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As long as I can smell you

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Er hatte sich noch nie solche Fragen gestellt.
Warum er es grade heute tut, weiß er nicht.
Vielleicht weil es der zweite Todestag seines einzigen Bruders ist. Er war damals schon mit sechzehn gestorben.
Leukämie.
Heute weiß Tom, wie er damit umgehen soll.
Damals war die Welt für ihn zusammengebrochen.
Und nun stellt er sich Fragen, die nur er selbst sich beantworten kann.
Er fragt sich, was die Menschen dazu bewegt zu trauern.
Sie trauern beispielsweise wegen des Todes einer geliebten Person.
Aber was bringt das dieser Person denn noch, dass man um sie weint, wenn sie schon längst verstorben ist?
Das macht sie doch nicht lebendiger.
Und toter als tot macht es sie auch nicht.
Das mag hart klingen, aber es ist doch so: Wer wegen des Todes eines Person trauert, ist im Prinzip nur egoistisch.
Schließlich weint man, weil man selbst etwas verloren hat und nun im Selbstmitleid versinkt, da man sich ein Leben ohne diesen Menschen nicht vorstellen kann.
Ja, das ist dermaßen egoistisch.
Aber andererseits muss man diese Emotionen auch irgendwie aus sich herauslassen, denn diese Gefühle treten so oder so auf.
Wie ein Reflex.
Aufstauen ist auf keinen Fall die richtige Lösung.
Tom hat verhältnismäßig nicht lange gebraucht, um eine vernünftige Lösung zu finden.
Er ist mit einer primitiven Lösung zufrieden: Er geht mit seinem Hund spazieren, der auch mal seinem Bruder gehört hat, und spricht seine Gedanken auf ein Diktiergerät.
Ob der Hund ihn wohl vermisst?
Eigentlich hasst er es draußen zu sein und er hört sich seine Aufnahmen auch nie noch einmal an. Er kann seine Stimme einfach selbst nicht hören, trotzdem lässt er diesen Vorgang immer und immer wieder ablaufen.
Während seines Spazierganges läuft er jedes Mal an dem Grab seines verstorbenen Bruders vorbei.
Er bleibt kurz stehen, spricht einige Gedanken auf, die nicht selten an Mark gerichtet sind, geht weiter, fummelt in seiner Jackentasche rum, macht dies, macht das.
Eines Abends kommt er von solch einem Spaziergang zurück.
Er legt sich in Marks altes Bett, kuschelt sich unter die Decke, saugt den Geruch seines Bruders in sich hinein. Der Geruch besteht nicht aus Partikeln, aus kleinsten Teilchen.
Nein, der Geruch besteht aus Einbildung und Erinnerung. Etwas Unreales, das doch so nah ist.
Tom weiß, es macht ihm nichts aus.
Warum soll es ihm auch etwas ausmachen, dass der Geruch weg ist, wenn er sich alles doch so gut vorstellen kann?
Das beweist ihm eben, dass Mark immer in seinem Herzen ist.
Das ist es, was ihn schon längst nicht mehr trauern lässt.
Mark ist da.
Mark ist bei ihm.
Alles ist gut.
Nur mit dem Gedanken, dass Marks lebloser Körper unter der Erde liegt, seine samtig weiche Haut von Würmern durchfressen wird - damit findet Tom sich einfach überhaupt nicht ab.
Und jedes Mal, wenn er solch einen Anfall von Unbehagen in sich aufsteigen merkt, tut er es:
Er trauert.
Er weint.
Er heult so viel bis er vor Erschöpfung einschläft, doch selbst im Traum rollen seine Tränen weiter.
Wenn er dann wieder aufwacht, will er so schnell wie möglich an Marks Grab.
Dann geht er auf den Friedhof, hockt sich vor den schwarzen Grabstein und streichelt die Blumen, die auf dem Grab wachsen.
Tom hat das Gefühl, in diesen Pflanzen ist ein Teil von Mark.
Schließlich wachsen sie auf der Erde.
Und diese Erde ist Mark.
Jedes einzelne Blütenblatt eine schillernde Haarsträhne von seinem Bruder.
Jedes Grashalm eines seiner Nackenhärchen.
Tom findet diese Vorstellung schön, auch wenn sie absurd ist.
Aber was ist auf dieser Welt in dieser Zeit schon nicht mehr absurd?
Tom versucht immer wieder Marks Stimme im Wind zu vernehmen. Manches Mal klappt es.
Einbildung und Erinnerung.
Aber schöne.
Einbildung....
Sind all seine Gefühle Einbildung?
Ist er selbst eventuell auch nur Einbildung?
Was ist Wirklichkeit?
Realität ist Einbildung?
Diese Einbildung ist wiederum Realität?
Dann kommt der Zeitpunkt an dem er aufhört zu denken.
Er lässt seiner Seele freien Lauf.
Und verdammt, sie läuft direkt zu Mark.
Es gibt nun keine Einbildung mehr, keine Realität, keine Trauer.
Nur noch Mark, seinen Bruder, den er so sehr vermisst.

Liebe ist wie de Wind. Du kannst sie nicht sehen, aber du fühlst sie.

Where are you?
I’m waiting.
Stop hiding!
Cause I’m Not thinking.
Let me in!
I love you.
Those dark clouds
I can’t look throgh.
Where is reality?
What is illusion?
I don’t understand.
You’re gone forever.
I’ll never see you again.
Come in, let me in!
We are two.
But should be one.
Let us start the game again.
You lost the first.
My Darling please!
Stop hiding!
Show me the way
To your heart!
Because I love and miss you
So much...

Endless, imagined sorrow
 
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