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Schattenmacht - Das letzte Licht -16-

Romane/Serien · Fantastisches
Eine spärlich beleuchtete Kammer in den Katakomben


Einen Moment später erkenne ich, dass es ein Fehler war den Schritt zu benutzen. Noch während wir zwischen Hier und Dort sind fühle ich, wie eine fremde Macht an mir zerrt. Erschrocken wehre ich mich gegen diesen Sog, finde eine starke Resonanz und folge dieser. Einen Augenblick später sind wir durch den Schritt und wieder in der Welt.
Sekunden darauf schießt mir heißer Schmerz durch den Körper. Blind und orientierungslos taumle ich zurück und stürze haltlos nach hinten auf den harten Felsgrund unter mir. Mein eigener Schrei hallt von den Steinwänden wieder und einen Augenblick später erkenne ich, dass nicht nur ich vor Angst und Schmerz schreie. Ich krümme mich kurz zusammen und stelle erleichtert fest, dass sich die Schmerzen schon wieder legen. Endlich kann ich auch wieder etwas sehen und erblicke Missa, die sich nicht weit vorn mir entfernt windet. Was verflixt noch einmal war das denn jetzt?
Langsam und stöhnend rapple ich mich auf und krieche zu der Leopardenfrau hinüber, die nun auch aufgehört hat zu schreien. Mit einem Knurren rollt sie sich auf den Bauch und erhebt sich auf alle Viere. Ihre Augen sind geweitet, als sie mich ansieht.
"Was zur Hölle war das denn jetzt?"
Die Stimme der Dämonin ist rau und ihr Schreck sticht wie eine lange, scharfe Spitze aus ihrer Resonanz hervor. Ich muss beinnahe lachen, denn sie hat meine eigenen Gedanken perfekt in Worte gefasst.
"Keine Ahnung," flüstere ich, "aber vermutlich so etwas wie ein verborgener Bann oder ähnliches. Eben etwas das verhindern soll, dass man diesen Ort mit dem Schritt verlassen kann. Glaube ich zumindest."
Ich bin erstaunt wie rau sich meine Kehle anfühlt und bemerke erschrocken, dass ich schon wieder meine magischen Reserven gut zur Hälfte aufgebraucht habe. Ich lasse meinen Blick schweifen, kann aber nicht viel sehen, da es hier so gut wie kein Licht gibt. Von der Decke leuchtet ein dumpfes Licht herunter. Ich sehe genauer hin und erkenne einen Leuchtstein. Moment einmal...?
Ich halte entsetzt inne. Der Raum in dem wir waren wäre ohne Missas Lichtkugel völlig finster gewesen. Weder ich, noch die Leopardenfrau hätten dort etwas sehen können. Hier aber kann ich die andere Frau relativ gut erkennen. Demnach befinden wir uns ganz sicher nicht mehr dort, wo wir eben noch waren! Meine Augen weiten sich, während diese Erkenntnis mit voller Wucht in meinem Geist aufschlägt. Missa starrt verwirrt in die Dunkelheit.
“Wo verflixt sind wir eigentlich?”
Ich schüttle nur den Kopf und starre weiter in die tiefe Finsternis ein Stück weiter. Mir war gerade so als hätte ich etwas gehört. Die Sekunden scheinen sich zu dehnen, doch als ich es schon als Einbildung abtun will erklingt das Geräusch wieder. Ein Rascheln, als bewege sich etwas dort in der Finsternis. Instinktiv beginne ich nun die Resonanz zu prüfen und erkenne sie wieder. Ich krabble etwas rückwärts weg und werfe einen beinnahe panischen Blick um mich. Zu meiner linken Seite erhasche ich einen Blick auf eine Mauer aus Natursteinen, deren Resonanz von Jahrhunderten spricht und von einem extrem starken Bann. Verflucht! Auf dieser Seite befinden sich tiefe Kerben in den Steinen. Ich schlucke trocken, als erneut das Rascheln erklingt. Diesmal merkt auch Missa auf und blickt angespannt in die Finsternis. Dann plötzlich erscheint ein schräges, ironisches Grinsen auf ihrem Gesicht, als sich eine kleine Gestalt aus dem Dunkel löst.
“Eine Ratte,” lacht sie auf, “man diese Viecher kommen auch überall hin. Los verschwinde,” faucht sie das Tier an, “du hast uns schon genug erschreckt.”
Die Ratte wendet sich mit einem leisen Quietschen zur Flucht und Missa dreht sich zu mir um. Als sie mein Gesicht sieht, wird die Frau schlagartig ernst.
“Hoffnung? Verflixt, das war nur eine Ratte. Du hast doch keine Angst vor den Tierchen, oder?”
Ich schüttle nur stumm den Kopf und starre weiter in die Finsternis, die auf der Rechten Seite herrscht. Die Leopardenfrau sieht mich verwirrt an, dann wird auch sie der Wand ansichtig.
“Oh, Hölle....! Wir sind in einem mystischen Verlies gelandet.”
Ich rapple mich auf die Beine auf und weiche nun immer mehr nach links zurück. Irgendetwas ist dort in der Finsternis, das kann ich deutlich wahrnehmen. Ich habe diese Resonanz vor kurzem erst erspürt und weiß daher ganz genau wo wir gelandet sind. Erst vor kurzem stand ich mit Missa auf der anderen Seite der Wand, die ich nun im Rücken spüren kann.
Die Dämonin sieht mich verwirrt an.
“Hoffnung? Sag doch was! Was ist denn?”
Ihre Stimme wird lauter, doch ich achte nicht auf die Frau, die nun vor mir steht.
Denn hinter ihr, über ihre Schulter hinweg erkenne ich nun die Schemenhafte Gestalt eines sehr großen Wesens, das sich uns lautlos nähert. Ich schlucke trocken. Mein Herz setzt einen schmerzhaften Schlag aus, nur um viel schneller weiterzuschlagen. Viel mehr als die Größe, lange Klauen und leicht glühende, goldgelbe Schlangenaugen kann ich nicht erkennen, aber das reicht auch vollkommen.
Ich frage mich warum die Leopardenfrau noch nicht bemerkt.
“Missa,” meine Stimme versagt mir beinnahe, “wir haben ein Problem.”
Die Katzenfrau runzelt die Stirn.
“Das ist mir auch schon aufgefallen.” Sie verdreht die Augen, nun augenscheinlich genervt.
“Wir sitzen in einem mystischen Verlies! Meine ganze Wahrnehmung ist wegen der starken Banne durcheinander.”
Ich nicke, zumindest habe ich nun eine Antwort darauf, dass sie offenbar die Gefahr in ihrem Rücken nicht wahrnimmt. Seltsam ist das schon, aber im Endeffekt im Moment völlig unwichtig. Langsam schält sich immer mehr des Wesens aus dem Schatten und ich würde sehr gerne noch weiter zurückweichen, was allerdings schon nicht mehr möglich ist. Mein Herzschlag dröhnt mir in den Ohren und am liebsten würde ich jetzt einfach los schreien. Da aber meine Kehle wie zugeschnürt ist, wundere ich mich, dass ich überhaupt noch einen Ton von mir geben kann.
“Ja das Problem haben wir auch, aber wir haben noch ein weiteres.”
Meine Stimme ist kaum mehr, als ein leises Wispern.
“Ein über zwei Meter großes Problem, das irgendwie sehr hungrig aussieht.”
Nun weiten sich die Augen der anderen Frau deutlich und plötzlich sieht sie sehr angespannt aus. Endlich scheint sie auch die Gefahr in ihrem Rücken wahrzunehmen. Ihr Körper strafft sich kaum sichtbar, aber deutlich.
“Wir sitzen in einem bestimmten Verlies, oder?”
Ihre Stimme ist nun ebenfalls wieder ein Flüstern. Ich nicke nur leicht.
“Das mit dem Berserker?”
Missa wirkt nun auch sehr angespannt. Ich nicke erneut.
“Und er ist hinter mir?”
Die Katzefrau klingt nun fast ängstlich. Zum dritten Mal nicke ich stumm, während ich das Wesen immer noch im Auge behalte. Verwundert frage ich mich, warum es noch nicht angegriffen hat.
“Wir sollten verschwinden!”
Missas Stimme ist, obwohl immer noch sehr leise, nun scharf geworden.
“Wohin denn, Missa? Das ist ein mystisches Verlies, hier funktioniert der Schritt nicht!”
In meine Stimme hat sich ein schriller Ton geschlichen und die Katzenfrau schluckt trocken.
Mittlerweile lehne ich mit dem Rücken an der Mauer. Der Berserker kommt immer näher, nun leise und bedrohlich knurrend. Dann plötzlich setzt der Dämon zum Sprung an und alles geht rasend schnell. Noch während das Wesen springt packe ich Missa beim Arm und lasse mich seitlich fallen, wobei ich die Dämonin mit zu Boden reiße. Der harte Aufprall treibt mir schlagartig die Luft aus den Lungen. Doch eine Sekunde später bin ich auch schon wieder auf den Beinen, da mich Missa in die Höhe zerrt. Neben uns prallt mit einem harten Laut der Berserker an die Wand und wir beide rennen los, als hinge unser Leben davon ab. Im Grunde tut es auch genau das.
Wir tauchen in die Finsternis ein, einen Moment lang kann ich überhaupt nichts sehen und lande hart an einer weiteren Wand. Missas Hand ergreift mich am Arm und zieht mich nach links. Einen Augenblick später kann ich wieder etwas sehen und erkenne, das wir gerade um eine Biegung gelaufen sind.
Vor uns erstreckt sich ein etwa fünfzehn Meter langer Gang, der an einer weiteren Wand endet. Dort befindet sich eine Art Durchgang, aus dem Licht kommt und so den Gang beleuchtet. Sonst gibt es keinen weiteren Weg, von daher sprinten wir einfach weiter. Hinter dem Durchgang eröffnet sich ein quadratischer, etwa dreißig Quadratmeter großer Raum mit einer hohen Decke. Alles, der Gang, wie auch dieser Raum ist nur grob aus dem Fels gehauen. Außer einem Kopfgroßen Loch nahe der Decke an der gegenüberliegenden Wand gibt es keine weitere Öffnung hier. Zwei auf dem Boden stehende Kerzen spenden das Licht.
Hinter uns ertönt nun ein animalischer Schrei und dann kann ich schwere Schritte hören, die sich uns nähern. Missa knurrt wütend und ruft eine Waffe, genauer gesagt einen Krummsäbel herbei. Dann wendet sich die Frau ab und stürmt mit einem Raubkatzenartigen Brüllen wieder in die Richtung aus der wir gerade gekommen sind. Mein Blick schweift kurz über dem Raum, bleibt erst an dem Loch, dann an den Kerzen hängen und schließlich heften sich meine Augen auf eine steinerne Bank mit einer zerlumpten Decke darauf. Viel mehr gibt es nicht zu sehen, bis mir ein Glitzern in der Ecke direkt rechts neben mir auffällt. Ich sehe genauer hin und erkenne Ketten, etwas das wie altes Leder aussieht und zerdrückte Plastikflaschen. Letzteres irritiert mich etwas. Was zum ...?
Missas Fauchen und das Brüllen des anderen Dämons lassen mich herumfahren. Schmerzen, Furcht, Einsamkeit, aber vor allem Erschöpfung, Enttäuschung und Trauer branden aus dem Durchgang auf mich zu. Einen Augenblick erstarre ich völlig verblüfft, denn diese Emotionen kommen nicht aus Missas Resonanz, sondern aus der des Berserkers.
Meine Augen weiten sich erstaunt und plötzlich weiß ich warum wir ausgerechnet hier gelandet sind und vermutlich auch wie.
Wie von der Tarantel gestochen laufe ich in den Durchgang und sehe noch, wie die Leopardenfrau, die sich nun schon wieder halb in der Verwandlung befindet den anderen Dämonen ans andere Ende des Ganges getrieben hat.
“Missa,” schreie ich, “nein, lass ihn!”
Verblüfft hält die Dämonin inne und der Berserker nutzt die Gelegenheit um hinter der scharfen Biegung zu verschwinden. Missa faucht frustriert und bedenkt mich mit einem beinahe vorwurfsvollen Blick. Ich erkenne, dass sie im Moment eher von ihren Instinkten beherrscht wird, dennoch bleibt sie wo sie ist und versucht nicht dem Mann zu folgen. Ich renne los und bin kurz darauf bei der Leopardenfrau.
“Warum?”
Ihre Stimme ist noch rau, aber mittlerweile sieht sie wieder normaler aus.
“Seine Resonanz,” erkläre ich atemlos, “es ist seine Resonanz, Missa! Angst, Schmerzen, Enttäuschung, Einsamkeit, aber vor allem Trauer, das habe ich wahrgenommen. Aber nichts von Angriffslust oder Wut.”
Ich atme tief durch und die Dämonin runzelt die Stirn.
“Ich wusste gar nicht, dass Berserker so etwas wie Trauer empfinden können.”
Die Frau klingt überrascht. Ich nicke.
“Ich denke das ist auch der Grund warum wir hier erschienen sind.”
Nun mustert sie mich verblüfft und ich erkläre ihr meine Vermutung.
“Missa, ich denke wir sollten gar nicht hier landen, sondern wohl eher in etwas ähnlichem, wie dem hier. Ich glaube, ich habe das gefühlt und mich dann instinktiv an die nächste, starke und traurige Resonanz gehängt, die ich finden konnte. Und das war seine.”
Ich zeige kurz in die Richtung, wo der Berserker hinter dieser Biegung verschwunden ist.
“Ich glaube nicht, dass er uns etwas zuleide tun wollte.”
Mit diesen Worten schiebe ich mich an Missa vorbei und trete auf den dunklen Bereich zu.
“Nichts zuleide tun?” Die Dämonin lacht ungläubig auf. “Er hat uns angesprungen!”
Ich blicke zu ihr zurück.
“Hat er das wirklich, oder sah es nur so aus?”
Das lässt Missa wieder die Augenbrauen zusammenziehen und ich wende mich ab.
Ich will es jetzt wissen und trete vorsichtig in die Dunkelheit hinein, taste mich blind und vorsichtig an der Wand entlang bis ich wieder sehen kann. Wobei ich bemerke, dass diese Biegung eher wie ein Hufeisen geformt ist und frage mich unwillkürlich warum das so ist. Dicht hinter mir ist Missa, ich kann ihre Anwesenheit spüren, doch ich blicke nicht zu ihr zurück. Statt dessen heften sich meine Augen auf das Wesen vor mir, das mit dem Rücken an der Wand zusammengesunken ist und nun dort kauert. Mit dem linken Arm umklammert er seine Seite, wo ihn scheinbar Missa verletzt hat, denn helles Blut quillt darunter hervor. Das Haar des Geschöpfes ist dicht, lang und Schneeweiß. Über den Nacken hinab, das Rückrat entlang und über die Schultern und den Oberseiten der Arme ziehen sich hell glitzernde, feine Schuppen. Alles was der Dämon trägt ist eine zerlumpte Hose, keine Oberbekleidung und Schuhe. Von daher kann ich sehen, wie abgemagert er unter der blasen Haut ist. Scheinbar bemerkt er mich, denn er wendet mir ein eckiges, scharfgeschnittenes und markantes Gesicht zu. Die hellglühenden Schlangenaugen verengen sich gefährlich und er öffnet den Mund zu einem lautlosen Fauchen, das seine beeindruckenden Fänge offenbart. Eigentlich sieht der Mann nicht mal schlecht aus, wenn man vergisst, dass es sich um einen ziemlich abgemagerten Dämon handelt. Seiner Resonanz haftet nun mehr Furcht und Misstrauen an, dennoch ist die Trauer und das Gefühl der Einsamkeit noch immer deutlich wahrzunehmen. Erschüttert betrachte ich das Geschöpf, die Narben auf seiner hellen Haut und die Metallringe, die noch immer seinen Hals und die Handgelenke umschließen. Ich muss an die Ketten denken, die ich in dem Raum entdeckt habe und begreife, dass er vermutlich einige Zeit lang sogar angekettet war. Missa, die neben mir ist, wirkt noch immer misstrauisch und hält ihren Krummsäbel kampfbereit in den Händen. Der Blick des Berserkers wendet sich der Dämonin zu, mustert sie kurz und bleibt dann auf der Waffe hängen. Aber anstatt aufzuspringen tut der Mann etwas, das die Leopardenfrau aus dem Gleichgewicht bringt. Er schließt die goldenen Augen und lässt den Kopf nach vorne sinken. Auch ich kann es kaum fassen, aber es ist ganz offensichtlich dass der Dämon sich gerade ergeben hat!
Die Dämonin an meiner Seite zieht scharf den Atem ein und verursacht damit ein zischendes Geräusch. Ich wende ihr das Gesicht zu und sehe, dass sich ihre Augen ungläubig geweitet haben, während ihre Waffe etwas nach unten gesunken ist.
“Missa?”
Ganz langsam nur gelingt es ihr, ihre Augen von dem Mann zu lösen und mich anzusehen.
“Sehen,” frage ich nun ganz leise, “alle Berserker so aus?”
Die Frau schüttelt sachte den Kopf.
“Nein,” meint sie ebenso leise, “normalerweise sind ihre Haare und Schuppen dunkel, oft mit einem deutlichen Stich ins Grüne. Die Augen sind für gewöhnlich auch dunkler.”
Ich nicke stumm und verstehend.
Der Mann ist also etwas besonderes und ungewöhnlich für seine Rasse. Vorsichtig trete ich einige Schritte näher, lasse die völlig perplexe Missa stehen und gehe vor dem Berserker in die Hocke. Seine Augen springen auf und er hebt müde den Blick. Nun steht nur noch Traurigkeit darin und Erschöpfung.
“Du wolltest uns gar nichts tun, nicht wahr?”
Meine Stimme ist sanft und die Augen des Dämons weiten sich überrascht, erstaunt holt er Luft und dann schüttelt er sachte den Kopf. Seine Lippen bewegen sich mehrmals stumm, bevor es ihm gelingt mir zu antworten.
“Ich,” seine Stimme ist kaum mehr als ein heiseres Flüstern, “war so lange allein. Ich weiß nicht warum ich doch gesprungen bin. Ich ... ich wollte …” Seine Stimme versagt ihm den dienst und er schüttelt frustriert den Kopf, bevor er mich wieder mit einem hilflosen Ausdruck in den Zügen ansieht.
Ganz offensichtlich hat er lange nicht gesprochen und sucht nun verzweifelt nach den richtigen Worten. Ich höre wie Missa erneut nach Luft schnappt, wende ihr aber nicht das Gesicht zu. Ein leichtes Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht.
“Instinkt,” beende ich seinen Gedankengang, “dein Instinkt hat dir gesagt anzugreifen.”
Der Dämon denkt kurz darüber nach und deutet nach einigen Momenten ein Nicken an.
“Weißt du wer ich bin?”
Meine Stimme klingt immer noch sanft und wieder nickt der Mann leicht.
“Das dort,” ich zeige zu der Leopardenfrau, “ist Missa, eine Freundin von mir. Ihr macht auch manchmal der Instinkt zu schaffen und manchmal lässt er sie auch ganz einfach im Stich.”
Ich kichere als die Dämonin ein empörtes Geräusch von sich gibt.
“Verrätst du uns deinen Namen?” Meine Stimme klingt immer noch sanft.
“Reyarak,” flüstert der Mann, “mein Name ist Reyarak.”
Ich bemerke wie er langsam ruhiger wird und die scharfen Kanten in seiner Resonanz glätten sich ein wenig. Einer Eingebung folgend hebe ich die Hand, lege sie sanft auf seine Schulter und ziehe ihn in eine Umarmung. Hinter mir faucht Missa erschrocken auf.
“Vorsicht Hoffnung, er ist immerhin ein ...... Berserker.”
Das letzte Wort flüstert die Frau nur noch, denn der Mann vor mir hat die Umarmung angenommen und sein Gesicht an meiner Schulter vergraben. Ich hole überrascht Luft, denn seine Stärke überrascht mich etwas. Sofort lockert er seine Umklammerung etwas, lässt mich aber nicht los. Mein Blick schweift über die Mauer und die Furchen darin. Ich muss an die Klauen des Dämons denken und mir wird klar, woher diese Furchen wohl stammen. Wie verzweifelt muss ein Wesen sein um solche Kerben in eine massive Steinwand zu kratzen? Selbst mit solchen Krallen scheint mir das beinnahe unmöglich.
Und diese Krallen, dieselben die diese Furchen verursacht haben, liegen nun ganz sanft um meinen Körper und ritzen mir noch nicht einmal die Kleider an. Vorsichtig beginne ich dem Mann über den Rücken zu streicheln und bemerke erst jetzt, wie dünn er wirklich ist und wie sehr die Knochen unter der Haut hervorstehen. Ein kleines, trauriges Lächeln stielt sich auf mein Gesicht. Wahrlich ich tröste wirklich jene, die sonst niemand mehr trösten kann!
Eine traurige Seele bleibt eben eine traurige Seele, selbst wenn sie in einem abgemagerten, über zwei Meter großen Berserkerdämon mit langen Krallen, gefährlichen Fängen und glühenden Schlangenaugen steckt. Ich beginne nun ganz leise zu summen und kann hören, dass sich Missa jetzt auch nähert. Vorsichtig lässt sie sich neben mir und dem Dämonen in die Hocke gleiten und mustert den Mann mit nunmehr weichem Blick.

Eine Stunde später sitzen ich und Missa auf großen Steinbrocken in dem Quadratischen Raum. Zwischen uns sind noch mehr Steine aufgeschichtet, die ich mithilfe des Feuerrings zum glühen bringe. Die großen Steinstücke sind die Überreste der Mauer, die diesen Raum einst verschloss. Reyarak gelang es irgendwann endlich sich loszureißen und zumindest diese Mauer zu zerstören. Vermutlich auch, weil sie nicht mit einem Bann belegt war, anders als die zweite. Mittlerweile haben wir auch von ihm erfahren was es mit diesem Loch auf sich hat. In langen Abständen werden dadurch kleine Kisten mit Nahrung, Wasser und Kerzen geschickt. Der Dämon, der jedes Zeitgefühl verloren hat, kann nur vermuten, das es regelmäßig Abstände sind. Eines weiß er aber genau. Es dauert immer lange, bis wieder neues kommt, da er sich zu diesem Zeitpunkt schon wieder kaum mehr auf den Beinen halten kann.
Neugierig benutzte ich die Levitation um die Öffnung genauer in Augenschein zu nehmen und stellte ein wenig enttäuscht fest, dass es sich um eine Art Rutsche handelt, die sehr weit nach oben zu reichen scheint. Also auch kein Weg hier heraus.
Mittlerweile glühen die Steine genug und strahlen eine angenehme Wärme aus. Für mich selbst ist das weniger wichtig, aber Missa friert bereits in der Kälte, die hier unten herrscht. Wie das Reyarak die lange Zeit ausgehalten hat ist mir rätselhaft. Nun aber liegt er erschöpft auf dem spärlichen Lager und schläft tief. Ich vermute das er viel und oft schläft, was auch kein Wunder bei seinem ausgezehrten Körper ist. Mein Blick schweift besorgt über den Mann, der unruhig im Schlaf zuckt. Ich weiß nicht was ihm alles widerfahren ist, aber die Narben auf seiner Haut sprechen eine deutliche Sprache.
Ich sehe Missa an, deren Blick auch besorgt ist.
“Ich verstehe immer noch nicht, warum ich ihn so lange nicht bemerkt habe.” Die Leopardenfrau hat ihre Stimme zu einem Flüstern gesenkt, dennoch klingt sie verwirrt. Offenbar schämt sie sich sogar ein wenig. Ich deute ein Schulterzucken an und antworte selbst flüsternd.
“Ich weiß es auch nicht, Missa, aber wir sind quer durch alle mögliche Banne und Sicherungen in ein mystisches Verlies eingedrungen. Ich nehme einmal an, dass das deine Sinne gehörig durcheinander gebracht hat.”
Als Antwort seufzt die Dämonin nur leise.
“Er ist seltsam,” meint sie plötzlich, “ich habe schon gegen Berserker gekämpft, ich weiß welche Bestien sie sein können, aber Reyarak ist nicht so.”
Die Dämonin klingt verwirrt, doch ich kann ihr auch nicht helfen. Schließlich seufzt Missa erneut und wendet sich wenige Augenblicke wieder unserem dringlicherem Problem zu, da wir nun offenbar ebenso wie Reyarak hier gefangen sind.
“Wie kommen wir nun hier wieder raus?”
Ich habe eine Theorie dazu und sehe die Frau ernst an.
“Indem wir den Schritt gehen. Beziehungsweise ich werde den Schritt gehen und dich, sowie Reyarak mit mir nehmen.”
Missa zieht die Augenbrauen zusammen und sieht reichlich zweifelnd aus.
“Erinnerst du dich an die Schmerzen,” frage ich, “ die wir beide hatten, als wir hier drinnen aufgetaucht sind?” Sie nickt langsam und ich fahre fort. “Ich habe seltsamerweise meine magischen Reserven fast zur Hälfte aufgebraucht dabei und denke das da ein Zusammenhang besteht.”
Ich sehe die Dämonin aufmerksam an. Ihr Gesicht ist nun fragend und ich erkläre mich.
“Missa, ich denke, dass ich bei diesem Richtungswechsel, als ich Reyaraks Resonanz gefolgt bin die Bannzauber um diesen Ort herum irgendwie durchbrochen, sie vielleicht sogar beschädigt habe. Und ich glaube das dies der Grund für unsere Schmerzen war.”
Die Katzenfrau nickt verstehend.
“Wie sicher bist du dir dabei?” Ihre Stimme ist ruhig.
“Ziemlich sicher,” antworte ich, “aber ich werde es sicher nicht versuchen bevor ich mich nicht magisch erholt und diese Wand, sowie alle anderen Schwingungen hier, aufs genaueste geprüft habe.”
Missa nickt verstehend, dann fällt ihr Blick wieder auf den noch immer schlafenden Berserker und ein andrer Zweifel schleicht sich in ihre Augen. Offensichtlich weiß die Leopardenfrau immer noch nicht wirklich was sie von Reyarak halten soll, oder ob man ihm trauen kann.
“Du willst ihn wirklich mitnehmen?” Der Zweifel schlägt sich in ihrer Stimme nieder. “Ich meine, er verhält sich zwar nicht wie die Berserker, denen ich bisher begegnet bin, aber er IST ein Berserker. Wer sagt uns, dass er nicht über uns herfällt, sobald wir ihm hier herausgeholfen haben?”
Ihr Blick zeigt mir, wie besorgt die Katzenfrau ist und ich nicke verständig.
“Ich sage es dir.” Meine Stimme ist bestimmt. “Missa, ich kann seine Resonanz sehr gut wahrnehmen und ich würde es merken, wenn da irgendwo solche Wesenszüge in ihm wären.”
Missa lächelt mich entschuldigend an.
“Ich mache mir nur Sorgen,” meint sie, “denn schließlich ist er, was er ist. Aber vielleicht kann uns Reyarak selber diese Unstimmigkeiten erklären, wenn er wieder wach ist.”
Nachdenklich ruht ihr Blick wieder auf dem Berserker, dann jedoch wendet sie sich ab und sieht mich wieder an. Abrupt kommt sie wieder auf das ursprüngliche Thema zurück.
“Du willst also mit dem Schritt die Barrieren und Banne mit denen dieser Ort versiegelt ist durchbrechen, weil du annimmst, dass wir das schon getan haben. Aber wenn du dich irrst und es geht nicht? Was wenn wir sie nur durchbrechen konnten, weil wir von außen gekommen sind? Was wollen wir dann tun?”
Ich nicke leicht und bin sehr froh, dass ich die kluge Leopardenfrau mitgenommen habe.
“Das überlegen wir uns,” antworte ich, “wenn es soweit ist. Im Notfall einfach warten, denn wenn wir nicht mehr wieder auftauchen werden unsere Freunde sicher nach uns suchen. Ich muss ja weder essen noch trinken und für die nötige Wärme kann ich sorgen.”
Ich zeige auf den glühenden Haufen von Steinen.
“Wie lange kannst du es ohne Nahrung und Wasser aushalten?”
Meine Frage klingt sachlich und Missa nimmt sich einige Augenblicke zum nachdenken.
“Ohne Wasser,” antwortet sie schließlich, “so ungefähr zehn Tage, ohne Nahrung bestimmt zwei Monate. Außerdem gibt es hier Ratten, die ich fangen …”
Sie hält plötzlich inne und runzelt die Stirn. Dann sieht sie mich mit einem seltsamen Blick an.
“Sag mal Hoffnung, hast du eine Ahnung was genau die Bannzauber auf diesem Verlies bewirken?”
Ich denke kurz nach und nehme mir noch mal Zeit die Schwingungen in den Wänden erneut zu prüfen. Dann antworte ich der Dämonin.
“Also grob gesagt halten sie alles Lebende, das hier drinnen eingeschlossen ist davon ab, diesen Ort zu verlassen und alles Lebende, das außerhalb von diesem Verlies ist davon ab, hier herein zu kommen.”
Neugierig mustere ich die Leopardenfrau, die nun wie elektrisiert aufspringt.
“Das ist es,” zischt sie, “irgendwo muss es eine Lücke geben.”
Auf meinen verwirrten Blick hin grinst mich Missa breit an.
“Wie sonst sollten denn sonst die Ratten hier herein kommen?”

Etwa zwei Stunden später sitze ich immer noch auf dem Steinblock und sehe mit zur Seite geneigtem Kopf Missa zu, die eine weitere Ratte aufgestöbert hat und nun durch die Gegend scheucht. Das Tier huscht in den Gang hinaus, Missa hinterher, dann flucht die Katzenfrau leise und ich sehe die Ratte wieder hereinhuschen. Das Tier hält kurz inne, bemerkt mich, saust auf mich zu und verschwindet unter meinen Röcken. Kopfschüttelnd und kichernd blicke ich Missa entgegen, die nun wieder in dem Durchgang erscheint. Die Frau mustert mich scharf.
“Nein, nicht schon wieder. Sag mir das es nicht schon wieder geschehen ist?”
Missa klingt ein wenig verzweifelt. Ich unterdrücke ein Lachen und hebe zur Antwort meine Rocksäume etwas, was ein empörtes Quieken zur Folge hat. Missa verdreht die Augen und lässt sich schwer auf den Steinbrocken mir gegenüber fallen.
“Du hast mir verschwiegen das jedes, aber wirklich jedes Tier in dich vernarrt ist!”
Jetzt muss ich doch lachen.
“Ich wusste nicht, dass dies auch für Ratten gilt. Ich hatte noch nicht viel mit diesen Tieren zu schaffen.”
Missa seufzt schwer.
“Sie wird da nicht mehr hervorkommen, oder?”
Ihr Stimme klingt resigniert und ich schüttle den Kopf.
“Genau so wenig,” meine ich , “wie die anderen drei.”
Die Dämonin schüttelt einfach nur fassungslos den Kopf.
Eine heftige Bewegung und ein heiseres Geräusch von Reyarak lassen uns den Kopf zu dem Lager wenden, wo der Dämon die ganze Zeit geschlafen hat. Nun aber ist er hoch geschreckt und sieht sich etwas verwirrt um. Einen Moment später lässt er sich zurücksinken und streckt nur stumm die Hand nach mir aus. Ich erhebe mich, achte diesmal nicht auf die Quieklaute unter meinen Röcken und gehe zu dem Mann hinüber. Meine Röcke schleifen kurz über den Boden und legen dann die vier Ratten frei, die sich darunter zusammengekauert haben. Sanft ergreife ich Reyaraks große, knochige Hand und lasse mich auf dem Rand seines Lagers nieder. Der Dämon blinzelt verwundert und als ich seinem staunendem Blick folge muss ich erneut lachen.
Die Nagetiere sitzen noch immer zusammengekauert am selben Ort, drängen ihre kleinen, braunen Körper dicht aneinander und blicken sich ängstlich um. Missa indessen hat die Augenbrauen hochgezogen und mustert die Tiere mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen. Dann plötzlich rennen die Ratten auseinander und die Dämonin springt ihnen hinterher.
Mein Blick wandert wieder zu Reyarak, der immer noch reichlich verwundert aussieht.
“Missa,” erkläre ich, “will herausfinden wo die Ratten hier hereinkommen, denn vielleicht finden wir ja einen Weg dort hinaus zu kommen. Darum scheucht sie die Tierchen herum, aber anstatt durch ihren Eingang zu fliehen, verstecken sie sich unter meinen Röcken.”
Ich muss wieder kichern, besonders als der Mann den Kopf schräg legt und sehr interessiert zusieht wie schon wieder eine der Ratten unter meinen Rock huscht.
“Warum machen sie das?”
Seine Stimme klingt schon etwas besser und froh bemerke ich, dass ihm auch die Aussprache leichter fällt. Kurz hebe ich die Schultern.
“Ich weiß es nicht.“ Meine Stimme klingt amüsiert. “Tiere haben mich schon immer gemocht und seit ich aus der Welt genommen wurde, mögen sie mich noch mehr.”
Der Mann nickt leicht und sieht staunend zu wie eine zweite der Ratten unter meinen Rock huscht. Ich zucke etwas zusammen, da mich ihr Schwanz am Bein gekitzelt hat.
“Reyarak,” meine Stimme ist nun ernst, “weißt du, wie diese Tiere hier herein kommen? Ich hoffe doch, das sie nicht über dieses Loch da oben hereinklettern, oder?”
Der Berserker schüttelt sanft den Kopf.
“Nein, da kam noch keine durch.”
Er setzt sich langsam auf und stöhnt leise auf. Dann presst er die Hand in die Seite und als er sie zurückzieht ist etwas Blut daran. Offensichtlich ist die zum Glück oberflächige Wunde, die ihm Missa beigebracht hat, wieder etwas aufgerissen. Ich wünschte ich hätte Verbandszeug, aber sie wird wohl auch so abheilen. Gefährlich ist sie jedenfalls nicht.
Ich stehe auf, damit er seine Beine herum schwingen kann , was er auch tut. Eine dritte Ratte huscht unter meine Röcke und der Dämon bedenkt sie mit zusammengekniffenen Augen und einem eindeutig hungrigen Blick.
“Du hast schon lange nichts mehr gegessen, nicht wahr?”
Meine Bemerkung lässt ihn aufblicken. Er nickt leicht, dann erhebt er sich vorsichtig. Ich glaube er bewegt sich nicht nur wegen seiner Erschöpfung so langsam, sondern auch um mich nicht zu erschrecken.
Ich trete etwas zurück und blinzle furchtlos zu ihm auf. Er ist aber auch groß, so groß, dass ich den Kopf in den Nacken legen muss. Ein kurzes Lächeln huscht über seine Züge und ich lächle unwillkürlich zurück.
“Die Ratten,” meint er leicht stockend, “kommen nicht von dort.”
Der Berserker zeigt kurz auf das Loch nahe der Decke.
“Aber ich weiß woher sie kommen.”
Er dreht sich um, bückt sich und schiebt dann die steinerne Bank ein Stück zur Seite und von der Wand weg. Einen Moment lang bin ich verwirrt, doch dann wird mir klar, dass das was ich für fest an der Wand verankert hielt, eben dies nicht ist.
“Woher stammt das Ding eigentlich?”
Meine leise Frage lässt ihn wieder aufblicken.
“Aus dem Gang,” seine Stimme wird wieder rau, “bevor die Mauern waren, saßen darauf die Bewacher. Erst als ich diese Mauer hier zerstört hatte sah ich, dass sie das Ding dagelassen haben.”
Er blickt mich mit einem unbestimmbaren Blick an, dann verzieht er kurz den Mund. Schließlich zeigt er in die Ecke, die er freigelegt hat und fordert mich auf hinzusehen. Als ich hinsehe, entdecke ich ein etwa Faustgroßes Loch im Stein. Zudem erkenne ich, dass hier anscheinend eine relativ große Öffnung zugemauert worden war, denn etwa einen Meter in die Höhe und einen halben in die Breite sehe ich Mauerwerk aus Natursteinen. Diese Stelle haben sich, so scheint es, auch die Ratten ausgesucht, um sich hier einen Gang herein zu graben. Missa hat Recht, es gibt eine Lücke!
Ein breites Lächeln zieht über mein Gesicht. Dann runzle ich die Stirn und sehe den Berserker wieder an, da mir seine letzten Worte durch den Kopf gehen.
“Reyarak, hab ich das richtig verstanden, dass du schon hier drinnen eingesperrt warst, bevor sie diese Mauern hochgezogen haben?”
Er nickt nur und wendet die Augen ab. Erneut fällt mein Blick auf die Metallfesseln um seine Handgelenke und ich muss an die Ketten in der Ecke denken.
“Was hat man dir hier angetan?”
Meine Stimme ist leise, kaum mehr ein Flüstern und sehr, sehr sanft. Doch der Berserker, dieser große, starke Dämon weicht ein wenig vor mir zurück. Sein Blick ist starr zu Boden gerichtet während er den Kopf schüttelt. Sein Atem geht heftiger, noch immer schüttelt er stumm den Kopf und weicht so weit zurück, dass er mit dem Rücken an die Wand stößt. Besorgt trete ich langsam auf den Dämon zu und ergreife ganz sachte seine Hand. Ruckartig springt sein Blick vom Boden weg und auf mein Gesicht. Seine Augen glitzern gefährlich, doch davon lasse ich mich nicht erschrecken.
“Es ist in Ordnung,” sage ich leise, “wenn du es nicht erzählen willst, dann musst du das auch nicht. Ich werde sicher nicht versuchen, dich dazu zu zwingen. In Ordnung?”
Langsam beruhigt sich Reyarak wieder und endlich nickt er leicht. Verwundert betrachtet er meine Hand, die in seiner eigenen so klein aussieht.
“Du hast keine Angst mehr,” meint er plötzlich, “woher hast du gewusst, dass ... dass ich nicht…"
Seine Stimme verklingt wieder. Erneut fehlen ihm die Worte, doch ich verstehe worauf er hinaus will, dennoch frage ich nach.
“Dass du uns kein Leid tun wolltest und dass du mir nichts antun würdest?”
Erneut nickt der Dämon leicht.
“Weil,” meine ich nun, “ich die Resonanz und Schwingungen eines Wesens, ganz gleich woher es kommt, sehr genau wahrnehmen kann und deine sprach nicht von Wut oder Angriffslust, sondern von Einsamkeit, Schmerz und Trauer.”
Der staunende Blick des Mannes lässt mich leicht lächeln.
“Das kannst du?” Er klingt fast ehrfürchtig und ich nicke nur.
Dann wende ich meinen Blick von ihm ab und dem Durchgang zu, von dem wieder eine Ratte herbeigehuscht kommt. Kurz bevor sie mich erreicht hält das Tier aber inne, wechselt die Richtung und saust durch das nunmehr freigelegte Loch. Missa, die nun auch wieder in dem Raum getreten ist sieht ihr neugierig nach, dann bedenkt sie mich mit einem fragendem Blick.
“Da hinten ist ihr Eingang,” meine ich fröhlich, “hinter Reyaraks Schlafstatt. Darum sind sie nicht mehr da durch. Ich war einfach näher.”
Ich muss grinsen, als die Frau ihre Arme vor der Brust verschränkt und eine Augenbraue hochzieht.
“Na, das wenn wir gewusst hätten, dann hätte ich mir die Rumrennerei sparen können.” Sie schnaubt kurz. “Obwohl, es war wenigstens ein amüsanter Zeitvertreib.” Sie sieht mich auffordernd an. “Und, was ist? Habe ich recht mit der Lücke.”
Ich lasse die Hand des Berserkers los, nicke und trete ganz nahe an das große Rattenloch heran. Schließlich lege ich meine Hand knapp darüber auf die Wand und konzentriere mich darauf die Zauberbanne und Barrieren im Felsen wahrzunehmen. Schließlich nicke ich langsam.
“Ja,” meine ich leise, “du hast Recht Missa. Hier ist eine Lücke, aber sie ist recht klein. Vielleicht mal bis zur Hälfte die Wand hoch und nicht viel breiter als einen halben Meter.”
Ich trete zurück und atme einmal tief durch, dann noch einmal. Ich bin mir alles andere als sicher ob wir es wirklich schaffen. Irgendetwas ist hier in den Wänden, auch das nehme ich nun plötzlich sehr deutlich wahr. Etwas, das ich nicht so recht greifen kann. Hat es vielleicht etwas mit dem Schritt zu tun, oder einfach nur mit all den magischen Objekten, die hier gelagert werden?
Mit einem zweifelndem Blick sehe ich Missa an, die mir beruhigend die Schulter drückt. Reyarak sieht von mir zu Missa, dann zu dem Loch in der Wand und schließlich wieder zu mir.
“Was hast du vor?”
Seine Stimme klingt verunsichert und automatisch lächle ich den großen Dämon beruhigend an.
“Ich und Missa,” erkläre ich leise, “sind durch diese Banne und alles andere mit dem Schritt gekommen. Das tat zwar ziemlich weh, aber ich glaube, das ich das noch einmal machen kann, besonders weil es hier eine Lücke gibt. Außerdem hoffe ich das wir nicht in irgendeinem anderen Verlies dieser Art landen.”
Ich hole tief Luft. Während Missa die Ratten herumscheuchte und der Berserker schlief habe ich mir das alles noch einmal ganz genau durchdacht. Schließlich bin ich zu dem Schluss gekommen, das wir nur in einem Verlies, auch wenn es das Falsche ist, gelandet sind, weil wir versuchten die Katakomben mit dem Schritt zu verlassen. Von daher sollte es eigentlich möglich sein, das wir innerhalb der Katakomben den Ort wechseln, ohne sogleich wieder diese Art magischen Schutzmechanismus auszulösen.
Und dies alles setze ich nun den beiden Dämonen auseinander, wobei Missa etwas besorgt wirkt und der Berserker nachdenklich die Stirn runzelt.
“Du glaubst, weil hier kein Bann ist, können wir vielleicht hier einfach durch die Wand in den nächsten Raum gehen mit dem Schritt?”
Reyaraks Frage fasst meine Erklärung sehr gut zusammen. Ich nicke langsam.
“Aber,” gebe ich zu bedenken, “ich weiß nicht ob es funktioniert und es wird ganz sicher ziemlich gemeine Schmerzen bei uns auslösen."
Daraufhin sieht sich der Berserker die Wand genau an.
“Wie groß?”
Ich brauche eine Sekunde um zu begreifen, dass er wissen will, wie groß die Lücke in dem Bann ist, der uns hier gefangen hält. Ich zeige es ihm. Sie ist wirklich nicht sonderlich breit diese Lücke. Reyarak legt den Kopf schräg, betrachtet das Loch der Ratten, dann die Wand. Schließlich blickt er auf und lächelt mich mit dem breitesten Grinsen, das ich jemals gesehen habe, an. Seine scharfen Zähne blitzen kurz auf, was alles in allem ein eher beunruhigender Anblick ist, selbst wenn man weiß, dass die Geste freundlich gemeint ist.
“Die Ratten haben ein großes Loch gegraben,” meint der Mann und zeigt auf die Öffnung, “wenn dort kein Bann ist, dann kann ich das auch.”
Wie um es uns zu beweisen zieht er die Krallen seiner rechten Hand fest über den Stein und hinterlässt tiefe Furchen. Mir uns Missa stellen sich bei dem Geräusch die Nackenhaare auf, dann jedoch atme ich erleichtert aus. Daran hatte ich gar nicht gedacht, aber Reyarak hat recht. Schließlich hat er auch die unverzauberte Mauer, die diesen Raum hier verschloss, eingerissen. Wenn er nur die Öffnung, die hier wohl vor langer Zeit einmal zugemauert war wieder freibekommt, reicht das allemal um nacheinander hinaus zu kriechen. Ich lächle den Dämon froh an.
“Wie lange, glaubst du, wirst du brauchen, Reyarak?”
Meine Stimme klingt hoffnungsvoll. Der Mann zuckt mit den Schultern.
“Nicht lange,” meint er schließlich, “einige Stunden, vielleicht auch mehr.”
Ich bemerke, dass je länger der Dämon mit uns zusammen ist, desto flüssiger wird seine Sprache.
Er lächelt uns an, dann kniet er sich vor das Rattenloch und beginnt nun systematisch den steinharten Mörtel zwischen den Steinen hervorzukratzen. Etwas, was ihm sehr gut gelingt und wahrlich schauderhafte Geräusche verursacht. Schon kurz darauf hat er auf diese Weise den ersten Stein gelockert und bricht ihn gänzlich heraus.
So vergehen die nächsten Stunden, in denen Reyarak langsam aber gründlich einen Stein nach dem anderen aus dem Loch hervorholt und es damit immer mehr vergrößert. Dann erklingt ein seltsames, reißendes Geräusch und ein Poltern. Einen Moment später wird mir klar, dass der Dämon die andere Seite der Wand durchbrochen hat. Weitere fallenden Steine sind zu hören, doch plötzlich seufzt der große Mann auf.
“Oh, das ist nicht gut.”
Reyaraks Stimme klingt seltsam. Er kriecht aus dem engen Loch rückwärts hervor und sieht mich traurig an. In seiner Resonanz zeigen sich scharfe Kanten von Enttäuschung und Traurigkeit. Ich gehe besorgt neben ihm in die Knie.
“Was ist denn, Reyarak?”
Sorge und Verwirrung färben meine Stimme dunkel.
“Du gehst,” meint der Dämon leise, “und deine Freundin. Ich komme dort nicht hindurch.”
Dann lässt er einfach den Kopf hängen und da ich immer noch nicht so wirklich schlau aus seinen Worten werde, krieche ich selbst in das Loch hinein. Nun eigentlich konnte man dazu schon beinnahe Tunnel sagen, denn diese Mauer ist fast zwei Meter dick.
Sofort erkenne ich, was Reyarak meint, denn zwei dicke Eisenstangen versperren die Öffnung auf der anderen Seite. Sie stehen weit genug auseinander, so dass ich und Missa uns wohl hindurchzwängen können. Aber für Reyarak ist es schlicht zu eng. Ein seltsames Gefühl das Herabsinkens sucht meine Brust heim und ich erkenne, das mir im wahrsten Sinne des Wortes, das Herz schwer geworden ist. Müde fahre ich mir mit der rechten Hand durch das Gesicht und bemerke dabei den Ring an meinem Finger. Aber ja doch, natürlich! Der Feuerring!
Entschlossen konzentriere ich mich und richte die Magie des Schmuckstücks in einem dünnen, roten, aber sehr heißen Strahl auf das Eisen. Ich würde Reyarak nicht einfach so hier zurücklassen. Nicht nachdem er uns so geholfen hat und so vieles schon durchmachen musste!

Missas Stimme klingt zu mir.
“Was ist denn los?”
Die Leopardenfrau klingt alarmiert.
“Gitterstäbe,” antworte ich, “hier sind zwei dicke Gitterstäbe, die den Ausgang versperren. Das ist viel zu eng für Reyarak, da kommt er nicht durch. Aber ich glaube ich habe eine Möglichkeit gefunden wie ich diese blöden Dinger wegbekomme.”
Erfreut sehe ich, wie meine Bemühungen schon langsam Wirkung zeigen, den das obere Ende des einen Stabs glüht nun bereits. Augenblicke später beginnt das Metall sich langsam zu verflüssigen.
Eine Stunde später habe ich beide Stäbe an ihrem oberen Ende durch geschmolzen und krieche wieder aus dem Loch hervor. Ich muss mich unbedingt ausruhen, denn das lange benutzen des Feuerrings hat sehr an meinen Kräften gezehrt. Zudem habe selbst ich die Hitze, die ich so erzeugt habe gespürt. Nachdem ich das Loch verlassen habe, sieht sich Missa die Lage genauer an. Als sie wieder aus dem Loch hervorkommt nickt sie leicht.
“Ich werde mich dann da durchquetschen,” meint sie, “und mir auf der anderen Seite etwas suchen, womit ich diese Stangen fest halten kann, oder ein Seil zum festbinden oder so etwas. Dann muss du sie am anderen Ende nicht mehr durch schmelzen, sondern nur noch soweit erhitzen, dass sie weich werden und ich biege sie dann einfach nach außen weg.”
Ich nicke müde und die Dämonin verschwindet daraufhin durch das Loch. Angestrengt lausche ich und höre bald darauf verschiedene Geräusche, die darauf schließen lassen, das die Frau wohl irgend welche Kisten durchsucht. Minuten später ist sie wieder am Loch und ruft leise zu uns herein. Ich werfe einen Blick hindurch und sehe die katzenhafte Dämonin, die breit grinsend zwei übergroße Schmiedehandschuhe hochhält.
“Ihr habt ja gar keine Ahnung,” flüstert sie aufgedreht, “wie viel verrücktes Zeug hier herumliegt.”
Ein Lächeln huscht mir über die Lippen, doch bevor ich wieder in die Öffnung kriechen kann hält mich Reyarak vorsichtig an der Schulter zurück.
Irritiert wende ich mich ihm zu und sehe den Mann an.
“Warum,” fragt er schlicht, “warum machst du das für mich? Ich bin ein Dämon, ein Berserker und du so lieb und rein. Warum willst du mir überhaupt helfen?”
Einen Moment lang weiß ich nicht was ich von dieser Frage halten soll, dann spüre ich die Verwirrung in Reyarak und ergreife sachte seine Hand.
“Weil du das hier,” ich umfasse mit einer Geste das gesamte Verließ, “nicht verdient hast, Reyarak. Dir ist schlimmes Unrecht widerfahren, wie schlimm konnte ich schon allein an deiner Reaktion auf meine Frage vorhin sehen und ich werde dem nicht noch mehr hinzufügen, indem ich dich hier einfach zurücklasse. Vor allem nicht, nachdem du uns so sehr geholfen hast. Außerdem,” füge ich hinzu, “mag ich dich und habe das Gefühl, das es richtig ist, dich hier herauszuholen. Und mein Gefühl hat mich bisher noch nie wirklich betrogen.”
Meine Stimme ist leise und ernst sehe ich dem Dämon in die golden Augen. Er wirkt völlig verdattert und scheint nicht zu wissen, wie er nun antworten soll, also lächle ich ihn an.
“Reyarak, zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Zuerst einmal müssen wir hier raus, dann verschwinden wir aus den Katakomben, gehen zurück zu Missas Freunden und nachdem du dort erstmal was gegessen und dich ausgeschlafen hast, kannst du dir anschließend den Kopf darüber zerbrechen, ja?”
Meine Bemerkung hat die gewünschte Wirkung, denn nun ziert ein belustigtes Grinsen das Gesicht des Berserkers. Ich löse meine Hand wieder aus der seinen, krieche erneut in die Öffnung und nehme meine Aufgabe wieder auf.
Sobald das in dem Stein versenkte Ende der ersten Stange glüht, ergreift Missa das andere Ende, wobei sie ihre Hände mit diesen überdimensionierten Handschuhen schützt. Sie zieht und zerrt und hängt sich dann schließlich einfach mit ihrem ganzen Gewicht an die Stange. Einen Moment lang stutze ich, doch dann wird mir klar, das der Boden des anderen Raums wohl ein gutes Stück tiefer liegt, als der des Raums hinter mir. Ganz abgesehen davon hat die Leopardenfrau damit Erfolg und die erste Stange biegt sich langsam nach unten. Mit dem zweiten Hindernis verfahren wir ähnlich und nachdem ich eine angemessene Zeit gewartet habe, damit sich das Metall abkühlen kann, krieche auch ich endlich in den anderen Raum hinüber. Nach einem erstaunten Blick in die Runde, wende ich mich der Öffnung zu und rufe nach Reyarak, damit auch er nun herüberkommt.
Während sich der Dämon ächzend durch das Loch zwängt blicke ich mich erneut um und staune etwas. Missa hatte Recht, hier liegt einiges an seltsamen Dingen herum. Normalerweise durchstöbere ich ganz gerne solche Ansammlungen, wie sie hier zu sehen sind, denn oft genug findet man erstaunlich nützliche Dinge darin. Im Moment aber fehlt mir dazu schlicht die Lust, außerdem ist mir hier nicht unbedingt wohl. Ich will so bald, wie es nur irgend geht diese verflixten Katakomben und ihre Überraschungen verlassen.
Meine Augen wenden sich wieder dem Berserker zu, für den das Loch eine echte Herausforderung darstellt. Konnten ich sowie die Leopardenfrau auf allen Vieren hindurch kriechen, so sind Reyaraks Schultern dafür fast zu breit. So also muss er sich da irgendwie seitlich durchquetschen.
Einige bange Augenblicke erscheint es fast so, als würde der Mann einfach stecken bleiben. Doch nachdem ich und Missa seine Hände ergreifen und beherzt ziehen, gelingt es ihm doch seinen großen Körper weiter nach vorne zu bewegen. Schließlich hat auch er es geschafft und kauert schwer atmend auf dem Boden. So ganz ohne Blessuren ist der Berserker nicht davon gekommen, aber die Abschürfungen, die er sich zugezogen hat dürften schnell wieder verheilt sein. Während Reyarak noch auf dem Boden kauert nehmen ich und Missa die dicke Holztüre, die in diesen Raum führt in Augenschein. Erleichtert stellen wir fest, das sie unverschlossen ist und treten kurz in den sich anschließenden Gang. Aufmerksam lauschen wir beide, doch nichts ist zu hören. Ganz offensichtlich hat noch immer niemand etwas von uns bemerkt.
Ich drehe mich wieder der Tür zu, um den Berserker zu holen, doch da hält mich Missa kurz aber nachdrücklich zurück.
“Du willst ihn wirklich mitnehmen?”
Das Gesicht der attraktiven Frau zeigt eine leise Sorge. Ich nicke nur knapp.
“Missa,” seufze ich dann, “irgendjemand hat ihn hier unten eingesperrt, angekettet, ihm wehgetan und als er nicht mehr von Nutzen, oder interessant war einfach einmauern lassen . Zudem hat dieser jemand auch noch mit ziemlich gemeinen Zaubern dafür gesorgt, das Reyarak dort nie mehr wieder rauskommt. Ich weiß nicht warum das geschehen ist, noch nicht einmal was genau mit dem Berserker gemacht wurde, aber ich bin nicht dumm. Ich habe Augen im Kopf und ich nehme Resonanzen und Schwingungen offenbar genauer und differenzierter wahr, als die meisten anderen übernatürlichen Geschöpfe und Wesenheiten.”
Ich atme tief ein und dann wieder aus, während ich die Dämonin noch immer ernst ansehe.
“Was auch immer geschehen ist,” fahre ich dann fort, “Reyarak ist schlimmes Unrecht angetan worden, trotzdem hat er uns geholfen. Nur ganz am Anfang wurde er Opfer seiner eigenen Instinkte und selbst da hat er sich beherrscht. Wenn wir nicht so erschrocken gewesen wären, dann hätte er womöglich gar nicht angegriffen.”
Missa sieht mich mit einer zwiegespaltenen Mimik an, dann seufzt auch sie.
“Das weiß ich ja alles,” meint sie leise, ”aber es ist immerhin ein Berserker, wenn auch ein seltsamer.”
Das ist es also, denke ich. Scharf mustere ich die Frau mir gegenüber und frage mich, was ihr wohl geschehen sein mag, oder ob es damit überhaupt etwas zu tun hat.
“Hat dieses Unbehagen,” frage ich nun direkt, “etwas mit deinen eigenen Erfahrungen zu tun, Missa, oder mit schlichten Vorurteilen?”
Die Frau funkelt mich kurz mit blitzenden Augen an, doch sie beruhigt sich sogleich wieder.
“Beides,” gibt sie leise zu, “ich habe, wie gesagt, schon öfter gegen Berserker gekämpft. Aber diese waren allesamt verpflichtet. Was Reyarak ja wohl offensichtlich nicht ist.” Jetzt seufzt auch sie. “Du hast ja recht und in solch einem Verließ so lange Zeit eingesperrt zu sein und das unter diesen Bedingungen, das wünsche ich nicht mal meinen schlimmsten Feind. Naja jedenfalls nicht so wirklich.”
Ein schräges Lächeln zuckt über ihre Lippen und ich muss unwillkürlich grinsen. Manchmal vergisst man es nur zu leicht, dass Missa immer noch eine Dämonin ist. Ich schüttle unmerklich den Kopf, doch dann halte ich erneut inne und seufze, dieses mal noch viel, viel tiefer. Missa bedenkt mich mit einem fragenden Blick.
“Ach,” beantworte ich ihre unausgesprochene Frage, “mir ist eben nur eingefallen, das wir nun all diese ewiglangen Tunnel wieder zurücklaufen müssen.”
Die Frau stutzt kurz, dann runzelt sie die Stirn.
“Dann müssen wir auch wieder durch diese gruselige Kirche gehen?”
Als ich nicke ist ihr Seufzen genau so tief wie zuvor meines.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren kehren wir in den Raum zurück, wo sich Reyarak mittlerweile erhoben hat. Er lächelt uns froh entgegen und zeigt dabei erneut sein beeindruckendes Gebiss. Wenn ich nicht wüsste dass es ein Lächeln ist, was er da fabriziert, dann würde es mich wirklich zu Tode erschrecken. Irritiert verscheuche ich diese unpassenden Gedanken und lächle zurück.

Alsbald sind wir wieder auf dem Weg, wobei ich den Wahrspiegel erneut als Wegweiser benutze. Sicher in meiner Tasche verstaut ist nun auch das Buch der Prophezeiungen und ich frage mich, was es wohl für mich bereithalten mag und ob ich es überhaupt werde lesen können. Doch zu aller Erst mache ich mir Gedanken darum, wie wohl Uriel auf Reyarak regieren wird und wie ich es erklären soll, dass ich in den Katakomben unter dem Vatikan in einem mystischen Verließ gelandet und den Berserker dort nicht nur gefunden, sondern auch noch mitgenommen habe. Ich stöhne innerlich laut auf, als ich mir dieses Gespräch mit dem Erzengel vorstelle.
Schließlich jedoch habe ich mir endlich eine einigermaßen glaubwürdige Geschichte zusammengereimt, die sich so nahe es geht an der Wahrheit hält. Ich werde einfach wieder diverse Sachen auslassen und verschweigen. Es gefällt mir nicht, dem Engel nicht alles sagen zu können, aber es ist wohl sicherer, wenn nur ich und Missa von dem Buch wissen. Immerhin ist es wohl sehr begehrt und ich bin mir sicher, dass zumindest Satan so einiges anstellen würde, um es mir wieder zu entreißen. Wenn man dann noch bedenkt was mit Lucifer geschehen ist, als er es entwenden wollte, dann kann ich mir gut vorstellen, dass die Engel nicht begeistern sein werden, dass ich das Objekt nun in meinen Besitz gebracht habe.
Ich bleibe kurz stehen, gehe noch einmal meine Geschichte durch und teilte diese etwas abgeänderte Version Missa mit, wobei ich ihr einschärfte ja nichts von diesem Buch verlauten zu lassen. Das Reyarak irgendetwas falsches sagt, darum muss ich mir keine Sorgen machen, da der Dämon nicht weiß weshalb wir in den Katakomben waren und auch von dem Buch nichts ahnt.

Als wir endlich die öffentlichen Bereiche der Gewölbe erreichen, strecke ich den Arm aus und ergreife die Hand des Berserkers. Mir ist nämlich auf dem Weg hierher aufgefallen, wie erschöpft der Mann mittlerweile ist und dass er sich scheinbar schwer damit tut, außerhalb des Wahrnehmungsbereichs der Lebenden zu bleiben. Solange er aber in Körperkontakt zu mir ist kann ich das für ihn übernehmen und kein Mensch, jedenfalls kein Lebender wird ihn so zu Gesicht bekommen. Ich hoffe nur, dass wir bald diesen Ort verlassen haben und uns irgendwo hinbegeben können, wo wir uns alle drei etwas ausruhen können, denn nicht nur an Reyarak zehrt die Erschöpfung. Noch während ich in mich hineinhöre, wird mir klar, dass der Ort, wo wir uns ein wenig erholen können entsprechend nahe sein sollte. Ich denke weit kann ich mit dem Schritt jetzt nicht mehr gehen.
 
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Kommentare  

Hallo Jochen,
na das war eigentlich gar nicht beabsichtig -lacht- aber interssant es mal zu hören und Recht hast du auch, man kann es tatsächlich als Metapher betrachten.
Aber mein Berserker ist kein Bösewicht.
In den nächsten Teilen wird das auch klar, es wird auch geklärt wie und warum der Berserker dahin gekommen ist.
Da ich das nächste sehr lange Kapitel aber erst noch kräftig bearbeiten und aufgrund der Länge teilen will, werdet ihr euch nun leider ein wenig gedulden müssen.

Liebe Grüße


Tis-Anariel (06.05.2010)

Der Berserker ist für mich eine hervorragende Metapher für das Elend so vieler Menschen, die unschuldig in den Gefängnissen hocken. Aber vielleicht ist er ja doch nicht ganz so unschuldig, wie es zunächst den Anschein hat. Bin gespannt was noch passieren wird.

Jochen (06.05.2010)

Hallo Doska,

wie schön, dass dir auch dieser Teil gefällt. Es freut mich, dass ich es spannend hinbekommen habe. In den nächsten Teilen werden nach und nach alte Geheimnisse und Verstrickungen aufgedeckt, darunter auch wie der Berserker in diesem Verlies gelandet ist....

Liebe Grüße


Tis-Anariel (06.05.2010)

Wunderbar spannend geschrieben. Sehr überraschend, was sie da in dem magischen Verlies finden. Und dann die vielen Ratten...! Wer mag den Berserker dort eingesperrt haben und weshalb? Gut dass Hoffnung vorsichtig ist und nicht alles Uriel verraten will- denn man sollte keinem Engel trauen, hehe!

doska (05.05.2010)

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