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6 Seiten

E-Mail an den Weihnachtsmann

Kurzgeschichten · Winter/Weihnachten/Silvester · Für Kinder
© Andre
Letztes Jahr hatte der Weihnachtsmann erstmals größere Probleme beim Zustellen der Geschenke, denn die Welt war sehr schnell geworden. Hatte er noch vor wenigen Jahren körbeweise Briefe bekommen, war der Anteil der E-Mails dieses Jahr immens angestiegen. Als er seine Homepage in das Internet stellte, hatte er daran nicht gedacht. Besonders schwierig war es für seine kleinen Helfer, wenn Kinder die E-Mail-Adresse von Mutter oder Vater benutzten. Dann kamen die Wichtel zu ihm und fragten ihn um Rat. Manchmal nutzten die Eltern ihre E-Mail-Adresse beruflich und privat. Da im ersten Falle meist die Firma, in der sie arbeiteten, angegeben war, erschien der Weihnachtsmann letztes Jahr mit Bergen von Geschenken bei so manchem Pförtner und fragte nach den Kindern. Kopfschüttelnd antworteten die Nachtwächter, das ihm die Namen nicht bekannt waren... Unverrichteter Dinge zog er enttäuscht wieder von dannen. Diese Wichtel, dachte er, hatte er ihnen nicht gesagt, sie sollten sich besonders gut um die E-Mail-Wunschzettel kümmern? Er hatte es geahnt. Also musste er doppelt so schnell zustellen. Doch seine Arbeit wurde noch weiter erschwert: Viele E-Mail-Anbieter gaben ihren Kunden jetzt die Möglichkeit, eine andere Endung als die ihres Landes zu benutzen. Davon hatten viele Menschen Gebrauch gemacht. Obwohl sie in Deutschland wohnten, hatten sie eine E-Mail-Adresse mit der Endung „.uk“. Die stand für United Kingdom, also für England. Natürlich galt das auch für andere Staaten! Ein Freund vom Weihnachtsmann lebte in Köln und hatte eine E-Mail-Adresse mit der Endung „.ch“, welche für die Schweiz stand. Ganz besonders schwierig waren die Adressen der Kinder zu finden, die eine Adresse bei GMX oder Web.de hatten. Das sind nur zwei der vielen Interfirmen, welche den Menschen kostenlos für private Zwecke die elektronischen Postfächer zur Verfügung stellte. Und Santa Claus stand letztes Jahr mit 35 Milliarden Weihnachtsgeschenken vor deren Tür!

„Gunnafried!“, rief der Weihnachtsmann. Der kleine Wichtel kam herbeigeeilt. „Ja, Chef?“ „Wie weit bist du mit den E-Mail-Adressen gekommen?“ „Ja, also ich...“ „Gunnafried, du wirst jetzt sofort zu den Internetfirmen reisen und dir eine Liste mit den Adressen der Postfachbesitzer besorgen. Noch so ein Jahr, dann kannst nämlich du die Geschenkzustellung übernehmen!“ „Ja aber ich habe doch noch soviel zu...“ „Keine Widerrede!“ Der Weihnachtsmann überreichte Gunnafried eine Weltkarte, auf der alle Anbieter von E-Mail-Adressen eingetragen waren. „Chef, ich habe da einen anderen Vorschlag. Wir haben doch Computer. Da können wir uns doch die Adressen andrucken lassen.“ „Warum sagt mir das keiner? Und warum sind die Listen noch nicht angedruckt?“ „Erberich ist erkältet und liegt im Bett. Nur er kann die Adressen drucken.“ „ERBERICH!“, brüllte der Weihnachtsmann. Ein kleiner Wichtel watete von der gegenüberliegenden Hütte zur Weihnachtsmannzentrale. Santa Claus und Gunnafried beobachteten durch das Fenster, wie er ein paar Mal stolperte und in den Schnee fiel. Der Weihnachtsmann lachte. Dann öffnete Erberich die knarrende Tür. „Haaaaaatschiiii!“, dröhnte es durch den Raum, so dass die Fenster wackelten. Er war sehr verschnupft. „Warum bist du nicht zu mir gekommen und hast mich um Hilfe gebeten?“ „Ich w-w-wollte dich nicht stören. D-d-d-du hast doch so viel zu tun“, stammelte Erberich. Der Weihnachtsmann lächelte gütig. „Das ist sehr nett von dir und rücksichtsvoll. Wir brauchen aber jede Hand. Und gegen die Erkältung haben wir doch schon lange ein wirksames Mittel.“ Santa Claus fasste in die Manteltasche und holte ein Bonbon hervor. „Hier, lutsch das!“ Erberich nahm das Bonbon und steckte es in den Mund. Im Nu waren seine dicken Augenränder verschwunden und er konnte tief durchatmen. „Danke, Chef!“ „Nichts für ungut“, brummelte der Weihnachtsmann, „lass uns jetzt weiterarbeiten. Also Erberich, ich brauche eine Liste mit...“

Der kleine Mark saß mit seiner Mutter vor dem Computer und hatte gerade mit der Maus den Knopf für „E-Mail senden“ gedrückt. Es erschien eine Meldung auf dem Bildschirm: „Ihre Post wurde erfolgreich versendet!“ Er wendete sich seiner Mutter zu und sagte: „Mama, glaubst du, dass der Weihnachtsmann meinen Wunschzettel noch pünktlich erhält?“ „Aber sicher. Auch der Weihnachtsmann nutzt jetzt das Internet. Es sind ja noch zwei Wochen bis zum Heiligabend. Da hat er genug Zeit, um die Geschenke zusammenzustellen.“ „Meinst du, er denkt auch ganz bestimmt an mein Harry Potter Buch?“ „Wir werden sehen“, antwortete seine Mutter.

Die Weihnachtswerkstatt war sehr groß, sie zu beschreiben war schier unmöglich: Hier wurden Wunschzettel gelesen, Briefe und E-Mails beantwortet, Gebete von Kindern gehört und notiert, die noch nicht schreiben konnten, Geschenke bestellt, hergestellt und verpackt. Einige Wichtel erarbeiteten bereits die Route, die Santa Claus dieses Jahr nehmen sollte. Es war ein Gewusel von Lebewesen, ein Durcheinander von Stimmen, Rascheln von Geschenkpapier... Der Weihnachtsmann schaute sich um: Hier war jeder emsig beschäftigt. Doch auch der Späße gab es einige: Pfeffernuss rannten mit Lametta über den Ohren an ihm vorbei und kicherte, Tannia hatte sich klitzekleine Weihnachtssternchen an die Wangen geklebt, während sie „Oh du fröhliche“ sang, Krausebart raufte mit Lümmel um einen Lebkuchen, und Erberich stand vor dem Drucker, umwickelt mit Kilometern von Endlospapier. „Che-eff“, rief er, während seine Nase bereits von Seite 3.579.486 bedeckt wurde, „kannst du mir bitte beim Zusammenlegen der Liste helfen?“ Santa Claus schaute sich um. „Wo bist du denn?“, rief er in das Durcheinander. „Hier, am Drucker!“, ertönte die Stimme Erberichs aus dem nahen Papierberg. Der Weihnachtsmann eilte herbei und zog Erberich aus dem Papierchaos heraus. „Musst du dich immer im Blätterwald verstecken?“, rief er mahnend. „Ich kann doch nichts dafür. Das ist doch ein Turbodrucker und ich schaffe es nie, rechtzeitig wegzukommen“, maulte der kleine Wicht. Gemeinsam brachten sie den Papierberg zur Räson. „Soll ich etwa die ganze Liste beim Geschenke verteilen mitnehmen? Da brauch ich dieses Jahr aber sechs Rentiere mehr für meine Tour“, jammerte der Weihnachtsmann. „Nee Chef, die Liste ist fürs Archiv, falls wir einen Festplattencrash haben.“ „Was ist denn ein Festplattencrash?“ Erberich suchte nach Worten: „Das ist als wenn du vorher alles wusstest, aber hinterher nich’ mehr. Als hättest du alles vergessen, was du weißt. Und das kann beim Computer passieren.“ „Ah, so“, antwortete der Weihnachtsmann. Wo das alles noch hinführen sollte? Computer, die nichts mehr wussten, waren in seinem Geschäft wirklich keine große Hilfe. Aber andererseits fanden sie die Adresse der Kinder heraus. ,Gut, dass ich meine kleinen Helfer habe’, dachte er. Sie hatten ihn noch immer auf den rechten Weg zurückgebracht. „Erberich, soll ich jetzt etwa die ganze Liste durchlesen?“ Der kleine Wichtel zog die Augenbrauen hoch. „Aber nein, die Adressen sind bereits in der Logistikabteilung bei meinen Freunden Hiergehtslang und Fahrschonlos. Und die beiden arbeiten das in deine Route mit ein. Mach dir keine Sorgen um den Computer. Dazu sind wir ja da.“ Der Weihnachtsmann war beruhigt. „Erberich, ich danke dir. Jetzt aber muss ich mal in der Wetterabteilung nach dem Rechten schauen“, und schon hatte er den Raum verlassen und ging durch den langen Flur zum anderen Ende des Gebäudes. Plötzlich ging rechts von ihm eine Tür auf und der große rotweiße Kater Mützi schoss ihm vor die Beine, so dass der Weihnachtsmann stolperte und das Ende des Flures mit auf dem Boden rutschenden Hinterteil erreichte. Wütend stand er auf. „Mützi! Kannst du nicht mal langsam durch die Gänge schleichen?“ Der Kater stand natürlich am entgegengesetzten Ende des Raumes und miaute. Doch der Weihnachtsmann wusste, dass Widerstand zwecklos war. Irgendwann hatte er einmal einen wahren Spruch bei den Menschen gehört: Hunde haben Herrchen, Katzen haben Personal. Er öffnete dem Kater die Tür und ließ ihn raus. Kaum hatte der Weihnachtsmann die Tür geschlossen, hörte er auch schon empörte Rufe. „Mützi! Aber sofort raus aus dem Papier!“ Das war Erberich. Der Weihnachtsmann lauschte und fing an zu lachen, als er das Reißen und Rascheln von Papier hörte. Da würde Erberich die E-Mail-Liste wohl neu drucken müssen. Er lachte in sich hinein und ging zurück zur Wetterabteilung. Kaum hatte er die Tür geöffnet, schoss ihm ein Schneeball ins Gesicht. Er wischte den Schnee aus den Augen und wollte gerade anfangen zu brüllen, doch ihm blieb der Groll im Halse stecken: Schneemanni, Kristallinchen und Winterbär standen mitten im Raum und lachten ihn aus! ,Nur kein Spielverderber sein’, dachte er sich. Scheinbar streng rief er: „Was soll der Unsinn?“ „Wir haben das Wetter für Europa bereits fertig, und da dachten wir...“, doch Winterbär konnte seinen Satz nicht beenden. „Ihr dachtet, ja, da machen wir ne kleine Schneeballschlacht.“, ergänzte der Weihnachtsmann. „Was, Ihr habt das Wetter für Europa schon fertig?“ Der Weihnachtsmann war erstaunt. Junge, Junge, was ging das dieses Jahr schnell. „Schau Weihnachtsmann, wir lassen das Tief „Schneeflöckchen“ von Nordwesten über Großbritannien nach Westeuropa einziehen. Das wird so etwa am 23.12., also morgen um Mitternacht sein.
Über dem Golf von Biskaya...“ Der Weihnachtsmann verstand das alles nicht. Das ging hier ja zu wie bei Jörg Kachelmann, dem Wetterfrosch! Aber hier wurde das Wetter nicht vorausgesagt, sondern gemacht. „... und wird für einen schöne kalten und schneereichen Heiligabend sorgen“, beendete Winterbär seine Wetterplanung. „Was hältst du davon, Chef?“
„J-J-Jaaah, sehr schön.“ Schneemanni, Kristallinchen und Winterbär waren richtige Spezialisten. „Dann will ich euch nicht länger stören. Ihr habt sicher noch mehr zu tun“ sagte der Weihnachtsmann und verlies die Wetterabteilung. Kaum hatte er den Raum verlassen, da bollerten auch schon wieder die Schneebälle gegen die Tür. Was für eine verrückte Bande. Er ging zurück durch den Flur in die Weihnachtsmannzentrale. Dort war jetzt das komplette Chaos ausgebrochen. Erberich saß auf dem Boden und hatte den Kopf auf die Knie gelegt. „Jedes Jahr das gleiche“, jammerte er vor sich hin, „Kaum ein Tag, wo dieser Kater nicht sein Unwesen treibt.“ Mützi hatte sich den Anfang der E-Mail-Liste gekrallt und den Boden mit Papierfetzen verwüstet. Jetzt saß er draußen vor dem Fenster und schaute Tannia beim Fegen zu. Erberich aber hatte die fehlenden Seiten bereits wieder ausgedruckt, denn eben schaltete sich der Drucker aus. Der Weihnachtsmann ging grinsend an ihm vorbei und ging in die Logistikabteilung. „Hiergehtslang“, hörte er aus der Fahrplanzentrale. Er öffnete die Tür und trat ein. Fahrschonlos zeigte auf Mützi, der sich draußen im Schnee wälzte und Hiergehtslang
stand daneben. Beide drehten sich um. „Tach Chef!“, riefen die Wichtel wie aus einem Munde. „Hallo Jungs. Ist die Tour fertig?“, fragte der Weihnachtsmann. „Die Tour schon, aber es gibt wohl Probleme mit den Harry Potter Büchern in der Geschenkabteilung. „Verflixt!“, rief der Weihnachtsmann. „Das hat gerade noch gefehlt. Was ist los?“ „Die Lieferung ist noch nicht da“, antwortete Fahrschonlos. Der Weihnachtsmann eilte in die Geschenkabteilung. An der Laderampe stand Gunnafried. „Hallo Weihnachtsmann, da hinten kommt der Rentier-Vier-Dienst.“ Er zeigte zum Horizont auf einen Kondensstreifen. Bremsend stoppten die vier Rentiere mit ihrem Fahrer Lieferspät. Der sprang vom Bock der Lieferkutsche und klopfte sich den Schnee vom Mantel. „Warum kommst du so spät?“, fragte der Weihnachtsmann. Lieferspät entgegnete: „Lieber spät als gar nicht. Zwei meiner Rentiere mussten austreten und da flog die ganze Harry-Potter-Bücher-Ladung von der Ladefläche.“ „Zwei Stunden habe ich gebraucht, um sie wieder aufzuladen.“ Er legte die Hände ins Kreuz und streckte sich. „Hast du denn auch alle vier Bände mitgebracht?“, fragte Gunnafried. Lieferspät wischte sich einen Eiszapfen von der Wange und zog den Lieferschein aus dem Mantel. „Ja, alles dabei. Unterschreib mir das mal, Gunnafried.“ Lieferspät zog einen Kugelschreiber aus dem Mantel, doch der schrieb nicht. Kein Wunder, denn die Tinte war eingefroren. Zum Glück hatte Gunnafried seinen Stift immer hinter dem rechten Ohr stecken! Er gab dem verfrorenen Wichtel die gewünschte Unterschrift. „Ich geh’ mal rein und wärme mich auf, bis ihr abgeladen habt.“ Lieferspät stapfte in die warme Weihnachtswerkstatt.
„Damit ist deine Weihnachtsladung jetzt komplett, Weihnachtsmann“ frohlockte Gunnafried. „Das Fest der Menschen kann kommen.“, nickte der Weihnachtsmann.

Schneemanni, Kristallinchen und Winterbär hatten den Schneefall um kurze Zeit unterbrochen, damit der Weihnachtsmann auf seiner weiten aber kurzen Reise nicht blinzeln musste. Und er hielt auch in der Hauptstrasse einer kleinen Stadt, in der Mark wohnte und legte ein Harry Potter Buch unter den Weihnachtsbaum.
 
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Kommentare  

Hohoho!
Es gibt also auch witzig geschriebene Weihnachten-Geschichten. Das war einmal etwas Anderes für mich. Es gefiel mir sehr gut.


Kuft Wildebrunn (07.12.2004)

Die Idee, dass der Weihnachtsmann mit einer Unsumme von Geschenken vor den Firmen von GMX und Web.de steht fand ich irrsinnig lustig.
Davon haette ich gerne mehr gelesen. ;)

Hatte aber ein paar Probleme deine Story zu lesen.

Du solltest mehr Absaetze benutzten und vor allem deine Dialoge freistellen und nicht eine Zeile hinter die andere Stellen. Man kommt sonst durcheinander wer da ueberhaupt gerade spricht. War wirklich etwas schwer zu lesen.

Du gibst zwar einen schoenen Einblick in den stressigen Arbeitsalltag des Weihnachtsmannes, riskierst dabei aber, dass deine Story vor sich hinplaetschert und an Spannung verliert.
Vielleicht kannst du mehr herausarbeiten, wie sehr Mark das Harry Potter Buch bedeutet und ob es dem Weihnachtsmann gelingen wird, es ihm rechtzeitig zu bringen.
Dafuer muss der Leser aber Sympathien fuer Mark entwickeln, was wiederum bedeutet, dass der Charakter mehr ausgearbeitet werden muesste.


Mes Calinum (03.12.2003)

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