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26 Seiten

Human Soul Saver (Teil 1)

Romane/Serien · Fantastisches
Das Café war gut besucht und Kavarie war froh, ganz hinten in der Ecke noch einen Platz für sich gefunden zu haben. Müde drängelte sie sich durch die Tischreihen und ihre große, schwere Taschen machte dieses Unterfangen nicht gerade einfacher.
Ein bißchen gereizt ließ sie sich auf den Stuhl fallen, stellte ihre Tasche neben sich auf den bunten Fliesenboden und hielt Ausschau nach der Kellnerin, die sie jeden Samstag um diese Zeit bediente.
Die stämmige Dame Mitte vierzig stand am Tisch ihr gegenüber und nahm die Bestellung der Menschen auf, die dort saßen.
Unbeirrt von den Leuten um sie herum kaute sie Kaugummi. Sie machte keinen Hohl daraus und hielt es nicht einmal für angebracht, den Mund dabei zu schließen.
Kavi fand das widerlich, doch sie war es gewohnt.
? Hallo?!? rief sie der Dame fragend zu und winkte.
Sie bedachte Kavie eines abfälligen Blickes ihrer überschminkten Augen und schützte sie Lippen.
? Ich komme sofort, Schätzchen.? , rief sie und wendete sich wieder ihrer Bestellung zu.
Kavie mußte grinsen. So genau wollte sie es nun auch nicht wissen.

***

Kavie bestellte einen schwarzen Tee für sich, und noch eine Tasse schwarzen Kaffees.
In Ihre heiße Tasse pustend wartete sie. Die Menschen um sie herum redeten und lachten über Belanglosigkeiten. Kavie schloß die Augen und genoß den Moment, damit zu verschmelzen. Die farbenfrohen Auren der Menschen um sie herum ignorierte sie konsequent. Sie wollte ein paar Minuten mal nicht an ihren Job denken.
Die pulsierende Hitze der Herzen, die um sie herum schlugen, wärmten ihre Hände und ihr Gesicht.
Ein junger Mann an der Theke lächelte ihr zu und sie fühlte sich geschmeichelt.
Fühlte sich lebendig, wenn auch nur für einen Augenblick.
Jemand flirtet mit mir, dachte sie und lächelte dem jungem Mann zu.
Mann oh mann, wenn das die Chefin wüßte.


***

Maric drückte die Tür auf und suchend durchstreiften seine blauen Augen sie Szenerie.
Als Kaverie ihn bemerkte, stellte sie die Tasse ab, lächelte freundlich und gestikulierte mit den Händen.
Er sah sie, ein breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus und zeigte seine weißen Zähne. Jedesmal wenn sie ihn sah wurde ihr komisch zumute. Seine schwarzen, zotteligen Haare, die ihm oft in die Augen fielen, hatte er heute mit einem Gummi im Nacken zusammen gebunden. Seine blauen, klaren Augen, die immer neugierig waren, durchdrangen sie oft so unangenehm, das sie sich erwischt fühlte. Bei was auch immer. Und doch, in der ganze letzte Woche sehnte sich nach diesen Augenblick.
Nur dieser Moment, diese halbe Stunde, die sie hatten. Eine halbe Stunde Leben in einer Welt voller Lebender.
Wieder fühlte sie das eigenartige Gefühl zwischen Bauch und Magengrube, das sie verwirrte und verunsicherte.
Ein Gefühl, das sie an etwas erinnerte, das schon lange vorbei war.

Seine Gestalt war nicht groß, nicht klein. Zwar war er gut einen Kopf größer als sie, aber sie war ja auch nur eins-siebzig. Seine Figur war kräftig, aber nicht übermäßig. Er hatte breite Schultern, einen knackigen Po...wobei das selbstverständlich das letzte war, an das sie dachte. Aber obwohl es unmöglich war, sah sie es gerne, wenn sein Hemd ein, zwei Knöpfe offen waren.
Sie schämte sich für diese Gedanken, aber sie verdrängte sie auch nicht.
Er trug ein neues Piercing in seiner Augenbraue. Das letzte hatte er die Woche verloren und er sah nackt aus ohne es.
Sein Wesen war einnehmend und immer fröhlich, wenn auch ruppig. Sie genoß einfach seine Gesellschaft und hoffte inständig, niemand würde es je bemerken.
Gut möglich, das sie dann ihren Job los würde.

***

Maric nahm keine Rücksicht auf die Menschen, als er sich seinen Weg zum Tisch bahnte. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, drückte er eine ältere Frau beiseite die im Mittelgang stand und in ihrer Tasche kramte.
Halb fallend, halb stolpernd fand sie halt an einer der Steinsäulen, die mit Plakaten und Ankündigungen verklebt waren.
? Hey!? rief ein Mann und wollte sich brüsten. Doch nach einen Blick in Marics Augen, beschloß er, an einem anderen Tag heldenhaft zu sein und widmete sich wieder angestrengt den Anzeigen seiner Tageszeitung.
Maric machte einen äußerst zufriedenen Eindruck.
? Das war sehr unhöflich,? sagte Kavie, als Maric sich setzte.
Er lachte herzhaft.
? Keep cool, Süße. Das war ein Arschloch.?
Er deutete auf die Tasse Kaffee. ? Meiner?? fragte er.
? Nein, den hab ich für George Washington bestellt,? konterte sie und wunderte sich über sich selbst.
Maric lachte wieder und versetzte ihr einen sanften, freundschaftlichen Fausthieb auf die Schulter.
Sie kicherte, und haßte sich im gleichem Moment für diese Mädchenhaftigkeit, die sie zurückwarf in eine Zeit, die sie vergessen glaubte.
Maric nahm einen Schluck und musterte sie über den Tassenrand hinweg.
? Wie viele hast du heute schon beliefert?? Er machte nicht einmal den Versuch, die Neugierde in seiner Stimme zu verbergen.
Kavi machte große Augen und warf einen verstohlenen Blick auf Ihre Tasche.
? Das bind ich Dir doch nicht auf die Nase, wie kannst du nur fragen!?
Maric lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück und bemerkte dann, das er seinen Rucksack noch auf den Rücken trug.
Er nahm in ab und hängte ihn über die Stuhllehne.
Seine Augen wanderten über ihr schönes Gesicht.
Die herrliche, leicht gebräunte Haut, die hübschen grünen Augen, die manchmal so niedlich verwirrt dreinschauten.
Ihre süße Stupsnase, die im Frühling immer ein bißchen rot war, wegen des Heuschnupfens.
Ihr beinahe goldenes Haar das in sanften Wellen auf Schulter und Rücken fielen.
Ihr schüchternes Lachen, das eine Zahnlücke zwischen ihren Schneidezähnen preisgab.
Zu Hause ertappte er sich manchmal dabei, wie er an sie dachte.
Dass er ihre Konturen verstohlen in die Luft zeichnete und dann zu fassen versuchte.
Was machte es schon, das sie Konkurrenten waren?
Das er in blutige Fetzen gerissen würde, wenn jemand von ihren Treffen erfuhr.
Er liebte diese Zusammenkünfte mit ihr. Er wußte noch genau den Tag als es begann. Der Tag an dem Sie sich kennen lernten.
Sie wollten beide dieselbe Frau beliefern und fast er hätte sie umgerannt, als sie aus der Wohnung der Lady kam.
Man, er fluchte was das Zeug hielt.
Er beschimpfte sie und sie zeterte wie ein Rohrspatz.
Das an sich war schon eine komische Situation.
Ein Wort ergab das andere und nach einer Weile mußten sie beide lachen.
Sie standen sich gegenüber, hielten sich die Bäuche und Tränen rannen über Ihre Wangen.
Das war der Tag, an dem er sie zu einem Kaffee einlud. Sie nahm seine Einladung vermutlich nur an, weil sie so verdutzt war.
Von da an ab trafen sie sich regelmäßig einmal die Woche am Samstag.
Und die ganze Woche freute er sich darauf.
Er würde es nie zugeben. Foltern könnte man ihn und ihm seine Nägel ausreißen....oder schlimmeres.
Nie würde er zugeben, dass er sich nach diesem Moment sehnte.

***

?.....denkst du??
Kavie holte ihn aus seinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit.
? Was?? fragte er.
? Woran denkst du?? wiederholte sie.
? An meine nächste Kundin,? log er.
Er kramte in seinen Rucksack und holte ein Päckchen Zigaretten hervor.
Er steckte sich eine an und inhalierte genüßlich den Rauch . Kavie wedelte ihn mit der Hand weg.
? Warst du denn erfolgreich ?? Sie stellte die Frage, als wäre es eine Belanglosigkeit.
Sie spielte mit dem Löffel in ihrem Tee und vermied es ihn anzusehen.
Maric suchte nach einem Aschenbecher, fand einen auf dem Nebentisch und klaute ihn einfach runter.
Der Student, der gerade Abaschen wollte glotze ihn verdutz an, war dann aber wohl der Meinung das seine Untertasse den selben Zweck erfüllte.
? Ich bin immer erfolgreich. Ich habe eine Quote zu erfüllen.?
Sie nickte. Es wurmte sie das er manchmal so selbstgefällig war.
? Manchmal kotz mich dieser Job einfach an,? flüsterte er durch den Rauch hindurch.
Kavie lächelte.
? Wir machen das schon so lange. Wir können doch gar nichts anderes.?
Sie überlegte einen Moment.
? Na ja, ich wäre gerne Schockoladenfabrik Abgestellte. Das wäre doch toll.?
Ihre grünen Augen strahlten, als ob die Möglichkeit Realistisch sein könnte. Irgendwie, irgendwann.
Maric hatte das Bild genau vor Augen. Seine Kaverie in einem weißem Kittel an einem Laufband, und Tonnen von Schokoladentafeln liefen an ihr vorbei. Und keine war süßer als sie. Er überlegte, ob er ihr das sagen sollte.
Statt dessen: ? Davon wirst du fett und bekommst Pickel.?
Sie zog einen Flunsch aber war nicht wirklich beleidigt.
? Was würdest du lieber machen?? wollte sie wissen.
Eine Weile sah er aus dem Fenster und überlegte. Die helle Nachmittagssonne zauberte Frohsinn und Hoffnungen in die Herzen der Menschen. Und jeder von ihnen dachte, er hätte sein Schicksal in der Hand. Vor dem Café war ein Springbrunnen und ein paar Kinder warfen Münzen in das Wasser. Jede einzelne ein Wunsch.
Es machte ihn traurig und doch Pflichtbewußt.
Dämliche Narren, dachte er.
? Ich wäre gerne Gärtner oder so. Hauptsache draußen in der Natur.?
Kavie wollte etwas witziges sagen, sah aber die Ernsthaftigkeit.
Maric trank die letzte Pfütze seines Kaffees und er kam ihn bitterer vor als sonst.
? Ich muß los, ich habe noch eine Kundin,? stellte er fest und nahm seinen Rucksack.
Er schwang ihn auf seinen Rücken als wäre etwas völlig gewöhnliches darin.
Aus seiner Jeans fischte er einen Fünfer und legte ihn auf den Tisch neben seiner leeren Tasse.
? Schade.? sagte Kavie leise, als er schon auf den Weg zur Tür war.
Sie legte ihre Tasche auf Schoß und schaute hinein.
In der gläsern wirkenden Kugel leuchtete nur noch ein Licht.
Jemand klopfte von außen an das Fenster.
Maric hatte seine Nase an das Glas gepreßt und brachte sie damit zum Lachen. Er hob den Arm und deutete auf seine Uhr.
Sie nickte: ? Ja,? bildete sie mit ihren Lippen, ? selbe Zeit.?

***

Maric lief eiligen Schrittes zum Treffpunkt. Sein Rucksack klopfte ihn bei jedem Schritt energisch auf dem Rücken, als wollte er ihn daran erinnern, das es höchste Zeit war.
Seine Kundin stand mit einem hoffnungsvollen Gesichtsausdruck vor einem Brautgeschäft.
Er war so flott gelaufen, das er schon völlig außer Atem war. Wieso mußte er auch so viel Zeit im Café` verbringen?
Er hätte erst seine Arbeit erledigen sollen, und sich dann mit Kavie treffen.
? Fuck you!? keuchte er und stellte seinen Rucksack zwischen seine Füße, öffnete ihn und suchte unter Walkman und Einkauf für Morgen nach seiner Lieferung.
Er fand die kleine, rauchfarbene Flasche und zog sie an ihrem Hals heraus.
Ein dicker, schwarzer Wurm, dessen zuckender, glänzend schwarzer Leib sich wand, war darin. Maric öffnete den Schraubverschluß und schüttelte den Wurm in seine Hand.
Sofort breitet sich kribbelnde Kälte von seiner Handfläche bis zu seiner Schulter aus.
Die Flasche steckte er wieder zurück in den Sack und schnürte ihn mit Hilfe der Lederriemen zu .
Er buckelte ihn wieder und achtete darauf, das dem Würmchen nichts geschah.
Dann machte er das selbe, das er bei seinen Lieferungen beinahe immer tat.
So unauffällig wie möglich schlenderte er die Straße hinunter und hielt die geschlossene Hand mit dem Wurm in der Manteltasche.
Er war in Höhe der Frau, lief grade an ihr vorbei, da holte er die Hand aus der Tasche und warf den Wurm geschickt und mit unglaublicher Genauigkeit in den Blusenkragen der Frau. Sie stand einen Moment starr, rief Huch und Aua, klatschte sich mit der Hand in den Nacken und fluchte: ? Mistmücken!?
Maric war zufrieden.
Nicht nur das der Wurm seinen Weg schon finden würde, er hatte auch frei. Das war schließlich der letzte.
Auf den Weg nach Hause pfiff er eine Melodie die er Morgens im Radio gehört hatte.

***

Kavarie hatte es da schon nicht so einfach. Dummerweise lag Ihre Kundin im Krankenhaus. Sie hatte wohl Frühwehen. Sie stand in der Vorhalle, wo Angehörige und Kranke, die sich irgendwie hierhin schleppen konnten auf den Plastikbänken saßen und rauchten.
Links von ihr, in einer kleinen Nische in der Wand, hing ein Telefon, rechts war die Tür zur Cafeteria. Dort saß die Frau in einem Bademantel gekleidet, und sie war nicht allein. Eine Freundin war bei ihr. Kavi bemerkte einen Becher Kakao auf dem Tisch. Sie bekam Durst von dem Anblick.
Kavies Aufmerksamkeit war die eines hungrigen Wolfes. Jeder Muskel in ihrem Körper war angespannt wie Gitarrenseiten. Ihr Kopf war eine alles aufsaugende Leere, die jeden Laut, jede Bewegung aufnahm und katalogisierte nach wichtig-unwichtig.
Ihre Füße nahmen jede Vibration unter sich war.
Die Frau in der Cafeteria, ihr Name war Susan Leithaus, unterhielt sich angeregt mit ihrer Bekannten als Kavi durch die Tür schritt. Unauffällig setzte sie sich an den Tisch hinter ihr.
Sie legte ihre Tasche auf den Schoß und öffnete sie. Sie blieb mit den Händen in der Tasche, damit das, was sie tat den Augen der Menschen verborgen blieb.
Sie nahm die Kugel in die eine Hand und strich mit der anderen darüber. Der leuchtende Punkt, der einen Durchmesser von ca. zwei Zentimeter hatte, glitt durch die Oberfläche der Kugel, wobei es so ausschaute, als spüre sie einen leichten Widerstand, in ihre Hand, die sie sofort darum schloß.
Dann legte sie die Tasche auf den Steinfliesenboden neben ihrem Stuhl.
Sie bekam einen Bruchteil der Unterhaltung der beiden mit, etwas von ihrem Mann, und dessen Schwester und so weiter.
Kavie drehte sich langsam um und hielt ihre Hand vor ihrem Busen. Ihr Herz donnerte. Dann, innerhalb von Sekundenbruchteilen entließ sie die warme und kitzlige Kraft ihrer Hand. Sie hielt sie vor ihren Lippen und pustete sie an, als wollte sie jemanden einen Handkuss zuwerfen.
Sie verfehlte ihr Ziel nicht.
Sie schwebte schnell und unbemerkt von anderen direkt in den Nacken der Frau. Diese stoppte in ihrer Ausführung von perfekten Rababerkuchen und kicherte.
Ihre Freundin sah sie stutzig an.
? Tut mir leid,? entschuldigte sich Susan. ? Es hat in meinem Bauch gekitzelt.?
Liebevoll streichelte sie mit einer Hand darüber und lächelte.
Kavi war mit sich und der Welt zufrieden.
Sie hatte ihre Quote anscheinend erfüllt.

***

Als Maric Zuhause ankam, war es später Nachmittag. Er entledigte sich seiner schweren Stiefel und schmiß seinen Mantel in die Ecke. Er kam in sein Wohnzimmer und wurde schon erwartet.
Maric erstarrte und wußte einen Moment nicht, ob er laufen oder lachen sollte.
? Ein wunderschönen guten Tag, Maric.?
Sagte die adrett gekleidete Frau im Sessel und führte sich eine Hand zum Gruß an die Stirn.
? Ja, Tag auch,? brummte er. ? Was tust du hier??
Die Frau weitete die Augen und schob trotzig die Unterlippe vor. ? Begrüßt man so eine Kollegin? Wo ich doch den ganzen, weiten Weg gemacht habe, nur um dich, meinen lieben Freund, zu besuchen.?
Maric baute sich in unbewußter, aggressiver Pose vor ihr auf.
? Du arbeitest im Nachbarbezirk, was soll also der Scheiß??
? Ich wollte dich nur an unsere Versammlung erinnern, Süßer. Nicht, das du es vergißt. Wir werden alle da sein...auch der Chef.?
Maric lachte kalt. ? Ich bin gerührt von so viel Kollegialität, ganz ehrlich.?
Sie schmunzelte. Ein Bein hatte sie lässig über die Lehne des Sessels geworfen, dann andere stand auf einer leeren Pizzapackung. Er registrierte es mit Mißmut.
? Ich wollte dich heute schon einmal besuchen, aber du warst wohl noch nicht da.?
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als hätte sie Blut geleckt.
? Da hab ich mir gedacht, `ach , geh doch einen Kaffee trinken im Café um die Ecke`, und siehe da, wen ich da gesehen habe.?
Maric spürte, wie seine Glieder steif wurden, und sich ein Klos in seinem Hals bildete. Seine Augen verdunkelten sich und in seinem Kopf schwirrten tausend Gedanken wie Fliegen um einem Kadaver. Er hatte sich schon ungezählte Male die Frage gestellt, was würde passieren wenn......Nun würde er es erfahren.
Oh man, dachte er, ich sehe große Probleme auf mich zukommen.
Lühr, die ihre kurzen Haare in Gel getränkt zu haben schien, zuckte cool mit den Schultern.
? Und?? fragte er als würde er auf eine Pointe warten.
Lühr erhob sich und funkelte ihn mit messerscharfen Blicken an.
? Du weißt genau, was ich meine, du kleiner Wichser,? fauchte sie. ? Glaubst du, ich habe sie nicht erkannt, die kleine Fotze? Ich bin nicht blind und ich bin nicht blöd.?
Maric ging langsam auf sie zu. Bald war sein Gesicht ihrem so nahe, das ein Außenstehender hätte denken können, sie würden sich gleich küssen.
Er konnte ihren Atem riechen. Nach Minze und ein bißchen nach Bier.
? Wenn du auch nur ein Wort verlierst,? hauchte er in ihr verzerrtes Gesicht, ? dann werde ich dir dein schwarzes Herz raus reißen und es dir zu fressen geben. Ich werde es in deine Schnauzte stopfen, bis du daran erstickst.?
Seine Stimme war ruhig, aber in seinen Innern schrien verzweifelte Stimmen der Angst und Sorge.
Lühr hielt ihren Minzatem an. Sie machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch er klappte mit einem hörbaren Plopp wieder zu.
Sie wich ein paar Schritte von ihm zurück.
? Nun....ich wollte dich ja auch nur erinnern. Damit du die Versammlung nicht vergißt, mein hübscher.? Sie schickte sich an zu gehen, nahm Ihren Pilotenkoffer, in dem sie ihre Flasche trug und drehte sich noch einmal um.
? Ach ja...... das eine noch.? Sie wandte ihn den Rücken zu und er sah nur das ihm zugewandte Profiel. ? Wer weiß, vielleicht bin ich nicht die einzige, die es weiß. Du bist ja nicht gerade vorsichtig. Denk mal drüber nach.?
? Verpiss dich,? sagte er tonlos, doch ihre Stimme wehte wie rauher Wind in seinem Hirn. Und langsam aber sicher würde es ein Sturm werden. Da war er sich sicher.
Er mußte etwas tun, entweder das eine, oder das andere.


***

Am Montag kam immer die neue Lieferung und Maric stand an der vereinbarten Ecke vor einem Gasthaus mit schmierigen Fenstern. Lautes Männerlachen drang durch die angelehnte Tür.
Maric sehnte sich nach einem Bier, aber er durfte nicht trinken. Noch nicht.
Der Bote kam nach 10 Minuten mit einem VW-Käfer. Er stieg aus dem Wagen und begrüßte Maric freundschaftlich. Sie kannten sich schon eine halbe Ewigkeit.
Sein Name war Markus, gut einen Kopf größer als Maric und blondes, dünnes Haar.
Seine Augen waren trüb vom Job.
Seine Haut blaß.....aber seine Nase ein echtes Original.
So lange Maric lebte, hatte er nie so einen Zinken gesehen.
Markus mußte Unmengen von Taschentüchern bei einer Erkältung verbrauchen.
? Ist heute nicht viel,? rief er Maric zu, als er den Kofferraum öffnete und das Päckchen rausholte.
Er zuckte die Schultern. Ihm war es egal.
Er nahm das Päckchen und quittierte auf dem Lieferschein. Alles mußte seine Ordnung haben.
? Ach ja,? Markus kramte in seiner Hosentasche noch einen kleinen zusammen gefalteten Zettel raus.
? Post vom Chef. Machs gut, bis nächste Woche.?
Markus stieg wieder ins Auto und winkte noch einmal, bevor er um die nächste Häuserecke verschwand.
Maric sah den Brief eine Weile an, ohne sich zu bewegen. Dann faltete er ihn auseinander.



Hey Ric!

Super Zeit letzte Woche .

Denk ans Meeting ;-)

Grüß schön

Lutz


Maric starrte lange auf den Zettel.
Grüß schön?
Er dachte daran, sich zu übergeben.

Er packte das Päckchen aus und warf das Packpapier in die nächste Mülltonne.
In dem Päckchen lag das neue Fläschchen mit einem Etikett darauf geklebt.
12/90 stand darauf.
Also zwölf Stück in neunzig Stunden.
Das ging noch.
Er verstaute gerade die Flasche in seinen Rucksack, als er aus den Augenwinkeln Lühr sah, die der Straße richtig Discounter folgte.
Sie hatte keinen Koffer bei sich. Maric wurde flau. Sie tummelte sich nicht umsonst in seinem Gebiet.
Ohne, das sie ihn bemerkte, heftete er sich an ihre Fersen. Mit einem Abstand von ca. 15 Metern folgte er ihr durch die Menschenmengen, die sich im diese Zeit schon auf den Straßen tummelten. Ihre Auren waren farbenfrohe Lichtspiele und spiegelten sich in den Schaufenstern und auf den Lacken der Autos.

***
Seit sie Marics Wohnung verlassen hatte, nagte die Wut an ihr wie Rattenzähne. Nicht nur, das dieses blöde Schwein es wagte, sich mit der Lichtschlampe zu treffen, er schütze sie auch noch und maß sich an, Lühr zu bedrohen.
Es ging Ihr nicht um Regeln, es ging ihn auch nicht um das mißbrauchte Vertrauen des Chefs, oder um des Verrats, den er begannen hatte. Es ging um sie. Lühr, die sich hinter Ecken versteckte, um Maric zu sehen. Die in die Kanalisation kroch, um seine Stimme zu hören. Die auf Häuserdächern stand und fror, um sein Haar zu sehen.
Es ging um sie. Und um ihr Herz. Was sie entfand, war fremd und verabscheuungswürdig. Ihre Träume von ihm schreckten sie aus dem Schlaf und führten ihre Hände zu oft in ihren Schritt.
Sie haßte sich deswegen. Sie haßte ihn deswegen.
Und sie haßte die Schlampe des Lichtes.
Lühr war schnell. Sie wollte nicht riskieren, von jemanden gesehen zu werden. Ihre Schritte waren zielstrebig. Sie wußte genau wohin sie wollte.
Sie mußte auch nicht lange suchen. Da stand sie. Abrupt blieb sie stehen. Es sah aus, als ob jemand bei voller Fahrt die Bremse gezogen hatte.
Lührs Augen fixierten den Feind.
Ihr Verstand war voll Bitterkeit.
Kavie lehnte an einer Hauswand und beobachtete eine Frau an einem Zigarettenautomaten. Ihre Tasche hatte sie um Ihre Schulter gehängt.
Sie versuchte eine Kundin zu beliefern.
Lühr kochte vor Wut.
Ohne sich noch um die Menschen zu scheren ging sie auf Kavie zu.
Sie stellte sich vor, sie betrete ein Theater und die Straße war die Bühne. Reden, Lachen, Plärrende Kinder auf dem Gehweg und das Hupen der Autos auf den Straßen, alles war unwichtig. Lühr beobachtete mit Genugtuung wie Kavie den Moment für angebracht hielt, ihre Ware abzuliefern. Sie kramte in ihrer Tasche . Ihre Aufmerksamkeit war somit auf einen Nullpunkt.
Zumindest war es bei Lühr immer so.
Sie ging schneller und faste unter ihre Jacke. In der Innenseite hatte sie mit Tesafilm einen etwa zwanzig Zentimeter langen Dolch geklebt. Sie löste ihn vom Stoff und ihre Hände schwitzen.
Nur noch wenige Meter trennten sie voneinander.


***


Maric hielt es für durchaus realistisch, das er jetzt einen Herzinfarkt bekommen könnte. Lühr hatte tatsächlich Kavie aufgespürt und holte nun aus ihrer Jacke ein Riesenmesser.
Er rannte los, und packte sich den Regenschirm eines Passanten, ohne das dieser auch nur merkte, was geschah.

***

Kavie hielt tatsächlich den Zeitpunkt für passend. Aber ihre Aufmerksamkeit war nicht auf den Nullpunkt, sondern völlig auf einen einzigen Punkt konzentriert. Den Nacken der Frau am Zigarettenautomaten.
Sie hatte gerade ihre Hand geöffnet, als sich die Frau weg drehte und ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtete. Sie machte ein entsetztes Gesicht und lief ein paar Schritte zurück.
? Nein!? rief Kavie und mußte mit Schrecken mit ansehen, wie die kleine, leuchtende Kugel ihr Ziel verfehlte und einen Bogen beschrieb, der sie Richtung Himmel führte.
Kavie glotze mit offenem Mund hinterher.
Dann sah sie sie auch.
Gelähmt vor Schock sah sie sie vor sich stehen. Mit einem boshaften Grinsen, die schwarzen Augen blitzend vor Hass.
Ein riesiger Dolch reflektierte das Sonnenlicht auf seiner Klinge.
? Ich sag dir was,? raunte sie und ihre Stimme war Blutgier. ? Wie spielen Verstecken....und du bist dran!!!?
Unfähig auch nur einen Muskel zu bewegen, starrte sie auf die Klinge, dann auf wieder auf das Gesicht
Kavie wappnete sich gegen den Schmerz den sie erwartete.
Doch statt des Schmerzes veränderte sich das Gesicht vor ihr. Ihre haßerfüllten Augen stellten Fragen. Die über die Zähne gespannten Lippen Formten Worte. ? Was?...?
Der Dolch fiel, kam mit dem Griff auf, prallte von der Straße ab und kam dann klirrend zum liegen.
Kavie und Lühr sahen beide gleichzeitig auf Lührs Brust.
Zwischen ihren Brüsten ragte eine silberne, stumpfe Spitze heraus.
Kavie wich zurück und schlug sich die Hand vor dem Mund. Sie sah sich um.....doch die Auren der Menschen blieben unverändert bunt.
Lührs Konturen begannen zu verschwimmen. Schwarzer Rauch stieg aus ihrer Nase, ihren Ohren und ihrer Wunde.
Sie sah aus, als wäre sie Teil einer Fatamorgana. Ihre Konturen vermengten sich mit der Umgebung, zerrten an der Wirklichkeit und dehnten sie.
Dann fielen sie in sich zusammen. Komprimierten sich zu einen schwarzen Ball aus negativer Energie und wie ein sterbender Stern platze er in unendlich viele Teile auseinander.
Kavie war beeindruckt. Sie hatte noch nie ein Schattenwesen vergehen sehen. Nichts von Lühr war noch da. Nur der Doch und Kälte, die sich auf den Punkt, wo sie einst stand, konzentrierte. Aber auch die verging so langsam.
Jetzt erst registrierte sie Maric, der mit dem Regenschirm hinter Lühr gestanden hatte.
Er hielt den Schirm immer noch wie ein Schwert. Kavie legte die Hand auf die Spitze des Schirms und senkte ihn.
Kraftlos glitt er aus seiner Hand.
? Was hast du getan?? fragte sie.
Was hast du getan? Wiederholte sein Verstand.
Maric schüttelte den Kopf. Seine Gedanken waren träge. Nur Kavie war da, das Bild von ihr, das er sah.
Wie sie ihn fassungslos anstarrte, die schwimmenden Augen. Die Stupsnase. Ihr Goldhaar, und die Zahnlücke, die dem hübschem Gesicht trotze.
Niemals in den Monaten seit sie sich kannte, hatte es zwischen ihnen mehr als schüchterne Berührungen flüchtiger Art gegeben.
Seine Hand legte sich wie Automatisch auf ihre Wange. Sie war warm wie ein Frühlingstag und er kalt wie die Nacht.
Sie kamen sich näher, er konnte ihren Busen an seiner Brust spüren, das Herz, das darunter schlug. Ihre Arme legte sich um seinen Nacken, seine umschlagen Ihre Taille und ihre Lippen fanden die seinen.
Und während sich ein Mann verwirrt nach seinem Regenschirm umschaute, Küsten sie sich.
Nach einer Ewigkeit lösten sie sich voneinander und Kavie blickte versonnen in den Himmel, wohin sich die kleine Leuchtkugel aufgemacht hatte, um dann irgendwo durch die dünne Membran, die All und Atmosphäre der Erde voneinander trennte, in die andere Welt zu brechen.
? Ich habe meine Seele verloren,? Sie sprach langsam, beinahe bedächtig. Der Schock der Ereignisse der letzten Minuten saß ihr noch in den Knochen. ? Meine Erste seit zwanzig Jahren.? Stellte sie fest.
Maric streifte ihr eine Haarsträhne hinters Ohr und grinste.
? Scheiß drauf, die kann auch noch später ihre Reinkarnation durchmachen.?
Er folgte ihren Blick nach oben. ? Bekommst du Ärger??
? Ja? antwortet sie, ? aber nicht deswegen.?

***

Lutz war nicht überrascht, als er von Lührs vergehen hörte. Doch das hätte nicht passieren dürfen. Unbeachtet der Tatsache, das sie eine fleißige Mitarbeiterin war, war sie ein Dreckstück, ohne jeden Humor und ohne jeden Sinn für die Welt der Menschen. Aber eine solche Verbindung durfte es nicht geben,. Vor allen dann nicht, wenn es zu Mord unter seinen Kindern kam. Lühr war eine von ihnen.
Er schätze sie, weil sie schnell und produktiv war. Aber er verachtete sie, weil sie keine Achtung kannte.
Ihr Job als Schattenwesen war es, die dunklen Seelen in die ungeboren Körper der Menschen zu bringen, und dafür sollten die Menschen ob ihrer Funktion geachtet werden, wenn nicht sogar geliebt.
Er liebte sie, sie waren sein Lebensinhalt. In Ihnen lag die Gabe der Geburt und des Lebens. Ihre ungeborenen Körper waren ungeschliffene Diamanten. Und mit den Seelen, die ihnen die Schattenwesen...und auch die Lichtwesen brachten, bekamen sie Schliff.
Lutz drückte den Knopf der Gegensprechanlage auf seinen Schreibtisch und ließ seine Chefsekretärin zu sich kommen.
Die Frau, die man in der Welt der Menschen als Mitte fünfzig schätzen könnte, betrat ohne zu klopfen den großen Raum. Die mit edlen Holz verkleideten Wände verschluckten das Echo ihrer Schritte.
Sie hatte graues Haar, das sie zu einem ordentlichen Dutt zusammen gebunden hatte.
? Ja?? fragte sie.
Lutz kratzte sich hinterm Ohr. Er machte ein Nachdenkliches Gesicht.
?Wir brauchen jemanden, der sich um Maric Taves kümmert. Es gibt da Probleme.?
Sie notierte es und nickte.
? Es macht mich wirklich sehr traurig? sagte Lutz und schaute aus dem Fenster, das einen wundervollen Blick auf ein wabernd Meer kreischender, verzerrter Gesichter unheiliger Seelen freigab, die nur darauf wartete, von einem Fänger gefangen und dann in eine Flasche gefüllt zu werden. Bereit, ein neues Leben zu beginnen.
? Es macht mich sehr traurig,? wiederholte er. ? Vater sein ist ein undankbarer Job.?

***

Kavie nahm Maric mit zu sich nach Hause. Sie wußte, das es zu gefährlich für ihn war, wenn er zu sich gehen würde. Obschon es auch nicht gut währe, wenn man ihn bei ihr erwischte. Aber darüber konnte sie sich Sorgen machen, wenn es soweit war.
Sie stand im Wohnraum, der gleichzeitig Küche und Schlafzimmer war, und ging in Gedanken all ihr Schubfächer und Kramkisten durch.
Vor vielen Jahrzehnten, als sie diesen Job bekam, gab ihr die Chefin ein Artefakt, das jedes Lichtwesen eigentlich bei sich tragen mußte. Es baute einen Schutzwall aus Positiver Energie um den Träger auf, um es vor den Schattenwesen zu schützen.
Aber seit sehr, sehr langer Zeit hatte es keine Übergriffe mehr gegeben, und nach und nach legten die Lichtwesen die Artefakte ab, weil sie trotz des Schutzes ein jedes Wesen als solches auswiesen.
Die Erfahrung zeigte, das man sicherer ohne war, da man unerkannt blieb.
Doch jetzt machte das keinen Sinn mehr. Sie war erkannt, er außerdem auch, und sie brauchten Schutz.
Maric hatte sich erschöpft und müde auf das Sofa gesetzt und beobachtete sie.
Wieso tat er das alles?
Er hatte ein schier endloses Leben weggeworfen, hatte seinen guten Ruf ruiniert und seine Kollegen und Kolleginnen verraten.
Was noch schlimmer war. Er hatte seinen Boß verraten. Lührs Vergehen würde nicht unbemerkt bleiben. Sicherlich waren sie schon auf der Suche nach ihm....und nach ihr.
Er ärgerte sich, das er sie nicht getötet hatte, als er sie das erste mal sah.
Aber sie war doch so witzig, wie sie schimpfte und mit den Füßen stampfte.
Er hätte sich nie verlieben dürfen. In ein Lichtwesen.
Gott steh mir bei, dachte er zusammenhangslos und lachte heiser über diesen Gedanken.

***

Der Jäger, der hinter Maric hergeschickt wurde, war routiniert und wußte was er zu tun hatte. Er hatte sich schon auf den Weg zur Wohnung seines Zieles gemacht, aber das Schattenwesen, dessen Name Maric war, hatte seine Zuflucht verlassen.
Sicher doch, es war nicht anders zu erwarten gewesen.
Leider hatte der Chef ihn nicht vollends aufklären wollen. Er wußte nur, es gab Probleme und der Chef wollte das Schattenwesen. Lebend.
Was er dann mit ihm tat, darüber wollte der Jäger nicht einmal nachdenken. Aber er wußte um die Zuneigung des Chefs zu den Schattenwesen, die er seine Kinder nannte. Und er konnte schlecht, sehr schlecht eine Enttäuschung wegstecken. Da war er wohl wie jeder Vater.
Der Jäger schloß die Tür von Marics Wohnung hinter sich und der laue, warme Wind zauberte ein Lächeln auf das markante Gesicht des Mannes.
Eine Frau mit einem Kind an der Hand lief an ihm vorbei, und das Kind drehte sich mit angstvollen Augen zu ihm um. Es drückte die Hand seiner Mutter und tapste schneller.
Hätte der Jäger die Aura des Kindes erkannte, so wäre sie Grau gewesen. Doch die Auren der Menschen waren für ihn nicht sichtbar.
Er war nur ein niedriges Wesen, das seine Pflicht zu erfüllen hatte. Die schöne Welt der Auren war nur den Kindern des Chef vorbehalten.
Der Jäger streckte seine Nase in die Luft und nahm die Witterung auf. Der Geruch des Wesens, den er überall in dessen Wohnung wahrgenommen hatte, lag wie ein Schleier über den Straßen dieser Stadt. Er brauchte ihn nur zu folgen.

***

Kavie fand, wonach sie sucht. Triumphierend hielt sie die Kette mit dem zylinderförmigen Anhänger in den Händen. Sie strahlte über das ganze Gesicht und Maric wurde warm bei dem Anblick.
? Du weißt, ich kann es nicht tragen,? bemerkte er. Kavie krabbelte zu ihm aufs Sofa und lehnte sich an ihn. Die Kette lag auf dem Tisch vor ihnen.
? Das brauchst du nicht,? sagte sie und fuhr mit der Hand unter sein Hemd. Sie strich über seinen Bauch und eine Regung seinerseits blieb von Ihr nicht unbemerkt.
? Ich werde es tragen und nicht von deiner Seite weichen.?
Seine Arme legten sich um sie und sie spürte einen Kuß auf ihrem Haar. Ihre Hand auf seinen Bauch brachte ihn fast um den Verstand.
? Liebe macht blöd wie Brot,? stellte er tonlos fest und sie lachte, bis ihr Tränen über die Wangen liefen.
Ihr Lachen drang hell und klar bis auf die Straße, wo Menschen verzückt nach oben schauten.
Ihre Auren tanzten hell und lachten mit, als Maric und Kavie begannen, sich ihrer Kleidung zu entledigen, um sich atemlos zu lieben.


Sie lagen zusammen gekuschelt auf dem Sofa, nur mit ihrer Haut und ihrer Liebe zugedeckt, als Kavies E-Mail Alert übers Handy piepste. Müde erhob sie sich und Maric folge jeder ihrer Bewegungen mit den Augen. Kavie setzte sich an den Schreibtisch und öffnete ihre Mailbox.
Dort stand

Sehr geehrte Außendienst Mitarbeiterin Kaverie.

Mit erstaunen mußten wir die Rückkehr einer Seele aus ihrem Bestand feststellen.
Da uns auch seid geraumer Zeit weitere Unregelmäßigkeiten aufgefallen sind, möchten wir sie auf unsere Beratungsstelle für Mitarbeiter im Außendienst hinweisen.
Sollten Sie Unmut verspüren, oder Probleme jeglicher Art haben, scheuen sie sich nicht, uns davon in Kenntnis zu setzten.

Unsere Mitarbeiter stehen ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung und helfen ihnen gerne weiter.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr HSS ( Human Soul Saver ) Team.


Kavie zog die Augenbrauen hoch und lachte heiser.


***

Die Außendienststelle warteten vier Stunden. Nachdem Kaverie nicht auf die Mail geantwortet hatte, schickten sie einen Ihrer Leute, um nach dem Rechten zu sehen.
Sie war jung und unerfahren, aber irgendwann mußte sie ja ihre Erfahrungen sammeln. Ihr Name war Legna, und sie laß kurz vor ihrer Ankunft, ihrer ersten Ankunft auf der Welt der Menschen, noch alles, was es über diese fremde, geheimnisvolle Welt in Erfahrung zu bringen gab.
Am meisten erschreckte sie die Ausführungen ? Regeln und Verhaltensweisen im Menschlichem Verkehrs Systems.?
Sie wollte nicht `Überfahren ` oder Opfer eines `Unfalls ` werden.
Zu diesem Zweck sagte sie immer wider den Satz ? bei rot bleib stehen, bei grün kannst gehen? wie ein Gebet auf.
Doch nach ihrem ersten Schritt durch eines der vielen Tore, die die Welten miteinander verbanden, kam ihr alles, was sie gelernt hatte, wie ein Witz vor.
Man, war das ein Trubel hier. Unglaubliche viele Menschen tummelten sich auf dem Platz, wo ein Springbrunnen stand, indem die Menschen ihre Zahlungsmittel schmissen. Sie vermutete, das diese Abgelaufen waren.
Nun, wenn man bedachte wie viele Seelen ja auch Tag für Tag in der Zentrale landeten, dann hätte sie eigentlich überrascht sein dürfen. Aber um diese Menge zu wissen, und sie dann zu sehen, war ein großer Unterschied.
Allein die vielen bunten Auren waren schwer von ihrem Verstand zu fassen.
Verwirrt suchte sie nach Orientierung.
Ein kleiner Mensch mit Glas vor den Augen und einem Fahrgerät mit drei Rädern grinste sie fröhlich an.
Sie grinste zurück und in dem Moment war ihr eines ganz deutlich, wie nie zuvor in ihrem jungen, nicht mal 780 Menschenjahre andauerndem Leben.
Dieser Ort war das Wunder, auf das die Menschen ihr Leben lang warteten.

Sie schaute immer noch grinsend nach links, dann nach rechts und fand, wonach sie gesucht hatte. Eine `Ampel`.
Sie forderte durch Farben die Menschen dazu auf, zu gehen oder zu stehen. Vor Selbstbewußtsein trotzend erinnerte sie sich, an ihr stilles Gebet.
Wie sich all die Menschen das merken können, dachte sie bei sich, und stellte sich stolz zu der Ampel an den Straßenrand. Vermutlich stände sie noch Stunden später breit grinsend dort, wenn nicht irgend ein Passant, der über die Straße wollte, den Knopf an der Ampel gedrückt hätte.

***
Der Jäger hatte seine Spur nun ganz deutlich aufgenommen. Seine, und noch eine andere. Die andere kannte er zu gut. Er roch sie schon unzählige Male in seinem Dasein, und wieder und wieder genoß er, diesen Gestank aus der Welt der Sterblichen zu Tilgen.
Es gab nichts befriedigenderes als diese beschissenen Lichtwesen dahin zu schicken, woher sie gekommen waren. Allerdings verstand er nicht, wieso die Gerüche sich an bestimmten Punkten vermengten.
Sollte das Undenkbare geschehen sein?
Und wenn dem so wäre, dachte er sich, dann würde er eine hohe Belohnung erhalten. Nicht eine, die sein Herr ihm geben würde, sondern eine, die er sich selbst verschaffen würde.
Der Tot eines Lichtwesens geilte ihn mehr auf als Pestilens und Krieg.
Plötzlich verspürte er etwas, das er schon verstorben glaubte.
Freude,
bittere, kalte Freude.

Er passierte eine Stelle, die besonders intensiv war. Zuerst konnte er nichts damit anfangen, doch wagte er sich in ihren Mittelpunkt. Ein kalter Hauch lag hier an diesem Ort in der Luft. Der Jäger sog den Atem ein und schmeckte die Luft. Das erste, was er schmeckte war Angst, dann Mut und Tod. Doch da war noch etwas.
Er schmeckte das Lichtwesen und das Schattenwesen, näher, als sie sich je waren.
Er schmeckte Leidenschaft.
Noch Schlimmer, er schmeckte Liebe.
Wie ein bitter süßer Saft legte sie sich auf seine Zunge und drohte ihn zu vergiften. Er erschauderte und eine Gänsehaut überzog seine uralte, von Narben überzogene Haut.
Unbehagen breitet sich in seinen Venen aus und durchzog seinen Körper.
Liebe war stark, das wußte er, und deswegen fürchtete er sie.
Er ballte die Hände zu Fäusten und folgte der Witterung, Sein kaltes Herz flehte ihn an, immer wachsam zu sein. Das das Schwert Namens Liebe in nicht zu durchstoßen möge.
Er schritt in der Witterung wie auf einer Straße. Hindernisse gab es nicht auf seinem Weg, schließlich konnten die Wesen ja auch nicht durch die Wände der Häuser gehen. Sie waren hier den gleichen Physikalischen Gesetzen untergeordnet, wie die Menschen auch.
Diese Welt hatte sie sterblich und schwach gemacht.
Sicher, sie besaßen noch die Gabe des Ewigen Lebens und der Jugend. Und sie hatten das Sehen, um das er sie aber nicht beneidete. Er konnte sich gar nicht vorstellen wie wirr es sein mußte, ständig die Auren der Menschen zu sehen und zu spüren. Ihr sinnloses Geplapper zu hören, reichte ihm völlig aus, um zu wissen, was für eine minderwertige Rasse sie doch waren. Er konnte den Aufwand, der um diese Vehikel der Seelen gemacht wurde, gar nicht nachvollziehen. In seinen Augen waren und blieben sie für immer Vieh.

***

Legna fragte sich durch die Stadt nach der Adresse, die Ihr die HSS gegeben hatte. Sie genoß jede noch so knappe Antwort der Menschen. Ihre Stimmen faszinierte sie. Manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie in belangloses Bla, bla, bla abschweifte, ehe sie sich wieder daran erinnerte, was sie hier wollte. Es dauerte gar nicht mal allzu lange, bis sie vor den Apartments stand, von denen eines Kavie bewohnte. Ehrfürchtig wanderte ihr Blick an der Hauswand entlang bis nach ganz oben. Sie konnte Kavies Fenster ausmachen. Sie waren mit leuchtend weißen Gardinen behangen und sie sah Blumen im Fenster. Legna machte hopp, hopp. Als ihr bewußt wurde, was sie tat, lachte sie herzhaft, aber mit hochrotem Kopf.
Eine junge Frau, die aus einem der Fenster schaute legte die Stirn in Falten und schmunzelte. ?Ich nehm die Treppe!?, rief Legna ihr zu und ging zum Hauseingang.
Als sie oben angekommen war, rang sie nach Atem. Kavie wohnte im achtem Stockwerk.
Legna mochte wenig Erfahrung haben, und vielleicht gehörte sie auch nicht zu den Schlauesten., aber als sich in der Wand neben der Treppe eine kleine, eiserne Kabine öffnete und eine Frau, beladen mit schweren Taschen daraus entstieg, wußte sie, was es bedeutete und ärgerte sich.

***

Legna hatte sich die Mühe, die Treppen hinauf zu steigen, vergebens gemacht. Kavie war schon auf dem Weg, eine Seele auszuliefern. Sie wollte auf gar keinen Fall mehr auffallen, als es nötig war. Die Mail bewies, das sie sie im Auge hatten, und das konnte sie gar nicht gebrauchen. Die Seele, die sie verloren hatte, war nicht das Problem, da konnte sie sich raus quatschen. Wie sie sich aus einer Affäre mit einem Schattenwesen raus reden sollte, das wußte sie wirklich nicht. Und wenn Maric und sie entdeckt wurden, konnte sie sich auf einiges gefaßt machen.
Gedanklich ging sie ein paar Ausreden durch.
`Ach, er ist ein Schattenwesen, das ist mir gar nicht aufgefallen. All die Monate.
Oder
`Wie, ich darf keine Beziehung zu einem Schattenwesen haben? Wir haben doch verhütet!!
Und auch..
`Der Typ da ist der Postbote.
Sie lächelte und versuchte sich das Gesicht von Ihrem Boß vorzustellen.
Sicher, ihr Boß war Güte und Liebe und so weiter.
Aber vor allen pochte sie auf Regeln und Gebote.
Die Menschen hatten ihre zehn, an die sich kein Schwein hielt, und die Lichtwesen hatten ihre eigenen.
Und wer sich nicht daran hielt, konnte sich auf Lebenslänglich ? Himmelarrest? gefaßt machen. Sie würde Maric nie wieder sehen.
Und sie war doch das erste mal in Ihrem Leben als Lichtwesen verliebt.
Sicher, als sie noch ein Mensch war, liebte sie. Aber es war lange her. Verdammt lange.
Kavie war fast am Ziel. Die junge Frau, fast noch ein Kind, kam gerade aus der Praxis eines Gynäkologen.
Fassungslos starrte sie auf das erste Ultraschallbild in ihrer Hand und überlegte bestimmt, wie sie es ihren Eltern beibringen sollte.
Kavie hatte keine Mühe mit der Seele. Das Mädchen war mit ihren Gedanken bei ein paar Ausreden, die sie ihren Eltern aufzutischen gedachte.
Als Kavie die Seele geliefert hatte, hellte sich die Miene des Mädchens auf und sie strich sich mit der Hand über den Bauch.
Kavie fühlte sich gut und verliebt.

***

Legna klopfte und wartete.
? Ja??
Diese Stimme konnte unmöglich von einem weibliches Lichtwesen kommen. Legna sah noch einmal auf den Zettel mit der Adresse und stellte fest, das sie hier richtig war.
? WAS?!? brüllte die Stimme zornig aus der Wohnung.
? Ich suche Kaverie.?
Die Tür öffnete sich. Sie hatte mit allem gerechnet, mit jedem. Aber als das Schattenwesen, nur in Jeans und Socken bekleidet im Türrahmen stand und sie mit funkelnden blauen Augen ansah, blieb ihr echt die Spucke weg.
? Wieso? Wer? Wo?.....?stotterte sie.
? Lange Geschichte, Maric, Seele ausliefern....?
beantwortete Maric trocken die Frage in der Reihe, wie sie gestellt wurden.
? Am besten Du kommst rein,? sagte er, und trat einen Schritt beiseite, damit Legna an ihn vorbei gehen konnte.


Kavie kam eine drei viertel Stunde später nach Hause und als sie in den Wohnraum trat, ließ sie vor Schreck die Tüten mit den Einkäufen aus dem Discounter fallen.
Legna erhob sich von dem Stuhl und sah Kavie mit ernsten Augen an.
? Wir müssen reden,? sagte sie.
Kavie sah das genau so.

***

Der Jäger hatte sie gefunden. Er konnte ihre Energien riechen, sie fühlen. Sie krochen unter seine Haus wie Maden. Wollten sie von seinem Muskelfleisch lösen und ihn schälen.
Er war nervös. Die Dinge hatten sich geändert. Und das nicht zu seinem Vorteil. Nicht nur, das das Schattenwesen an negativer Energie verlor, was er prinzipiell als Bedrohung entfand, es hatte sich noch eine weite positive Energie zu ihnen gesellt. Eine starke, wenn auch verunsicherte. Er fühlte ihre Angst.
Er sah an der Hauswand des Apartmenthauses hinauf, so, wie Legna es keine Stunde vor ihm gemacht hatte.
Nur, das er ganz sicher nicht das Bedürfnis hatte, dort hoch zu fliegen.
Die innere Stimme, die fortwährend zu ihm sprach, warnte ihn abermals, wachsam zu sein.
Er kniff die Augen zusammen und forderte sie auf, still zu sein.
Der Jäger öffnete den Hauseingang.......und ging zum Fahrstuhl.

***

Kavie durchfuhr ein stechender Schmerz, ausgehend von der Stelle, an der das Artefakt ihre Haut berührte, bis zu Ihren Schulterblättern. Sie schrie und Maric sprintete zu ihr. Die Stelle der Bluse, unter der das Artefakt lag, begann zu schwelen. Maric packte sie , riß die Bluse auf und packte das glühende Ding. Sofort versenkte es seine Haut in der Handinnenfläche. Erschrocken zog er sie zurück. Eine Blase hatte sich gebildet.
Legna, die versuchte zu telefonieren, hörte die Schreie und donnerte den Hörer auf den Apparat.
Innerhalb von Sekunden war sie bei ihr und führte ihre Hände unter die Kette am Hals. Sie stieß ihre Hände auseinander und die Kette riß. Das Artefakt lag glimmend am Boden und brannte Löcher in den Teppich.
? Scheiße?, fluchte Legna, ? Wir sind nicht mehr allein.?
Maric sah sie fragend an: ? Ein Jäger??
Legna nickte.
? Was ist ein Jäger?? Kavie war verwirrt und der Schmerz auf ihrem Dekolleté trieb sie an den Rand des Wahnsinns.
? Frag nicht,? zischte Legna und nach einem Blick auf Kavies zerrissener Bluse. ? Zieh dich an und verliere keine Zeit dabei.? Sie warf einen Blick auf Maric, in dessen Augen sie lesen konnte, das er um die Gefahr wußte.
Er nickte.
? Ich versuche ihn aufzuhalten. Verschwindet, aber schnell.? sagte er.
Kavies Augen weiteten sich: ? Was?! Das kommt gar nicht in Frage, wir gehen alle, oder keiner!?
Maric legte seine Arme um ihre Taille und zog sie dicht an sich. Sie zitterte und ihre Augen nahmen fast ihr ganzes Gesicht ein. Ihre Lippen bebten und waren trocken.
? Der Jäger ist hinter mir her,? begann er zu erklären, ? Ich habe eine meiner Schwestern getötet. Habe sie ausgelöscht, als sie dich erkannte. Es ist mein Fehler, alles hätte nie passieren können. Weißt du, was im Gesetz der Schatten steht, wie man sich zu verhalten hat, wenn man ein Lichtwesen erkennt??
Sie schüttelte den Kopf in Zeitlupe.
? Töte es!? preßte er zwischen seinen Zähnen hervor.
Eine Träne schwoll an ihrem Wimpernkranz und löste sich.
Legna packte sie und zerrte sie aus seinen Armen.
? Keine Zeit für so was. Hey Schattenwesen! Benutze das Artefakt!? rief sie ihm zu und legte eine Jacke über Kavies bloßen Schultern.
? Ach und noch was....? Legna suchte nach den richtigen Worten für das dunkle Wesen, das sich so sehr von den anderen unterschied, fand aber keine.
? Viel Glück,? wünschte sie ihm schließlich und schleifte Kavie zur Tür.

***

Der Jäger fühlte die hellen Präsenten als kribbelndes Feuer in seinem Kopf, als der Fahrstuhl zum stillstand kam. Sie waren nahe, sehr nahe.
Die Stimme in seinem Innern kreischte und zeterte, doch er ignorierte sie. In ihm brannte Mordlust und Blutgier.
Die Türen schoben sich zur Seite und fast hätte er geschrien vor Überraschung. Die Lichterwesen standen direkt vor ihm.

***

Legna legte gerade einen Finger auf dem Knopf am Fahrstuhl, als dieser sich öffnete.
Sie tat einen Schritt in seine Richtung und erstarrte.
Ein erstickter Laut drang aus ihrer Kehle, doch sie bemerkte es kaum.
Es war zu spät, zu spät.
Die kalte, dunkle Macht ergoß sich wie ein Platzregen über sie.
Sie stolperte zurück, immer noch Kavie am Arm haltend und zog sie mit sich.
Der Jäger schritt aus der Kabine des Fahrstuhls und folgte sie mit seinen Blicken.
Wow, der Terminator, dachte Kavie zusammenhangslos.
Legna drehte sich auf dem Absatz um und rannte auf das Treppenhaus zu. Kavie kam ihr wie ein Sack mit nasser Kleidung vor, schwer und unhandlich.
Sie schwang sie nach hinten, sammelte alle Kraft die sie hatte und schleuderte Kavie wie ein Diskuswerfer nach vorn auf die Treppe.
Kavie sah die Stufen auf sich zukommen und ruderte, nach Halt suchend, mit den Armen.
Vergebens.....der Boden unter ihr fiel ab, ihre Schuhe verloren den Kontakt und sie stürzte.

***

Der Jäger war überrascht, als er das Vorhaben des Lichtwesens durchschaute Zwar versuchte er sie zu packen, als er sie vor sich stehen sah, doch sie war schneller und zog sich zurück wie ein Wiesel.
Als er aus der Kabine kam, sah er verwundert, wie das stärkere Lichtwesen das andere die Treppe hinunter warf.
Nun rannte das Lichtwesen zu einer Wohnungstür.
Der Jäger ging zwei Schritte zur Treppe, blieb stehen und schaute zurück.
Die Stimme erinnerte ihn. Sein primäres Ziel war das Schattenwesen , welches für seinen Verrat zu büßen hatte, nicht das Lichtwesen, das er von oben auf den Stufen liegen sah.
Er konzentrierte seine Sinne und spürte die Energie des Schattens. Sie drang durch die Tür, durch die das starke Lichtwesen gerade verschwunden war.

***

Maric hatte ein Handtuch um seine Hand gewickelt und versuchte das Artefakt damit zu greifen. Definitiv kein leichtes Unterfangen. Immer wieder rutschte das heiße Ding von der Frotteschlaufe, die er sich gebastelt hatte, ab.
? Gott verfluchte, bepisste Schei....? fluchte er vor sich hin, als die Tür zum Apartment aufgestoßen wurde.
Maric schnellte in die Höhe und baute sich mit geballten Fäusten auf.
Was hab ich hier eigentlich vor?
Lächerlich, zu glauben ich hätte eine Chance.
Renn lieber, bevor es zu spät ist!!
Guter Gedanke!
Doch er blieb stehen.

Legna stolperte in den Wohnraum und gestikulierte heftig mit den Armen.
? Da! Er kommt. Wir konnten nicht weg.!!?
Um Maric wurde die Welt dunkel.
Kavie war nicht bei ihr!!!
Unbändige Verzweiflung, die er niemals empfinden zu können erwartet hatte, schloß sie wie Stahlklammern um sein Herz.
? WO!?? brüllte er und packte Legna am Kragen ihres Pullovers und zog ihn wie eine Schlinge zusammen.
Sie schnappte nach Luft
? In....Sicher.....heit....LUFT!?
Maric lockerte seinen Griff. Sie japste.
? Na? Was ist nun?? fragte er und schüttelte sie. Ihr Kopf flog hin und her wie ein Luftballon an einer kurzen Schnurr.. Er war kräftig und hatte alle Hemmungen verloren. Legnas Dasein bedeutete ihm gar nichts. Er würde sie jederzeit töten wenn er seine und Kavies Lage als hoffnungslos entfinden würde.
Legna stieß sich mit aller Kraft von ihm ab und plumpste rittlings auf den Boden.
? Sie liegt im Treppenhaus,? keuchte sie und rieb sich den Hals, an den sich schon rote Striemen bildeten.
Maric stieg über sie hinweg.

***

Kavie rappelte sich hoch und ein ziehender Schmerz krabbelte ihre Wirbelsäule hoch. Sie stöhnte. Senkte den Oberkörper und stütze sich dabei auf ihre Knie.
Nachdem sie das Gefühl hatte, der Schmerz würde nachlassen, richtete sie sich langsam und mit verzerrtem Gesicht wieder auf. Ihre Stirn pochte dumpf. Aus einer lange Platzwunde floß Blut in Ihr Auge. Sie blinzelte, um nicht alles in rot zu sehen.
Sie war desorientiert und drückte sich die Handballen auf die Augen, um den Kopf wieder klar zu kriegen. Die Verbrennungen auf ihrem Dekolleté machten die Sache nicht gerade einfach. Ihre Gedanken kreisten, und immer wieder wollte der Schwindel sie übermannen.
? Nein!? rief sie sich selbst zur Ordnung. ? Sei stark und standhaft.?
Sie zwang ihren geschundenen Körper die Stufen hinauf.
Immer mit einer Hand tastend an der Wand lang.
Sie erklomm die letzte Stufe und fühlte sich wie Reinhold Messmer nach der Ersteigung des Mount Everest.
Oh Gott, dachte sie, ich kann nicht mehr.
Sie konzentrierte sich verbissen auf ihre Tür und setzte sich schwankend in Bewegung.

***

Maric hatte die Tür noch nicht erreicht, als sie sich erst nach innen bog, sich dann zu dehnen schien und schließlich aus den Angeln platzte.
Sie flog mit einem Zischen an ihm vorbei und spaltet den Wohnzimmertisch.
Legna, immer noch am Boden liegend, kreischte und zog die Knie an die Brust, um nicht getroffen zu werden.
Durch aufgewirbeltem Holzstaub betrat der Jäger ohne Hast Kavaries Wohnung.
? Dein Daddy hat Sehnsucht nach dir, du kleiner Judas.? Seine Stimme war rauh und ohne jedes Gefühl.
Maric grinste und senkte seinen Kopf wie ein Wolf, der kurz vor einem Angriff steht. Seine blauen Augen durchbrachen jede Schwelle seiner Heimat, rissen alle Mauern ein und befreiten sich aus dem Sumpf, indem er zu ertrinken drohte.
? Ich hab aber gar kein Heimweh,? flüsterte er und sprang.

***

Nie zuvor hatte der Jäger solchen Widerstand gespürt, nie zuvor so eine Kraft. Diese kleine Schlange sollte sich winden, und nicht beißen.
Aber er griff an, er griff tatsächlich an.
Ohne das der Jäger die Zeit gehabt hätte zu reagieren, schleuderte sich das Schattenwesen mit aller Kraft gegen ihn.
Der Jäger taumelte rückwärts und prallte gegen die Wand hinter ihm. Mit vor Verwunderung geöffnetem Mund verfolgte der Jäger, wie Maric, ohne den Bruchteil einer Sekunde zu zögern, ausholte, um ihn zu schlagen. Ihn zu schlagen, verdammt noch mal!! Er faste es nicht.

***

Legna war in den Flur gekrabbelt und sah Maric über den gestürzten Jäger stehen. Er holte aus und schlug mit einer Gewalt zu, die sie nie für Möglich gehalten hätte. Sie konnte den Aufschlag unter ihren Händen und Knien fühlen.
Dann den nächsten, und den nächsten Schlag. Jeder Hieb erschütterte den Boden.
Der Kopf des Jägers bestätigte die Aussage von Ursache und Wirkung und wurde von einer Seite auf die Andere Geschleudert.
?NEIN!!? brüllte Maric bei jedem Schlag.

***

Kavie hörte Maric brüllen und es schnürte ihr die Kehle zu.
? Maric, oh nein, nein,? dachte sie. Sie schaffte es, ihre Beine ihren Willen zu unterwerfen, damit sie schneller liefen.
Sie wankte um die Ecke und rief seinen Namen.

***

Der Jäger wußte nicht wieso, aber dieser stinkende Sack Scheiße hörte auf ihn zu schlagen und schaute den Flur runter.
Er nutze die Gelegenheit und trat ihn mit aller Wucht in den Bauch. Maric flog zurück und knallte gegen das, was mal ein Türrahmen war, bevor der Jäger die Tür daraus sprengte. Er sackte zusammen und flehte in Gedanken seinen Geist an, wach zu bleiben.
Die Nebel in seinem Kopf zu vertreiben.
Der Jäger rappelte sich auf. Tränen standen in seinen Augen. Nein, nicht wegen des Schmerzes, der seine Lippen und sein Gesicht taub machte. Auch nicht wegen des Blutes, das aus deiner Wange ron.
Sondern wegen seines Stolzes.
Der Stolz, der die kleine Stimme in ihm immer zum Schweigen brachte.
Nie war er so grundlegend verletzt worden.
Nie so erschüttert in seinen Grundfesten.

Er betrachtete das Wesen und seine Augen färbten sich von dem Blut der Jahrhunderte schwarz.
Er war der Jäger, und er würde nicht zur Beute werden.
Er sah das andere Lichterwesen nicht, das blutend im Flur stand und mit seinen Händen Energien sammelte, indem sie ihre Hände wie eine Schale hielt.
Maric sah sie aber, und ein grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus.
Der Jäger war irritiert.
Angst suchte sich einen Platz in seinem Herzen.


Als Legna sah, was Kavie vorhatte, sprang sie auf und schmiß sich durch die Tür. Sie rollte sich geschickt ab und baute sich in gleicher Position wie Kavie einige Schritte neben dem Jäger auf.
Ihre Kraft war um einiges mächtiger, als die von Kavie, und so versuchte sie, ihre Energien wohl zu dosieren. Lichtfluten brachen durch die Wände.
Der Jäger achtet nicht auf sie.
Sein ganzer Zorn galt dem Schattenwesen. Er beugte sich zu ihm und Maric roch seinen Atem.

Jetzt, dachte Kavie

?JETZT!? schrie Legna ihr zu und entließ das Licht, gebündelte Energie aus purem Leben, Liebe und Glaube, geliehen aus den Seelen der Menschen, dessen Macht stärker war, als das Dasein selbst.
Ewiger, als die Zeit und mächtiger als Götter und Dämonen.
Es war das Leben.
Bei Gott und allem,
es war das Leben.

***

Kavie ließ die Kraft aus ihren Händen entweichen und wie ein Geschoß ging es seine Bahn.
Sie verfehlte ihr Ziel diesmal nicht.
Die Energien der beiden vereinigten sich stürzten in den Nacken des Jägers.
Es brannte sich durch seine Haut und entzündete ein Feuer in ihm. Er warf den Kopf in den Nacken und seine Stimme schwoll zu einem Chor aus Wut, Schmerz und Angst an.
Er wirbelte herum, drehte sich und brüllte, während sein Rumpf aufbrach und Feuer aus seinen Eingeweiden an seinem Hals leckte.
Feuer und Licht brach aus seinen Armen und Beinen.
Es leckte über sein Gesicht und die Hitze warf Blasen auf seine Haut.
Sich wie wild drehen und kreischend bohrte er seine Finger in seine Augen als wollte er sich an sein Hirn krallen.
Er bäumte sich, wand sich in dem glühendem Unvermögen seinem Schmerz Einhalt zu gebieten.
Die Erkenntnis zerschnitt den dünnen Faden, der ihn an sich selbst hielt.
Diese Welt hatte ihn verletzlich und schwach gemacht.

***

Maric konnte mit stummen Entsetzten sehen, wie der Jäger sein Gesicht aufriß und das brodelnde Fleisch in Lappen von seinen Wangen zog.
Er konnte es riechen!
Sein Körper stieg wirbelnd auf, um dann an der Decke des Flurs zu ruhen.
Flammen züngelten aus seinem Rumpf und schwarzer Rauch färbte das Weiß der Decke in dreckigem Grau.
Fleischige, beinahe wohlriechende Brocken lösten sich von seinem Körper und fielen mit einem schmatzendem Geräusch zu Boden.
Zusammenhangslos registrierte Maric, das er Hunger hatte.
Er krallte sich an der Decke und sein Schreie war nunmehr ein Wimmern.
Dann wurde Maric von Legna gepackt und in die Wohnung gezerrt.
? Hey...ich will das sehn,? protestierte er unbewußt.
Kavie kam direkt hinter ihnen in die Wohnung. Sie kauerte sich zusammen mit Legna und Maric in eine Ecke und presste sich die Hände vor die Ohren. Legna tat das selbe.
Maric stutze.
Aber es dauerte nicht lange, bis er verstand.
Aus dem Flur war ein donnernder Knall zu hören, der das Gebäude erschütterte.
Der Boden wankte. Gläser fielen aus den Regalen und Bilder von den Wänden.
Ein Sturm aus gleißendem Licht jagte durch die Tür und zog in seinem Schatten die Stühle, Reste des Tisches und die Tür mit sich.
Er bohrte sich durch die Hauswand und Kavie hatte jetzt einen wundervollen Ausblick auf den hinter dem Haus liegendem Busbahnhof.
Die Tür hörte er Sekunden Später auf der Straße aufschlagen.
Dann war es still.
Bis auf das klingeln in seinen Ohren hörte er nichts mehr.
Maric suchte nach Kavies Hand und küßte sie.



Lutz war nicht begeistert von den Ereignissen. Man mußte wohl sagen, das er enttäuscht war.
Er drückte den Knopf auf der Gegensprechanlage.
? Streichen sie Maric von der Lieferliste,? sagte er knapp.
? Möchten Sie noch weitere Maßnahmen ergreifen?? fragte die Stimme am andern Ende.
Lutz überlegte.
Dann lachte er.
? Nein, lassen wir es gut sein. Ich hab ja nun nicht unbegrenzt Personal.?
Er dachte noch einen Moment nach.
? Gehen Sie doch mal die Liste der Neuzugänge durch, ich brache einen neuen Mitarbeiter für den Bezirk.?
Dann ließ er sich auf seinem gemütlichen Lederstuhl fallen und legte die Füße auf den Schreibtisch.
Und wieder ein Kind aus dem Haus, dachte er und lächelte versonnen. Sie werden ja so schnell erwachsen.


Legna verabschiedete sich weinend.
Sie war nicht nur traurig, weil sie Kavie ins Herz geschlossen hatte, sonder auch, weil sie diese Welt nun verlassen mußte.
? Wein doch nicht,? sagte Kavie und pulte in ihrer verdreckten Jeans nach einem Taschentuch. ? Du kannst uns ja besuchen.?
Menschenmengen hatten sich vor dem Haus versammelt und schauten wie ein Mann nach oben. Vor irgendwo hörte sie Feuerwehr und Polizeisirenen.
Legna nickte und wischte sich die Tränen von den Wangen.
Maric stupste sie an und sein Mund verzog sich zu einem breitem Grinsen.
? Wenn du uns besuchen kommst, komm besser zu mir. Ich glaub, Kavie fliegt hier raus.?
Legna sah hoch zu dem riesigem Loch in der Hauswand, dann auf die Straße, wo die Tür lag.
Ein paar Kinder standen darauf und wippten lachend.
Unbekümmert schaukelten sie auf dem verbranntem Holz auf und nieder.
Ihre Stimmen klangen glockenklar und hell.
Diese Welt ist das Wunder, auf das die Menschen warten, dachte sie und betrachtete die Menschen um sie herum.
Wahrlich, dies ist das Wunder.
 
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Kommentare  

Tolle Geschichte!!! Ich finde die Idee, wie die Seelen verteilt werden, echt raffiniert. Ich schließe mich Becci an und freu mich auf den nächsten Teil. 5 Punkte.

Meteveli (19.07.2003)

echt klasse story! das ist erst teil 1? auja es geht weiter *freu* ;o)
Lieben Gruß


*Becci* (08.11.2002)

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