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4 Seiten

Tag sechs im Austauschprogramm

Fantastisches · Kurzgeschichten · Experimentelles · Fan-Fiction/Rollenspiele
25. Mai 2017 19:00 – 4:00

Heute gab es endlich mal eine Herausforderung für mich als Passagierbegleiter, eine junge Passagierin welche noch nie die Teleportation erfahren hatte. Natürlich war ihr bei dem Gedanken nicht wohl, dass ihr Körper in seine winzigsten Bestandteile zerlegt, zu einer anderen Teleporterplattform übertragen und dort wieder zusammengesetzt werden sollte. Normalerweise werden die Passagiere den entsprechenden Begleitern zugeteilt, anhand der Tische im Passagierabteil an denen sie Platz nehmen, aber man teilte mir ausschließlich diese Passagierin als kleine Herausforderung zu. Also ließ ich mich zur Transferstation im administrativen Komplex teleportieren um die Passagierin dort in Empfang zu nehmen.

Anmerkung: Wenn ich auf meine Kindheit zurück blicke, war die Teleportation eigentlich immer was alltägliches für mich. Bevor ich begriffen hatte wie es funktioniert, hielt ich es immer für Magie. Es gab einen hellen Lichtblitz, gefolgt von einem kurzen Moment ohne jegliche Wahrnehmung und dann befanden sich meine Eltern und ich an unserem Zielort, der ganze Vorgang dauerte etwa zwei Sekunden.

Wie gesagt, ich ließ mich zur Transferstation hinunter teleportieren, wo eine etwas nervöse junge Frau im Wartebereich saß. Ich erzählte ihr von meinen Erfahrungen mit der Teleportation und dass es für mich niemals auch nur den kleinsten Grund gab, vor diesem Vorgang Angst zu haben. Im Anschließend verfolgten wir die Ankunft der restlichen Passagiere, welche von unserem Schiff zur Transferstation teleportiert wurden. Keiner der Passagiere machte den Eindruck, als hätte er ein traumatisches Erlebnis während der Teleportation gehabt, das stellte die junge Passagierin selbst fest. Im Anschluss wurden die Passagiere an Bord des Schiffes teleportiert, welche ihre Reise mit unserem Schiff begannen oder fortsetzten. Die junge Passagierin, ihr Name war Martha, sollte aufgrund ihrer Probleme – wenn überhaupt – erst zuletzt teleportiert werden.

Als Martha an der Reihe war, legte sie zögerlich ihren Arm mit dem Kommunikationsarmband auf den Sensor des Tresens in der Transferstation und gab ihr Ziel an, dann folgte sie mir – noch immer etwas nervös – auf eine der Teleporterplattformen der Transferstation. Nachdem wir an Bord des Schiffes waren fragte sie ob etwas schief gelaufen war, denn die Kabinen mit den Teleporterplattformen sehen fast alle gleich aus. Sie schaute sich ungläubig um als wir die Kabine verließen, so gewöhnlich hatte sie sich die Teleportation wohl nicht vorgestellt.

Wie sie mir auf dem Weg zu einem der Tische erklärte, war sie erst vor kurzem für den Dienst bei der Erdraumflotte ausgewählt und rekrutiert worden. Sie hatte an einer als Wettbewerb getarnten Werbeaktion teilgenommen und war aufgrund ihrer Einsendung für qualifiziert erachtet worden. Die ersten Tage ihrer zwei Orientierungswochen hatte sie im administrativen Komplex in München verbracht, wo sie sich mit dem Alltag in der terranischen interstellaren Republik der Lebensräume vertraut gemacht hatte. Nachdem sie sich dort schnell eingewöhnt hatte, erklärte sie ihre Bereitschaft Bürgerin unserer Republik zu werden und in deren Dienst zu treten. Man hatte ihr geraten sich, während der restlichen Zeit ihrer Orientierungswochen mit dem Alltag unserer Republik vertraut zu machen um nach dieser Zeit mit Verständnis und Überzeugung ihre Position als Botschaftsangestellte in der irdischen Botschaft unserer Republik aufzunehmen. Die Erfahrung der Teleportation war ein Ereignis welches sie nicht erwartet hatte, auch wenn sie den administrativen Komplex in Begleitung eines Rekrutierungsassistenten durch das Quantenportal betreten hatte. Nun saß sie an einem Tisch an Bord der „Riegel III“ mit Ausblick durch ein Fenster und ihr stand der nächste Kulturschock bevor, die Erfahrung eines interplanetaren Sprungmanövers.

Ich versuchte sie möglichst schonend darauf vorzubereiten, für einen Außenstehenden ist es mit Sicherheit eine Überraschung wenn man in einem Moment den Erdorbit verlässt und einen Wimpernschlag später schon in den Orbit des Mars einschwenkt. Mit einer eleganten Überleitung zu Überlichtantrieben aus der Sciencefiction wechselte ich das Thema von ihrer zurückliegenden ersten Teleportation zum Sprungantrieb, zum Glück war sie ein Fan des Sciencefiction-Genres und verstand was ich ihr sagen wollte. Der Sprung in den Mars-Orbit war für sie etwas enttäuschend, sie hatte erwartet dass es länger dauert oder dass man zumindest den „Hyperraum“ von innen sieht. Ich erklärte ihr dass sie während des Sprungs zwischen dem Sol-System und dem System Gliese 581 genug Gelegenheit haben würde um die Sprungpassage von innen zu sehen.

Zumindest der Anblick des Mars beeindruckte sie etwas, da die „Riegel III“ ins Innere des Chamäleon-Feldes gesprungen war, konnte man den Mars in seiner transformierten Form sehen. Martha war sehr angetan von den vielen grünen Flächen und den bereits entstandenen Gewässern auf der Oberfläche des Mars. Sie schien zu verstehen warum man von der Erde aus, weder mit Sonden, noch mit Teleskopen die Veränderungen auf dem Mars bemerkte, anscheinend hatte sie schon einmal etwas über ein Chamäleon-Feld gehört oder gelesen. Im Anschluss an den Zwischenstopp im Mars-Orbit ging es weiter in den Orbit des Uranus, wo sich das Flottendock befindet und dann in den Neptun-Orbit zur Neptun-Hoststation. Martha genoss den Anblick des Flottendocks und der Neptun-Hoststation, es schien als hätte sich für sie ein Traum erfüllt.

Aufgrund von Marthas Problemen und ihrer fehlenden Erfahrung hatte man meinen Aufgabenbereich bis zu unserer Ankunft im Orbit von Gliese 581g ausschließlich auf die Betreuung von Martha reduziert. Dort würde sie das Schiff wieder verlassen und ich könnte mich wieder meinem normalen Aufgabenpensum widmen. Die Aufgabe Martha bei der Eingewöhnung zu unterstützen gehörte zwar auch zum Aufgabengebiet eines Passagierbegleiters, sie beinhaltete aber auch Elemente des Aufgabenbereichs eines Rekrutierungsassistenten.

Nachdem wir den Neptun-Orbit verlassen hatten und der Sprungantrieb aktiviert wurde, hatte Martha endlich Gelegenheit den „Hyperraum“, wie sie es nannte, von innen zu sehen. In den ersten Minuten schaute sie aufmerksam aus dem Fenster und wechselte öfters ihre Sitzposition um auch nichts, von dem was sie draußen vermutete, zu verpassen. Schließlich ebbte die Faszination für das Innere der Sprungpassage ab und sie wandte sich dem interaktiven Display in der Tischplatte zu, ich brauchte ihr die Funktionen und die Navigation im Flottennetzwerk und den anderen planetaren Informationsnetzwerken jedoch nicht zu erklären, sie schien sich bereits im administrativen Komplex auf der Erde damit vertraut gemacht zu haben. Gelegentlich stellte sie eine Frage über den Alltag auf der Neptun-Hoststation, da ich ihr erzählt hatte dass ich eigentlich dort in der Stationsverwaltung arbeite. Es schien jedoch als hätte sie keinerlei Schwierigkeiten mehr bei der Eingewöhnung in den Alltag unserer Republik, die ausgeräumten Vorbehalte gegenüber der Teleportation waren anscheinend ihre einzigen Probleme auf dem Weg zu ihrer neuen Karriere. Als wir schließlich den Orbit von Gliese 581g erreichten verabschiedete sich Martha und begab sich zu Kabine mit der Teleporterplattform, als wäre sie schon lange eine Bürgerin unserer Republik, nichts ließ mehr auf ihre Probleme angesichts einer bevorstehenden Teleportation schließen. Nachdem sie das Schiff wieder verlassen hatte, wurde mein Aufgabenbereich wieder auf 20 Passagiere ausgedehnt.

Der Rest der Schicht verlief ganz normal, es gab nur vereinzelte Anfragen bezüglich verfügbarer Anschlussflüge und nach Einzelheiten der von uns angeflogenen Lebensräume. Jedoch die Aufgabe Martha bei ihrer Eingewöhnung zu helfen war schon ein Highlight in dieser Schicht, ich glaube die Arbeit als Rekrutierungsassistent würde mir auch gefallen. Vielleicht werde ich mich für eine entsprechende Stelle im Austauschprogramm des nächsten Jahres registrieren lassen.
 
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