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6 Seiten

NJINGA

Romane/Serien · Spannendes
Auf der „Sancto Christo“ war der Kampf so gut wie beendet. Nur zwei Männer leisteten noch erbitterten Widerstand gegen die Übermacht der Piraten, die das Schiff geentert und nicht die Absicht hatten, Gefangene zu machen.
Die Besatzung des Handelsschiffes hatten sie jedenfalls bis auf den letzten Mann massakriert. Selbst das Schiffmaskottchen, einen kleinen Hund namens Emilio, hatten sie die Kehle durchgeschnitten.
Mindestens ein Dutzend getöteter Feinde lagen vor den beiden letzten Verteidigern der „Sancto Christo“, die darauf achteten, nicht in den blutgetränkten Planken auszurutschen
Der ältere der beiden Männer, ein Schotte, dessen fülliges Gesicht von einem dunkel gestutzten Bart umrahmt war, kämpfte mit Dolch und Säbel. Seine kurz geschnittenen schwarzen Haare waren von der Anstrengung des Kampfes schweißgetränkt.
Er war etwa einen Kopf kleiner als sein jüngerer Kampfgefährte. Er besaß sehr breite Schultern und eine stämmige, sehr muskulöse Figur. Trotz seines kräftigen Körpers bewegte er sich katzengleich und wehrte geschickt die Attacken der Feinde ab.
Als zwei Piraten trotz der glitschigen und rot getränkten Planken auf ihn losstürmten, um ihren verhassten Gegner endlich den Garaus zu machen, stieß der Schotte dem ersten Angreifer blitzschnell den Dolch in die Brust.
Den anderen traf ein Säbelhieb ins rechte Bein. Mit einem gellenden Schrei fiel der Pirat zu Boden.
Der Kampfgefährte des Schotten war nur mit einem Degen bewaffnet dessen Klinge im Sonnenlicht silbern glänzte. Sein Gesicht zeigte noch keine Spuren des Alters, doch seine Augen zeugten davon, dass er schon sehr viele schreckliche Dinge in seinem kurzen Leben gesehen hatte.
Auch vor ihm hatten die Piraten, die sonst weder Himmel noch Hölle fürchteten, gehörigen Respekt. Schon ein halbes Dutzend Feinde waren der immer in Bewegungen scheinenden Klinge zum Opfer gefallen.
Heinrich von Schwarzenburg sah seinen Kampfgefährten kurz an, als dieser seine Pistole spannte. Die Piraten hatten sich zurückgezogen, formierten sich aber zu einem neuen, alles entscheidenden Sturmangriff.
„Noch eine einzige Kugel“, murmelte McErc. „Wir sollten schleunigst von diesem gottverdammtes Schiff verschwinden. Noch so einen Angriff von diesem Mörderpack überleben wir nicht!“
Von Schwarzenburg nickte. Seine Arme zitterten bereits von dem langwierigen Kampf. Es war tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit bis ihn die Kräfte verlassen und er nicht mehr in der Lage sein würde den Degen in der Hand zu halten.
Unterdessen feuerte Sarkasian LaPierre, der Anführer der Piraten, seine Männer wutschnaubend an. Im Gegensatz zu seiner Meute wirkte er sehr kultiviert und gepflegt.
„Los ihr degeneriertes Pack. Ihr werdet ja wohl noch mit diesen zwei abgehalfterten Abenteurern fertig werden. 200 Goldtaler für denjenigen, der mir ihre Köpfe bringt!“
Das ließen sich die Piraten nicht zweimal sagen. Von ihrem Anführer und dem Gold aufgestachelt, griffen sie entschlossen an.
McErc schoss daraufhin dem ersten Angreifer eine Kugel in die Brust, schleuderte dem zweiten die Pistole ins Gesicht und sprang danach mit Heinrich von Schwarzenburg über die Reling, den Fluten des Meeres und einem unbekannten Schicksal entgegen.
LaPierre wollte unterdessen seinen Augen nicht trauen, als er die beiden Abenteurer über die Reling springen sah. Mit zornig blitzenden Augen sah er seine Männer an.
„Was seid ihr doch für gottverdammte Weichlinge. Die Küste ist nicht weit entfernt. In die Boote, ihr verlausten Ratten und den beiden Bastarden hinterher!
****

McErc und von Schwarzenburg erreichten schwer atmend das rettenden Ufer.
„Noch ein paar Meter weiter und ich wäre abgesoffenen“, murmelte der Schotte noch immer nach Atem ringend.
Sein Gefährte pflichtete ihm stumm bei.
„Ich kann auch nicht mehr. Ich spüre kaum noch meine Arme und Beine“, erwiderte er und ließ sich in den Sand fallen.
McErcs Gesicht verdüsterte sich unterdessen, als er die Beiboote entdeckte, die sich ihnen und dem Ufer unaufhaltsam näherten.
„Dieses Piratenpack scheint nicht aufgeben zu wollen. Steh auf, Silverblade. Es ist noch keine Zeit des Rastens. Wir müssen von hier verschwinden, denn sonst erwischen uns diese Höllenhunde doch noch!“
Der Angesprochene erhob sich schwerfällig und folgte McErc in den nahegelegenen Dschungel Schwarzafrikas.

****

Nachdem LaPierre und seine Männer das Ufer erreicht hatten, musste sich der Piratenkapitän eingestehen, dass ihm die beiden schon wieder entwischt waren.
Doch LaPierre gab so schnell nicht auf. Er kannte an der westafrikanischen Küste eine Menge portugiesischer Sklavenhändler, die ihm noch etwas schuldig waren.
Und diese Schuld würde er nun einfordern. Die beiden würden ihm nicht entkommen. Keiner entkam Kapitän Sarkasian LaPierre.
„Auf die Schiffe zurück, ihr verlausten Hunde!“, befahl er seinen Leuten.

****

„Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte von Schwarzenburg.
„Wir müssten uns südwestlich des Kongobeckens befinden“, erwiderte McErc und beobachtete, wie die Piraten in ihre Beiboote stiegen und zu ihren Schiffen zurückruderten.
„Eine gefährliche Gegend, in der wir uns befinden. Die westafrikanische Küste ist einer der Hauptumschlagplätze des Sklavenhandels. Dort tummelt sich der Abschaum aus der ganzen Welt.“
McErc fuhr herum, als er hinter sich ein Geräusch hörte. Doch das einzige was es sah, war ein ihm unbekanntes Tier, das seiner Ansicht nach Ähnlichkeit mit einer Ratte besaß.
Doch das kleine Nagetier hatte das Geräusch nicht verursacht, denn Sekunden später waren sie von etwa zwei Dutzend Farbiger umringt, die sie mit Musketen und Pistolen bedrohten. Die Ureinwohner des Schwarzen Kontinents hatten anscheinend von den Europäern gelernt, die ihre Völkern versklavten und ihre Frauen, Kinder und Eltern auf den Sklavenmärkten der Welt verschacherten.
„Eine falsche Bewegung ...“, sprach einer der Schwarzen in akzentfreien Portugiesisch, das McErc sehr gut beherrschte.

****

„Wisst ihr, was wir mit Sklavenhändlern und ihresgleichen machen?“, fragte sie Njinga.
Die Anführerin der schwarzen Krieger erinnerte McErc an alte Tempelzeichnungen, die er in Ägypten gesehen hatte, als er sich dort auf der Flucht vor den Osmanen versteckt hatte.
Sie war wunderschön. Sie trug ein reich verzierten Rock und eine Tunika, die ebenfalls mit Verzierungen versehen war, die ihren sehnigen Körper, der McErc an eine Katze erinnerte, schützte.
„Wie oft soll ich es euch noch sagen. Wir sind keine Sklavenhändler ....“, erwiderte der Schotte.
„Dann seid ihr eben Piraten“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Die sind auch nicht viel besser. Sie morden, vergewaltigen und verkaufen unsere Brüder und Schwestern ebenfalls auf den Sklavenmärkten.“
McErc musste gestehen, dass Njinga nicht Unrecht hatte, aber von solchen Entgleisungen distanzierte er sich. Er tötete nur, wenn es unbedingt sein musste. Von sinnlosen Morden und Zerstören hielten er und von Schwarzenburg nichts.
„Ihr kennt euch wohl sehr gut aus?“
Die Anführerin nickte.
„Dann wird Euch der Name Black Morgan wohl etwas sagen?“
Njinga stutzte.
„Der Name ist mir nicht unbekannt.“
„Dann solltet ihr auch wissen, dass Black Morgan und seine Männer mit Sklavenhändlern oder ähnlichem Gesocks nichts zu tun haben!“
„Und wie wollt ihr mir beweisen, dass ihr dieser Black Morgan seid?“
McErc öffnete sein Hemd und entblößte ein Amulett auf dem das Wappen der Familie McErc eingraviert war: eine schwarze Rose und ein Schwert.
Njinga hatte von diesem Amulett und dessen Träger schon viel gehört. Und was sie gehört hatte, unterschied sich doch sehr von den üblichen Taten der sogenannten Freibeuter der Meere.
„Und euer Begleiter ist wohl dieser Silverblade?“
„Zu euren Diensten“ erwiderte von Schwarzenburg, der die ganze Zeit geschwiegen und ein geduldiger Zuhörer gewesen war, galant.
McErc bemerkte aber, dass Njinga noch immer nicht ganz von seinen Worten überzeugt war. Doch trotzdem schnitt sie ihnen die Fesseln durch.
„Ihr seid frei, aber nach wie vor unter meiner Obhut. Also macht keinen Unsinn und missbraucht mein Vertrauen nicht. Denn ich und meine Krieger machen kurzen Prozess mit Leuten, die uns hintergehen wollen. Und nun kommt!“

****

Kabinda war einer der vielen kleine Städte an der westafrikanischen Küste, die durch den Sklavenhandel und dem Schutz der Portugiesen zu Reichtum gekommen war.
Kapitän LaPierre wusste, dass er in Kabinda Hilfe erwarten konnte, denn dort wurde eine Menge für weiße Sklaven bezahlt, die besonders im Osmanischen Reich eine heißbegehrte Ware waren.
Also warum sollte sich der Sklavenhändler Vasco Escriva diesen saftigen Gewinn entgehen lassen?
„Zwei kräftige Weiße?“
LaPierre nickte, der Escriva gegenübersaß.
„Und sie sind in den Dschungel gerannt?“ Der Sklavenhändler fuhr sich mit der rechten Hand über seinen Ziegenbart. „Und was erwartest Du nun von mir?“
„Hilf sie mir zu jagen und einzufangen. Nachdem wir sie gefangen haben, kannst du sie verkaufen.“
„Warum so großzügig?“, fragte ihn Escriva.
„Es geht ums Prinzip. Niemand entkommt Kapitän LaPierre. Niemand!“
Bei diesen Worten verwandelte sich LaPierres gutaussehendes Gesicht in eine Maske des Hasses, die selbst den Sklavenhändler erschreckte, der selbst kein Kind von Traurigkeit war.
Der Portugiese nickte schließlich und schaute in die Fratze LaPierres.
„Wie könnte ich ein so großzügiges Angebot ablehnen“ erwiderte Escriva mit einem hinterhältigen Lächeln.

****

„Und wo geht die Reise hin, Njinga?“
„Nach Kabinda. Mein Mann und mein Sohn werden dort festgehalten. Und ihr beide werdet mich begleiten.“
Njinga übergab McErc und von Schwarzenburg ihre Waffen sowie zwei neue Pistolen nebst Kugeln und dazugehörigen Pulver.
„Mit den 20 Mann wollt ihr Kabinda angreifen? Das ist Selbstmord!“
„Wer sagt denn, dass wir nur so wenige sind?“, erwiderte Njinga hintergründig.
Wie auf ein Zeichen tauchten plötzlich mehrere Hundert Krieger aus dem Dschungel auf. Einige hielten die typischen Bewaffnung der westafrikanischen Krieger in Händen. Schild und Speer oder statt des Speeres eine Holzkeule, die eine vernichtende Waffe in den Händen eines erfahrenen Kriegers war.
Doch viele von den Kriegern waren auch mit Musketen und Pistolen ausgestattet. Der Schotte erkannte sogar einige Dutzende Araber unter den Kriegern.
„Was machen denn diese Araber unter deinen Männern, Njinga?“
„Sie sind unsere Verbündeten, denn sie haben noch eine alte Rechnung mit dem Sklavenhändler Escriva offen. Es sind übrigens ausgezeichnete Schützen ....“
Black Morgan nickte. Er hatte schon des öfteren mit den Arabern zu tun gehabt. Er spuckte aus, als er an die Kämpfe mit den osmanischen Piraten dachte.

****

Während LaPierre und Escriva noch mit den Vorbereitungen zur Jagd auf McErc und von Schwarzenburg beschäftigt waren, kam der Tod über die Stadt Kabinda.
Die Holzpalisaden waren im Dunkeln kein ernstzunehmendes Hindernis für die Krieger Njingas. Die dort postierten Wachen wurden lautlos niedergemacht. Danach teilte sich die Schar.
Während sich die eine Hälfte um das Öffnen des Tores kümmerte, brachte die andere Hälfte im inneren der Stadt weitere Feind lautlos um.
Doch das Eindringen der Schwarzen war nicht unbemerkt vonstatten gegangen. Als die ersten Schüsse fielen, brach die Hölle über Kabinda los.

****

LaPierre zielte mit seinen beiden Pistolen und drückte ab. Eine Kugel zerschmetterte den Schädel eines Schwarzen, die andere schlug in die Brust eines anderen Kriegers ein. Sterbend sanken beiden Angreifer zu Boden.
Der Piratenkapitän warf daraufhin seine beiden Pistolen zu Boden und zog seinen Säbel. An der Spitze seiner Männer stürzte er sich in kämpfende Meute, wo Portugiesen gegen Schwarze, Araber gegen Europäer und Osmanen gegen Schwarze unbarmherzig miteinander rangen.
Unterdessen wollte der Sklavenhändler Escriva das unübersehbare Kampfgetümmel nutzen, um aus der Stadt zu fliehen, doch Njinga und zwei ihrer Krieger verhinderten seine Flucht und durchbohrten ihn mit ihren Speeren.
„Das ist für meine Familie“, schrie sie, die ihren Mann und ihren Sohn verhungert in einen der vielen Käfige entdeckt hatte. Nun waren sie gerächt.
Während Escriva in seinen eigenen Blut ertrank hatte Kapitän LaPierre Black Morgan unter den Kämpfenden entdeckt.
„Der Teufel ist doch auf meiner Seite“, murmelte Sarkasian und näherte sich dem Schotten links und rechts Säbelhiebe austeilend.
Doch so einfach, wie es sich der Piratenkapitän gedacht hat, offenbarte ihm der Teufel doch nicht seine Hilfe, denn auch Black Morgan hatte den Piratenkapitän entdeckt. Der Schotte zog seinen Säbel aus der Leiche eines Osmanen und trat ihm entgegen.
„So sieht man sich wieder“, begrüßte Sarkasian den Schotten.
Black Morgan nickte.
„Selbst ihr solltet so viel Benehmen haben, um euch vorzustellen.“
„Aber natürlich. Mein Name ist Sarkasian LaPierre. Viele nennen mich auch Bloody Pierre.“
Der Schotte nickte.
„Mein Name ist Morgan McErc. Doch die meisten kennen mich nur unter den Namen Black Morgan.
LaPierres Gesicht wirkte wie eine steinerne Maske, als er den Namen seinen Gegners vernahm. Von Black Morgan hatte er schon sehr viel gehört.
„Ich hatte gedacht, ihre wäret tot!“
„Nein, die Osmanen haben mich nicht erwischt und das werdet ihr auch nicht.“
Ohne ein weiteres Wort griff Black Morgan an. Blitzschnell fuhr seine Säbelklinge auf seinen Gegner, doch dieser wehrte den Hieb flink ab, obwohl sein Arm unter den kräftigen Hieb erzitterte.
„So werdet ihr mich nicht besiegen“, kam es zwischen den Zähnen LaPierres hervor.
„Wir werden sehen“, erwiderte Black Morgan knapp.
In den nächsten Minuten entbrannte ein Kampf zwischen den beiden Kontrahenten, in der weder die eine oder die andere Seite einen Erfolg verbuchen konnte.
Als LaPierre schließlich einsah, dass er seinen Gegner nicht besiegen konnte, schleuderte er Black Morgan seinen Säbel ins Gesicht, der dieser abwehren konnte, drehte sich flink um und entkam im Dunkeln der Nacht.


Anmerkung des Autors:
Njinga (1624-1663) war eine Königin des Ndongo – Reiches und verhinderte im 17. Jahrhundert die weitere Ausdehnung der Europäer (vorwiegend die der Portugiesen) im Gebiet des Kongobeckens (Westafrika).
Die Kurzgeschichte ist Anfang des 18. Jahrhunderts, etwa um das Jahr 1702 angesiedelt. Also etwa 40 Jahre nach dem Tode Njingas. Die Figur der afrikanischen Königin und Kriegerin passte aber so gut in die Handlung der Geschichte, dass ich sie entsprechend eingebaut habe.
 
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Kommentare  

Eine sehr lesenswerte Aberteuer-Erzählung mit authentisch historischem Hintergrund. Hat mir super gefallen. Handlung, Action und Spannung sind vorhanden, und das macht schliesslich auch eine gute Story aus.

peter (28.12.2005)

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