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3 Seiten

Tränenberührung

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Er schläft schon lange. Vor einem halben Jahr, war er mit seinem neuen Motorrad in ein Stauende gerast. Meterweit flog er durch die Luft und sein Helm zerbrach. Fast wäre er gestorben, aber man stabilisierte ihn und nun liegt er im Koma.

Es ist ein großer weißer Raum und allein Tims Bett steht darin. Die Gardinen sind zugezogen und der Fernseher gegenüber aus. An der Seite seines Bettes laufen mehrere Schläuche entlang. Einer pumpt Nahrung in ihn hinein, ein anderer Medizin und dann gibt es da noch eine Schlauch der Tims Fäkalien in einem durchsichtigen Beutel leitet.

Jeden Morgen geht die Tür auf, eine behäbige Krankenschwester tritt herein, kontrolliert die Schläuche und wischt mit einem kalten Waschlappen über Tims Gesicht. Am Wochenende folgt dann der Rest. Manchmal schauen auch irgendwelche Ärzte in das Zimmer, diskutieren wild, schauen auf die technischen Instrumente und schwupp sind sie wieder weg. Tim liegt nur da. Ab und zu sieht es so aus, als wenn er blinzelt, aber er tut es nicht, kann es nicht.
Seine Freundin leidet sehr. Sie heißt Christine und war damals gerade in der Schule, als der Unfall passierte. Tim wollte sie abholen und dann gemeinsam mit ihr zu einem seiner Handballspiele fahren. Eine Stunde wartete Christine vor der Schule. Zuerst war sie verwirrt, dann zornig und am Ende machte sie sich einfach nur noch Sorgen. Hunderte Male versuchte sie ihn auf seinem Handy zu erreichen, aber es war aus, zerstört, aber das konnte sie ja noch nicht wissen. Also fuhr sie, mit einer gewaltigen Unruhe im Leib, nach Hause und versuchte weiter ihn an sein Handy zu bekommen. Erst am Abend kam sie auf die Idee zu Hause bei seinen Eltern anzurufen.

Die Nachricht traf ihr Herz mit einem gewaltigen Schwerthieb. Sofort fuhr sie in das Krankenhaus in das er gebracht wurde. Er lag auf der Intensivstation, irgendwo zwischen Kabeln und Ärzten, die um sein Leben kämpften.
Christine blieb nichts anderes übrig als Tim, getrennt von einer Glasscheibe aus der Ferne zu beobachten. Die Gesichter der Ärzte verrieten ihr, dass es nicht gut um ihn stand und auch die vielen Geräte, die an ihn angeschlossen waren, versprachen nichts gutes. Sie zitterte am ganzen Leib. Ihre Wangen waren nass und ihre Augen rot, von ihren Tränen. Christine faltete die Hände und betete. Noch nie hatte sie das getan, aber instinktiv steckte sie alle Kraft in ihr Gebet und bat Gott so um eine neue Chance für Tim. Irgendwie wurde das erhört denn als sie fertig war, legte sich eine Hand in weißem Gummi auf ihre Schulter und man teilte ihr mit, dass Tim erst einmal über „den Berg“ wäre. An sich schön, aber das „erst mal“ störte sie. Der Arzt erklärte ihr, dass er nun im Koma liegt und das Tim in zwei Wochen, zwei Jahren oder nie aufwachen würde. Christine brach zusammen.
Heute kommt sie fast jeden Tag und irgendwie weiß sie, dass Tim noch immer alles wahrnimmt. Sie ist sich sicher, er fühlte es, wenn sie seine Hand hält und er hört ihrer warmen Stimme zu, die ihm berichtete was sie an diesem Tag erlebte. Sie hat sich belesen. Hat Berichte von Menschen gelesen, die im Koma lagen und zurückkehrten. Es war bei allen das Selbe. Immer gab es da einen Schlüssel der den Komapatienten die Kraft gab aufzuwachen. Bei dem einen konnte es der Geruch der Lieblingsspeise sein und bei einem anderen das Vorlesen eines geliebten Märchens. Christine hat dem halben Jahr alles versucht. Hat Videos mit Handballspielen abgespielt, ihn versucht wach zuküssen und Freunde, sogar eine Ex-Freundin in das kleine Krankenzimmer gelockt. Alles umsonst. Tim bewegte sich nicht und auch das Atmen änderte sich in keinster Weise. Also gab Christine mit ihren Versuchen auf und hoffe auf ein spontanes und alleiniges erwachen von Tim. Sie hofft immer noch. An einem Mittwoch besuchte sie ihn wieder. Sie zieht die Vorhänge auf, stellt neue Blumen in die Vase, gibt Tim einen Kuss und setzt sich neben das Bett. Langsam schiebt ihre Hand unter seine und streichelt mit ihrem Daumen über seinen Handrücken. Manchmal drückt sie seine Hand ein wenig. Leise fängt sie an von ihrem Tag zu erzählen. Sie erzählt von ihrer Ausbildung und davon was sie gestern mit ihren Eltern am Telefon besprochen hat. Dann auf einmal verstummt sie, löst die Hand von der seinen und greift in ihren Rucksack neben sich. Sie lächelt dabei ein weinig und legt eine kleines Kärtchen auf das Bett. „Wir sind jetzt 2 Jahre zusammen Schatz. Heute ist unser Jahrestag. Das möchte ich Dir schenken“ sagt sie sanft, nimmt einen Ring aus dem Kästchen und steckt ihn an den Ringfinger seiner Hand. Christine versucht nicht zu weinen, die Augen brennen und sie nimmt seine Hand und küsst sie. Sie schaut ihn an, hat seine Hand jetzt in beiden Händen und kann ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Langsam rollen sie an ihrem Gesicht entlang, bis zu den Lippen und tropfen von dort aus auf Tims Hand. Christine presst sie an sich, legt ihren Kopf auf seinen Bauch und weint. Als sie wieder den Kopf hebt, schaut sie in Tims geöffnete Augen. Sie kann es nicht fassen. Mühsam formen seine Lippen Worte „Ja ich will“.
 
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Kommentare  

hab die 3p. vergessen, hol ich hiermit nach

NW (15.03.2003)

INTERESSANT ABER LEIDER ZU KURZ.
DIE GEDANKEN DES KOMAPATIENTEN BIS ZU SEINEM AUFWACHEN ZU ERFAHREN WÄRE NICHT SCHLECHT GEWESEN. 3 P.


NewWolz (15.03.2003)

ui verpeilt vergessen punkte zu geben

blue (13.03.2003)

seeeeeeehr sehr gut geschrieben.
man kann sich richtig in die protagonistin hineinversetzten. wenn ich ich nicht in der schule wäre, würde ich weinen
5 points


blue (13.03.2003)

ach... *snief und zum taschentuch greife*... manchmal ist sowas richtig kitschigschnulziges doch schön... von mir gibt jedenfalls vier punkte dafür *snüff*

*Becci* (12.03.2003)

Äußerst rührend, deine kleine Story. Klassisches
Drama um Glaube, Liebe, Hoffnung, und der Leser
schluckt angesichts solch tapferer und
ungebrochener Liebe und greift sogleich zum
Taschentuch, um alsbald die drängenden Tränen zu
trocknen... aber dann dieses Hollywood Happyend,
uff. Sozusagen direkt vom Koma in die Traufe...

Mir persönlich hätte das Erwachen des Opfers, gern
auch untermalt mit einem tiefen Blick voller Liebe
und Wiedererkennen und möglicherweise noch
garniert mit einem leisen Seufzen (oder auch
schwachen Lächeln) vollkommen ausgereicht.


Trainspotterin (12.03.2003)

einfühlsam, doch das Happy End... finde ich zu kitschig, sorry.

Teleny (12.03.2003)

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