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4 Seiten

Fahrschulgeschichten

Romane/Serien · Aktuelles und Alltägliches
Wie alles begann....
Juni 2001. Heiß ist es. Und am Sonntag, den 10. Juni, kommt mir als Sozia auf einer dicken BMW plötzlich der seltsame Gedanke, ob ich nicht auch selbst fahren könnte. Midlife-crisis? In wenigen Wochen werde ich 40 Jahre alt. Der Gedanke lässt mich nicht mehr los: selbst fahren, selbst fahren, selbst fahren. Es ist nur ein Gedanke, ich spreche ihn noch nicht einmal laut aus. Nehme den Gedanken mit ins Bett, wache am Montag mit ihm auf. Ich gehe wie gewohnt zur Arbeit. Es ist warm. Dunkelblauer Minirock, weiße Bluse, Stöckelschuhe..............und in mir der Gedanke vom Motorradführerschein.

Eine Sehnsucht, die ich kaum beschreiben kann. So vieles, was ich noch nicht erlebt habe, so viele Träume, die noch realisiert werden könnten. Und das Motorradfahren gehört dazu. Nicht mehr nur Sozia sein, nicht mehr hinter einem breiten Rücken sitzen, sondern selbst den Fahrtwind genießen.

Vielleicht ist meine Chefin schuld. Sie gibt mir an diesem Montag einen Zettel, auf dem stehen ein paar Worte von Kristiane Allert-Wybranitz: Du sagst, du kannst es nicht. Du sagst, das schaffst du nicht. Du sagst, das erreichst du nie. Du sagst, es sei zu schwer für dich, es sei unmöglich. Doch probiert hast du es nie.


Nun wird es ernst.....
Ganz klein gefaltet verschwindet der Zettel in meinem Geldbeutel. Sicher ist es Zufall, dass ich direkt nach der Arbeit an einer Fahrschule vorbeifahre. Mit Minirock und Stöckelschuhen stehe ich vor drei Fahrschullehrern, die wohl gerade ihren Wochenplan durchsprechen. Anerkennende Blicke auf meine nackten Beine. Männer!

"Was können wir für Sie tun?" Er scheint der Chef zu sein."Tja" antworte ich langsam, "Auto fahren kann ich schon. Aber würden Sie es sich zutrauen, mir auch das Motorradfahren beizubringen?" Bis heute weiß ich nicht, woher ich diesen Mut genommen habe. Der Zettel in meinem Geldbeutel?

Drei Männer starren mich an, zuerst ungläubig, dann grinsend. Gerade will mich ein Gefühl der Lächerlichkeit beschleichen, da antwortet der Chef: "Na klar, wieso nicht?" Nicht mehr ganz so mutig werfe ich nun ein, mit meinen 157 cm vielleicht doch etwas zu klein zu sein für ein Motorrad. Sicher auch nicht stark genug, nicht kräftig genug. Doch er lächelt. "Komm mal mit", aus dem hochachtungsvollen SIE ist ein vertrautes DU geworden. Ach ja, Biker duzen sich.

Mulmig ist mir schon zumute, während ich ihm zu den Garagen folge. Er öffnet eine Tür und schiebt eine "Riesenmaschine" heraus, eine 750er Kawasaki in blau. "Setz dich mal drauf" fordert er mich auf. Hilflos stehe ich neben der Maschine. Sind alle Motorräder soooooo groß??? Als Sozia ist mir das nie aufgefallen, wirklich nicht. Wo ist das nächste Mauseloch, in das ich kriechen kann? Mein Herz klopft irre laut, er müsste das eigentlich hören. "Keine Angst" sagt er (aha, er hat es gehört), "ich halte die Maschine fest, kann nix passieren."

Zögernd und zutiefst beschämt ziehe ich langsam meinen Minirock etwas nach oben. Er grinst. Zitternd versuche ich, mit meinem Lady-Outfit auf dieses Gefährt zu kommen. Naja, wie erwartet, ich komme mit den Füßen noch nicht einmal in die Nähe des Bodens. "Also nicht?" frage ich traurig. "Doch" lächelt er, "Du brauchst nur ordentliche Klamotten, vor allem richtige Schuhe." "Hab ich doch" berichte ich ihm. "Na also, dann packen wir die niedrige Sitzbank drauf und du kommst Mittwoch mit ordentlichen Bikerklamotten zu ner Probestunde!"Ups, das klang wie ein Befehl. Okay, also bis Mittwoch.

Herzklopfen! Das Herzklopfen hält den ganzen Tag an. Und auch am Dienstag. Und am Mittwoch bestehe ich nur noch aus Herzklopfen............


Mittwoch, 13. Juni 2001
Horst (der Fahrschul-Chef) hatte gesagt, ich müsse einen Sehtest haben. Also mache ich mich erst mal auf den Weg zu einem Optiker. Irgendwie habe ich das Gefühl, jede Faser meines Körpers, meines Herzens, meiner Seele..............alles elektrisch geladen. Niemandem habe ich von meinen verrückten Plänen erzählt. Obwohl ich innerlich vor Anspannung fast platze. Und damit eben dies nicht geschieht, berichte ich nun fröhlich und voller Begeisterung dem Optiker, wofür ich den Sehtest brauche. "Ich will nämlich den Motorrad-Führerschein machen" berichte ich stolz. "Aha" antwortet er gelangweilt. Es interessiert ihn nicht, es interessiert ihn absolut nicht. Dabei ist es für mich gerade das Wichtigste auf der Welt..............

Nun ab zur Fahrschule. Die Moppedklamotten liegen im Auto, von mir aus kann es losgehen. Aber ganz so schnell geht es dann doch nicht. Zuerst sind Formalitäten dran. Jede Menge Lehrmaterial bekomme ich in die Hand gedrückt. Beim Durchblättern wird mir ganz schlecht. An die Theorie hatte ich gar nicht gedacht. Aber nun gut, wird also mal wieder gebüffelt.Fahren ist heute nicht. Die Maschinen sind alle unterwegs. Wir verabreden die erste Fahrstunde für nächsten Montag. Oh oh, ob ich das überlebe?


Erste Fahrstunde
"Na also, so siehst du doch schon ganz anders aus" wird meine Lederkombi wohlwollend gelobt. "Ich bin Bernd, und ich bringe dir das Fahren bei. Wir beide sind ein Team von heute ab." Zwei himmelblaue Augen strahlen mich schelmisch an. Er ist in meinem Alter, denke ich. Und er wirkt nett und fröhlich. Langsam werde ich ruhiger.

"Na, dann hol die Süße mal aus der Garage."
"Iiiiiiiiiiiiiiich???????" Ungläubig starre ich ihn an.
"Selbstverständlich du. Wenn du sie fahren willst, musst du sie auch schieben können. Oder glaubst du, es ist immer jemand da, der dir Prinzesschen das Mopped bereithält?"
Gute Güte, er hat leider recht. Sein Blick ist jetzt auch gar nicht mehr so freundlich, sondern irgendwie streng. Hm, nur nicht kneifen jetzt, liebe Jutta. Also auf geht´s. Seitenständer hochklappen und schieben. Ähm, also, das wird nichts. Sie bewegt sich kein Stück nach vorne. Das liegt sicher daran, dass ich eisern damit beschäftigt bin, diese ca. 270 kg nicht seitlich auf mich fallen zu lassen.

Bernd lässt mich eine Weile kämpfen, bevor er mich dann doch gnädig erlöst. Mit spielerischer Sicherheit schiebt er die Maschine auf den Hof und stellt sie dort ab. Ich fühle mich echt bescheiden! Bin total deprimiert und mag ihn gar nicht anschauen. Aber seine lachende Stimme zieht mich schnell wieder aus der beginnenden Selbstmitleidsphase heraus."Ist ganz einfach, nur gewusst wie. Auf jeden Fall darfst du keine Angst vor dem Motorrad haben."

Mit Bernd an der Seite beginne ich wieder, die Maschine zu schieben. Und siehe da, nach einiger Zeit gehen wir einträchtig miteinander spazieren. Also, spazieren gehen mit Mopped kann ich schon ;-)Maschine auf den Ständer stellen heißt die nächste Übung. Ist doch gaaaaanz einfach. Und dann kommt der Hauptständer dran. Oh, muss das sein? Reicht nicht der Seitenständer? Nein, ich muss da durch. Komme ganz schön außer Atem, bis ich endlich die Technik begreife. Morgen hab ich bestimmt Muskelkater.

Mit einer Engelsgeduld erklärt Bernd mir die verschiedenen Schalter, Gas, Bremse, Kupplung. Er erklärt mir die Schaltung, nach unten, nach oben, neutral............. Ob ich mir das jemals merken kann? Und soll ich ihm vielleicht jetzt schon sagen, dass ich ständig rechts und links verwechsle?

Nächste Übung, Maschine anlassen, ersten Gang rein, Kupplung gaaaaaaanz langsam kommen lassen, langsam im ersten Gang anrollen, stehen bleiben. Boah, Gänsehaut! Der Sound der 76 PS, das Vibrieren des Motors, und ich sitze allein auf dieser riesigen Maschine. Ein klitzekleines zaghaftes Glücksgefühl breitet sich in mir aus. Ich fahre! Na gut, ich rolle..............Nun darf ich es bis zum zweiten Gang versuchen, darf büschen Gas geben. Bernd läuft neben mir her. Tausend Schmetterlinge hab ich plötzlich im Bauch. Das klitzekleine Glücksgefühl wird größer und ich kann ein Lächeln einfach nicht unterdrücken. Ich, Oma Jutta, sitze auf einer 750er Kawasaki, habe sie gestartet und fahre langsam über den Hof. Und genau jetzt, wo es beginnt, mir Freude zu machen, ist die erste Stunde zu Ende."Reicht für heute", sagt Bernd, übernimmt die Maschine und bringt sie in die Garage zurück.


Fortsetzung folgt....
 
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