte Ben den Namen gelesen. Seite für Seite ging er voller Spannung durch, suchte angespannt die Spalte, Zeile, Passage, von der er glaubte, sie könne die Nadel im Heuhaufen sein, nach der sie suchten.
Je mehr Seiten er abarbeitete, umso näher kam Ben dem Ende. Ohne gefunden zu haben, wonach er suchte. Ganz egal wie lange es dauerte, wie oft er die Seiten durchsehen musste, er würde es finden. Er wusste das da etwas war. Bloß was? Es konnte alles oder nichts sein.
Schriftstück für Schriftstück.
Wie ein Besessener.
Ben tat es nicht seinetwegen. Für ihn hätte es ausgereicht sein Leben im sonnigen Kenia mit Leonie zu verbringen, ohne all das. Er hatte seinen Frieden, ja Ausgleich gefunden, als Ben mit Leonie und Amanda vor einem Jahr die Welt rettete. War ihm damals schon klar gewesen, dass das nicht das Ende war!?
Wahrscheinlich.
Weswegen er sich tief im Inneren Vorwürfe machte. Dieses Mal wollte er es richtig machen. Zu Ende bringen. Auch wenn das seinen Tod bedeutete. Amanda hatte ein Recht darauf Kind zu ein und nicht die Auserwählte der Götter.
Ihre Mutter konnte er nicht beschützen.
Sie hingegen schon, egal was es kostete.
Seine Entschlossenheit festigte sich, wie Kohlenstoffpartikel die unter hohem Druck zu Diamanten zusammengepresst wurden.
Verdammt!!
Es muss hier doch irgendwo stehen.
Augenblick!!
Ben ging 5 Seiten zurück, fixierte den Text, las ihn Wort für Wort.
Bingo!!
______________________________________________________

Ende, Kapitel 09
© by Alexander Döbber
 
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