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5 Seiten

Preis der Lust/Kapitel 4

Romane/Serien · Erotisches
© rosmarin
4. Kapitel
____________
Die Wochen vergingen. Gigan wurde immer besitzergreifender, immer fordernder. Zappi immer unausstehlicher. Ich hatte nur noch einen Wunsch - weg. Einfach weg. Ich war gespalten. War nicht mehr ich. Mein Ganzes fehlte. Eine Hälfte zog es zu Gigan, die andere zu Zappi. Mein Ich zu keinem. Also musste es einen dritten Weg geben. Ich musste ein neues Leben beginnen. Ein Leben mit mir. Da mein Vertrag am BAT sowieso abgelaufen war und ich mich um keinen neuen gekümmert hatte, bewarb ich mich bei der Künstleragentur am Ku’damm.
„Am Stadttheater in D. wird ganz dringend eine Souffleuse gesucht”, sagte die Bearbeiterin, „trauen Sie sich das zu?”

Und ob ich mir das zutraute. In meiner Situation hätte ich nach jedem Strohhalm gegriffen. Hauptsache er war weit genug weg von Berlin.

*

Die Fahrt mit dem Intercity dauerte sechs Stunden. Ich hatte wegen der Eile keine Platzkarte mehr bekommen und musste jedes Mal, wenn der Besitzer des Platzkartenplatzes auftauchte, meinen Sitzplatz wechseln, konnte dann aber doch irgendwann ungestört aus dem Fenster schauen und meinen Gedanken nachhängen. Die Bilder vor meinem inneren Auge wechselten so schnell wie die vorüberfliegende Landschaft.
Immer wieder sah ich die Fesselszene vor mir, wieder packten mich Angst und Entsetzen, wenn ich Gigans eiswasserblaue Augen über mir sah.

Ich war nicht wieder in der fremden Wohnung gewesen. So hatte sich Gigan, wohl nach dem Motto, - wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Propheten gehen -, bei uns eingenistet. Zappi duldete es, machte sich sogar noch lustig über uns, wenn wir zu dritt am Tisch saßen und Kniffel oder Mensch ärgere dich nicht spielten. Ihm war diese Variante lieber als meine vorherige Abwesenheit.
„So habe ich alles unter Kontrolle”, frotzelte er, „eine Affenliebe hält sowieso nicht“, und zu Gigan gewand, „weißt du überhaupt, wie alt meine liebe Frau ist? „Wie dickköpfig und eigensinnig sie sein kann?”
„Ich weiß”, erwiderte Gigan stoisch, „und ich liebe sie so wie sie ist.”
„Wie schön für uns”, lachte Zappi sarkastisch und würfelte eine sechs.
Einmal, Zappi war zum Kegeln, saß ich mit Gigan Auge in Auge, ohne uns zu berühren, am Tisch. Wer hielt es länger aus? Ein Spiel, das wir oft spielten. Gigan sprach, wie meistens, zuerst:
„Du bist etwas ganz Besonderes für mich”, sagte er zärtlich, du gibst meinem Leben Sinn. Mit dir und durch dich schaffe ich alles. Du verleihst meiner Seele Flügel. Meinem Körper Kraft und Ausdauer.” In seinen Augen funkelte der kalte Glanz, seine Hände rutschten unter meinen Rock, entfachten sofort das wilde Feuer. „Schau diese Rose“, Gigan zeigte auf die Rose von ihm in der hohen Vase, „wie sie ihren Duft verschenkt, obwohl sie gebrochen und dem Tode geweiht ist, so duftest auch du, meine wilde Blume und betörst mich mit deinem Duft.”
„Lass das Gigan“, wehrte ich mich schwach, als er weiter vordringen wollte, „hier geht es nicht. Es geht überhaupt nie wieder. Du bist zu weit gegangen.”

Ich hatte ihm natürlich nichts von meinen Plänen verraten. Zappi übrigens auch nicht. Ich wollte einfach verschwinden, mich dann telefonisch bei Zappi melden.
Plötzlich fiel Gigan wieder zu meinen Füßen wie in kitschigen Romanen und beschwor mich, ihn nicht zu verlassen.
„Steh auf”, sagte ich wütend, immer dieses Theater. „Ich verlass dich doch nicht, wie könnte ich”, log ich.
Gigan stand auf. „Es würde dir auch nichts nützen”, sagte er kalt, „ich finde dich überall.”

Ich dachte daran, wie sehr ich ihn vermissen würde, ihn und seine Geschenke, die ich als zärtliche Liebesbeweise freudig akzeptierte. Die tägliche rote Rose ohne Dornen, die Puppe Trotteline, das kleine rosa Rüschenkissen und vieles andere. Bestimmt würde ich diese kleinen Aufmerksamkeiten vermissen. Und ganz besonders seine Art zu lieben, die tief unter meine Haut gezeichnet war.
Versonnen drehte ich den schmalen Goldring mit dem Zirkonia, auch ein Geschenk von ihm, an meinem kleinen Finger.
„Ich werde meinen Meister machen”, hatte Gigan plötzlich, nachdem er sich wieder gesetzt hatte, gesagt, „mich auf der Handelsschule anmelden und mich selbständig machen.”
„So?”
„Du sollst stolz auf mich sein. Wir könnten in unserem Haus wohnen. Oder in dem Haus meines Bruders. Dort könnte ich die obere Etage für uns ausbauen. Ich wollte mir dort sowieso ein Atelier einrichten, weil es dort viel heller ist als im Haus meiner Eltern. Wir hätten ein wunderschönes Zuhause.”
„Mein Zuhause ist hier”, hatte ich trocken erwidert. Wie kam dieser Mensch dazu, meine Zukunft zu verplanen?
„Außerdem gibt es noch das Grundstück meiner Oma”, sprach Gigan unbeirrt weiter, „allerdings sind da die Besitzverhältnisse nicht ganz geklärt, weil zwei Schwestern meiner Mutter auch Anspruch angemeldet haben, obwohl meine Oma es mir vererbt hat.”
„Was wollen denn die Schwestern?”
„Geld natürlich. Sie wohnen in Westberlin und haben sich nie um uns gekümmert. Und jetzt kommen sie an.”
„Erbe ist Erbe”, hatte ich leichthin gesagt. Was interessierte mich das Grundstück von Gigans Oma. Ich würde es sowieso nie sehen.
„Erbe ist Erbe.” Gigan hatte sein unbekümmertes Lachen gelacht.

*

„Stimmt was nicht?”, fragte der junge Mann, der mir gegenüber saß.
„Doch, wieso? Meinen Sie mich?”
„Ist hier noch jemand außer uns?”
„Ich sehe niemanden.”
„Sie redeten so vor sich hin und lachten.” Der junge Mann versteckte sich wieder hinter seiner Zeitung.

Wie peinlich. Ich drehte weiter den Ring, sah plötzlich wieder Gigans eiswasserblaue Augen über mir und erschauerte. Ich würde ihn wohl nie loswerden. Nie. Verflixter Kerl!
Zu vierzehn Uhr war die Leseprobe angesetzt. Pünktlich zwölf Uhr fuhr der Zug in D. ein.
Ich nahm meine Reisetasche aus dem Gepäcknetz, nickte dem jungen Mann kurz zu, stieg aus dem Zug.
Mein neues Leben konnte beginnen.

*
Ich wohnte in Weiterstadt bei Annette. Allerdings nur bis Ende September, bis dahin musste sie ihre Wohnung aufgelöst haben. Sie wollte in Paris ein neues Leben beginnen, weil ihr Mann sie vor Kurzem verlassen hatte. Jetzt hielt sie sich vorerst mit Klavierstunden über Wasser.
Schon am zweiten Abend saßen wir gemütlich in ihrer kleinen Küche bei einer Flasche Wein und erzählten und erzählten bis spät in die Nacht und machten uns über unsere Verflossenen lustig.

*

Annettes Wohnung war ganz in Weiß gehalten. Überall standen und hingen bunte Lichterketten herum. Sogar im Bad. Dort lebte Karlchen in einem Glaskäfig. Karlchen war eine Schlange und Annette liebte sie sehr.
„Alle paar Tage bekommt er eine weiße Maus zu fressen”, sagte sie und schaute Karlchen zärtlich an.
„Ich finde das barbarisch”, sagte ich.
Die arme kleine Maus sitzt nichts ahnend auf dem trockenen Ast und wupp, würde sich ihr Karlchen entgegenzüngeln und ihr kleines Mauseleben auslöschen.
Annette sah das locker. „So ist das Leben”, klärte sie mich auf. „Mein Mann hat mich gefressen, Karlchen frisst die Maus.” Sie lachte laut auf, wurde aber sofort wieder traurig. „Ich habe ihn geliebt”, sagte sie leise, „und stell dir vor, er hat jetzt eine, die zehn Jahre älter ist als er.” Nach einer Pause fuhr sie fort: „Allerdings hat sie Geld. Und ich habe nur mich.”
„Bestimmt findest du bald einen Freund”, versuchte ich, sie zu trösten, „so hübsch, wie du aussiehst.“
„Ich habe ja einen, den Freund meines Mannes, auch einen Starfotografen, er hat mir über die schwerste Zeit hinweggeholfen.“ Annette wischte schnell über ihre Augen. „Aber es ist keine Liebe”, sagte sie beherrscht.
Sie hatte sich wieder im Griff, streifte ihre Sportsachen über ihre tolle Figur und ging joggen.

*

Jeden Morgen acht Uhr zwölf fuhr ich mit dem Bus nach D., stieg dann um in den Bus nach Griepsheim. Dort befand sich in der Gaststätte Zum grünen Laub die Probebühne. Die Räume waren eiskalt und staubig. Ich saß auf einem harten Holzstuhl und redete und redete. Ich soufflierte. Und das war harte Arbeit. Eine Arbeit, die höchste Konzentration verlangte, um im Text zu bleiben und gleichzeitig die Schauspieler im Auge zu behalten und alles, was auf der Bühne vor sich ging. Ich war sozusagen der psychische Halt der Schauspieler.
Proben und Pausen wechselten sich ab. Vier Stunden Probe. Vier Stunden Pause.
In den Pausen erholte ich mich in dem kleinen Park neben der Gaststätte. Meistens saß ich auf einer Bank vor einem Schwanenteich in der Mitte des Parks und las.

*

Die Sonne schien noch herbstlich warm. Es war ein wunderschöner Monat September. Mein Geburtstag rückte näher. Zappi würde bestimmt anrufen. Er vermisste mich, akzeptierte aber meinen Entschluss. Mein Vertrag war auf ein Jahr befristet. Dieses Jahr würde ich brauchen, um wieder zu mir selbst zu finden. Ich fühlte mich schon jetzt langsam wieder zum Ich werden. Klar dachte ich noch manchmal an Gigan, besonders am Abend, wenn ich im Bett lag. Doch allmählich verblasste sein Bild und das Erlebnis mit ihm mehr und mehr. Und je mehr es verblasste, desto lockerer und beschwingter fühlte ich mich.

Zu den Kollegen hielt ich eine bewusst freundliche Distanz, nachdem einige mich in einen berüchtigten Club eingeladen hatten. Mit Drogen wollte ich nichts zu tun haben. Ich glaubte mich zu erinnern, dass Gigan auch Drogen genommen und er sie mir ebenfalls in den Wein getan hatte. Jedenfalls kam mir ab und zu so eine verschwommene bruchstückartige Erinnerung. Damals ahnte ich natürlich nichts davon. Jetzt allerdings war ich fast sicher, denn das Bild, in dem er ein weißes Pulver in unsere Gläser schüttete und mich dabei kalt anstarrte, wurde immer deutlicher. Ich wunderte mich nur, warum ich damals nichts gesagt hatte. Allmählich wurde es mir zur Gewissheit. Wie sonst hätten diese sexuellen Ausschweifungen zustande kommen können? Gigan war ja zur reinsten Fickmaschine mutiert, was sonst überhaupt nicht seine Art war. Wer weiß, in welchen Kreisen er verkehrte. Na, ich war ihn los, und das war gut so.
*
Mein Geburtstag war ein strahlender Herbsttag. Der Himmel wolkenlos und blau. In den Vorgärten blühten noch die Rosen, verströmten ihren betörend herbsüßlichen Duft. Orange leuchteten die Sanddornhecken. Spinnwebenüberzogen schimmerten, noch feucht vom Tau des Morgens, die Koniferen im Licht der kalten Frühsonne.
Leicht und beschwingt schritt ich dahin in meinem kurzen in den Farben des Herbstes leuchtenden Kleid und dem dazu passenden Mantel. Mein Geburtstagsgeschenk.

Ich stand vor verschlossener Tür, die Kollegen kamen immer erst so zehn Uhr. Also waren noch fünf Minuten Warten angesagt.
Plötzlich überkam mich eine nervöse Unruhe, die ich mir nicht erklären konnte. Mein Herz schlug einige Takte schneller. Ich zitterte am ganzen Leibe. Dann ein Gedanke.
Gigan! Er ist hier!

***



Fortsetzung folgt
 
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Kommentare  

@- else, danke fürs kommentieren, ja, das sich nicht entscheiden können oder wollen ist wirklich schlimm. wir werden ja sehen, wohin dies führt.
gruß von


rosmarin (07.01.2013)

Lebensecht. Es ist schlimm, sich nicht zwischen zwei Männern entscheiden zu können. Das kann ich sehr nachvollziehen. Hier ist der eine vernünftig und ruhig, aber wohl ZU vernünftig, der andere aber ZU wild und unausgeglichen. Schön, dass deine Protagonistin erst einmal Ruhe finden konnte, aber mir scheint so leicht gibt Gigan nicht auf. Sehr spannend.

Else08 (06.01.2013)

hallo sabine, danke fürs kommentieren, ja, der kerl hatte ja versprochen, sie überall zu finden, und nun ist es passiert. und bestimmt unterliegt sie wieder seinem charme, trotz aller guten vorsätze, wie das nun mal so ist.
gruß von


rosmarin (05.01.2013)

Wieder eine interessante Fortsetzung, die ich
schon seit einiger Zeit herbeigesehnt hat. Bisher
finde ich die Geschichte rundum spannend und
fesselnd und ich bin weiterhin gespannt, was nun
passiert. Irgendwie kam mir der Verdacht hoch,
dass Gigan eventuell wieder in ihr Leben tritt. Der
Kerl ist unberechenbar und hat sie sicherlich
aufgespürt.
Desweiteren finde ich diesen Cut in Form von der
Umfeldveränderung/ Lebensveränderung in der
Geschichte sehr passend.


Sabine Müller (05.01.2013)

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