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4 Seiten

Lilly (Kapitel19)

Romane/Serien · Fantastisches
Das ganze Haus hatte Tanja Jenssen aufgeräumt, seit sie am frühen Nachmittag das Krankenhaus verlassen hatte. Kurz war sie Luft schnappen gewesen, nachdem dieser Arzt dabei war, Lillys wahrer Natur gefährlich nahe zu kommen. Als sie sich danach zu Lilly begab um mit ihr zu sprechen, war diese gerade beim Essen und muss wohl kurz vorher mit dem Zivi Mario geredet haben, denn dieser grüßte sie so freundlich und meinte beim Vorbeigehen, ihre Tochter würde gerade zu Mittag essen. Irgendwas war seltsam an diesem Mario: entweder steckte er mit drin und erschlich sich das Vertrauen von Lilly und auch ihres, oder seine Motive waren ehrlicher Natur und es lag ihm viel an Lillys Wohlergehen. Im Moment, in einer so delikaten Angelegenheit, wo Lillys Wohlergehen tatsächlich auf dem Spiel stand, konnte Tanja niemanden und nichts richtig einschätzen. Die Menschenkenntnis, die sie sich in ihrem Beruf als Friseuse angeeignet hatte, verließ sie gerade jetzt in einer Situation, wo sie sich darauf verlassen wollte. Dummerweise war das so mit der menschlichen Natur: manchmal verließen einen die Instinkte, auf die man seine ganze Hoffnung baute und die man maßgeblich zur Entscheidungsfindung benötigte. Wie dem auch sei, jemandem dem sie jetzt hundertprozentig vertrauen konnte, war ihr Mann, mit dem sie dringend über diesen Arzt und seine Ergebnisse reden musste. Leider kam Mark erst nachmittags gegen halb fünf nach Hause, so dass sich Tanja ablenken musste. Der längst überfällige Hausputz konnte auf diese Art und Weise erledigt werden. Gerade in dem Moment, wo sie sich das Badezimmer vornehmen wollte, vernahm sie ein bekanntes Geräusch von außerhalb des Hauses: es war der Motor von Marks Wagen.
Mark bog gerade in die Auffahrt ein, als Tanja die Haustür aufriss und ihm entgegen stürmte.
„Komm, wir müssen dringend reden“, rief sie aufgeregt und drehte sich noch während des Satzes wieder um und ging zurück zum Haus.
„Ich freu mich auch, dich zu sehen, Schatz“, erwiderte Mark überrascht. Was konnte seine Frau nur haben, dass sie tatsächlich vergaß, ihn zu grüßen und einen Kuss zu geben, wie es sich in den letzten Jahren so eingespielt hatte.
„Tut mir leid, ich bin etwas durcheinander. Es ist wirklich wichtig, also kommst du bitte.“ Den drängelnden Ton konnte er nicht überhören trotz ihrer Bemühungen, so normal wie nur möglich zu klingen. Leider unterschied sich ihre Ausdrucksweise von ihren Worten. Es passte nicht zusammen und Mark begann sich langsam Sorgen zu machen.
„Ich will einen Apfelsaft. Willst du auch etwas?“ fragte Tanja und verschwand in der Küche. Mark konnte nur den Kopf schütteln: was war nur los, fragte er in sich hinein. Zuerst scheucht sie ihn auf, wie ein paar Krähen, die zu Unrecht auf dem Feld die Ernte vernichteten, und dann hat sie auf einmal genügend Zeit, für ihr leibliches Wohl zu sorgen und bot Getränke an. Es musste wirklich etwas Wichtiges sein, über das sie mit ihm reden wollte. Und nicht nur das: scheinbar war es auch äußerst prekär.
„Es geht um Lilly“, eröffnete Tanja das Gespräch, als sie endlich am großen Esstisch Platz nahm und beiden etwas zu trinken eingeschenkt hatte. Marks Entscheidung, überhaupt etwas zu trinken oder nicht, überging sie einfach, da sie annahm, er würde etwas zu trinken brauchen. Sicherlich würde er ähnlich wie sie reagieren, wenn sie ihm erst erzählte, was der Arzt ihr Stunden zuvor verriet.
„Das überrascht mich nicht im mindesten“, gab Mark flapsig zurück. In den vergangenen drei Tagen drehte sich einfach alles um Lilly, da verwunderte es ihn wirklich nicht, wenn sie von diesem Thema anfing.
„Natürlich nicht. aber ich habe vorhin mit dem Arzt gesprochen und er hat es herausgefunden!“ Tanja legte ihrer Stimme etwas Unheilverkündendes hinzu.
„Es?“ Mark betonte dieses Wort ähnlich wie sie, weil er ganz sicher sein wollte, ob sie auch wirklich vom großen Geheimnis sprach.
„Ja, Mark. Er sprach davon, was er in dieser Untersuchung in diesem CT-Dings herausfand. Achso, dass muss ich dir ja auch noch erzählen.“
Mark war total verwirrt. „Was denn?“
„Erinnerst du dich noch an den Zwischenfall im Kindergarten? Mit diesem Mädchen und diesem Stein?“
„Ja, wieso?“
„Naja, Lilly hat wieder diese Kräfte gezeigt. Sie hat die Untersuchung sabotiert und das Gerät zerstört.“
Verwundert hob Mark eine Augenbraue. Das war in der Tat kein gutes Zeichen. „Und was hat der Arzt nun gesagt?“
„Er sagte, dass sie vor der Zerstörung noch ein paar Aufnahmen machen konnten und da war wohl deutlich zu erkennen, dass in Lillys Gehirn einige Veränderungen stattfinden würden. Er sagte etwas davon, dass sie Nervenzellen da hat, wo kein anderer Mensch sie hat, oder so. Sie hat deswegen diese Kräfte und das könnte auch noch mehr werden.“ Tanja unterbrach für einen Moment und sah ihren Mann eindringlich an. „Mark, er meint, wenn es schlimmer käme, müsse man eingreifen. Ich weiß nicht, was er vorhat, aber vielleicht will er sie operieren oder an einen Spezialisten übergeben. Weißt du, was das bedeuten könnte?“
Mark war in Gedanken versunken. Auf ihre Frage am Ende ging er gar nicht mehr drauf ein. Er versuchte erstmal zu sortieren, was seine Frau ihm etwas wirr mitzuteilen versuchte.
„Also wenn ich das richtig verstehe, dann denkt er, dass Lilly irgendwelche Superkräfte hat, also Dinge tun kann nur weil sie es will, denkt, fühlt oder auch unabsichtlich?“
„Ja, Mark. JA!“
„Und er sagt, dass sie mehr Nervenzellen hat als andere, oder zumindest an einem anderen Ort in ihrem Gehirn?“
„JA!“
Tanja hatte leicht das Gefühl, er verstünde nicht den Ernst der Lage und hielte sich mit Nichtigkeiten und unwichtigen Details auf. Aber er erstaunte sie, als er plötzlich schallend anfing zu lachen; ein Lachen, dass das gute Porzellan im Vitrinenschrank zum Zittern brachte.
Aus großen Augen sah sie ihn an und war der Sprache nicht mehr mächtig. Hoffentlich würde er ihren Blick bemerken und ihr eine Erklärung für seine eigenartige Reaktion geben.
Ohne das erstaunte Gesicht seiner Frau wahrzunehmen, sprach er: „Dieser Typ weiß rein gar nichts!“
„Was?“ rief Tanja empört, als sie die Sprache wieder fand.
„Verstehst du denn nicht? Er hat vielleicht etwas Komisches gefunden, aber das ist doch nicht das große, dunkle Geheimnis, das er hinter all dem vermutet hatte. Ja sicher, er denkt, er hat uns durchschaut, aber wenn wir da mitspielen, wird er die echte Wahrheit niemals herausfinden. Er wird es niemals herausfinden.“
Tanjas Augen suchten im Raum nach einem Fixpunkt. Sie war total durcheinander und suchte nach einem Halt. „Ich glaube du verstehst nicht, Mark.“
„Was meinst du?“
„Er hat es nicht rausbekommen, aber er hat was anderes gefunden. Und das ist merkwürdig genug. Es wird ihm reichen, weiter nachzuhaken und sie vielleicht aufn Tisch knallen oder sie in die Fängen von so nem Hirnfutzi geben.“ Ihre Sprache veränderte sich in etwas Drastischeres und weniger Förmlicheres. „Er wird sie uns wegnehmen!“
Der Lachansturm verließ Mark völlig. Daran hatte er nicht gedacht, er hatte nur das Geheimnis vor Augen, dem bisher keiner auf die Schliche gekommen war. Nicht mal ansatzweise. Aber, dass es auch andere Gründe geben kann um ihnen Lilly für immer wegzunehmen, war ihm erst jetzt klar geworden.
„Oh mein Gott. Daran habe ich gar nicht gedacht.“
„Da kannste mal sehen“, sagte Tanja triumphierend, aber sie empfand es nicht als Sieg. Sie war höchstens siegreich darin gewesen, dass sie ihrem Mann die Situation in einer Weise klar gemacht hat, dass sie nun gemeinsam an einer Lösung arbeiten konnten.
Mark dachte eingeschärft nach. „Wir müssen sie da raus holen, es geht nicht anders!“
„Da hast du vollkommen Recht“, meinte Tanja, aber diese Lösung war längst bekannt.
„Ja, aber wir müssen es anders angehen.“
„Was schlägst du vor?“
Mark verlagerte seine Sitzposition von links nach rechts. „Nun ja, bisher haben wir nur immer wieder mit dem Arzt geredet und abgewartet, bis die ihre Untersuchungen gemacht haben und damit dann zufrieden sind. Allerdings hat das bisher nicht wirklich gefruchtet. Es scheint so, als würden wir auf offiziellen Wegen nichts erreichen.“
Tanja hörte sich seine Ausführungen an und fand, dass dem ein unangenehmer Beigeschmack anhaftete. „Du meinst doch nicht, wir sollten….“
„Doch, Tanja, genau das. Ich denke, wir müssen sie daraus holen, ganz egal, ob man sie uns mitnehmen lässt oder nicht.“
Eine Entführung! Diese Option hatte Tanja nicht in ihre Überlegungen miteinbezogen. Es schien ihr zu extrem zu sein, die eigene Tochter aus dem Krankenhaus zu entführen. Sie musste Mark aber Recht geben, es blieb augenscheinlich keine andere Möglichkeit aus.
„Wie wollen wir das anstellen?“
„Keine Ahnung. Lass uns erstmal drüber schlafen. Morgen sehen wir das vielleicht alles etwas schärfer.“
Diesen Vorschlag fand Tanja weise. Eine Nacht drüber schlafen konnte tatsächlich einen anderen Blickwinkel schaffen. Jetzt waren beide zu aufgekratzt, noch zu nahe am Geschehen, als dass sie klare Gedanken fassen konnten. Nüchtern und logisch würden sie sich morgen etwas überlegen.
Mark hingegen war bestrebt, sein Büro gleich jetzt noch anzurufen und sich für morgen abzumelden. Franziska, seine Sekretärin, blieb meistens noch etwas länger im Büro um die Computer herunterzufahren oder die Blumen zu gießen. Letzteres vergaß die Putzfrau immer.
 
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