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Können Schwäne fliegen?

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Jegliches Zeitgefühl in mir schien verloren, irrte ich doch schon seit Ewigkeiten durch die kalten Wälder des einsamen Winters. Dem nächsten mir bekannten Wege oder wenigstens meine eigene Hand vor Augen zu erspähen gestaltete sich als ein beinahe unmögliches Unterfangen, da sowohl die Dämmerung, als auch die anwachsende Dichte der fallenden Schneeflocken mir meinen Orientierungssinn in diesem Labyrinth aus Bäumen raubten. Bald war ich am Ende meiner Kräfte angelangt, wodurch die mich umgebenden, laut blasenden Winde allmählich verstummten und ein undurchdringlicher Schleier seine Kreise um mich zog.

Die neu gewonnene stumme Dunkelheit erwies sich als Künstler, der einen vereisten See auf unsichtbare Leinwände zu malen schien. Der auf diesem fiktiven Bild entstandene strahlend blaue Himmel mitsamt den von Sonnenstrahlen durchfluteten Baumwipfeln spiegelte sich an dessen Oberfläche wieder. Obwohl ein erster flüchtiger Blick auf die dünne Eisdecke einem anmutigen Bild der Schönheit gleichkam, sollte bei genauerer Betrachtung der Anschein von Perfektion zerstört werden, da ein kleiner, aber doch bedeutsamer Teil zur vollkommenen Pracht vermisst schien. Die Dunkelheit bewies sich als schneller Maler, da am Uferrand vier Schwäne erschienen, die sich eng an ihre wärmenden Körper schmiegten, um der Kälte des Winters entfliehen zu können. Dem statischen Abbild des spiegelnden Sees mit den vier Schwänen, welches einem Gemälde an einem kalten Wintertag gleichkam, widerfuhr rätselhafte Dynamik, als sich die Tiere in Bewegung versetzten und der Eisschicht näherten, um wohl den Versuch zu wagen, das gefrorene Gewässer zu passieren. Nachdem sie ihre ersten Schritte auf dem Eise zurückgelegt hatten, addierte sich die neu entstandene Reflektion ihrer lebenden Körper zu der sich widerspiegelten Umwelt und ergänzte die Oberfläche endgültig um das vermisste Stück der Perfektion. Der See begann in so wundervollen Farben zu funkeln und zu strahlen, als hätte er ewig auf den wärmenden Moment, in dem er seine Schönheit zu offenbaren wusste, zugewartet. Doch auch die Sonne schloss sich diesem Spektakel an, da auch sie nun heller strahlen sollte, als sie es an einem Wintertag je zuvor getan hätte. Das wundervolle Abbild der Eisdecke zog die vier Schwäne so sehr in ihren Bann, dass sie inne hielten, um die Pracht des Farbenspiels, die der gefrorene Untergrund nun wiedergab, fasziniert zu verfolgen. Während die edlen Tiere nun unbeweglich auf dem See standen, strahlte die Szenerie die Ruhe eines Gemäldes aus – nur die Schönheit der Eisdecke befand sich fernab jeglicher Statik, da sie noch immer die schönsten Farben wiedergab, schöner und immer schöner, als habe sie ewig geruht. Da die Sonne nun mehr Wärme als zuvor abgab, begann die Eisoberfläche langsam zu schmelzen, wodurch die klaren Grenzen der reflektierenden Farben auf der Eisschicht durch das zerflossene Wasser hindurch zu verschwimmen begannen. Dieser Effekt konnte die Schönheit des Sees nicht in Mitleidenschaft ziehen, sondern rief gar den gegenteiligen Effekt hervor, während sich die Schwäne immer noch unbeweglich auf derselben Stelle wie zu Beginn des Schauspiels befanden und sich kaum mehr von selbigen zu lösen wussten. Langsam und beinahe unbemerkt wuchsen die Wassermassen an und konnten die einzelnen Farben immer mehr zu einem einzigen an Schön- und Wahrheit kaum zu übertreffendes Bildnis vermengen. Die Risse, die sich langsam in das Eis einschnitten, wuchsen nun schneller als die Pracht der See, die diese ersten aufkommenden Makel noch kaschieren konnte. Doch je kleiner und löchriger die Eisdecke wurde, desto mehr Wasser trat an die Oberfläche, bis die Eisplatte langsam im See zu versank. Die Schönheit des Sees schien aber immer noch auszureichen, um die Schwäne ganz in deren Abbild zu vereinnahmen, sodass sie es verabsäumten, die Gefahr der wiederkehrenden Kälte zu bemerken. Die Schönheit begann jedoch nun ebenfalls langsam zu verwelken, während das Wasser an der Oberfläche erneut zu erstarren anfing.

Doch bevor die Eisplatte endgültig am Grund des Sees verschwunden und durch eine neue abgelöst werden konnte, erhoben sich die Schwäne in die Lüfte und der Künstler vollendete sein Werk, wie er es begonnen hatte, während ich noch die kalten Winde hörte, bis mich die ewige Dunkelheit umschlang.
 
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Höckerschwan
Cygne tuberculé - Mute Swan
Cygnus olor

© Philippe Emery

Merkmale:
weisses Gefieder; orangefarbener Schnabel mit schwarzem Schnabelgrund und Höcker (beim Weibchen weniger ausgeprägt); langer, meist S-förmig gebogener Hals; beim Flug pfeifendes Geräusch; beide Geschlechter gleich.


Bestand in der Schweiz (Paare): 450-600 Rote Liste 2001:
nicht beurteilt Zugverhalten:
Standvogel

Grösse (cm):
152 Gewicht (g):
10000-12000 Gelegegrösse:
5-8

Brutort:
Boden Brutdauer (Tage):
34-38 Nestlingsdauer (Tage):
120-150

Nahrung:
Pflanzen Vogelgruppe:
Entenvögel Lebensraum:
Seen, Fliessgewässer


Höckerschwäne waren ursprünglich in der Schweiz nicht heimisch. Ihr Verbreitungsgebiet beschränkte sich auf Nordosteuropa und auf weite Teile Asiens. Schon im 16. und 17. Jahrhundert wurde versucht, diese majestätisch anmutende Schwanenart in Mitteleuropa einzubürgern. Dazu wählte man Schloss- und Landgutweiher aus. Von hier aus breiteten sie sich vor allem im 20. Jahrhundert rasch auf Seen und langsamfliessende Flüsse aus. Auch in der Schweiz wurden schon um 1690 und in grösserer Zahl in der Mitte des letzten Jahrhunderts Höckerschwäne ausgesetzt. In der Zwischenzeit haben deren Nachkommen alle ihnen zusagenden Gewässer besiedelt. Der Bestand des Höckerschwans nimmt - entgegen einer weitverbreiteten Meinung - seit rund 15 Jahren nicht mehr weiter zu, sondern hat sich bei rund 500 Brutpaaren stabilisiert. Im Winter bevölkern rund 4000-5000 Schwäne unsere Gewässer, die zum Teil Gäste aus dem Norden sind. Auf hochgelegenen Seen müssen die Höckerschwäne im Spätherbst eingefangen und im Frühjahr wieder ausgesetzt werden, weil die Vögel auf den zufrierenden Gewässern nicht überleben könnten. Höckerschwäne leben wie alle Gänsevögel in Dauerehe und strecken im Flug den Hals geradeaus. Bekannt ist ihre Drohstellung mit S-förmig gebogenem Hals und über den Rücken hochgezogenen Flügeln.

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 (13.01.2008)

Wirklig gut.

Tier (18.02.2007)

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