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4 Seiten

Stadtroulette, eine kriminelle Satire, Kapitel 1

Romane/Serien · Amüsantes/Satirisches
© Ben Pen
Ich wollte einen Krimi schreiben, wusste aber nicht wie. Außerdem war ich völlig uninspiriert. Also bin ich in die Stadt gefahren, meine alte Schulstadt, um genau zu sein. Den Wagen parkte ich in Bahnhofsnähe. Hier war immer etwas frei. Kam ja nie jemand nach Emstadt.
Das alte Schwimmbad lag gleich gegenüber, eine eben erst renovierte, größere Freizeitanlage, die allerhöchstens Schüler oder ortsansässige Senioren anzog. Seit Jahren schon versuchte Emstadt sich für den Tourismus stark zu machen. Allerdings ohne Erfolg. Nicht einmal die Altstadt lockte Menschen an.
Ich überquerte die Straße, stolperte die Stufen hoch. „Fettsack!“, riefen ein paar Punks, die sich hier zum Trinken trafen. Drinnen herrschte die typische Schwimmbadatmosphäre: Die Böden waren gefliest, gebohnert und es gab Wandmosaike, die genau das waren, was man von ihnen erwartete, nämlich: feuchtfröhliche Darstellungen antiker Badevergnügungen; hie und da: grellorange Spindfassaden.
Was ein würdiger Ausgangspunkt für meine Suche! Jeder, der auch nur im Entferntesten Dreck am Stecken hatte, kam hierher, um sich von seinen Sorgen rein zu waschen. So zumindest in der Theorie …
Dem Eingang gegenüber befand sich ein Fitnessclub. Früher war hier ein Café gewesen, doch die Eigentümer hatten aufgrund nutzungsorientierter Marktforschung umsatteln müssen. Die neuen Nutznießer waren nun hauptsächlich Rentner und Ehefrauen auf dem Sprung zur Menopause, die versuchten, ihre altersschlaffe Oberweite wieder in Form, Bauch, Beine, Po auf Vordermann zu bringen.
Ich ging rein.
Hinter dem Tresen stand eine junge Frau, barbieblond, und lächelte geschäftsmäßig. Das letzte Fünkchen Freundlichkeit, ehrlicher, wahrhaftiger Freundlichkeit, war wahrscheinlich irgendwo während ihres Ringens um Kunden und Café auf der Strecke geblieben. Wenigstens sah sie gut aus. Sie war schlank, durchtrainiert und hatte ein hübsches Gesicht. Sie war genau mein Typ. Schon allein deswegen rang ich mich zu einem Lächeln durch. Eine gefällige Erscheinung und ein nettes Lächeln öffnen dir so manche Tür. Ich hingegen besaß weder das eine, noch das andere, was wahrscheinlich auch der Grund war, warum ich keinen anständigen Job, geschweige denn irgendwo Anschluss gefunden hatte. Ich sah einfach scheiße aus.
Das ist der Vorteil beim Schriftstellersein. Die Leser sehen deine hässliche Fresse nicht. Deshalb bin ich auch kein Schauspieler oder Nachrichtensprecher geworden. Obwohl ich ja Talent habe. Genug für zwei. Weswegen ich ja auch für zwei esse. Das hat natürlich Folgen. Jedenfalls bin ich nicht gerade der Schlankeste. Dafür aber habe ich jede Menge innere Werte.
Hier aber halfen mir meine ach so gelobten inneren Werte herzlich wenig. Ich wusste ja nicht mal, wie ich so ein „äußerst informatives“ Gespräch überhaupt beginnen sollte. Über diesen Teil der Aufgabe hatte ich mir bislang noch keine Gedanken gemacht. Wie brachte ich sie, eine völlig Fremde, dazu, mir, einem völlig Fremden, etwas von sich aus zu erzählen? Wie kam ich überhaupt nah genug an sie heran, bildlich gesprochen?
Ich musste sie erst kennenlernen, ihr Vertrauen gewinnen, es mir verdienen. Ohne es würde ich kein Sterbenswörtchen über Drogen, Heiratsschwindler oder häusliche Gewalt erfahren. Das sind nämlich Dinge, die man nur den engsten und besten Freunden anvertraut, wenn überhaupt.
Als erstes musste ich mich also vorstellen. Dann einen auf Kumpel machen. Verführen war nicht drin, denn, wie gesagt, ich war alles andere als ein Strahlemann und erst recht kein MacGyver, der aber ja sowieso alles kann, nicht einmal die Zeit ist vor ihm sicher, und auch kein James Bond, der mit jeder in die Kiste springt.
„Kann ich was zu trinken haben?“, initiierte ich endlich den traditionellen Austausch lapidarer Plattitüden und fügte noch ein schuldbewusstes, weil verspätetes „Bitte!“ hinzu. Wobei ich natürlich übersah, dass der Laden kein Café, sondern ein Fitnesscenter war.
Sie aber lächelte, trotz meines Fauxpas. Schon schob sie mir ein Wasser rüber. „Oder willst du einen Eiweißshake?“
„Basst scho“, sagte ich. „Vielen Dank auch!“
Sie nickte.
Und ich hatte, wenn auch unbeabsichtigt, das einzig Richtige getan. Ich hatte eine Situation herbeigeführt, in der sie mich hätte abweisen, mir erklären müssen, dass dies ein Sport-Club und kein Trinkertresen war. Stattdessen aber war sie auf mich eingegangen, mehr noch, sie hatte es mit Humor genommen. Besser hätte es nicht laufen können. Sie wiegte sich in Sicherheit, vorerst, und würde mir bedenkenlos auf alle Fragen antworten. Wobei allerdings fraglich bliebe, ob ihre Antworten ernstgemeint oder ebenfalls Teil einer Art lächerlichen Spieles wären …
„Seit wann ist das so?“, erkundigte ich mich, wohlwissend, wann der Laden pleite gegangen war. Allerdings hatte ich keine Lust, doch noch zu einer dieser sogenannten „Schnupperstunden“ eingeladen zu werden, von denen ich wusste, dass ich sie wahrscheinlich nicht überleben würde.
„Seit über einem Jahr“, erwiderte sie.
„Und läuft?“
„Und läuft und läuft und…“ Sie lachte, dann schüttelte sie den Kopf. „Geht so. Emstadt ist nicht Neustadt. Emstadt ist klein. Genauso wie mein Laden.“
„War das dein Traum, der kleine Club?“ Das Du war mir so rausgerutscht.
Barbie sah mich an. „Ich hatte ein Café!“
Ich nickte.
„Wollen Sie nicht doch trainieren? Es täte Ihnen gut!“
Da war sie, die Rache für mein unverschämtes Fragen. Sie lenkte ein, traf mich, wo es wehtat, bei meinem Übergewicht, meinem weichen, nachgiebigen Bauch. Wie ein Tier zuckte ich zurück.
Dann aber riss ich mich zusammen. „Was ist daraus geworden?“
„Hm?“
„Aus dem Café!“, wiederholte ich. „Was ist daraus geworden? Was ist passiert?“
Achselzucken. „Das, was immer passiert, wenn man die Träume vieler träumt und die andren besser sind.“
Ich sagte nichts. Sicher, ich hätte etwas sagen können, ja, sogar etwas sagen wollen, allerdings wusste ich aus eigener Erfahrung, dass Klugscheißen das Schlimmste ist, was du in so einer Situation machen kannst. Und irgendwo hatte sie ja auch recht. Manchmal verliert man, und manchmal gewinnen eben die anderen. Das ist der Lauf der Dinge. Es sind und bleiben Träume. Weil es Träume, weil sie nicht real sind. Weil sie nicht in Erfüllung gehen!
Ich dachte an meinen Roman. Nächtelang war ich wachgelegen, hatte Pläne geschmiedet und Handlungsstränge gesponnen, doch immer dann, wenn ich sie gerade zu Papier hatte bringen wollen, war ich über meine eigenen Ideale gestolpert. Es hatte einfach keinen Handlungsspielraum mehr gegeben. Und wenn es keinen gibt, wo ist dann die Magie, der Fluss, das Genie?
Ich saß noch immer an der Bar und nippte an meinem Wasser wie ein trauriger Mann an seinem Bier. Runde eins war ziemlich in die Hose gegangen. Vielleicht klappte es jetzt besser.
Mittlerweile waren die ersten Kunden gekommen, zwei ältere, beleibte Damen, die sich die Seele aus dem Leib strampelten.
„Haben Sie Kinder? Gibt es einen Mann in Ihrem Leben?“
„Ich hatte einen Freund“, erklärte sie. „David. Er hat letzte Woche schlussgemacht.“
Autsch. Ich hatte aber auch Talent!
„Ich würde doch lieber trainieren!“
Sie nickte.
Sportzeug hatte ich natürlich nicht dabei, und als ich fragte, ob ich welches leihen könnte, schüttelte sie den Kopf.
„Dann ein andermal“, verabschiedete ich mich und wandte mich zum Gehen, Barbie aber hielt mich auf.
„Warum sind Sie wirklich hier?“
Ich sah in ihre Augen und konnte nicht anders, als die Wahrheit sagen: „Ich schreibe einen Roman.“
„Ich kenne Sie!“
„Mich?“
Sie nickte. „Ich habe einen Artikel über Sie gelesen.“ Und nach einer Pause: „Warum gerade ich?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Zufall?“
„Woran arbeiten Sie gerade?“
„Ich schreibe einen Krimi“, antwortete ich, „oder versuche es zumindest … Es ist gar nicht so leicht!“
Wieder Nicken. „Und da kommen Sie zu mir?“
Ich seufzte. „Zu Ihnen, ja!“
Sie schüttelte den Kopf. „Sie vergeuden Ihre Zeit! Wenn Sie was erleben wollen, müssen Sie woanders hin!“
„Wohin?“
„Versuchen Sie’s im Stadtbüro! Und seien Sie jemand anders!“ Sie zwinkerte mir zu. „Sonst macht’s doch keinen Spaß!“

Hunger auf den ganzen Roman? Schreibt mir eine E-Mail (benedikt.behnke@gmx.net) oder PN und ihr bekommt ihn kostenlos als PDF geschickt, Cover inklusive! =)
 
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