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Mutter, Rockstars und Aale

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
„Die Bibel schrieb ein Außerirdischer“ teilte mir meine Mutter heute mit. Ich war sie gerade besuchen und muss sagen, dass sich ihre Thesen verbessert haben. Als ich noch klein und meine Mutter jünger war, wies sie mich stets auf die Ähnlichkeit zwischen Raketen und Kirchtürmen hin. Sie meinte damals schon, dass Außerirdische auf der Erde gelandet waren, als Götter verehrt wurden und die Menschen deswegen die Kirchen in Form von Raketen gebaut haben.
Sie meint auch, dass wir Menschen wären, die eigentlich Außerirdische sind und wegen irgendeiner Scheiße im Exil leben müssen. Vertriebene.
Ansonsten gab es nichts neues. Die lesbische Freundin Sandra trennt sich von ihrer Freundin, der Betrieb in dem meine Mutter arbeitet soll verkauft werden (meine Mutter sagte für 12 Milliarden, meinte aber sicher Millionen, weil ganz Schwerin nicht soviel wert ist) und Geld regiert die Welt.
Meine Mutter beschäftigt sich seit einiger Zeit viel mit Politik. Liest irgendwelche Prognosebücher führender Wirtschaftsleute und münzt dann alles auf ihr eigenes Leben um. Bevor man am Küchentisch sitzt, man sitzt immer in der Küche, wird man schon mit Thema Rente oder etwas anderem vollgeballert. Da kommt man gar nicht zum reden. Völlig ereifert sie sich, wie ungerecht doch alles ist und das schlimme ist, das sie recht hat. Nur klar macht man sich das nie. Man verdrängt das selbstschutztechnisch und lebt lieber ungestört so dahin. Meine Mutter ist da anders. Demokratie gibt es für sie nicht, Michael Schuhmacher bekommt zuviel Geld und alles wird schlimmer, schlimmer und noch viel schlimmer. Man wird halt mit der Wahrheit konfrontiert und die will ich gar nicht hören. Die kann ich mir auch mit 30 Jahren hervorholen.
Der Freund meiner Mutter, ach Quatsch der Mann, haben ja geheiratet, ist von gleicher Fasson. Er mag keine Beamten, weil die nicht arbeiten und geht einer über den Rasen wird der ganz sicher von Volker zusammengeschissen. Niemals würde er den Mund halten, wenn Unrecht geschieht, niemals weglaufen, wenn es Ärger gibt. Angst hat er nur vor Hunden und vorm Zahnarzt. Eine gute Partie für meine Mutter und auch für mich als männlicher Elternteil.

Dann war ich auch noch in Bremen. Gestern bin ich zurückgekommen. Eigentlich wollte ich mit Freundin und Freund am Sonntag nur mal kurz für 2 Stunden auf den Freimarkt, weil ischa Freimarkt, aber irgendwie wurden dann 4 Tage draus. Ich liebe so ne spontane Scheiße. Wir riefen alle unsere Arbeitgeber an, meldeten uns krank und nahmen uns ein Hotel.
Das erste Hotel hieß Hanseatic. Das Zimmer mutierte uns um in Rockstars. Danilo, mein schwuler Freund, kaufte sich 2 Flaschen Glühwein, befleckte die ganze Einrichtung, meine Freundin spuckte ständig auf den Boden und ich urinierte an die Gardine. Aus der Hotelbar tranken wir den Whiskey leer und füllten die Flaschen dann mit Cola auf. Wir waren mehr als laut und sauten für die Putze alles schön ein. Die muss ja auch Arbeit haben, denn wo nichts zu tun ist, nichts dreckig ist, leben Putzen nicht lange. Ich schrieb gerade erstes Hotel und muss sagen, dass wir drei verschiedene Hotels hatten. Das lag daran, das wir jeden Tag aufs neue losfahren wollten, aber dann am Bahnhof standen und uns sagten; „Ach eine Nacht ist nun auch egal“. Dann rief jeder noch einmal auf Arbeit an und das nächste Hotel wurde gesucht. Wäre auch blöd gewesen noch einmal ins selbe Hotel zu gehen, denn da hatten wir ja alles so dreckig gemacht.
Das zweite Hotel hieß Ibis. Da gab man uns ganz oben ein Dreierzimmer. War auch ganz nett, aber irgendwie merkten wir bald, dass die Heizung nicht ging. Es war bitterkalt. Ich runter zur Rezeptionsusche aber die sagte nur, ich solle warten. Am nächsten Tag, wir wollten wieder abreisen, war die Heizung immer noch kalt und wir fast erfroren. Die Geschäftsleiterin wollte uns dann mit einem „Der Techniker kommt morgen“ abspeisen, aber ich konnte noch 15 Euro rausschlagen. 15 von 130. Super. Dafür hab ich da aber gegen den Schrank gepisst, Danilo hat die Lampe zertrümmert und unter die Matratze steckten wir einen Räucheraal, den wir zwei Tage vorher auf dem Ischa Freimarkt gewonnen hatten, aber dazu nachher mehr. Als wir dann gingen, meinte ich noch, dass in Polen die Jugendherbergen besser aussehen würden. Das erzeugte einen bösen Blick, den nicht einmal ein türkischer Talisman hätte ableiten können. Sicher wird dieser Blick nun in meinen Träumen geistern
Ach und im letzten Hotel kam erst gar keine Rockstarstimmung auf. Das war alles total spießig da. Das Frühstück war unessbar, die Bedienung unärgstenfeindwünschbar und das Bett war viel, viel zu weich. Hab sogar vergessen meine Blase im Zimmer zu entleeren und das bedeutet schon was.

Somit sind die Hotels abgehandelt und ich kann zum Aal übergehen. Auf dem Freimarkt gab es unzählige Buden. Zum Beispiel konnte man an einem Stand mit einem mechanischen Gerät Frösche in Blumentöpfe werfen. Eine Frau krakeelte ständig „Everrrrrbuddies, Freunde hallo, hallo“ und bot ein Kamelrennen an. Und dann eben war da noch ein kleines Büdchen mit einem Lautsprecher. Aus dem kam ständig eine monströse Stimme: „Aaaaleee, Aaale machen sie mit bei der verrückten Aalwürfelei“. Würfelte man mit drei Würfeln eine vorgegebene Zahl, bekam man einen Aal.

Hui ich dachte das wird ein lustigerer Textabschnitt aber nun steh ich da und sehe, dass es nur so hingerotzt ist. Förmlich hingepisst, als wenn ich in einem Rockstarhotel wäre. Sind sicherlich Nachwehen dieser anstrengenden Woche.

Hab mir gerade Kartoffelsuppe gemacht. Ein wahrer Leckerbissen. In Bremen haben wir uns ja nur von McDonalds und Jahrmarktbuden ernährt. Ein Leckerbissen ist auch die CD die ich gerade höre. Rio Reiser Live in der Seelenbinder Halle 1988. Sehr schöne Scheiße.
Meine Freundin guckt nebenan Popstars oder so. Vielleicht spielt sie auch Play Station. Sie hat so ein neues Spiel von diesem Sponge Bob. Dieser Schwamm der auf SuperRTL in einer Trickfilmserie wohnt. Der lebt unter Wasser und hat einen Seestern zum Freund. Finde irgendwie, dass das gar keine Serie für Kinder ist, weil da ständig brutale Sachen zu sehen sind, aber Pokemon is ja noch schlimmer, also halt ich die Schnut.

Gerade hab ich Lust die Gedanken meiner Mutter einmal auszuweiten. Was ist, wenn die Bibel wirklich von einem Außerirdischen geschrieben/diktiert wurde? Wozu hat er das gemacht? Als Gesetz? Und wer ist Jesus in dem ganzen KuddelMuddel? Auch ein Außerirdischer? Würde ja hinkommen. Die drei Weisen und der Stern. Der Stern ein Ufo und die Weisen Priester, Sprachrohre der Aliens. Doch die grünen oder grauen Nichtmenschen müssten schon mitbekommen haben, dass ihre Gesetze durch Geldgier und so Hokuspokus abgelöst wurden. Kommen die wieder und zeigen wo der Hammer hängt? Und wen, wo hängt der Hammer und wie doll schlägt er zu? Sind sie schon auf dem Weg? Schon da?
Apropos Geld, meine Mutter sagte einen schlauen Spruch, ich glaube der ist von Kant: „Was Gott von Geld hält, sieht man daran, welchen Menschen er es gibt“. So oder so ähnlich ging der.
Aber nicht nur meine Mutter hat die Sprüche gepachtet. Auch ich hab da welche in Petto:

Borge stets von einem Pessimisten. Er rechnet nicht damit, daß er das
Geld wiederbekommt.

Ich glaub der ist von Miller.

In der einen Hälfte unseres Lebens opfern wir die Gesundheit, um Geld zu
erwerben; in der anderen opfern wir Geld, um die Gesundheit
wiederzuerlangen.

Voltaire

Wenn's um Geld geht ... Sparkasse.

Ähh Sparkasse J

Ich liebe so kleine Zitate, Aphorismen und Sprüche. Hinten in der PM kann man auch immer leckere Textchen finden. Schade das man sich nicht alle merken kann.
So könnte man dann spontan immer was rausknallen.

Beim Einchecken in ein Hotel zum Beispiel:
„Wenn das Hotel voll ist, kommt der Tod.“

Auf den Freimarkt beim Aalstand:
„Wer den Aal hält beim Schwanz, hat ihn weder halb noch ganz.“

Aber einmal gelesen, vergisst man schon alles. Nur vage weiß ich an einem Freitag noch, was ich an einem Montag gelesen habe. Da vergisst man schnell, dass das Brandenburger Tor in die Luft gesprengt wurde. Ach davon wissen sie nichts? Glauben sie mir ruhig, dass müssen sie vergessen haben. Da in Berlin steht doch nun diese Wurstbude, die nirgendwo anders stehen durfte. Die, in Berlin lösen Probleme schnell.
Können sie sich auch noch an die Zeitungsmeldung erinnern, dass Hitler in einem Keller in Bobitz gefunden wurde? Da war doch auch noch ein Foto mit bei. Toter Hitler zusammengekrümmt hinter versteinerten Kartoffeln. Ach, das haben sie auch vergessen? Na sehen sie, leider geht das so schnell.

Rio Reiser CD ist geendet und ich hab Radio angemacht. Ich hasse das regionale Radio. Da gibt es einen Sender, keine Ahnung wie der heißt, der wirbt damit, den kleinsten Moderator zu haben. Ich meine toll, aber was macht es den Sender dadurch für mich besser? (dieser Satz ist phänomenal und ich lass ihn so stehen) Die Musik ist die Gleiche, die auch auf einem anderen Sender gespielt wird und ob der Sprecher da jetzt 2 cm kleiner ist oder nicht, schert mich einen feuchten Kehricht.
Das wäre genau so, als würde der Bäcker an der Ecke für seine Brötchen mit folgendem Slogan werben: „Hab zwar in den Brustwarzen Knötchen, aber mach die besten Brötchen“. Oder der Autoverkäufer außerhalb der Stadt würde auf sich aufmerksam machen, indem er in der Fußgängerzone Fahrradschläuche auswechselt und in einer mitgebrachten Badewanne auf Löcher überprüft.
Genau so gut könnte sich auch ein Flyerverteiler einen roten Bart ankleben, ein Schönheitschirurg die Hoden als Ringe an die Ohren zimmern oder ein Hotel damit werben, dass es rein heterosexuelles Personal hat.
Es gibt wirklich komische Werbung und die Sprüche sind auch alle so beschissen. Man hätte mich als Texter nehmen sollen.
Geben sie mir irgendein Produkt. Egal welches. Ich kann innerhalb von einer Minute sofort einen Text entwerfen. Versuchen sie mal durch Telepathie ein Produkt zu mir zu senden. Stellen sie es sich vor.
Nein sie Schlingel J Nein, nein so was bewerbe ich nicht. Nehmen wir mal einfach den gemeinen Aal.
Sofort fällt mir da was ein:

Glitschiger Spaß in langer, biegsamer Form. Der längste Fisch. Gesunde Aalhaut macht schöne, sexy Frauenhaut. Einfach in Handhabung. Lecker im Verbrauch. Seit 1894 gepflegter Genuss ohne Grenzen. Kaufen sie Aal, weil es keine Wahl gibt. Vergessen sie Forelle, Plötz und Scholle. Wenn’s um Fisch geht: Aalfleischmasse.

Na ist ihnen der Speichel das Kinn hinuntergekleckert? Lust auf Aal bekommen? Hat die Fischerei noch auf am Eck? Haben sie eine Angel, ein Netz oder einen Taucheranzug? Rufen sie doch mal beim Pizzaservice an und bestellen sie eine köstliche Aalpizza.
Und wieder fällt mir die These meiner Mutter ein, wenn wir hier im Exil leben, was machen dann die Aale hier? Wurden die auch ins Exil geschickt? Von einem anderen Außerirdischen Volk? Oder vom selben spaßigen Volk, dass uns hergeschafft hat und gerne mal Wesen vertreibt.

Fragen über Fragen und keine Antwort, aber muss ja auch nicht. Fragen sind ja viel schöner und eröffnen Horizonte. Antworten schränken nur ein und nageln Bretter vor unsere Köpfe.


Ich beende diesen Text, Meine Katze miaut und will spielen und ich geh jetzt mal Aalangeln oder würfeln. Dann piss ich noch in mein Bett und überlege ob meine Rasse wegen so einem Rockstargehabe auf diesem Planet gelandet ist. Und zum Schluss auch noch ein Schlussspruch:


Die Größe eines Flusses wird erst an seiner Mündung begriffen, nicht an
seiner Quelle.
 
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Kommentare  

Hm ... wieviel Robert mag wohl wirklich da drin stecken ... hoffe nur, es bekommen nicht falsche Leute in die Griffel.

lg, SZ


SZ (26.10.2003)

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