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Keine Schnitte für die Männer

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Kurz vor Christi Himmelfahrt traf ich in der großen Stadt ganz zufällig eine Schulkameradin von früher. Wir hatten uns Jahre nicht gesehen und ich freute mich wirklich, sie zu sehen.
Auch sie kam lächelnd, mich erkennend, auf mich zu.
Höflich, wie ich bin, begrüßte ich sie mit einem, als Kompliment gedachten Satz:
"Hey Christine, schön, dich zu sehen, du siehst gut aus! Hast du abgenommen?"
Während ich ihr lächelnd und wohlwollend entgegen schritt verwandelten sich ihre Gesichtszüge augenblicklich ins arg Düstere.

Oha.

Statt einer liebevollen Umarmung oder dergleichen erwartbarem Schnickschnack nach so langer Zeit bekam ich Folgendes um die Ohren:
"Willst du damit sagen, ich sei früher fett und hässlich gewesen?"
- Ich, total entgeistert :"Aber natürlich nicht!"

"Du hast mich doch früher schon nicht mit dem Arsch angeguckt, mich beim Abiball ignoriert,
meine Tasche musste ich auch immer selber tragen und so fort und Eh Te Zeh......"
"Pass bloß auf, dass gleich nicht Christine Himmelfahrt ist..."

Nächstes Beispiel:

Frau fragt anlässlich irgendeiner bevorstehenden Veranstaltung, an der ich als Anhängsel notgedrungen eingeladen wurde: "Welches Kleid soll ich anziehen? Das rote oder das blaue?"

Es gibt weltweit kaum eine so schlichte wie perfide Fangfrage, die immer und immer in der Niederlage des Gefragten mündet.

Ich antwortete: "Das rote."
"Was gefällt dir denn an dem blauen nicht?" - "Es ist nicht ganz so rot." versuchte ich es diplomatisch.
In Kriegszeiten versagt auch schon mal die Diplomatie.
"Ich hab zu dem roten doch gar keine passenden Schuhe!" - "Ist das so?"
"Das weißt du doch genau." - "Nö."
"Ich hab nur welche, die vielleicht - vielleicht zu dem blauen passen." - "Na, dann nimm doch das."
"Du machst es dir immer sooo leicht." Uff. "Nicht mal jetzt kannst du dich entscheiden. Du weißt einfach nicht, was du willst!!!"

Noch eine Situation:

Fahrt in den Urlaub

Er fährt, sie beifährt. Ganz schlechte Kombi. Aber die am besten erträgliche.
Los geht es. Nach hundert Metern Strecke, nachdem Mann schon eine halbe Stunde im aufgewärmten Auto gewartet hat, geht es erstmal zurück. "Hab ich auch alles ausgesteckt, eingepackt und mitgenommen?"
Das war der kurze 30 Minuten-Check. Er seufzt, es kann endlich losgehen. Sie seufzt, ist jetzt auch alles geregelt?

Auf langen Strecken fährt traditionell (was für ein Unsinn) immer noch der Mann. Nicht, weil er es besser kann, was natürlich stimmt, sondern weil der Fahrer immer tanken und bezahlen muss.

Ich habe mir vor langer Zeit im Reptilienhandel einen Satz verschließbare Ohren bestellt.
Die sind sicherlich sehr hilfreich, würden sie auch endlich geliefert.
Bis dahin allerdings muss ich, wie auch bei kleineren Fahrten, einen nicht enden wollenden Sermon an gut gemeinten (nicht verwechseln mit guten) Ratschlägen ertragen, die nicht mal durch die neu installierte Quadroanlage meines getunten Radios übertönt werden können.

Weiter geht es. Autobahn. "Nun überhol den Schleicher doch mal endlich. Ich will im Hellen ankommen." Ich überhole pflichtschuldig und erlaube mir die Bemerkung, dass wir bald mal zum Tanken raus müssten. "Kein Wunder, so wie du aufs Gas trittst."
Meine Augen suchen Ecken, in die sie vorher noch nie gerollt waren. Und finden keine freien mehr....

Also raus. Rastplatz. Kaum eine Lücke zu finden. Ich, fokussiert auf alles, was eine Parklücke zu bieten haben muss, sehe nur Arme vor mir wedeln und höre überspitzte Schreie: "Da, da war doch eben eine. Warum nimmst du die nicht? Die ist doch so nah. Nein, du drehst lieber noch eine Extrarunde."
Ja, das stimmt allerdings. Und wenn es geht, nehm ich die am weitest entfernte, nur um für mich mein letztes bisschen Souveränität zu behaupten.
 
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Kommentare  

Solche Situationen kennen wir doch alle, oder nicht? Aber zum Glück gibt es ja immer wieder auch Menschen, die nicht in Klischees passen und wenn ich mich mit denen umgebe, wird mein Leben durchaus interessant.

Christian Dolle (03.06.2019)

Putzige Perspektiven, die Du da bietest! (Aber pass auf, dass Du kein Macho wirst!)

Wolfgang Reuter (31.05.2019)

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