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2 Seiten

Verstehen

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Xavier im Kopf, im Ohr, die volle Dröhnung halt. Für Nadja Alltag. Jener nach der Schule und dem Mittagessen zu Hause.
Sie ist 16. Und schwanger. Letzte Woche hat sie es erfahren. Ihre Tage kamen nicht und Nadja wurde unruhig, hat schließlich sogar einen Schwangerschaftstest gemacht. Positiv! Sie wäre fast umgekippt.
„Nadja! Mach verdammt noch mal die Musik aus, deine Mutter kriegt Migräne!“ Vater schreit vor der Tür. Soll er doch, denkt Nadja, ich höre Musik wie es mir gefällt. Fast hätte sie „Leck mich!“ zurück geschrieen. Xavier singt schön, tröstlich, fast wie Seal. Sie vergisst wer sie ist, wo sie ist und was sie plant.
Nadja will sich umbringen.
Ganz klammheimlich hat sie das beschlossen. Niemandem will sie es erzählen, vielleicht schreibt sie ja noch einen Brief. Vielleicht.
Seit letztem Jahr häufen sich die Probleme. Vater wurde arbeitslos und jetzt verdient keiner mehr Geld. Sozialhilfe ist ein Witz!
Und jetzt auch noch ein Kind. Wer braucht das denn? Sven jedenfalls nicht. Das hat er ihr ja schon sofort gesteckt. „Das kann gar nicht von mir sein. Ich bin doch net so krank und mach dir ein Kind.“ „Von wem den sonst?“, hat Nadja gefragt, doch Sven hat ihr gesagt dass sie eine Schlampe ist und sich verpissen soll.

Nein, ihren Eltern kann sie es nicht sagen. Die verstehen dass doch nicht. Vater würde sich an seinem Bier festhalten und dann rumschreien, wie sie nur so dumm gewesen sein kann und Mutter....ja, die würde weinen und die Hände über dem Kopf zusammen schlagen. „Kind, was tust du uns da an.“, würde sie jammern und Nadja ein ganz schlechtes Gewissen machen. So, als hätte Nadja etwas verbotenes getan.
Dabei war es doch Liebe. Nadja hat Sven geliebt. Er war derjenige, der ihr wieder Hoffnung gegeben hat, der sie aus dem ganzen Mist geholt hat.....
Und jetzt?
Fort, die Hoffnung.
Nein, so will Nadja nicht mehr leben, so macht nichts mehr Sinn.

„Ich muss noch mal kurz weg.“, sagt Nadja, nimmt ihre Jacke und geht an ihrer Mutter vorbei. Ein nichtssagendes, hässliches Gesicht, umrahmt von einer grausigen Dauerwelle. „Komm ja nicht zu spät zurück.“, ruft Vater aus dem Wohnzimmer. „Jaja.“

Die Luft ist kühl, sticht wie kleine Nadeln in ihre Haut und klebt die Tränen an der Wange fest. Nadja legt die Hand auf ihren Bauch. „Wir haben nur noch uns.“, sagt sie und denkt an die Sorgen zu Hause. Kein Geld, arbeitsloser Vater und dann immer dieser Ärger, wenn sie mal eine schlechte Note heim bringt.
Kann man denn so ein Baby in diese Welt setzen?
Die Leute hasten an Nadja vorbei, schauen sie nur flüchtig an. Nehmen kaum Notiz von ihr, sind in Eile.
Endlich, wie ein Leuchtturm ragt das Parkhaus in die Höhe. Beruhigend, zuverlässig, sicher. Erhaben über alle anderen Häuser.

Langsam steigt sie die Treppe hoch, schaut über die Stadt, redet mit dem kleinen Punkt in ihrem Bauch. Ihr Baby. Vielleicht ein Mädchen, mit Bändern und Schleifen im Haar. Oder doch ein Junge? In Latzhose mit Rennauto in der Hand.
Die Stufen enden, Parkdeck 24.
Vorsichtig zieht Nadja die Tür auf. Bloß keinen unnötigen Lärm. Dieser Moment ist etwas besonderes. Der Moment der Freiheit. Der Sorglosigkeit und der Gewissheit, dass Sven überwunden ist.
Nur sie und das Baby. Nur sie.

Die Beine baumeln, Nadja blickt nach unten. Wie Ameisen hasten die Menschen die Straße entlang, ganz auf sich fixiert. Nadja lächelt. „Ihr habt nichts verstanden.“, sagt sie, denkt an das Baby.
Xavier singt, ganz ganz leise. Singt von Verständnis und Liebe. Ist nur eine seichte Stimme im Ohr. Gibt Mut, Kraft.
Sie steht auf, nimmt allen Mut zusammen und fliegt in den endlosen Himmel, weg von den Sorgen, der Freiheit entgegen. Ist frei, frei in sich und mit ihrem Kind.

Weit weit weg.






„Horst, da hat sich schon wieder Eine umgebracht.“ „Echt? Ist da auch ein Foto dabei?“

-Und sie werden sehen und trotzdem nicht verstehen-
 
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Kommentare  

Vielen Dank nochmal...ich glaube ich werde das wohl umändern ;)

Zimtsternchen (29.03.2006)

Ich kann mir vorstellen, wie das mit Schwangerschaftstest, nur aus Spaß gemeint war, aber es passt tatsächlich nicht so ganz. Man denkt sich im allgemeinen ja doch etwas dabei und hofft...
Ansonsten muss ich dem vorherigen Kommentar zustimmen. Diese teils recht knappen Sätze passen sehr gut dazu und sie wirken wie Gedanken, was sicherlich auch so sein sollte.
Zum Inhalt: Ein sehr trauriges Thema. Gut rübergebracht und sauber und nicht zu lang beschrieben.
Ich gebe auch vier Punkte.
Liebe Grüße,
Lynn


Lynn Morgan (29.03.2006)

Danke Freiheit =)
Die Holprigkeiten führe ich darauf zurück, dass ich diese Geschichte vor 2 Jahren angefangen habe, aber nicht über ein paar Zeieln hinweg gekommen bin...Ab dem Zeitpunkt, wo es verständlich und klar wird, habe ich erst vor kurzem gearbeitet....

LG


Zimtsternchen (12.03.2006)

Der Anfang beginnt etwas holprig, es gibt einige Wortwiederholungen (Alltag, Nadja) und das mit dem Schwangerschaftstest aus Spaß habe ich nicht ganz verstanden (wenn das Ironie sein sollte, passt sie da nicht).

Von der Handlung her gefällt mir dein Schrieb sehr gut, die Länge ist optimal und insgesamt ist es sowieso eine schöne runde Sache. 4P


Freiheit (10.03.2006)

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