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Mögen Sie Fondue

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten · Winter/Weihnachten/Silvester
„Du“, sagte Angelika zu mir, „ich habe Kerstin unsere Fondue-Teller gegeben, sie hatte keine, wir müssen mal sehen, dass wir sechs neue bekommen.“

Das war zwischen Weihnachten und Sylvester.

„Kein Problem! Fondueteller, die gibt’s wie Sand am Meer“, erwiderte ich sachkundig.

Anfang Januar war Angelika wegen der üblichen nachweihnachtlichen Umtauschaktionen in Essen. „In der Stadt“, wie wir Kettwiger so sagen.

Bei dieser Gelegenheit hielt sie auch Ausschau nach Fonduetellern.

Essen nennt sich selbstbewusst und etwas überholt „Einkaufsstadt“ und fühlt sich als Mittelpunkt des Reviers. Eine tolle Stadt! Unmittelbar am Hauptbahnhof werden Sie weltmännisch und einzigartig von Junkies, Halbweltgestalten, Pommesbuden und, wie der Düsseldorfer zu sagen pflegt, von „Riffkohchenböhdche“ empfangen.

Pflichtgemäß begann Angelika, in den einschlägigen Kaufhäusern nach Fonduetellern Ausschau zu halten.

Karstadt, dieses Riesenkaufhaus am Limbecker Platz, war ihr erstes Ziel. Nach langem Suchen und unter Begleitung einer kundigen Verkäuferin fand sie drei Fondueteller einer etwas minderwertigen Sorte, die als Pärchen jeweils stolze 19,95 Euro kosten sollten. Da Angelika immer noch alles in Deutsche Mark umrechnet, erschien ihr der Preis von 20 Mark pro Noname-Teller der billigsten Steingutsorte doch etwas überhöht. Die etwas ältliche Verkäuferin beschwichtigte sogleich, dass das im Augenblick alles im Angebot sei. Eine Nachlieferung, auch an Tellern von der Firma Thomas, sei geordert und solle in einigen Tagen vorhanden sein.

„Kein Problem“, beruhigte Angelika sich selbst und die Verkäuferin, denn die Teller benötigen wir erst Ende Februar, nämlich dann, wenn wir sechs Fondue-Gäste beköstigen wollen. Sie werde noch einmal vorbei schauen.

Zu Hause angekommen erzählte sie mir von ihrem Einkaufserlebnis.

Meine Internet-Erfahrung konnte ich endlich mal überlegen an die Frau bringen, denn innerhalb kürzester Zeit ersteigerte ich bei ebay.de sechs weiße Fondue-Teller für 24 Euro, und zwar inklusive Versandkosten. Warum in die Einkaufsstadt fahren und nichts bekommen? Nach einigen Tagen war das Paket bei uns. Leider war ein Teller während des Transports zu Bruch gegangen. Die Reklamation läuft und kann dauern. Was isst der sechste Gast?

Wir brauchen sechs Teller!

Anfang Februar suchten wir gemeinsam die „Einkaufsstadt“ heim. Unser Weg führte uns an Fastfood-, Gerümpel- und Handyläden vorbei zu Karstadt. Die drei Fondue-Teller waren immer noch zu haben. Sonst nichts! „Aber“, so sagte eine Verkäuferin, „wir erwarten in den nächsten Tagen noch Teller der Firma Thomas“.
Aha!

Fluchtartig verließen wir Karstadt und suchten ein großes Möbelgeschäft in der Nähe auf. Kröger hat nicht nur Einrichtungsgegenstände, sondern auch eine Auswahl an Haushaltsartikeln. „Fondueteller?“, sagte ich im Vorübergehen zu einer jungen Dame, die gerade damit befasst war, auf einer Leiter stehend Dinge in Regale zu räumen. „Wir haben nur“, so sagte zu kompetent zu uns, „Fondue-Teller in der Geschirrabteilung von Villeroy & Boch“, und sie machte einen langen Arm und wies uns die Richtung.

Nun ja, dachten wir uns, sehr viel Geld wollten wir für Artikel, die wir nur einige Tage im Jahr benötigen, sicher nicht ausgeben, aber, so vollendeten wir stillschweigend unsere getrennten Gedanken, „gucken kostet nichts“. 29 Euro für einen Teller waren uns aber doch etwas zu happig.

Der Einkaufsprofi unter uns, Angelika, konstatierte jedoch spontan, in der Galeria Kaufhof hätte sie während ihres ersten Trips auch Fondueteller gesehen, die mir bestimmt gefallen würden. Auf meine Frage, warum sie die denn damals nicht sofort gekauft hatte, entgegnete sie, dass nur zwei vorhanden gewesen waren.

Tatsächlich waren die beiden Teller auch heute noch zum Erwerb bereit. Nicht mehr und nicht weniger. Die Frage, wann denn wohl einmal sechs Teller zu kaufen wären, konnte die Verkäuferin nicht beantworten. Triumph machte sich bei uns breit, als wir auf einer Holzetagere sechs Teller, die zudem gar nicht so schlecht aussahen, erspähten. „Die hätten wir gerne“, äußerten wir unser Begehren der Verkäuferin gegenüber.

Nach kurzer Erkundung wurde unser Ansinnen jedoch negativ beschieden. „Dann müssen Sie das komplette Gebinde inklusive Rechaud, Besteck und Topf kaufen. Dann gehören die Teller dazu. Einzeln bekommen Sie die nicht!“

Wir ließen uns auch davon nicht entmutigen. Schließlich ist Essen eine Einkaufsstadt und hat über 600 000 Einwohner. Es wäre doch gelacht, dachten wir uns, hier nicht das Gewünschte zu bekommen!

Gut gelacht! Wir bekamen in dieser Stadt keine Fondueteller in ausreichender Anzahl und zu einem akzeptablen Preis. Wir hätten aber jede Menge Pommes und Handys kaufen können.

Die beste Einkäuferin von allen, Angelika, wusste auch in dieser verfahrenen Situation wieder Rat. „Wir fahren nach Mülheim zum Rhein-Ruhr-Zentrum.“

Das war eine großartige Idee! Schließlich gibt es dort viele Geschäfte. Auch Karstadt war dort vertreten.

Einfache Teller aus schwarzem und weißem Steingut zu je 10 Euro das Stück waren ausreichend vorhanden. Nein, so einigten wir uns, für so eine Geschmacklosigkeit auch noch Geld auszugeben, das wollten wir uns nicht antun.

Also begaben wir uns in die besseren Regionen.

„Von Thomas“, sagte uns eine Verkäuferin, „erwarten wir eine neue Kollektion.“ Anhand von Katalogbildern konnte sie uns zeigen, wie die so aussehen könnten. „Schön“, sagten wir und äußerten unseren Zweifel, ob Karstadt die Teller jemals wird präsentieren können. „Schauen Sie doch später noch einmal herein“, war ihr gut gemeinter Rat.

Zwischenzeitlich machte sich bei uns die Vermutung breit, dass die Menschen vielleicht gar kein Fondue mehr essen. Vielleicht sind sie auf Wok umgestiegen oder sie fressen sich mit Fast-Food einen fetten Arsch an?

Unsere Suche ging trotzdem unvermindert weiter.

Seltmann hatte fünf Teller, ein sechster könne, so erklärte die freundliche Verkäuferin, kurzfristig aus Dortmund besorgt werden. 28 Euro das Stück! Auf den fehlenden könne sie uns wegen unseres besonderen Aufwandes einen kleinen Rabatt gewähren. Angelika fand diese Teller gut. Mir gefielen sie nicht, weil sie so rund und so groß waren.

Villeroy & Boch war auch vertreten. 29 Euro, kein Rabatt!

Die Fondue-Teller von Rosenthal „Maria Weiß“ gefielen mir persönlich auf Anhieb. Vermutlich, weil sie vom Design meiner konservativen Einstellung entsprachen und weil meine Schwester exakt so heißt. Die schönen Teller gab es sogar im Angebot: 21 statt 29 Euro das Stück.

Ablehnung! signalisierte heftigst meine Frau. Die seien „zu altbacken und zu altfränkisch“. „Weiße Blümchen am Rand!“ ergänzte sie vorwurfsvoll und sah mich fremd an.

Aber, liebe Leserin und lieber Leser, ich habe mich durchgesetzt und die fünf Seltmänner einpacken lassen. Den sechsten sollten wir uns ein paar Tage später abholen.

Zu Hause angekommen, versuchte ich die Teller in unsere Spülmaschine zu stellen. Es ging nicht! Zu groß! 30 Zentimeter Durchmesser. Die Siemens-Gebrauchsanleitung sagte hierzu, dass „einige Modelle über einen verstellbaren Oberkorb verfügen“. Außer Angelika hat niemand bei uns verstellbare Oberkörbchen.

„Wir spülen die Teller von Hand!“, sagte Angelika spontan, ganz praktische Hausfrau.

Sie kennen das? „Wir spülen“ bedeutet in diesem Fall „Du spülst“.

Das Abwaschen von Hand hat gegenüber der Verwendung einer Spülmaschine den Vorteil stets sauberer Fingernägel – sonst keinen.

Eine Woche später, am 18.02., waren wir erneut im Rhein-Ruhr-Zentrum.

Kulanz zeigte die nette Seltmann-Verkäuferin; ein Umtausch war zum Glück kein Problem. Wir bekamen unser Geld und sie die Teller zurück.

Mal schauen, was es heute so an Fonduetellern gibt:

Die schwarzweißen Geschmacklosigkeiten waren immer noch vorhanden,

Villeroy & Boch war plötzlich zu 10 Prozent Rabatt geneigt!

Aber: „27 Euro! 54 Mark für einen lumpigen Teller“, trompetete ich ungezogen für alle laut hörbar.

„Thomas“, so dienerte eine andere beflissene Dame, käme mit einer neuen Kollektion heraus, „die müsste schon längst da sein.“
Awas!

Nun sind wir doch noch zu unserem, meinem Rosenthal gekommen! Unsere Gäste wird es freuen! Sieht sehr geschmackvoll aus!

Also, liebes Schwesterchen, ab sofort haben wir deine Namensverwandtschaft, Maria Weiß, in unserem Schrank. Sie haben wir sogar im Angebot zu 21 Euro das Stück bekommen. Und sie messen nur 27,5 Zentimeter im Durchmesser. Sie passen außerdem ohne Körbchenkonflikt in unsere Spülmaschine!

Und ich benutze weiterhin gerne bei Bedarf eine Nagelbürste.

Und wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, einst ein Handy benötigen oder einen Haufen Pommes essen wollen, sollten Sie einmal die Einkaufsstadt Essen besuchen. Das wird in dieser Beziehung ein voller Erfolg und viel mehr dürfen Sie kaum erwarten!

Schlagen Sie sich aber unbedingt die Sache mit der Mangelware „Fondueteller“ aus den Kopf. Sollten Sie noch derartige Teller besitzen, hüten Sie sie wir Ihre Augäpfel, wenn sie auch noch so alt sind.

Nachts träumen wir hin und wieder von einem gewissen Thomas, der uns beharrlich verfolgt und nie erreicht.

Ein "Fondue" zu zelebrieren ist wohl - wie wir - ein Relikt aus uralten Zeiten, als man noch Muße hatte und Speisen genoss. Ein Fondue kann mit der modernen, extravaganten Cuisine a la MacDonald und der Dönerbuden offenbar nicht konkurrieren.

Schade!


© Heinz Albers 2005
 
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Kommentare  

@ Dr. Ell: Ist schon lustig, dass du dir alle Autoren von A begonnen vornimmst. ;0)
Liebe Grüße Dubliner Tinte


Pia Dublin (26.09.2009)

Nun ja ... dieses Phänomen findet sich nicht nur in der Einkaufsstadt Essen, Hamburg ist da wohl nicht anders.

Nicht sonderlich spannend, aber wahr


Dr. Ell (26.09.2009)

Die Geschichte gehört wohl eher in die Kategorie "Langweiliges", aber die gibt es bei webstories ja gar nicht.

Chris Stone (25.03.2005)

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