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6 Seiten

DENN DER TOD IST IMMER UNTERWEGS

Romane/Serien · Amüsantes/Satirisches
Der hochgewachsene und grauhaarige Mann saß dem mittelgroßen und schwarzhaarigen Fremden immer noch etwas verwirrt gegenüber.
„Beruhigen Sie sich doch bitte, Professor“, beschwichtigte ihn der Fremde freundlich.
Professor Winter starrte den Mann eindringlich an und konnte keine Falschheit in den Augen oder in der Stimme seines Gegenübers feststellen.
„Sind Sie tatsächlich der ... TOD?“
Der Fremde nickte als Antwort.
„Ja, gewiß doch, Professor oder habe ich ihnen das nicht bereits bewiesen?“
Der Angesprochene schluckte.
„Doch, doch, aber eigentlich habe ich Sie mir ganz anders vorgestellt“
Der TOD nickte und grinste dabei scherzhaft.
„Ja, ich weiß. Mit bleichen Totenschädel, Kutte und riesiger Sense. Das dachten und sagten die meisten Menschen, die mir begegneten und waren manchmal doch sehr positiv überrascht oder vielleicht auch ein bißchen enttäuscht. Wer weiß das bei euch Menschen schon genau zu sagen. Aber um sie ein bißchen zu beruhigen, Professor, ich kann jede beliebige Gestalt annehmen, die ich will. Das vereinfacht meine Arbeit.“
„Aha“, antwortete der Professor. „Aber warum ... warum kommen Sie gerade zu mir. Ist meine Zeit denn schon abgelaufen?“
Der TOD schüttelte mit dem Kopf und lächelte dabei.
„Aber nein, Professor“, beruhigte der TOD den Mann. „Bevor sie in die Ewigkeit eingehen, haben Sie noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.“
Der Professor stutzte.
„Ich weiß nicht was Sie meinen.“
„Haben sie nicht einen langjährigen Wunsch, Professor, den Sie sich schon so lange schon erfüllen wollten?“
Der TOD sah Professor Winter eindringlich an.
„Was ... was meinen Sie denn?“
„Aber, aber Professor. Ich meine ihr geplantes Buch. Oder haben Sie das schon vergessen?“
„Nein, wie sollte ich. Aber habe ich denn noch genug Zeit, um mein Werk zu beginnen geschweige denn zu vollenden?“
Der TOD schwieg für einen Augenblick und machte ein ernstes Gesicht, als würde er angestrengt über etwas nachdenken. Dann fuhr er plötzlich fort: „Warten Sie mal. Sie heißen Professor Ernst Erich Winter. Geboren am 21.04. 1938 in Dresden ....“
„Richtig“, meinte der Professor schließlich nach einiger Zeit, nachdem der TOD sein Leben wie eine Art Akte heruntergerasselt hatte.
„Also“, sprach der TOD weiter, „wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht und das hat es in all den Jahrtausenden nicht ein einziges mal, so hätte sie noch 17 Jahre zu leben.“
„17 Jahre?“
Professor erhob sich ungläubig aus seinem Sessel, atmete dabei hörbar ein und aus und suchte förmlich nach Worten. Der TOD grinste unterdessen, als würde ihn die Situation sichtlich amüsieren.
„Setzen Sie sich erst einmal wieder hin und beruhigen Sie sich, Erich. Ich darf Sie doch Erich nennen?“, fragte ihn der TOD höflich. „Ich hasse nämlich diese ewigenFörmlichkeiten.“
Der Professor nickte nur.
„17 Jahre“, murmelte er. „Aber wo oder wie ...?“
Winter griff nervös nach Pfeife vor ihm auf den Tisch, stopfte sie langsam, entzündete schließlich den Tabak und rauchte genüßlich.
„Was wolltest du fragen, Erich?“
„Woher wissen Sie das alles.“
„Kennst du das BUCH DES LEBENS, Erich?“
„Nein.“
„Hast du noch nie etwas von der Palmblattbibliothek gehört?“
„Doch schon, aber ...“
„Du hast recht, Erich. Das BUCH DES LEBENS ist natürlich nicht identisch mit der Palmblattbibliothek, aber so ähnlich kannst du es dir vorstellen.“
„Können Sie ...“
„Du kannst mich ruhig duzen, Erich.“
Winter nickte.
„Gut, kannst du meine Gedanken lesen?“
Der TOD nickte.
„Aber natürlich, Erich. Eine weitere Fähigkeit, die sehr hilfreich sein kann. Wie viele andere, die ich mir in den Jahrtausenden erworben habe.“

*

Draußen vor dem Haus des Professors lauerte die Gefahr in Form eines weiteren Fremden. Ernst Erich Winter mußte sterben. Das war der Auftrag des Neuankömmlings. Und bis jetzt hatte der Killer noch jedes seiner sogenannten Geschäfte mehr als zufriedenstellend für seine Auftraggeber oder Kunden, wie er sie nannte, erfüllt.
Der große, etwas unscheinbar wirkende Mann grinste. Er pfiff leise ein Lied vor sich her, als Vorfreude auf seine Arbeit, die ihm von Mord zu Mord immer mehr Spaß machte.
Ein wohliger Schauer erfüllte seinen ganzen Körper, als er an das bevorstehende Vergnügen dachte. Der Professor würde mit Sicherheit keine Schwierigkeiten machten. Was sollte diese alte Trottel schon gegen ihn ausrichten können. Es würde eine schnelle und saubere Arbeit werden und niemand würde ihn dabei stören.
Mit einem nachgemachten Hausschlüssel, den er von seinem Auftraggeber erhalten hatte, betrat der Killer lautlos das Haus und schlich langsam die Treppe hinauf.

*

Der Professor sah den TOD fragend an.
„Also gut, TOD oder wie soll ich dich sonst nennen?“
„Nenne mich einfach Franz.“
„Franz?
Der TOD nickte
„Ja, der Name hat mir schon im Mittelalter sehr gut gefallen.“
„Also gut, äh ... Franz. Was willst du von mir?“
Der TOD lächelte.
„Was ich von dir will? Ich will mich mit dir einfach nur unterhalten. Ab und zu braucht selbst der TOD etwas Gesellschaft. In all den Jahrtausenden und Jahrhunderten bin ich nicht sehr oft zur Ruhe gekommen, Erich, daß kannst du dir sicherlich vorstellen. Kriege, Seuchen, Krankheiten, Mord, Unfälle und dergleichen ließen mir einfach keine Zeit ...“

*

Der Killer erreichte lautlos die Tür zum Arbeitszimmer. Plötzlich stutzte der Killer. Er hörte Stimmen. Abrupt blieb er stehen und lauschte. Der Professor war also nicht allein. Ein Grinsen machte sich auf dem Gesicht des Killers breit.
‘Einer mehr oder weniger macht den Kohl auch den Fett’, dachte er. Die zweite Person würde auch keine Schwierigkeiten machen. Mit einer langjährig eingeübten Handbewegung überprüfte er seine Pistole und entsicherte sie anschließend.
Dann schlich er weiter und näherte sich unaufhörlich der Tür, hinter der sich seine beiden anscheinend ahnungslosen Opfer aufhielten.

*
Plötzlich richtete sich Franz, der TOD, auf und starrte wir gebannt auf die verschlossene Tür des Arbeitszimmers.
„Was ist denn?“, fragte ihn der Professor überrascht.
„Tue so, als würdest du dich mit jemanden unterhalten, Erich“, erwiderte der TOD.
Der Professor sah ihn ungläubig an.
„Tue, was ich dir sage, wenn dir dein Leben lieb ist!“
Der TOD ging mit geschmeidigen Schritte lautlos zur Tür und horchte. Ein Zischen kam über seine Lippen, als er die Gegenwart einer fremden Person spürte, der nichts Gutes im Sinn hatte und riß blitzschnell die Tür auf.

*

Für den Killer völlig unerwartet, öffnete sich plötzlich vor ihm die Tür. Der Mann erstarrte, handelte aber ohne zu überlegen. Er hob seine Waffe und drückte zweimal den Abzug. Beide Kugeln trafen den Mann vor ihm in die Brust, schleuderten ihn rückwärts ins Zimmer, wo er bewegungslos zu Boden fiel.
Dann trat der Killer über die Schwell des Zimmers, die Waffe immer noch in Anschlag haltend. Sein am Boden liegendes Opfer rührte sich nicht mehr. Der Mörder lächelte.
Erledigt, dachte er und ging langsam zu den starr dasitzenden Professor, der vor Angst keinen einzigen Muskel bewegen konnte.
„Guten Tag, Herr Professor“, begrüßte er sein Opfer mit einem bitterbösen Grinsen auf den Lippen. „Ich soll ihnen viele Grüße von Michael bestellen!“
Bei diesen Worten richtete der Killer langsam die Pistole auf sein wehrloses Opfer und aalte sich dabei in dessen Ängsten.
Eine Welle Adrenalin schoß plötzlich durch den Körper des Professors. Mit einem Male konnte er sich auch wieder bewegen. Unerwartet für den Killer sprang der Professor auf, warf dem Mann ein Kissen ins Gesicht und trat ihn gegen das Schienbein.
„Du, Hund“, stieß der Mörder hervor und stürzte sich auf Winter. Ein Schlag mit der Pistole schleuderte dem Professor zu Boden.
„Jetzt wirst du noch einige Minuten länger leiden, du alter Trottel, das verspreche ich dir!“, schrie der Killer sein Opver an.
Doch der gekaufte Mörder kam nicht mehr dazu seine Worte in die Tat umzusetzen. Lautlos und von ihm unbemerkt schlang sich von hinten ein muskulöser Arm um seinen Hals und drückte erbarmungslos zu.
Wie wild versuchte sich der Killer von dem eisernen Griff zu befreien, doch immer fester wurde ihm seine Kehle zugeschnürt. Schließlich erschlaffte sein Körper und der Killer in der tödlichen Umklammerung.

*

Professor Ernst Erich Winter schaute angeekelt in das Gesicht des Killers, der wieder bei Bewußtsein war. Dieser hatte sich inzwischen in sein Schicksal ergeben nicht wieder lebend aus dem Haus des Professor zu gelangen, denn er schaute in die Mündung seiner eigenen Waffe, die auf ihn gerichtet war.
Der Professor war kurz davor abzudrücken, aber eine innere Stimme schien ihn davon abzuhalten den Abzug zu betätigen.
„Tut mir leid, Erich, aber auch dieses Stück Dreck hat ein Recht zu leben. Außerdem ist seine Zeit noch nicht gekommen. Ich muß dich daher bitten ...“
Der TOD sah den Professor einige Sekunden lang eindringlich an. Schließlich nickte Winter, senkte langsam die Pistole und legte sie auf den Tisch. Dann wandte sich der TOD dem Killer zu. Dieser schrie entsetzt auf, als er in die Skelettfratze des Todes blickte. Der TOD lächelte den Killer unterdessen mitleidslos an.
„Na, na, wer wird sich denn gleich in die Hose machen. Du darfst unbehelligt gehen. Nur“, sagte der TOD grinsend „deine Arbeit kannst du leider nicht mehr zuende führen. Gehe am besten in Rente, mein Freund. Sonst holt dich der TOD!“
Der Killer wollte noch etwas erwidern, aber die toten Augen der Skelettfratze ließen ihn verstummen. Einige Minuten später verließ ein ängstlich und eingeschüchtert wirkender und sichtlich geschockter Mann das Haus des Professors und verstand die Welt nicht mehr.

*

Der TOD schaute Professor Ernst Erich Winter an. „Gesetz ist Gesetz! Auch ich muß mich an die Regeln halten. Seine Zeit war noch nicht abgelaufen. So stand es im BUCH DES LEBENS!“
Der Professor sah den TOD enttäuscht an, sagte aber kein Wort.
Franz, der TOD, betrachtete unterdessen die Waffe des Killers, die er vom Tisch aufgehoben hatte.
„Was die Menschen in all den Jahrtausenden nicht alles erfunden haben um ihresgleichen zu töten ist schon ziemlich verrückt, findest du nicht auch Erich?“
Der Professor nickte und sagte immer noch kein Wort.
„Und es wird noch schlimmer werden!“, sagte der TOD in prophetisch.

*

Der Killer hatte es geschafft. Er war dem Knochengesicht entkommen. War es Traum oder Wirklichkeit gewesen?
Der abgebrühte Mörder merkte wie ihn der Schweiß die Stirn hinunterlief, als er an die Knochenfratze dachte.
Er spürte, daß er sich noch nicht in Sicherheit befand. Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Polizeiwagen auf. Der Killer handelte blitzschnell und huschte in eine Seitenstraße. Als der Wafen an ihm vorbeifuhr, sah er sich noch mehrmals um und lief schließlich zur gegenüberliegenden Seite, um dort das Lokal zu betreten.
Doch der Killer hatte sich verschätzt. Plötzlich öffnete sich die Eingangstür und drei Polizisten betraten sich unterhaltend die Straße, den Killer nicht beachtend, der plötzlich wie angewurzelt vor ihnen stehen blieb. Die Polizisten schauten den ängstlich wirkenden Mann überrascht an. Plötzlcih schrie der Killer auf als sich das Gesicht eines der Polizisten in eine Kochenfratze verwandelte und ihn hämisch angrinste.
„Deine Zeit ist abgelaufen, Peter“, murmelte das Knochengesicht.
Der Killer verlor nun endgültig die Beherrschung, zog seine versteckte Zweifwaffe und eröffnete augenblicklich das Feuer auf die verdutzten Beamten.

*

Der Killer hetzte durch die Straßen. Hinter ihm hörte er die Stimmen der Polizisten, die ihn verfolgten. Sirenen heulten. Er wußte, daß seine Chancen gleich Null waren und trotzdem setzte er alles auf eine Karte. Und noch einmal entkam er seinen Verfolgern.
Der Killer lief als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Doch plötzlich blieb er Mann wie angewurzelt stehen. Vor ihm tauchte ein Polizist wie aus dem Nichts auf. Der Mörder heulte auf, als er den Beamten erkannte, den er vor dem Lokal erschossen hatte.
„Das ist doch nicht möglich!“, schrie er hysterisch auf.
Der Polizist glotzte ihn jedoch teilnahmslos an. Plötzlich löste sich das Gesicht des Beamten vor seinen augen auf und verwandelte sich in eine Skelettfratze.
„Nein ... nein, nicht du schon wieder!“
Das Skelettgesicht grinste den Killer gefühllos an.
„Herzliche Grüße von Professor Ernst Erich Winter“, sagte das Wesen, zog die Waffen aus seinem Halfter und zielte auf den Killer.
„Wir sehen uns in der Hölle wieder“, sagte die Horrorfratze und drückte ab.

*

Als die Polizisten den Körper des Killers auf der Straße endeckten, war dieser schon seit einigen Minuten tot. Die Beamten riegelten augenblicklich den Ort des Verbrechens ab und verscheuchten Schaulustige. Etwa eine halbe Stunde später untersuchte der ankommende Polizeiarzt die Leiche des Mannes eingehend.
„Genickbruch“, stellte der Mediziner schließlich trocken fest.

*

Während der Killer starb unterhielt sich der TOD noch mehrere Stunden mit dem Professor und verließ keine einziges Mal den Raum. Schließlich verabschiedete er sich herzlichst von dem alten Mann, froh zu sein, endlich mal wieder mit jemanden geredet zu haben.
„Wir sehen uns in 27 Jahren wieder, Erich. Nutze die Zeit sinnvoll, den der TOD kommt nur zweimal!“
„Das werde ich, Franz“, erwiderte Winter lächelnd und schloß hinter dem TOD die Tür, mit sich und der Welt sichtlich zufrieden.

1994 by Ingo Löchel

 
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Kommentare  

Sehr gut!!!

Margaretha (28.09.2009)

Hallo Ingo,
ich schließe mich den anderen "Mitlesern" an.
Nur die Differenz der Jahre stört ein bisschen...
Ansonsten 5 Punkte


Siegi (24.06.2003)

Mir ist auch aufgefallen, dass du zuerst 17 Jahre und dann 27 geschrieben hast. Ansonsten aber Klasse!

Metevelis (16.02.2003)

Diese story gefiel mir besonders, durch die klasse darstellung des "TOD"... des weiteren siehe auch mein comment zu RAVENSTONE :)

*Becci* (08.01.2003)

Mir gefällt die Geschichte echt spitzenmäßig, aber eine Frage 17 oder 27 Jahre? Oder ist das Absicht?
Weiter so, du kannst gut schreiben.


Franziska (16.07.2001)

Gefällt mir sehr gut.Auch die parallelen Geschehnisse! Weiter so

esmias (29.05.2001)

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