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10 Seiten

Ahrok - 13. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Dreizehntes Kapitel: Ehrliche Arbeit

Es war zur Mittagsstunde des nächsten Tages, als es an der Tür von Ahroks Zimmer klopfte. Zwar nicht laut, jedoch ausdauernd genug, um ihn aus dem Schlaf zu reißen. Mürrisch wischte er sich die Augen. Für seinen Geschmack war es noch mitten in der Nacht. Außerdem spürte er jetzt nach dem Aufwachen die Blessuren des gestrigen Abends gleich doppelt so sehr. Dabei schmerzten besonders die Stellen, die der Elf malträtiert hatte, schlimmer als noch vor ein paar Stunden.
Er fuhr sich vorsichtig mit der Hand über den Kopf. Sein armes Gesicht. Sein rechtes Auge war komplett zugeschwollen, die Lippe war dick und es gab an Kinn, Wange und Stirn einige aufgeschürfte Stellen. Ahrok war versucht, sein geschundenes Ich in einem Spiegel zu begutachten, doch glücklicherweise war solch ein Luxusgegenstand nicht Teil der Raumausstattung.
Das Zimmer, in welchem er sich befand, war klein und es erinnerte ihn mit seiner kärglichen Ausstattung an sein altes Zuhause. Da gab es das viel zu kurze Bett, einen kleinen Nachttisch und einen wackligen Schrank und alles war so alt und schmutzig, wie man es wohl nur in diesem Viertel von Märkteburg vorfand. Wände und Decke bestanden ebenfalls aus wurmzerfressenem Holz und ein kleines Fenster durchbrach die Wand gegenüber von seinem Bett.
Es klopfte noch immer.
Wie lange hatte man ihn schlafen lassen? Doch höchstens fünf oder sechs Stunden. Wie sollte ein Mann unter solchen Umständen arbeiten?
„Ja, ich komm ja schon.“
Genervt stapfte er zur Tür und riss sie auf, um den dahinterstehenden Störenfried anzubrüllen.
Auf dem Gang stand jedoch entgegen aller Erwartungen kein Zwerg oder böse dreinblickender Schankwirt, sondern Sandra in ihrem engen, weißen Leinengewand. Sie strahlte fröhlich über das ganze Gesicht und drückte ihm ein kleines Paket in die Hand. Ihr Anblick hob seine Laune sogleich wieder etwas an.
„Oh, du bist es…“
„Sag nicht, du hast jemand anderen erwartet“, schmollte sie gespielt und strich sich eine Strähne hinter das Ohr.
„Nein, ich…“
„Na dann ist ja gut.“ Sie stieß ihn hinein ins Zimmer und folgte ihm. „Ich hab dir nämlich etwas mitgebracht.“
„Ähm, danke“, brachte Ahrok nach einiger Zeit heraus. „War doch nicht nötig gewesen.“
„Doch, doch das war es“, entgegnete sie. „Hier. Mach schon auf.“
Vorsichtig schob Ahrok das Papier beiseite und betrachtete den Inhalt. Der bestand aus einer hellen Hose, Strümpfen in derselben Farbe, einem engen Hemd und einer dunklen Weste.
„Oh... ähm... klasse.“ Es war nicht das, was er erwartet hatte. Wieso drückte ihm jede Frau nur etwas zum Anziehen in die Hand?
„Na los, zieh es an“, drängte Sandra.
„Willst du dafür nicht lieber rausgehen?“
„Oh nein, mein Großer.“ Sie lächelte. „Darauf freu ich mich schon den ganzen Morgen.“
„Aber dann mach wenigstens die Tür zu.“
Mit leicht gerötetem Kopf zog er die Stiefel aus und die Hose herunter.
„Zufrieden?“
Sie legte den Kopf schief und betrachtete ihn von oben bis unten. „Ein bisschen. Du siehst aus wie ein echter Kriegsheld, mein starker Mann. Die ganzen Kratzer und Narben und du blutest da sogar noch.“
„Ähm… ja. Der Verband ist wohl verrutscht über Nacht.“
„Du könntest ein Bad gebrauchen, Ahrok.“
„Nun ja, da hast du sicher…“
„Wie wär es also, wenn wir beide in den Badezuber in meinem Zimmer steigen und ich seife dir den Rücken ein.“
Die neue Hose, welche Ahrok gerade in seinen Händen hielt, fiel leise raschelnd zu Boden. Seine Kinnlade senkte sich und es kribbelte auf einmal wie wahnsinnig in seinem Bauch.
„Oh, ich sehe, da freut sich aber einer bei der Vorstellung.“
Noch bevor er wieder zu seiner Fassung gefunden hatte, pochte es erneut an der Tür. Ahrok erkannte dieses Hämmern sofort.
„Mach auf, Menschling.“
Ahrok raffte die Hose vom Boden auf und bedeckte seine Erregung.
„Nein!“, etwas Besseres fiel ihm in dem Moment nicht ein.
Rasch fuhr er mit einem Bein in die Hose und dann mit dem anderen.
„Wie nein? Los mach auf.“
„Gib mir das Hemd, gib mir das Hemd“, flüsterte Ahrok aufgebracht.
„Ich lass ihn jetzt rein.“
„Nein, warte, Sandra! Bitte, bitte…“
Der Kopf steckte noch halb in seinem neuen Kleidungsstück fest, als sich die Klinke auch schon bewegte.
Als die Tür dann den Blick auf den Zwerg freigab. Saß Ahrok fertig angezogen mit verschränkten Beinen auf dem Bett.
Der Zwerg war ebenfalls gänzlich neu eingekleidet worden. Er trug eine ebenso helle Leinenhose und eine schwarze Weste schmiegte sich etwas zu eng an den nackten Oberkörper.
„Hey, wenn ich störe müsst ihr das nur sagen“, feixte Ragnar taktlos und machte Ahrok damit nur noch verlegener.
„Nein, du störst nicht. Wir waren gerade fertig“, versuchte Ahrok die Situation zu beruhigen. Wieder grinste Ragnar.
„Ich... ich meine mit dem anziehen“
Ragnars grinsen wurde immer breiter.
„Hey, Menschling, so genau will ich es gar nicht wissen. Zieh dir deine Stiefel an und komm mit nach unten. Hans wartet auf uns.“ Ohne auf Ahroks Antwort zu warten, verließ der Valr das Zimmer.
„Tja... ich muss los, Sandra“, räusperte sich Ahrok verlegen.
„Aufgeschoben“, sie reichte ihm die Strümpfe, „ist nicht aufgehoben.“
Sie zwinkerte ihm noch zu, bevor sie ebenso wie der Zwerg sein Zimmer verließ.
Ahrok schluckte schwer und ließ sich dann rückwärts auf das Bett fallen. Dann legte sich ein Lächeln auf sein Gesicht und ein unbeschreibliches Hochgefühl ergriff von ihm Besitz.
Fröhlich pfeifend zog er sich die Socken über, glitt in seine Stiefel und machte sich auf den Weg in den Schankraum.
Wie auch schon gestern stand Hans hinter dem Tresen und putzte die Krüge und Becher mit dem Zipfel seiner Schürze. Er betrachtete seine beiden Arbeiter aufmerksam. Dann nickte er seicht, verlor jedoch kein einziges Wort über ihr neues Erscheinungsbild.
„So, ihr arbeitet ab jetzt für mich. Das bedeutet, ihr seid meine Augen und Ohren und vor allem mein starker Arm des Gesetzes. Es gibt in meiner ´Pinkelnden Sau´ einige Regeln und ihr habt die Aufgabe darauf zu achten, dass die auch eingehalten werden.“
Er zeigte auf eine große Tafel die hinter ihm an der Wand hing. Mit großen roten Buchstaben stand darauf:

Wer Ärger macht, fliegt raus.

„Alles kapiert?“, fragte Hans sicherheitshalber nach.
„Ähm… ja“, nickte Ahrok.
„Und das ihr ja nett zu den Gästen seid“, ermahnte Hans. „Das da ist eine Richtlinie, die euch einigen Spielraum lässt. Ihr fasst Stammgäste und vor allem Frauen nicht so hart an wie andere und selbst wenn hier jemand richtig über die Stränge schlägt, so dürft ihr hier niemals jemanden um die Ecke bringen oder schwer verletzen. Nur an die frische Luft setzen, kapiert? Die sollen schließlich wieder kommen.“
„Scheiße, von mir aus“, Ragnar zuckte mit den Schultern. „Aber wenn jemand meine Haare anfasst oder mich sonst wie beleidigt, kann ich für nichts garantieren.“
Hans winkte nur beiläufig mit der Hand, er hatte sich schon wieder seiner Reinigungsprozedur zugewandt und beachtete nichts außer seinen Krügen.
„Hey, Ragnar, wie viel Geld haben wir gestern Abend eigentlich so gewonnen?“, interessierte sich Ahrok plötzlich. Immerhin hatte er ja einen Großteil der Arbeit geleistet.
„Das waren fünfundzwanzig Silberthaler, Kleiner. Der Abend hat sich gelohnt.“
Der Zwerg schwenkte dabei fröhlich seinen ungewöhnlich prallen Geldbeutel.
„Na, dann lass uns mal einen kleinen Laden aufsuchen“, schlug Ahrok voller Begeisterung vor. „Wir sollten nämlich mal einkaufen. Ich hab da an so einiges gedacht. Rasierzeug brauch ich, ´n Stück Seife und neue Stiefel. Meine Alten stinken wie Scheiße. Weißt du, ich brauche auch wieder eine neue Rüstung. Ach ja und außerdem müsste sich mal ein Schmied um meine Waffe kümmern. Das ganze Blut und diese Kanal–Scheiße hat sie doch ganz schön mitgenommen.“
Das Lächeln des Zwergs fiel mit jedem Wort mehr und mehr in sich zusammen, hatte Ahrok was Falsches gesagt? Mit einem Mal entspannte sich der Zwerg jedoch wieder.
„Ach, von mir aus versaufen wir die paar Silberlinge eben mal nicht. Lass und den Zaster auf´n Kopp hau´n, man lebt eh nur einmal und das hoffentlich nicht sehr lang. Geh´n wir.“
Der Valr marschierte schon zur Tür hinaus. Ahrok wusste, dass es noch eine ganze Weile dauern würde, bis er die seltsam schwankenden Launen der Zwerge verstehen würde. Kopfschütteln folgte er ihm.
„Dass ihr mir ja heute Abend rechtzeitig wieder da seid“, tönte es hinter ihnen.

Gegen Abend betrat Ahrok in seinen neuen Stiefeln und gefolgt von Ragnar wieder die Schenke. Er trug in der linken Armbeuge ein Päckchen, in dem eine nagelneue Fellrüstung steckte.
Ja, Fellrüstung.
Wer hätte denn ahnen können, dass Kettenhemden nur an offizielle Kanäle verkauft werden durften? Dass Plattenpanzer ein Vermögen kosteten und selbst einfache Lederrüstungen für ihn nicht erschwinglich waren?
Diese verdammten Fellrüstungen waren das Einzige, das sich ein Mann wie er überhaupt leisten konnte.
Ragnar hatte ihm das letzte Bisschen Spaß an der Rüstung noch zusätzlich versaut, indem er nur unverhohlen verächtlich außerhalb der Gerberei gewartet. Er hatte auch danach keine Gelegenheit ausgelassen, ihm unter die Nase zu reiben, dass seiner Meinung nach Rüstungen nur was für kleine Mädchen waren, die Angst hatten, sich weh zu tun.
Wenigstens hatte der Zwerg nicht gemeckert, als sich Ahrok die Klinge seines Zweihänders hatte behandeln lassen. Sein Schwert war vom Schmied fein abgeschliffen und dann frisch poliert worden. Es sah damit so gut wie neu aus.
„Das wurde auch langsam Zeit“, murrte Hans. „Eine Taverne ohne Rausschmeißer ist ein ziemlich unschöner Platz, wenn man der Besitzer ist.“
„Wir sind ja wohl pünktlich“, entgegnete Ragnar nicht weniger ungehalten, während Ahrok doch etwas betreten seine Einkäufe auf das Zimmer brachte. Ihm war nicht ganz wohl dabei, gleich am ersten Tag negativ aufzufallen.
Nur wenige Stunden später war der Schankraum schon wieder zum Bersten gefüllt und Ahroks Augen wanderten aufmerksam durch die Kneipe. Gewissenhaft schätzte er jeden Anwesenden oder neuen Gast ab, jederzeit dazu bereit, eine aufkeimende Revolte oder einen Zechpreller im Keim zu ersticken. Ab und zu huschte sein Blick zu Hans´ großer Tafel, damit er sich noch einmal davon überzeugen konnte, was hier so alles verboten war und was man den Gästen durchgehen lassen musste.
Ragnar hingegen saß neben ihm an der Bar und wandte dem ganzen Spektakel den Rücken zu. Anstatt seinen Enthusiasmus zu teilen, trank der nur sein Bier und erzählte sich mit Hans alte Kriegsgeschichten.
„Entspann dich mal, Kleiner, setzt dich zu uns und trink was mit mir“, winkte ihn der Valr letztendlich zu sich.
„Nein, danke… ich hab es nicht so mit dem Alkohol.“
„Ach, so ein Blödsinn. Der schmeckt herrlich und die Frauen werden hübsch und willig. Sag mir, was ein Mann mehr an einem Tag wie diesem erwarten kann.“
„Ich will einfach nicht.“
„Na, dann trink weiter deinen scheiß Kinderkram, aber setz dich endlich zu uns!“
Hans schob ihm auch gleich einen kleinen Krug voller Ziegenmilch rüber und erzählte weiter aus seinem Leben. Soweit Ahrok das heraushören konnte, war Hans Thielecke in seiner Jugend ein Soldat in der königlichen Armee gewesen und als er dann nach einigen Jahrzehnten ausgeschieden war, hatte er sich mit seinen Ersparnissen diese Kneipe gekauft und sie ausgebaut.
„He, Hans“, Ahrok warf sich ein paar Nüsse ein, die seit Monaten unbeachtet auf dem Tresen standen, „Wo hast du eigentlich dein Auge verloren?“
Hans grinste ihn an. „Die offizielle Version ist, das ich es in der Schlacht um Bisingen 5556 verloren habe. Das war noch in den guten alten Zeiten, als wir Soldaten noch in ehrenvollen Aufgaben da draußen unterwegs waren. Wir haben die letzten Dämonen und ihre Anhänger gejagt und aus unserem Land vertrieben. Nicht so wie heute, wo sich alle gegenseitig abschlachten für ein paar Ländereien und Titel. Ist doch alle scheiße heute…“
Ragnar nickte zustimmend.
„Na ja, jedenfalls... meine Version der Geschichte ist, dass mich so ein widerlicher Typ, du weißt schon, einer von den Veränderten, einer dieser Dämonenkultisten, der hat mich hinterrücks erwischt und mir seine fiese Klaue ins schöne Auge reingedrückt... aber das ist nicht ganz die Wahrheit.“ Hans begann zu kichern, ohne Zweifel hatte er seinem eigenen Bier schon ganz schön fleißig zugesprochen. „Es war einige Tage später, ´ne gute Woche nach den großen Säuberungsaktionen in den Ruinen der Stadt. Kein schöner Anblick war das damals, das sag ich dir. Ich und mein Trupp waren da in so einer Taverne, richtig tolle Stimmung hat da gehaust. Irgendein Kerl hat in den versifften Ruinen ein wirklich anheimelndes Stückchen Land für uns kampfgebeutelte Männer geschaffen und dort haben wir uns die wildesten Getränke bestellt. Du weißt schon. So alles Mögliche zusammengemischt in einer echten Keramikschale mit schönen, kleinen Schirmchen und so. Tja, und was soll ich sagen ich hab vergessen das blöde Schirmchen rauszunehmen.“ Wieder kicherte Hans und rieb sich die Augenklappe. „Darum serviere ich solch lebensgefährliche Scheiße hier auch nicht.“
Auf einmal zersplitterte ein Krug an der Wand hinter ihm und der Inhalt verteilte sich über Wand und Boden.
Rasch sprang Ahrok auf. „Wer war das!?“
Einige der Gäste, die auch schon gestern Abend hier gewesen waren, wichen ihm aus dem Weg und machten Platz bis zu einem kleinen Tisch weit hinten im Raum auf welchem nur noch drei Krüge standen. Dort saßen jedoch vier Trolle und lachten sich das Fell schwarz.
„Habt ihr den schönen Krug geworfen? Das kostet euch dann aber auch vier Silberstücke.“ Ahrok baute sich mit diesen Worten vor den vier jungen Männern auf und versuchte seine Stimme richtig professionell und beherrscht klingen zu lassen, während er innerlich doch sehr aufgeregt war. Waren das wirklich vier Silberlinge? Er hatte seit Stunden versucht sich die fälligen Entschädigungen einzuprägen. Bei seinem ersten Einsatz wollte er schließlich alles richtig machen. Auch Ragnar war von seinem Stuhl gerutscht und hatte sich nun gemächlich zu diesem Tisch begeben.
Das Lachen der Trolle verstummte und einer von ihnen erhob sich.
„Immer habt ihr Großstadtleute es auf uns Trolle abgesehen, ihr miesen Rassistenschweine. Es war besser, als Cedrik hier gearbeitet hat. Wo sind denn eure Beweise, he?“
Ragnar und Ahrok warfen sich einen kurzen Blick zu, dann griffen sie sich den Sprecher. Nach Ahroks Leberhaken krümmte sich der mutige Redner. Ragnar nutzte die Gelegenheit, ergriff das Genick des völlig überrumpelten Mannes und riss ihn zu sich herunter. „Cedrik ist weg und kommt auch nicht wieder. Also du zahlst, oder wir tun dir weh“, flüsterte er in das Ohr des Trolls.
Der blanke Horror prangte in den Gesichtern seiner Kumpanen, als sich Ahrok ihnen einen weiteren Schritt näherte. Umständlich fingerte der Troll in seiner Tasche und förderte einige Silberstücke zu Tage. Ragnar nahm sie sofort an sich und ließ ihn los.
„Das dürfte genügen.“
„Aber das sind bestimmt mehr als fünf Sil...“, begehrte der Mann kleinlaut auf.
„A-a-a-a-a-a-a! Das dürfte gerade so genügen, damit wir alle Freunde bleiben.“ Ragnar begutachtete noch einmal kurz die Thaler in seiner Hand. „Und ein schönes Bier ist vielleicht auch noch drin. Also setz dich wieder.“
Ragnar stiefelte zurück zum Tresen. Ahrok lief ihm hinterher.
„Was sollte denn das? Immer spielst du dich in den Vordergrund, ich will auch mal hier den Rausschmeißer raushängen lassen.“
Ein Blick der pures Unverständnis widerspiegelte streifte Ahrok.
„Fein, fein, der Nächste ist voll und ganz deiner. Ich werd nicht mal aufstehen.“ Ragnar reichte Hans das Geld. Ahrok zählte auf die Schnelle das hier sieben oder acht Silberstücke den Besitzer wechselten. „Bring den Jungs dahinten noch vier Humpen, die haben schon bezahlt.“

Tage vergingen und machten Wochen Platz. Die Bezahlung war nicht gut, aber ihre Ausgaben beschränkten sich ebenfalls auf ein Minimum. Hans berechnete ihnen zum Glück nichts für die Zimmer und auch nichts für Ihre Speisen und Getränke während der Schicht. Pro Abend bekam jeder von ihnen zusätzlich noch drei Kupferstücke bar auf die Hand - was, wie gesagt, nicht viel war, aber im Moment war er schon glücklich, ein Dach über dem Kopf zu haben, in welchem ihm die Stadtwache nicht nachstellte.
Ragnar und er verteilten die Schichten nach Gutdünken. Vierzehn Stunden Arbeit pro Tag. Wobei besonders in den frühen Abend- und den Morgenstunden kaum noch etwas zu tun war. Jedoch ließ es sich Hans nicht nehmen, jeden verdammten Tag von sechzehn bis sechs Uhr früh die Pinkelnde Sau geöffnet zu halten.
Wenn möglich, übernahm Ahrok die ersten paar Stunden des Tages und wenn der Valr dann so zu um zehn zu ihm stieß, verbrachten sie einige Zeit gemeinsam böse guckend am Tresen, bis Ahrok dann zeitig ins Bett ging.
Der besondere Grund warum Ahrok lieber die Frühschicht übernahm war Sandra. Dieser wunderschöne Engel. Sie sprach nicht viel mit ihm während der Arbeit und hatte ständig mit den Gästen zu tun, aber wenigstens konnte er sie so den ganzen Tag ansehen und sie hatten danach die Nacht für sich.
Er genoss das Leben, so wie es jetzt war, in vollen Zügen. Noch ein Monat, noch ein Jahr, noch ein Jahrzehnt… oh ja, es konnte ewig genau so weitergehen.
Die Weißen und seine beschissene Vergangenheit waren kein Teil seines Lebens mehr. Auch wenn diese grässlichen Augen ihn noch manchmal in seinen Träumen verfolgten, so schafften sie es nicht mehr bis in seine wachen Momente hinein.
Ragnar hingegen hatte die Weißen nicht vergessen. Der Zwerg stiefelte morgens nach Kneipenschluss immer durch die Gegend, um Informationen zu sammeln, wie er zumindest auf Nachfragen behauptete. Viel hatte der bisher aber nicht herausgefunden.
„Hey, Süße, lass doch mal für uns deine Hüften kreisen!“, grölte einer dieser auffallend gut gekleideten Lufthafenarbeiter, die er schon, seit sie die Schänke betreten hatten, auf dem Kieker hatte, und klapste Sandra dabei auf ihren Hintern.
„Bleib sitzen“, beschwichtigte Hans, noch bevor er sich überhaupt bewegt hatte. „Die zahlen gut und Sandra ist nicht zimperlich. Solche Sachen passieren öfter. Lass sie, solange sie nicht zudringlich werden.“
Ahrok knirschte mit den Zähnen und Schluckte seinen Ärger herunter – vorläufig. Diesen Kerl hatte er sich ohnehin schon vorgemerkt. Schon wie er so dasaß mit seinem spärlichen Dreitagebart und den frisch gewaschenen Arbeitsklamotten. Kaum älter als er selber und in Begleitung von zwei anderen Männern feierte er hier nur mit dem teuersten Wein und ließ somit jeden wissen, dass man als Matrose auf einem Luftschiff richtig viel Silber verdient.
Diese Person ging ihm mächtig gegen den Strich.
Was machten solch Leute überhaupt hier in der Pinkelnden Sau? Mit dem ganzen Silber konnten sie sich weit bessere Getränke in sichereren Stadtvierteln leisten. Diese feinen Luftschiffer verließen nur alle paar Wochen das fliegende Deck und suchten sich die dreckigste Taverne aus, um etwas Nervenkitzel zu bekommen. Miese Dreckskerle. Was dachten die bloß, wer die waren?
Ahrok ließ wieder den Blick durch die Runde gleiten, um seine aufgewühlten Gedanken wieder etwas zu beruhigen.
Abgesehen von diesem kleinen Ärgernis lief heute alles ganz gut soweit. Der Betrieb der kleinen Wirtschaft verlief in geregelten Bahnen, die Gäste tranken ausgiebig, zahlten anständig und Hans war zufrieden.
„Lass mich los!“, drängte Sandra. Sofort sprang Ahrok von seinem Stuhl. Derselbe junge Mann von eben hielt seine Liebste lässig mit dem linken Arm fest und nestelte mit der Rechtem am Band ihrer Schürze.
„He, he, je aufmüpfiger, desto besser. Zier dich nicht so, meine kleine Dirne. Ich hab paar schwer verdiente Silberlinge in meiner Hose. Sie gehören dir, wenn du sie nur zärtlich genug herausholst”, lachte der junge Mann vergnügt und stiftete damit fröhliche Heiterkeit an seinem Tisch.
„Das ist dann jetzt wohl dein Auftritt, großer Held“, brummte Ragnar zwischen zwei tiefen Zügen, doch Ahrok stand schon längst an diesem Tisch.
„Nimm die Finger von ihr“, trotz seiner bereits stundenlang unterdrückten Wut, versuchte er seine Stimme leise und ruhig klingen zu lassen. Verwundert blickte ihn der junge Mensch an. Sandra nutzte die Verwirrung des Mannes, um sich loszureißen.
Ragnar beobachtete gähnend, wie sich der junge Krieger jetzt verhalten würde.
„Hey, schon gut, alles klar. Die kleine Bummskuh ist dein Betthase. Hab verstanden.“
„Lass gut sein, Ahrok“, besänftigte ihn nun auch Sandra und zog Ahrok am Arm davon.
Schade, dabei hatte er sich so...
Kaum hatte er jedoch den drei Feiernden den Rücken zugewandt, krachte ein Stuhl in sein Kreuz. Stuhlbeine knackten, Knochen schmerzten. Keuchend ging er in die Knie.
Jemand lachte fröhlich. „Hey, Jungs, seht euch das an. Die Dinger hier zerbrechen gar nicht wie in all den Geschichten, die uns der Maat immer auftischt.“
Das war´s. Das war jetzt eindeutig zu viel.
Mit einem wilden Schrei sprang Ahrok auf und wandt sich schnaubend dem Angreifer zu. Der junge Mann stellte seinen Stuhl wieder ab und hob die Arme. „Hey, mach keinen Stress, Bauernjunge. Ich ergebe mich, ich geh ja schon.“
Grinsend warf er eine Handvoll Silberstücke auf den Tisch.
„Halt, halt, guter Mann. Wir wollen doch hier nichts überstürzen“, zischte Ahrok, ergriff das Genick des Mannes und schlug ihn kräftig mit dem Gesicht auf die Tischplatte.
„Ahrok...“, murmelte Hans kopfschüttelnd.
„Meine Nase, meine Nase!“, jammerte der junge Mann. Ein kleines Blutrinnsal verließ den geliebten Zinken. Immer noch am Schlafittchen ergriffen wurde er von einem vor Wut schäumenden Ahrok zum Ausgang gezerrt, dabei eckte er noch an ein paar Tischen an und küsste noch einmal kräftig den Türrahmen.
„Du bist tot, du Arschloch. Hörst du mich!? Tot! TOT!!!“, jammerte es mit aufgerissener Lippe.
Alle anderen Gäste wurden sofort merklich ruhiger und die Trinkkumpane des Hinausgeworfenen starrten Ahrok ungläubig an.
Dieser würdigte sie keines Blickes mehr. Er massierte sich die schmerzenden Partien in seinem Rücken und nahm dann wieder zufrieden Platz.
„Hier gefällt´s mir, Hans.“ Er nahm einen Schluck von seiner Milch, die plötzlich besonders gut schmeckte. „Und das Tollste ist, ich werde hierfür sogar noch bezahlt.“
 
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Kommentare  

Man darf nicht vergessen, dass auch der Valr neu eingekeidet worden ist. Doch die Bezahlung ist nicht so besonders. Naja, pro Abend drei Kupferstücke ist besser als die hole Hand.
Die süße Sandra ist einfach reizend, klar, dass Ahrok sie verteidigen muss. Schöner lebhafter Teil.


Jochen (30.08.2010)

dieser hans verhält sich wirklich wie ein echter wirt, also wirtlich. ich kannte auch mal so einen. ;)
aber ahrok verhält sich ein bisken unprofessionell, um sandra zu beschützen. na wenn das mal gut geht...


Ingrid Alias I (28.08.2010)

Ahrok zeigt sich richtig süß, als sich Sandra um neue Klamotten für ihn bemüht. Da staunt man, was für eine zarte Seele in diesem raubeinigen Krieger steckt. Der Job im Wirtshaus muß wohl der richtige für ihn sein, denn er prügelt sich für sein Leben gerne.

Petra (28.08.2010)

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