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5 Seiten

Der Autor

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© Bianca J.
Matthew Borrow stand unter Druck. Sein Verleger drängte ihn sein neues Buch vorzulegen. In 2 Wochen war der Abgabetermin. Er hatte 2 Bestseller geschrieben. Seine Leser erwarteten einen 3 Teil seiner Erfolgsromane.
Die Geschichte für den 3 Teil stand, aber er war nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Ihm gefiel seine Geschichte einfach nicht. Die ersten 2 Teile von „Das Leben von Jesse Cage“ waren der Renner. Tausende von Lesern hatten mit dem kleinen Jesse mitgelitten in seinen Geschichten. Sie hatten mit ihm gelacht, sie hatten mit ihm geweint. Die meisten seiner Leser fieberten dem Tag, an dem der 3. Teil veröffentlicht werden würde, entgegen.

Matthew saß vor seinem Computer. Der Cursor blinkte ihm schon seit Stunden entgegen. Er ließ Jesse sterben. Jesse, der kleine Prachtjunge von nebenan, war einfach so eine Klippe hinunter gestürzt. Dieser kleine Bengel war halt unachtsam gewesen. Außerdem hatte Matthew eine Blockade. Er hatte keine Geschichten für Jesse mehr auf Lager. Also mußte er sterben, einfach so. Er beendete sein Buch mit einer ergreifenden Beerdigungszeremonie.
Es war bereits zwei Uhr in der Früh. Er mußte ins Bett. Er war übermüdet. Die ganzen letzten Monate hatte er an seinem Buch gearbeitet und war kaum zum Schlafen gekommen. Er verfiel gleich in einem Tiefschlaf.

Wie schnell war doch der Abgabetermin gekommen. Das Buch wurde veröffentlicht. Er hatte einen Termin bei „Sam´s Books“. Dort sollte eine Autogrammstunde stattfinden. Bücher signieren. Er hatte keine Lust. Ihm war flau im Magen. Er konnte doch nichts mit einem Lächeln signieren, mit dem er selbst kein bißchen zufrieden war. Aber da mußte er nun durch. Schließlich war es jetzt zu spät, um etwas zu ändern. Das Buch war bereits in Druck gegangen. Er konnte nichts essen. Sein Frühstück blieb fast unangetastet auf seinem Teller liegen. Dafür trank er 4 Tassen Kaffee. Er überprüfte sein Äußeres. Er war relativ zufrieden. Schicker neuer Anzug, rote Krawatte, schwarze Lackschuhe und frisch rasiert. So konnte man sich unter Menschen trauen. „Wenn du nicht ich wärst, würde ich dich heiraten“ sagte er grinsend zu seinem Spiegelbild. Er beeilte sich, sonst würde er womöglich noch zu spät kommen. Er war eine Stunde vor Beginn dort. Er mußte sich ja schließlich noch vorbereiten. Er wollte bestimmen, wie der Tisch, an dem er die nächsten Stunden verbringen würde, aussah. Ein paar Bücher rechts, ein paar Bücher links und er mit seinem Stift in der Mitte. So fühlte er sich relativ wohl. Der Ansturm konnte kommen. Er hatte noch eine viertel Stunde bis zur Öffnung der Buchhandlung. Also, noch ein Kaffee. Ein Donut wäre jetzt auch nicht schlecht. Schließlich war sein Frühstück nicht gerade üppig ausgefallen.
„Matthew, würdest du dich jetzt langsam fertig machen? Es geht in 2 Minuten los. Ich will keine bösen Überraschungen.“ sagte Sam Steward, der Besitzer von Sam´s Books. Matthew begab sich auf seinen Platz und wartete auf den Ansturm.

Er signierte so viele Bücher, das ihm schon die Hand weh tat. So viele Frauen, Männer und sogar Kinder beglückwünschten ihn zu seinen Erfolgen und sagten ihm, wie gespannt sie schon auf das neueste Abenteuer von Jesse Cage waren. Er lächelte nur müde. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sein neuestes Werk auf genauso viel Begeisterung stoßen würde, wie seine Vorgänger. Was wäre denn passiert, wenn „Hanni und Nanni“ im dritten Teil einfach von der Klippe gefallen wäre? Tausende von Kindern hätten geweint und wahrscheinlich Alpträume gehabt. Es konnte einfach keine Begeisterung für sein drittes Werk geben, wenn er selbst keinerlei Begeisterung dafür aufbringen konnte.
Sein Verleger war begeistert. Es wurden noch mehr Bücher verkauft, wie es beim zweiten Teil der Fall war. Der Rubel rollte. Er erklomm die Bestsellerliste. Allerdings hatte Matthew immer noch das Gefühl, dass das nicht wirklich gerechtfertigt war. Er hatte immer noch Schuldgefühle, dass er Jesse einfach hatte sterben lassen. Es flatterten vereinzelt Briefe in den Briefkasten seines Verlegers. Es waren meist Empörungsschreiben. Doch die Anzahl der Briefe, die kamen, waren keineswegs Besorgnis erregend. Naja gut, Begeisterungsschreiben hielten sich auch in Grenzen. Aber der Verkauf des Buches bestätigte doch auch den Erfolg, oder etwa nicht?

Matthew schlenderte durch den „Patric´s Park“ um die Spätsommer Sonne zu genießen. Er hoffte auf neue Ideen. Die bekam er meist, wenn er gemütlich in der freien Natur umher schlenderte. Er beobachtete die Menschen, die Kinder, die Natur. Noch kam ihm keine Idee. Seine Gedanken hafteten immer noch an Jesse. Doch der war tot. Es konnte keine Vortsetzung von Jesse Cage geben. Das war unmöglich. Es sei denn, er ließ ihn wieder auferstehen. Er war etwas verärgert. Momentan hatte er so viele kreative Ideen für weitere „Jesse Cage“ Geschichten, doch er konnte doch keinen neuen Jesse Cage Roman schreiben. Der Zug war abgefahren. Vielleicht sollte er einen neuen Jungen erfinden, doch dass würden die Leser wahrscheinlich nur als einen billigen Abklatsch von Jesse Cage ansehen. So etwas nannte man wohl eine Zwickmühle.

Er bemerkte, dass er von 5 Gestalten beobachtet wurde. Am Anfang kümmerte er sich nicht darum. Vielleicht waren es Fans, die sich nicht trauten nach einem Autogramm zu fragen. Nach einer Weile war es ihm allerdings unangenehm. Herr Gott nochmal, wenn sie etwas von ihm wollten, konnten sie ihn doch fragen. Er war ja schließlich ein Mensch wie jeder andere auch.
Nach einer Weile, kam die kleine Gruppe auf ihn zu. „Na es geht doch“ dachte Matthew. Sie wollten alle ein Autogramm. Sie schienen allerdings alle nicht so glücklich zu sein, wie die Leute, denen er normalerweise ein Autogramm gab. Er wollte nach Hause. Der Park hatte ihm in Sachen neuer Ideen nichts, einfach rein gar nichts gebracht.
Auf dem Weg nach Hause, bemerkte er, dass die kleine Gruppe, „der Autogrammjäger“, ihm folgte. Er wurde etwas nervös. Er hatte keine Idee, was die Gruppe noch von ihm wollte. Sie hatten doch das begehrte Autogramm bekommen. Er merkte einen dumpfen Schlag auf seinem Kopf.

Als er erwachte, hatte er höllische Kopfschmerzen. Er war benommen. Als er sich umsah, konnte er keine ihm vertraute Umgebung entdecken. Er versuchte aufzustehen. Er wackelte durch den Raum. Egal, wo er gerade war, er wollte einfach nur ein Aspirin. Jeder Haushalt hatte Aspirin und er brauchte es ganz dringend. Sein Kopf schien auf die Größe eines Medizinballes angeschwollen zu sein. Eine große dicke Beule zierte seinen Hinterkopf. Eine Tür lag direkt vor ihm. Der Öffnungsversuch scheiterte. Sie war verschlossen. Stimmen waren zu hören, ihm unbekannte Stimmen. Schritte waren zu hören. Er trat einen Schritt von der Tür zurück. Er hörte, wie ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde. Grelles Licht trat in den Raum und ihm taten die Augen weh. Das Licht schmerzte. Er hatte mal gelesen, dass Licht das Schlimmste war, was einem passieren konnte, wenn man starke Kopfschmerzen hatte. Langsam erkannte er Umrisse von einem Mann. Es war ein großer, im Gegensatz zu ihm, ein extrem großer Mann. Er hätte ihn auf ca. 1,95m geschätzt. Der Mann war außerdem noch breit wie ein Schrank. Das war kein gutes Zeichen. Der Mann führte ihn ins Wohnzimmer.
„Nun Mr. Borrow. Ich glaube, wir sollten uns einmal über ihr neues Buch unterhalten.“ sagte ein Mann, der im Sessel saß. „Hat es ihnen gefallen?“ fragte Matthew. „Nun ja Mr. Borrow, ich lese so einen Schund nicht. Aber meine Frau hat sich wegen ihnen die Augen ausgeheult. Sie ist nervlich am Ende. Sie hat Jesse Cage vergöttert. Sie ist zusammengebrochen, als sie von seinem Tod las.“ Matthew war sichtlich geschockt. Aber, was sollte er dagegen tun? So war das nun mal. Die Geschichte ist zu Ende. Es wird keine Fortsetzung geben. Aus, Ende, Basta. Sie war ja schon veröffentlicht. Er konnte doch das Buch nicht vom Markt nehmen. „Das tut mir wirklich Leid, aber ich kann an der Situation nichts ändern. Das Buch ist bereits auf dem Markt. Ich kann es nicht zurücknehmen und umschreiben.“ Er bekam einen Schlag in den Magen.
„Sie müssen doch nur ein Exemplar für meine Frau schreiben. Das kann doch nicht so schwer sein.“ „O.k. lassen sie mich gehen und ich schreibe eine nette Geschichte für ihre Frau und sende sie ihnen dann zu.“ sagte Matthew. „Nein, nein, nein. Sie werden keine kleine Geschichte schreiben und sie werden auch nicht gehen. Sie werden ein komplett neues Buch schreiben und das an dem Ort, wo ich sie beaufsichtigen kann. Dieser Ort ist hier. Verstehen Sie?“ Matthew wurde klar, das er gekidnappt worden war. Er sollte so lange hier bleiben, bis die gesamte Geschichte umgeschrieben war. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Das war unmöglich. Er wäre dann Monate von der Bildfläche verschwunden. Seine Karriere wäre ruiniert. Sie würden ihn alle vermissen. Seine Frau, seine Kinder, sein Verlag. Sein Verlag würde sich einen neuen Autor suchen und er wäre Geschichte. Das war das Ende seiner Karriere.

Eine neue Geschichte wurde erfunden. Nette kleine Abenteuer von Jesse Cage. Ganz ohne Tod und Trauer. Zeitgefühl kannte Matthew nicht mehr. Wochen oder sogar Monate konnte er in seinem Loch gesessen und geschrieben haben. Er wußte es nicht. Er hatte Angst. Angst davor, dass jeder ihn vergessen hatte. Er war ja schließlich ohne ein Zeichen zu geben, verschwunden. Allerdings war das neue Buch, das er in den Händen hielt, ein wahres Meisterstück. So eine gute Geschichte hatte er noch nie in seinem Leben geschrieben. Ein Bestseller eben.

Um 5 Uhr erwachte er in seinem Bett. Er hatte keine Ahnung, wie er nach Hause gekommen war. Sein Kalender zeigte den 2. September. Er mußte also gerade erst sein Buch fertig gestellt haben. Er ging zu seinem Computer schaltete ihn an. Tatsächlich die Geschichte war im Ursprung gespeichert. Er hatte geträumt. Das alles war ein Traum gewesen.
Er hatte noch ein paar Tage Zeit. Die Geschichte schrieb er um, so wie in dem Buch, von dem er geträumt hatte. Das Buch war das Beste, was er je geschrieben hatte. Wochenlang war ihm der erste Platz in den Bestsellerlisten sicher.
Es folgten noch 3 weitere Jesse Cage Romane, bis der Erfolg langsam nachließ
 
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Kommentare  

Hoffentlich wurden wenigstens im oben genannten "Bestseller" - wie es sich in einem literarischen Text gehört - die Zahlen nicht als Zahlen sondern als ganzes Wort ausgeschrieben. Wer nämlich die minimalsten Strukturen eines Textes missachtet, hat wenig Chancen auf dem Buchmarkt, ganz zu schweigen von einem Bestseller. Es ist geradezu grauenvoll, wie viele Zahlen du hier verarbeitet und als "Zahlen" geschrieben hast. Hast du das nicht bemerkt?

Michael Kuss (01.12.2012)

Auch ich glaubte auf weiter Strecke, dass ich hier eine verkürzte Version von Stephen Kings "Misery" vor mir hätte.
Leider muss ich Stefan zustimmen - der Mittelteil sieht ziemlich hastig hingeworfen aus. Während der Einstieg sehr schön fließt, nicht zu langsam, nicht zu schnell, werden anschließend Monate in einem Satz verpackt. Scheint so, als wären Dir hier entweder die Ideen - oder die Lust angesichts eines so umfangreichen Werkes ausgegangen.
Das Ende - alles war bloß ein Traum - ist eigentich schon ziemlich ausgelutscht. Dennoch kommt es hier in einen völlig neuen Kontext: Schließlich wurde Matthew hier von der Muse geküsst. Und schmunzelnd habe ich für mich vermerkt, dass ein solcher Kuss scheinbar nicht immer süß und angenehm ausfallen muss.
Hätte gerne 5 Punkte gegeben, aber, wie gesagt, wegen des nicht dazu passenden Mittelteils leider nur 4 Pünktchen.


Gwenhwyfar (26.11.2002)

Zuerst dachte ich: "Eh Bianca! Was soll das? N´bisschen knapp geraten der Mittelteil, wo der Typ seinen Roman unter Zwang im Verlies schreiben muss! Wo ist die Beschreibung seiner Verzweiflung?" Dann kommt die Aufklärung: Es war ein Traum. Und in Träumen geht es nun mal so unkonventionell und verworren zu. Kuhle Geschichte. Fünf Punkte.

Stefan Steinmetz (24.02.2002)

erinnert ziemlich an diesen stephen king roman..

jbuegler (12.11.2001)

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