Die beiden Erzfeinde stehen sich wieder einmal auf dem Schlachtfeld gegenüber. Die deutsche Angriffswelle rollt über die linke Flanke, aber die Franzmänner können den Sturm der tapferen Deutschen zunächst abwehren. Ganz so einfach wie beim Einmarsch 1941 wollen es die Gallier den Germanen diesmal nicht machen. Aber wie lange will der Feind dieser unbeugsamen deutschen Angriffsmaschine Widerstand entgegensetzen? „Mann gegen Mann!“ hatte der General befohlen. „Zahn um Zahn! Dem Feind keinen Zentimeter Raum lassen!“
Noch rücken die tapferen deutschen Mannen nicht in den französischen Raum nach. Ist das Taktik der deutschen Führung? Will man den Gegner in Sicherheit wiegen, ihm quasi ein trojanisches Pferd anbieten, um dann mit einem Blitzkriegskonter den Feind zu überrollen? Genügt dazu die deutsche Infanterie, oder müssen wir erst, wie Minister Steinbrück vorschlug, die Kavallerie schicken, um den Gegner wie Indianer vor uns herzutreiben?
Werden die Deutschen nach der Schmach von Verdun und Dünkirchen diesmal als strahlende Sieger zu ihren Familien nach Hause zurückkehren? Müssen gar die Geschichtsbücher neu geschrieben werden?
Mit einem hinterlistigen Konter stürmt der Feind die deutschen Bastionen. Gefährlich hat sich die französische Sturmspitze vor den deutschen Verteidigungslinien positioniert und versucht sich festzusetzen wie blutrünstige Zecken.
Unübersichtliches Kampfgetümmel. Deutsche Verteidiger fallen, es fließt Blut! Sanitäter müssten eigentlich kommen, doch die Kampfhandlungen werden nicht unterbrochen; gierig dreschen die Franzosen weiter auf unsere Jungs ein. Die Volksseele brodelt.
Aber Deutschland lässt sich nicht unterkriegen.
Geschickt kommt unser Befreiungsschlag: Michael Ballack nutzt eine Lücke im Mittelfeld, schießt die Kugel passgenau zu Lahm, der täuscht Riberie mit einem Schlenker, wie einst General Paulus die Engländer in Afrika, dribbelt wie ein Windhund um zwei weitere Franzosen, steht jetzt frei im feindlichen Sechszehnmeterraum und – schießt!
Toor! Toor für Deutschland!
In letzter Sekunde! Deutschland ist Weltmeister!
Der Kampf ist zu Ende, wir sind die Größten!
Angela Merkel hüpft wie eine Kasperpuppe gestikulierend durch die VIP-Lounge und springt dem verdutzten Sarkozy an den Hals, der für einen Moment sogar Carla Bruni vergisst und stattdessen mit Tränen in den Augen Frank Ribery tröstend in die Arme schließt und erhaben De Gaulles berühmte Worte wiederholt: „Nous avons perdue une bataille, mais pas la guerre!“.
Und nun haben wir den Macher dieses deutschen Erfolges, Generalfeldmarschall Jogi von Löwenherz, am Mikrofon. Bescheiden steht der Held zwischen dem Minister für Volksbelustigung, Johannes B. Kerner und dem FIFA-Frühstücksdirektor, einem gewissen Günther Netzer.
„Herr General!“ fragen wir den Befehlshaber der deutschen Armada, „Worauf führen Sie diesen Sieg zurück?“ Löwenherz setzt sein bescheidenes Lächeln auf, räuspert sich und spricht: „Nun, unsere Truppen haben eins zu eins meine Vorgaben umgesetzt: Disziplin, Fleiß, Kampfgeist und Befehlsgehorsam, diese typisch deutsche Geisteshaltung ist die Grundlage unseres Erfolges!“
Nun schwenkt die Kamera zur Ehrentribühne und zeigt den deutschen Kaiser in Großaufnahme. Neben ihm steht Waldemar Hartmann, im Volksmund auch „Hefeweizen-Waldi“ genannt, der fragt den Kaiser: „Was belieben Durchlaucht über diesen Sieg zu sagen? Ist unser Vaterland zu Recht Beherrscher der Fußballwelt?“
Beckenbauer kratzt sich bedächtig am Hals, um die Werbewirkung der drei schrägen Adidas-Balken auf seinem Hemdkragen zu verstärken und sagt: „Schaun mer moal!“
Und mit diesen historisch denkwürdigen Worten beenden wir unsere Reportage und ich gebe zurück ins Studio …