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Die Belfast Mission - Kapitel 47

Romane/Serien · Fantastisches
Kapitel 47 – Schicksal


Mittwoch, 27. September 1911

Während Ike auf der Schreibmaschine tippte, klopfte es zaghaft an der Tür seines Büros. Bob McMurphy trat herein, zog sogleich seine Schirmmütze ab und glättete sein schütteres Haar nach hinten. Die Typenhebel schlugen hörbar auf das Blattpapier nieder und die Art und Weise wie Ike seine Zeigefinger hektisch auf die Typentasten hämmerte, ließ seine missmutige Laune erahnen. Schließlich war heute der Tag des Exits. Zum Glück nicht seiner, sondern den von Simon Barnes, alias Carl Clark. Aber er hatte noch gehofft, dass Simon Barnes ihn insgeheim mit den Mikrokameras aushelfen würde.
Carl Clark aber sollte einen Heldentod sterben, dieser eigentlich für ihn selber vorbestimmt war. Wie würde dies bloß vonstatten gehen, fragte er sich schon seit dem er aufgestanden war. Ihm wurde lediglich mitgeteilt, dass ab 18.00 Uhr im Arbeiterviertel von Belfast ein Haus brennen würde, dort schließlich 15 Minuten später ein Zeitfenster installiert werden würde. Nachdem Ike ihn minutenlang ignoriert hatte, ergriff Bob einfach das Wort.
„Du, Ike. Das mit Charles … Das ähm, tut mir aufrichtig leid. Ich mochte ihn sehr, wir alle mochten ihn. Charles war ein prima Kerl gewesen“, sprach Bob einfühlsam.
Ike hörte zu tippen auf und hielt einen Moment inne. Er wollte seinen Freund spüren lassen, dass er großen Bockmist mit den Bodendielen fabriziert hatte, weil er ihm diese Verantwortung übertragen und er es jedoch bitterbös vermasselt hatte.
„Danke, Bob. Sonst noch was?“, fragte er desinteressiert, während er einfach weiter tippte.
„Tja also … Ich ähm, ich wollte mich für das Missgeschick mit den vermessenen Holzdielen bei dir entschuldigen und dich bitten, nur mir die Stunden vom Lohn abzuziehen, weil die Anderen doch dafür nichts konnten. Es war allein mein Fehler gewesen.“
„Deine Entschuldigung spielt keine Rolle mehr. Selbst mir wurden die Überstunden nicht vergütet“, antwortete Ike spitz. „In der Nachtschicht am Freitag hatten wir alle umsonst gearbeitet, weil Mister Andrews es nicht einsah, uns eine ungeplante Doppelschicht zu bezahlen, zumal es unser Verschulden war. Zurzeit ist er sowieso ungenießbar, weil die Arbeiten an der Titanic nur schleppend vorangehen.“ Ike verzog seine Mundwinkel. „Und mir hatte er deinetwegen den Arsch gewaltig aufgerissen. Andrews hatte in seinem Büro wie der Teufel getobt. Danke dafür, Bob!“
Sogleich schnappte er das Papier aus der Schreibmaschine heraus, zerknüllte und warf es zornig in den Papierkorb, worin auch all die zerrissenen Beileidskarten lagen.
„Verdomme, schon wieder ein Tippfehler und wiedermal ausgerechnet in der letzten Zeile!“, moserte er. „Jetzt kann ich alles nochmal abtippen. Wird mal endlich Zeit, dass das verdammte Tipp-Ex erfunden wird“, murmelte er vor sich hin.
Bob räusperte sich.
„Ich-ich wollte dich außerdem noch fragen, ob du dich nun entschlossen hast, wen du aus unserem Team für die Garantiegruppe vorschlagen wirst. Sieh doch mal, alle anderen Vorarbeiter haben schon …“
„Ich habe bereits Aaron empfohlen und er wurde von Mister Andrews in seinem Team akzeptiert. Es ist eine beschlossene Sache. Der junge O’Neill wird definitiv dabei sein … Du leider nicht. Glaube mir, dies war keine leichte Entscheidung. Es tut mir leid für dich“, unterbrach er ihn sogleich.
Einen Moment blickte Bob nur verdattert drein. Er mochte nicht glauben, was er soeben gehört hatte. Ike war doch sein bester Freund und somit müsste es eigentlich selbstverständlich sein, dass er ihn auf diese begehrte Liste einschreiben würde, dachte Bob.
Seitdem Ike aber verheiratet war merkte Bob, dass sich sein bester Freund deutlich verändert hatte. Ike besuchte immer seltener das Nelson`s Pub und wenn, dann trank er allerhöchstens ein Bier und blieb nie länger als eine Stunde dort, weil, je mehr der Alkohol floss, desto intensiver wurde über dieses Thema diskutiert. Außerdem ließ er sich seitdem gar nicht mehr überreden, doch noch etwas länger dazubleiben. Und seit ein paar Wochen hatte sich Ike sogar gar nicht mehr im Nelson`s Pub blicken lassen.
Die Hafenkneipe war ohnehin überwiegend von Werftarbeitern besetzt und Ike wurde ständig von den Männern regelrecht mit der Bitte bedrängt, dass er bei ihrem zugeteilten Vorarbeiter ein gutes Wort einlegen sollte. Man versuchte ihn mit Getränken oder einer warmen Mahlzeit zu bestechen, manch einer verfolgte ihn sogar bis nach draußen zur Latrine, um ihn im privaten Gespräch zu überzeugen. Jeder Werftarbeiter war davon regelrecht besessen, in Mr. Andrews persönlichem Team dabei zu sein, nur um die Jungfernfahrt der Titanic mitzuerleben.

Ike war seit seiner Hochzeit letztes Jahr nicht mehr derselbe Saufkumpane wie früher, der oftmals großzügig eine Lokalrunde schmiss und so lange blieb, bis Nelson alle rauswarf. Jeder Werftarbeiter wollte unbedingt in die Garantiegruppe aufgenommen werden, nicht nur allein deswegen, weil es praktisch eine Anerkennung für hervorragende Leistungen war, sondern hauptsächlich, weil sich ein unerreichbarer Traum erfüllen würde. Die meisten Werftarbeiter glaubten, dass ihnen ein Abenteuer bevorstünde und sie die gleichen Vorzüge genießen dürften, die mindestens einem Zweite Klasse Passagier zustand.
Einmal nur im Türkischen Bad entspannen, einmal nur in der Turnhalle die neumodischen Geräte auszuprobieren oder frühmorgens gleich nach dem Frühstück in den Swimmingpool zu springen – all das hatte noch niemand von ihnen je erlebt.
Zudem müsste ein einfacher Arbeiter für ein 2. Klasse Ticket für die Titanic jahrelang sparen. Außerdem glaubten die meisten Werftarbeiter, falls man auserwählt wird, dass man auch seine Familie mitnehmen dürfte und sie praktisch einen bezahlten Urlaub erleben würden. Für Bobs Saufkumpane stand es lange fest und niemand zweifelte daran, dass McMurphy dabei sein würde, wofür sie ihn beneideten aber zugleich gönnten sie es ihm. Schließlich waren Ike und Bob eng befreundet.
Dies waren jene Momente, die Bob genoss und sogar in seiner Nachbarschaft stolz rumerzählte, dass er und seine Familie auf der Titanic mitfahren würden. Aber wie würde er jetzt dastehen, wenn dem nicht so wäre? Man würde ihn doch auslachen und einen Aufschneider nennen, dessen Arbeitsleistung einfach nicht ausgereicht hätte, dass der ehrenwerte Vorarbeiter letztendlich doch nicht sein bester Freund wäre. Bobs Ton verhärtete sich.

„Was? Was hast du da eben gesagt? Sag mal, willst du mich veräppeln? Du hast in der Tat diese Rotzgöre O’Neill anstatt mich auserwählt? Ist dir eigentlich klar, dass ich schon seit über zwanzig Jahren für Harland & Wolff wie ein Bekloppter geschuftet habe? Ich war lange vor dir hier gewesen und habe schon so manchen Vorarbeiter kommen und gehen gesehen. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wie viele unbezahlte Überstunden ich geschrubbt habe und wie oft hatte ich deine Führung übernommen! Wir sind doch Freunde, wir haben gemeinsam eine Menge Scheiße durchgemacht und das ist der Dank dafür?!“, schnauzte Bob.
Normalerweise wäre Bobs unverschämte Reaktion ein Grund für eine fristlose Kündigung gewesen; normalerweise hätte kein Werftarbeiter sich getraut, einen Vorarbeiter dermaßen anzufahren oder gar zu kritisieren. Doch Bob war völlig außer sich, sie waren alleine in der Büro Baracke und Ike ließ seinen Verdruss über sich ergehen.
„Bob, du musst mich verstehen. Sei bitte vernünftig und rede ruhig mit mir. Ich habe oftmals Entscheidungen zu fällen, die mir selbst widerstreben. Aber Mister Andrews verlangt von jedem Team mindestens einen Lehrling und einen Gesellen. Da nun ich dabei sein werde, musste ich mich für einen Lehrburschen entscheiden und es kam ja wohl nur Aaron infrage, weil die anderen Jungs mit ihm nicht ansatzweise konkurrieren können. Er hatte ebenfalls, genauso wie du, unzählige unbezahlte Überstunden geleistet. Und wie oft hatte er die Berufsschule geschwänzt, nur um hier frühmorgens zu erscheinen, um zu arbeiten. Dem Jungen steht diese Ehre genauso zu! Also Bob, bleib bitte fair und gönne es ihm.“
Bob blickte schon fast entsetzt drein und kratzte sich die Stirn.
„Ja aber … aber was soll ich denn jetzt Mary und den Kindern sagen? Ich hatte ihnen doch versprochen, dass wir mit der Titanic nach Amerika fahren. Und die Nachbarschaft … Wie stehe ich denn jetzt vor allen Leuten da?“, antwortete er aufgebracht.
Die absolute Enttäuschung stand ihm im Gesicht geschrieben.
„Bob, höre mich an. Du hattest da etwas missverstanden“, lenkte Ike behutsam ein. „Es handelt sich hierbei nicht um eine Vergnügungsfahrt, sondern um einen Bereitschaftsdienst, welcher rund um die Uhr andauern wird. Selbst wenn man uns mitten in der Nacht ruft, werden wir unsere Hintern aufraffen müssen, um zu arbeiten. Es war nie die Rede davon, dass auch Familienangehörige an Bord dürfen. Das Eloise dabei sein darf, ist eine Ausnahme und war praktisch ein Hochzeitsgeschenk von Mister Andrews.“
Ike atmete einmal tief durch. Endlich war es raus. Bob würde dies schon einsehen, glaubte er.
„Bob, es mag für dich jetzt vielleicht enttäuschend sein, aber ich versichere dir, dass du mir für meine Entscheidung noch dankbar sein wirst. Warte nur ab und vertraue mir!“
Ike tat sich schwer dabei ihm zu verheimlichen, dass die Titanic untergehen wird und er ihm eigentlich das Leben gerettet hat. Aber selbst wenn er dies behauptet hätte, Bob hätte es sowieso niemals geglaubt.
„Dankbar sein? Vertrauen? Willst du mich zum Narren halten?!“, brüllte Bob seinen Vorarbeiter wütend an und schlug mit der Faust auf seinen Schreibtisch, während er ihn hasserfüllt anblickte.
Ike fühlte sich in dem Moment etwas schäbig, denn er konnte Bobs Verdruss nachvollziehen. Anfangs hatte er nur um seine Freundschaft gebuhlt, um seinen eigenen Bekanntenkreis zu erweitern, schließlich war Bob in Belfast wie ein bunter Hund bekannt. Aber Ike empfand alsbald aufrichtige Freundschaft und ihm diese Freude zu bereiten, hätte ihn selber glücklich gemacht.
„Pass auf, Bob. Ich mache dir einen Vorschlag, weil du mein Freund bist“, versuchte Ike diplomatisch einzulenken. „In zwei Wochen beginnt die Kiellegung des dritten Schiffes, Britannic, und ich verspreche dir, dass du dann bei dieser Garantiegruppe hundertprozentig dabei sein wirst. Sogar mit Kind und Kegel, einverstanden?“
Bob feuerte seine Schirmmütze wütend auf den Boden, hob sie aber dann wieder zögernd auf und stülpte die Mütze über seinen bulligen Kopf.
„Steck dir die Britannic doch sonst wohin. Du wirst also an meiner Stelle dabei sein?“, fragte er gehässig wobei er mit dem Zeigefinger auf ihn deutete. „Dann wünsche ich dir viel Vergnügen, du Arschling. Von nun ab bist du nicht mehr am Stammtisch erwünscht. Ich bin fertig mit dir … Holländer!“
Bob schmetterte die Bürotür hinter sich zu, sodass die Baracke spürbar erzitterte. Ike pustete einmal kräftig durch, öffnete dann seinen Spint und holte die Whiskeyflasche von Sam Brady heraus.
„Ich habe dir soeben das Leben gerettet und somit deine Familie vor dem Ruin bewahrt, du Narr“, murmelte Ike vor sich hin, bevor er die Flasche ansetzte und sich einen kräftigen Schluck gönnte.

Ike musste eine Stunde später feststellen, dass Bob McMurphy weder in der Werkstatt noch am Ausrüstungskai aufzufinden war, obwohl er die Anweisung von ihm zugeteilt bekam, die Arbeiten in der Titanic auf dem A-Deck am großen Treppenhaus fortzuführen. Er beauftragte Aaron O’Neill, er solle nach ihm suchen, gleichzeitig sollte sich der Bursche aber unbedingt von ihm fernhalten. Schließlich brachte Aaron alsbald in Erfahrung, dass Bob einfach unerlaubt das Firmengelände von Harland & Wolff verlassen hatte.
„Was für ein störrischer Esel!“, brüllte Ike daraufhin mitten in der Werkstatt, schnappte sich eine Dachlatte, zerbrach diese und warf die Teile wütend in die Ecke. „Es ist nicht zu fassen. Jetzt vermasselt er sich wegen solch eines dämlichen Krams seine Zukunft! Unentschuldigtes Entfernen vom Arbeitsplatz … Die verdammte Geschäftsführung wird ihm deswegen vielleicht kündigen!“
Ike hatte zwar damit gerechnet, dass Bob etwas ungehalten über seine Entscheidung reagieren, ihm sogar wohlmöglich vorerst die Freundschaft kündigen würde, aber er glaubte fest daran, dass er sich auch bald wieder beruhigen würde. Jedoch hatte er nicht geahnt, wie besessen Bob von seinem Traum gewesen war.
Diese Hiobsbotschaft beunruhigte Ike zutiefst, weil die Pförtner dazu verpflichtet waren, das Sekretariat unverzüglich darüber zu informieren, wenn ein Werftarbeiter während der Dienstzeit ohne eine schriftliche Einverständniserklärung seitens seines Vorarbeiters das Werftgelände verließ. Solch ein unüberlegtes Handeln wurde von der Geschäftsführung in der Regel als eine fristlose Kündigung aufgefasst und verlangte keine weiteren Rechtfertigungen. Selbst wenn Ike sich für ihn einsetzen und in der Chefetage an der Türe von Lord Pirrie klopfen würde, wäre es fraglich, ob über solch ein eigenwilliges Verhalten noch einmal drüber hinweggesehen und es lediglich mit einer Abmahnung abgetan wird.
Für Männer, die ihre Pflichten nicht gewissenhaft erfüllten oder gar ihren Arbeitsplatz leichtfertig aufs Spiel setzten, zeigte man im anfänglichen Zwanzigsten Jahrhundert absolut kein Verständnis, selbst wenn die Beweggründe dafür nachvollziehbar wären, weil beispielsweise ein Familienangehöriger verstorben war. Es verlangte unbedingt eine schriftliche Genehmigung von einem Vorarbeiter, um Queens Island während der Dienstzeit zu verlassen. Der Arbeiter hatte lediglich zu funktionieren, egal wie lange man dem Unternehmen loyal gedient hatte, schließlich gab es massenweise Arbeitslose in Belfast, die sogar für weniger als ein irisches Pfund pro Tag motiviert arbeiten würden. Bob musste aber eine Familie ernähren und falls man ihn nun nicht mehr bei Harland & Wolff arbeiten lassen würde, sähe seine Zukunft und die seiner Ehefrau und Töchtern auch nicht rosiger aus, als wenn er mit der Titanic untergehen würde.

Noch bevor die Feierabendschelle rasselte, eilte Ike hinaus auf die Straße und rannte in das Arbeiterviertel. Heute war der besagte Mittwoch, an dem Simon Barnes aus der Mission ausscheiden sollte. Ein brennendes Haus war ein markantes Ereignis und diente dazu, die genauen Koordinaten für ein Zeitfenster mitten in einer Großstadt zu kalkulieren. Ursprünglich war es sein Exit gewesen aber der Schleuser Simon Barnes hatte ihm befohlen, dass er stattdessen unbedingt bei diesem Ereignis nur dabei sein sollte. Ike sollte später aussagen und bestätigen, dass die darin gefundene verkohlte Leiche sich dabei um Mr. Carl Clark handeln würde.
Es war genau 17:48 Uhr. Auf der Straße herrschte bereits Aufruhr und Ike sah eine dunkle Rauchschwade über den Dächern von Belfast emporsteigen. Obwohl Ike ein Zeitreisender war und Vincenzo sowie Simon diese Katastrophe vorhergesagt hatten, war er kurz verblüfft, dass es sich tatsächlich am besagten Tag und Uhrzeit ereignete. Je mehr er dem Arbeiterviertel entgegen rannte, desto mehr aufgebrachte Leute begegneten ihm.
„Ruft in Gottes Namen die Feuerwehr herbei! Die Flammen schlagen schon auf die nächsten Häuser über!“, rief jemand entsetzt. Das Feuer musste unbedingt unter Kontrolle gebracht werden, ansonsten würde das gesamte Arbeiterviertel und wohlmöglich die halbe Stadt abbrennen. Ein Feuer, welches sich in der Stadtmitte entfachte, hatte in Vergangenheit schon einige Städte komplett vernichtet.
Ike war erschüttert, als er mitten auf der Straße stand und erkannte, dass es das Hochhaus der McMurphys war, welches lichterloh brannte. Aus dem Fenster des dritten Stockwerkes loderten die Flammen und dunkler Rauch quoll heraus, wobei es jedem Menschenverstand klar sein musste, dass darin ein Höllenfeuer brannte und falls sich darin noch Personen aufhalten würden, jegliche Hilfeleistung vergebens wäre. Ein Bildnis des völligen Chaos präsentierte sich ihm.

Polizisten auf Pferden knüppelten die Plünderer zurück, die sich sogar an den benachbarten, evakuierten Reihenhäusern hermachten, die Fensterscheiben einschlugen und einfach hineinstiegen. Die Hauseigentümer wurden schlichtweg niedergeprügelt, dann nahmen sich die Plünderer alles, wonach sie greifen konnten und flüchteten mit dem Hab und Gut anderer Menschen in die engen Gassen.
Ike blickte entsetzt und schlug dabei die Hände über seinen Kopf. Das totale Chaos herrschte. Menschenmassen kamen herbeigerannt, sodass die Feuerwehr mit ihren Pferdegespannen, darauf das Löschgeschirr verstaut war, in der Straße ihre Last hatte, an die Hydranten zu gelangen. Jedoch waren nur die Wenigsten dazu bereit, die Feuerwehrleute zu unterstützen. Einige Leute behinderten die Feuerwehrmänner bei ihrer Arbeit, indem sie die Hydranten mit Holzkisten verdeckten. Plündern war jetzt angesagt, denn des einen Pech war des anderen sein Glück. Holt euch, was zu retten ist und was ihr gebrauchen könnt, hieß von nun ab die Devise.
Schreie erklangen, Gewehrschüsse peitschten durch die Luft, Polizisten wurden von ihren Pferden gezogen und niedergeprügelt, genauso prügelten die Polizisten mit ihren Schlagstöcken auf die Plünderer oder harmlosen Gaffern ein. Niemand wusste mehr, wer helfen oder plündern wollte.
Menschen wurden erschossen oder zu Tode geprügelt. Im Arbeiterviertel herrschte die pure Anarchie, ein kleiner Bürgerkrieg, und das Feuer drohte ein komplettes Stadtviertel zu vernichten. Vielleicht sogar die halbe Stadt. Mancher Hausherr war gar mutig genug, um in das brennende Haus zu stürmen und rauszuholen, was noch zu retten und vor allem wertvoll war. Die Feuerwehrmänner zogen im Eiltempo ihre Löschzüge herbei und koppelten ihre Wasserschläuche an die Hydranten an, die von dutzenden Schaulustigen belagert wurden. Das Hochhaus der McMurphys war sowieso nicht mehr zu retten, also hielten sie die Wasserschläuche auf die Nachbarhäuser, worauf das Feuer bereits übergegriffen hatte.
Ike blickte apathisch auf das lodernde Hochhaus.
„Mein Gott … Bob … Marybeth und die Kinder!“, rief er entsetzt und rannte sogleich auf die Haustüre zu, aber dann zögerte er und verlangsamte seine Schritte, denn die Hitze war beinahe unerträglich. Jetzt war es genau 18.12 Uhr.
Plötzlich packte ihn Simon Barnes von Hinten am Kragen und zerrte ihn zurück. Er war selbstverständlich wie Carl Clark gekleidet und auf seinem Haupt lag, wie üblich, ein schwarzer Bowler.
„Hast du den Verstand verloren, van Broek? Gleich knallt es, dann wird sich hinter dieser Tür ein aktiviertes Zeitfenster befinden. Es ist mein Exit! Schon vergessen?!“, schnauzte er. „Mit deinem törichten Rettungsversuch, der ohnehin nichts bringen sondern nur dein Leben kosten würde, würdest du ein Zeitparadoxon auslösen. ICH muss durch das Zeitfenster gehen, schließlich muss ich uns beiden die Botschaften schreiben!“

Ike blickte ihn keuchend und entsetzt an. Dann besann er sich.
„Entschuldige, Mister Clark. Selbstverständlich lasse ich dir den Vortritt. Es ist nur …“ Einen Moment fehlten ihm die rechten Worte. „Es ist nur weil … Ich habe Bob zwar vor dem Ertrinken bewahrt aber jetzt wird er in den Feuerflammen umkommen. Und ich dachte, ich hätte ihn mit meiner Entscheidung gerettet. Letztendlich war es vergebens“, sagte Ike niedergeschlagen.
Carl Clark fasste ihm an die Schulter, blickte ihn mit seinen gekniffenen Augen an und nickte stetig.
„Das ist nicht verwunderlich, mein Freund. Trotzdem gebe ich zu, dass es auch mich immer wieder fasziniert“, antwortete Barnes alias Clark. „Ereignisse lassen sich zwar leicht verändern, jedoch niemals das Schicksal eines Menschen. Was geschehen soll, wird geschehen. Dies scheint offenbar einem göttlichen Gesetz unterlegen zu sein. Achte Mal darauf, du wirst es in deiner Laufbahn noch zu genüge erleben“, behauptete Simon Barnes. „McMurphy starb ursprünglich während des Untergangs auf der Titanic und war dem Tode geweiht. Selbst wenn du einen Zeitsprung unternehmen würdest, um ihn vor dem Flammentod zu bewahren, garantiere ich dir, stirbt er in kürzester Zeit irgendwie anders. So war es bislang immer gewesen, und so wird es auch immer sein. Das Schicksal eines Menschen lässt sich niemals betrügen, beziehungsweise korigieren.“
Plötzlich knallte eine dumpfe Explosion, wobei Ike zusammenzuckte und instinktiv seine Arme um den Kopf schlang. Aber aus dem brennenden Fenster schoss lediglich durch die schwarzen Rauchschwaden, zusätzlich eine helle Dampfwolke heraus.
„Das war nur der randvolle Wasserboiler von der McMurphy Wohnung“, lächelte Carl Clark. „Jetzt ist das Zeitfenster aktiviert und sobald ich durch die Haustüre gehe, werde ich verschwunden sein und exakt eine Minute später, wird irgendeine Leiche meiner Statue in den Hausflur transferiert werden, damit die Akteure ihren Beweis haben, dass Mister Clark tatsächlich umkam. Am Checkpoint angekommen, werde ich unverzüglich unsere Briefe verfassen. Alles verläuft genau nach Plan.“
Carl Clark griff zum Abschied an seinen Bowler und grinste ihn wie gewohnt an, mit gekniffenen Augen, so, als hätte er ihn wiedermal eins ausgewischt.
„Mach lieber, dass du wegkommst, denn gleich gibt’s einen neuen hübschen Bums. Aber diesmal viel heftiger, weil die Gasleitungen durchglühen. Hiermit lade ich dich herzlichst zu meiner Beerdigung ein“, meinte Carl Clark grinsend. „Und wehe dem du erscheinst nicht, dann hast du mich als einen wirklichen Feind am Hals“, scherzte er. „So was nehme ich nämlich immer persönlich“, meinte Simon Barnes und zwinkerte ihm zu. Dann verschwand der berühmte Schleuser Simon Barnes, alias Carl Clark, vor Augenzeugen in die Eingangstüre, daraus dunkler Rauch stieg.
Ike wird später im Polizeirevier aussagen, dass Mr. Clark einen Hilferuf vernommen hatte und deshalb wagemutig hineingegangen war. Mr. Clark starb ehrenvoll, weil er Menschen retten wollte, hieß es dann später.
Ike war nun vorgewarnt, dass jeden Augenblick eine gewaltige Gasexplosion erfolgen würde und entfernte sich rasch von den brennenden Reihenhäusern, wobei er panisch schrie, dass jeder in Deckung gehen sollte. Inmitten des Getümmels erblickte er plötzlich die übergewichtige Marybeth McMurphy und die beiden Zwillingsmädchen, wie sie knieten. Mary und ihre Töchter falteten ihre Hände zu einem Gebet, blickten zu diesem Inferno hoch und schrien und weinten, während einige Nachbarn sie zu beruhigen versuchten. Ike erstarrte kurz, doch dann wandte er sich einfach ab und flüchtete die Straße entlang. Eine mächtige Explosion erschütterte hinter ihm, das Mauerwerk zerbärste und Steinbrocken flogen wie Geschosse umher. Das Hochhaus der McMurphys stand nun komplett in Flammen.

Am nächsten Tag wurde von dem Feuerinferno im Arbeiterviertel selbstverständlich in der Tageszeitung berichtet. Insgesamt wurden drei Häuser, einschließlich des Hochhauses der McMurphys, von den Flammen vollständig verzehrt. Trotz der verheerenden Gasexplosion waren gottlob nur wenige Verletzte zu beklagen, abgesehen von den getöteten Plünderern. Die Presseleute bezeichneten dies als ein Wunder von Belfast, weil nur verhältnismäßig wenige Leute durch den Brand verletzt, beziehungsweise gar umgekommen waren. Der Belfaster Feuerwehr gelang es, das Flammeninferno noch in derselben Nacht unter Kontrolle zu bringen und retteten die Stadt somit vor einer Katastrophe.
Ike wurde nachdenklich, als er sich am nächsten Morgen in seinem Büro einschloss und diesen Zeitungsartikel las. Diese Brandkatastrophe geschah eigentlich nur, weil Bob ursprünglich nicht in die Garantiegruppe aufgenommen wurde. Ike forschte nach und fand heraus, dass Bob, nachdem er mittags das Werftgelände verlassen hatte, schnurstracks ins Nelson`s Pub gegangen war und sich mächtig betrunken hatte, so wie schon lange nicht mehr. Dies bestätigte ihm Nelson persönlich, wobei er äußerst ungehalten reagiert hatte. Nelson war über McMurphys Tod weder bestürzt noch empfand er ansatzweise Trauer, weil Bob alles auf einen Deckel hatte schreiben lassen und der griesgrämige Wirt nun auf der geprellten Zeche sitzen blieb.
Am späten Nachmittag Zuhause angekommen, so vermutete es Ike, zündete Bob sich auf der Wohnzimmercouch volltrunken eine Zigarette an und war dabei vermutlich eingeschlafen. Wie so oft. Es war wohl Schicksal, dass seine Ehefrau mit ihren Zwillingstöchtern derzeit außer Hause gewesen war. Ike wusste, seine Ehefrau Marybeth hätte ihn sofort mit dem Nudelholz ins Bett gescheucht und aufgepasst, dass er bloß keine weiteren Dummheiten anstellen würde. Aber leider war die gute Mary nicht Zuhause gewesen.
Obwohl ihm Bob wie ein verrückter Bruder ans Herz gewachsen war und er sich aufgrund dessen dafür verpflichtet fühlte, seine Familie in jeder Hinsicht zu unterstützen, tat er es offiziell trotzdem nicht. Die Sicherheitszentrale hätte dies sowieso niemals genehmigt, weil die UE-Regierung dieses Ereignis nicht verschuldet hatte und dem Schleuser dies strikt untersagt wurde. Ike hatte Mary trotzdem heimlich etwas finanziell unterstützt und dafür gesorgt, dass Bob ein bescheidenes Grabmal auf dem katholischen Milltown Friedhof in Belfast erhielt, unweit des Mausoleums von Bugsy, um seinen Freund aus der vergangenen Welt wenigstens diese Ehre zu gewähren.

Es war spät abends. Für Anne brach wortwörtlich eine Welt zusammen. Ihr war es bewusst geworden, dass sie in einer mutmaßlichen Zeitmanipulation verstrickt war und dies mithilfe einer Scheinehe, auf die sie sich blauäugig eingelassen hatte, tatkräftig unterstützt hatte.
Anne verhalf zwar, wenn auch unbewusst, zu einem Verbrechen, aber sie beteuerte wenn sie nur ansatzweise von solch einem Delikt geahnt hätte, dann wäre sie diese Scheinehe niemals eingegangen, auch wenn die kostenlose Auswanderung so verlockend klang.
Ike kannte sie mittlerweile gut genug um überzeugt zu sein, dass sie und ihr Sohn absolut unschuldig waren und lediglich benutzt wurden. Aber nichtsdestotrotz würde Anne mindestens wegen Einwilligung einer Scheinehe zur Rechenschaft gezogen werden, was bedeutet, dass sie und Justin unweigerlich wieder zurück in das 25. Jahrhundert beordert und verurteilt werden. Ike hatte also keinerlei Endscheidungsrecht, sondern ausschließlich die Sicherheitszentrale, diese er bereits darüber informiert hatte.
Anne zog sich mit ihrem Sohn seither in ihrem Zimmer zurück und wies sogar Eloise ständig ab, die sie lediglich zu trösten versuchte.
Eloise war sehr besorgt, zumal beide kaum etwas aßen, sich stattdessen von früh bis spät in ihr Schlafgemach verbarrikadierten und nur selten herauskamen. Zur Schule gingen beide ja auch nicht mehr, weil es ihnen verboten wurde. Selbst Ike verhielt sich Eloise gegenüber ungewohnt verschlossen und reagierte manchmal gar aggressiv, wenn sie ihren Trost wegen seinem verstorbenen Onkel wiedermal aussprach.
Es blieben Eloise also nur noch der Hund und das Rehkitz, die ihre Zuneigung dankend annahmen. Besonders hingebungsvoll kümmerte sich Eloise um das kleine Reh und gewährte dem zarten Geschöpf sogar einen Schlafplatz in der Wohnstube, direkt neben dem warmen Kamin. Eloise hatte genau neben dem Kamin eine Wolldecke ausgelegt, darauf das Rehkitz auch schlief.
Abends saß Eloise schließlich alleine in ihrem Schaukelstuhl und hielt das Buch in ihren Händen – The Time Machine, von H.G. Wells –, obwohl sie darin nicht las. Es war eben die Macht der Gewohnheit und Eloise klammerte sich stets an Traditionen. Sie beobachtete, wie das Rehkitz neben dem Kamin in sich eingerollt auf der Wolldecke schlief daneben auch Laika schlummerte, während Ike schon seit einer halben Stunde im Badezimmer verbrachte. Was macht er darin so lange, fragte sie sich.
Eloise umklammerte das Buch und seufzte.
Nichts war mehr so, wie es vorher war. Das machte sie zutiefst traurig und nachdenklich. Sie erinnerte sich, als sie noch ein kleines Mädchen und ihre geliebte Großmutter gestorben war und im Hause der O’Brians die Trauer herrschte. Jedoch saß die Familie stets beisammen und niemand blieb in diesen schweren Stunden tagelang alleine. Doch Ike und die Owens schienen ihre Trauer alleine bewältigen zu wollen, dachte sie. Wie merkwürdig.
Während Eloise in die Flammen starrte und nach dem Knistern und Knallen des Kaminholzes lauschte, überkam ihr das merkwürdige Gefühl, dass weder Anne noch Justin und erst recht nicht Ike, um Onkel Charles wirklich trauern würden, zumal sie die Einzige war, die seit seiner Beerdigung ausschließlich schwarze Kleidung trug.
Eloise ließ ihre Erinnerung noch einmal gedanklich Revue passieren, seitdem sie die Owens das erste Mal begegnet war. Die Ankunft der Auswanderer.
Sie kniff ihre Augen und erinnerte sich, dass Onkel Charles weder seiner Ehefrau noch seinem Sohn jemals seine Zuneigung gezeigt hatte. Und umgekehrt war es genauso. Dies verwunderte sie zwar oftmals, aber da sie Onkel Charles sowieso von Anfang an für einen komischen Kauz hielt, hatte sie darüber nie weiter nachgedacht.
Plötzlich wurde Eloise aus ihren Gedanken gerissen, weil Ike hastig aus dem Badezimmer marschierte und energisch an Annes Zimmertür klopfte. Sie legte das Buch auf den Wohnzimmertisch nieder, reckte ihren Hals, lugte neugierig hinüber in den dunklen Flur und horchte.
„Anne, bist du noch wach?“
Eloise erhob sich aus ihrem Schaukelstuhl und ging langsam auf den Flur zu. Ihr Herz pochte wild. Sie blieb einfach stehen, als sie ihre Stimmen vernahm. Ihre grünen Augen waren weit geöffnet und sie versuchte dabei angestrengt, ihre Gespräche mitzuhören. Es wäre sicherlich leichter gewesen, das Ohr an die Tür zu pressen um mitzuhören. Aber Lauschen gehörte sich nicht, dachte sich Eloise. Mithören, um die Wahrheit zu erfahren, dass würde der Herrgott ihr sicherlich verzeihen, meinte sie.

Es war dunkel im Zimmer und Anne lag seitlich in ihrem Bett. Nur das Mondlicht schien durch die Gardienen hindurch und spendete ein spärliches Licht. Als sie auf sein Klopfen nicht reagierte, war Ike einfach hineingegangen. Justin zog die Bettdecke vom Kopf und knipste sofort seine LED-Taschenlampe aus. Er las gerade unter der Bettdecke in einem Buch. Das Märchenbuch der Grimm Brüder, Hänsel und Gretel, las er.
„Anne, schläfst du etwa schon?“, fragte Ike flüsternd.
Sie schniefte. „Nein … Komm ruhig herein. Du bist ja sowieso schon drin“, antwortete sie erschöpft.
Ike lächelte und pustete einmal kräftig durch, bevor er weitersprach.
„Anne, ich habe eine erfreuliche Nachricht für dich. Ihr dürft bleiben und müsst nicht, wie ihr befürchtet hattet, zurück nach United Europe.“
Daraufhin schaltete Anne die Nachttischlampe an und richtete sich abrupt auf. Sie band hastig ihr schulterlanges Haar zu einem Zopf zusammen und blickte ihn erstaunt an.
„Wie, ist das wirklich wahr? Aber ich verstehe nicht …“
„Nun, einen kleinen Haken hat die Sache schon, Anne“, erklärte Ike. „Ich kenne einen Freund, der unter der Obhut sehr guten Rechtsanwälten steht und sich mitunter gerne mit der Sicherheitszentrale anlegt. Um es auf den Punkt zu bringen … Die Sicherheitszentrale ist, aufgrund des Nachdrucks meines Freundes von deiner Unschuld ebenfalls überzeugt und sind trotz deines Betrugs dazu bereit, euer Leben hier in der vergangenen Welt einzuwilligen.“
Ike zuckte kurz mit der Schulter.
„Die Regierung strebt schließlich danach, die Überbevölkerung zu reduzieren und weil euch die Sicherheitszentrale nichtsdestotrotz für das Zwanzigste Jahrhundert absolut für geeignet einstuft, sehen sie keinen Grund dafür, euch nach United Europe zurückzubeordern. Die einzige Bedingung jedoch aber ist, dass du dieses Haus unverzüglich der UE-Regierung überschreibst, ohne jegliche Kosten dafür zu verlangen. Es soll als eine Basis von Belfast für die Agenten und Schleuser dienen.“
„Sonst keine weiteren Bedingungen?“, fragte sie überrascht. „I-ich bin einverstanden. Na los, setz endlich den Vertrag auf“, antwortete sie freudig und hätte Ike nicht seinen Finger auf den Mund gelegt und somit energisch um Ruhe gebeten, wären Mutter und Sohn sicherlich jubelschreiend im Zimmer herumgetanzt. Denn Eloise durfte doch nichts von alldem erfahren. Trotzdem entwichen Mutter und Sohn ein kurzer Jubelschrei, was sie aber gleichzeitig mit der Hand vor dem Mund regelrecht abwürgten.
„Pscht! Ich verstehe eure Freude, nur sei dir aber auch bewusst, dass die Sicherheitszentrale keinerlei Verantwortung mehr trägt und euch nicht weiterhin beschützen wird. Selbst mir wird es fortan nicht mehr gestattet sein, dich und deinen Sohn zu beschützen. Ihr seid dann offiziell Akteure und müsst dieses Haus unverzüglich verlassen. Hiermit ist euer Probejahr offiziell beendet.“
Anne wirkte trotz alledem sehr gefasst und vor allem: Äußerst glücklich. Freudentränen entwichen ihr, diese sie ständig von ihren Wangen mit dem Ärmel abwischte.
„Dieses Risiko gehe ich gerne ein und wohnen werden wir in der Schule. Oben, im Dachboden, gibt es eine kleine Zweizimmerwohnung, die sowieso für eine Schuldirektorin gedacht war. Darin hatte einst Misses Goldfield in ihren jungen Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann gewohnt. Sei unbesorgt, die Schule befindet sich direkt am Marktplatz, umringt von hilfsbereiten Nachbarn. Mittlerweile bin ich dort genauso bekannt, wie der Bürgermeister. Alle begrüßen mich beinahe ehrfürchtig und nennen mich Frau Schuldirektorin“, kicherte sie übermütig.
Anne war dermaßen glücklich, dass sie sogleich ihre Koffer unter dem Bett herauskramte und jetzt, am späten Abend, sogar mit dem Packen anfing. Justin hüpfte vor Freude auf seinem Bett herum und als Ike ihn gerade zur Ruhe ermahnen wollte, sprang er ihm freudig in die Arme und küsste ihm auf die Wange. Ike ächzte, als er ihn auffing.
„Hey, hey, hey, Partner. Nicht so stürmisch.“
Plötzlich klopfte es an der Tür.
„Komm ruhig herein, Liebes“, forderte Ike sie freudig auf.

Eloise trat zögernd herein und blickte verwundert auf glückliche Gesichter. Justin klammerte gerade wie ein Äffchen in seinen Armen, aber Ike tollte ja des Öfteren mit ihm herum und dies war somit nicht sonderlich. Aber ein Junge, der vor Tagen seinen Vater verloren hatte müsste doch eigentlich abgrundtief traurig sein. Eloise verschränkte ihre Arme und blickte verärgert drein.
„Ich will jetzt auf der Stelle wissen, was hier verflixt nochmal los ist! Ihr amüsiert euch, obwohl wir Onkel Charles gestern beerdigt haben. Schämen solltet ihr euch alle. Jawohl, schämen!“, schimpfte sie empört.
Anne, Justin und Ike verging die Fröhlichkeit. Ihnen allen war nun bewusst, dass sie nun die Wahrheit erzählen müssten. Aber wie sollte man einer Akteurin, ein Mensch aus der vergangenen Welt erklären sollen, dass die Menschen, die sie liebt, eigentlich Zeitreisende sind?
Ike kannte seine Ehefrau zur Genüge, um abschätzen zu können, inwiefern sie ihm noch zu glauben bereit war. Schließlich hatte er sie schon mehrmals belogen und immer wieder hatte Eloise ihm verziehen. Eloise kannte ihn doch genauso gut und würde es sofort merken, wenn er schon wieder lügen würde. Die Zeit der Wahrheit war also gekommen oder Eloise würde ihm nie wieder vertrauen.
 
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Kommentare  

Deine Frage wird bald beantwortet. Aber jetzt sind
vorab zwei andere Kapitel in der Warteschlange
von Webstories, die eine etwas ältere Frage
erklären wird.

LGF


Francis Dille (22.08.2025)

Sehr überzeugend geschrieben und Eloise wird wohl jetzt in den sauren Apfel beißen müssen. Wird sie die Wahrheit verkraften?

axel (19.08.2025)

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