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Frühjahrsmüdigkeit. (Märchen)

Kurzgeschichten · Frühling/Ostern · Für Kinder
© doska
„He du, wache endlich auf", rief die junge Amsel und pickte dabei heftig auf die schwarze Erde. „Die Sonne scheint schon, es wird wärmer, du musst aufstehen!“
Sie hielt den Kopf schief und lauschte, aber nichts rührte sich im Inneren der Erde.
„So ein Mist aber auch“, ächzte die Amsel betroffen. „Der schläft ja diesmal besonders fest, denn mein Klopfen müsste er doch gehört haben!“
„Meinst du denn, dass es schon so weit ist?“, schnaufte ein Maulwurf, der sich gerade mühselig nach oben geschaufelt hatte. „Die Erde ist zum Teil noch steinhart gefroren.“
„Aber sicher geht es jetzt los!“, rief die Amsel aufgeregt. „Sein Freund ist ja bereits abgereist!“
„Woher willst du das wissen?“, rief ein Fink und hüpfte neugierig herbei.
„Na, ich habe ihn doch erst neulich gesehen“, bekräftige die Amsel, „wie er seine Koffer und den Rucksack voll mit dickem Schnee gepackt hat und dann Richtung Flughafen gewandert ist. Sein langer, eisiger Bart wehte in Fetzen um ihn herum und er sah ziemlich erschöpft aus. Er taute nämlich schon und darum hat er manchmal eine kleine Pfütze hinterlassen. Er wollte wieder zum Nordpol zurück, hat mir neulich eine Eule verraten“, endete die Amsel sehr nachdenklich.
„Ach so ist das“, trällerte der kleine Fink. „Na, dann müssen wir ihn wohl gemeinschaftlich aufwecken!“
Nun hämmerten beide Vögel mit ihren Schnäbeln so doll, wie sie nur konnten gegen den feuchten Boden und der Maulwurf patschte mit seinen Pfoten dazu kräftig gegen das Erdreich. Dann hielten alle drei inne, lehnten ihre Köpfe zur Seite und lauschten nach unten. Aber nichts regte sich dort, kein Rumpeln, rein gar nichts.
“Huhu“, rief der Maulwurf ungeduldig. „Dein Freund Winter ist fortgereist. Jetzt bist du dran, neue Ordnung auf der Erde zu schaffen.“
„Jetzt schon?“, hörte man endlich gedehnt von tief unten aus der Erde und dann folgte ein herzzerreißendes Gähnen.
„Aber sicher doch“, schimpfte nun auch der Fink. „Du wirst dringend gebraucht, denn was wären wir ohne Frühling!“
„Och, immer diese blöde Arbeit, mit den ganzen Keimlingen und so weiter ... nein, ich habe keine Lust!“ Und schon war der Frühling wieder eingeratzt.
„Er will einfach nicht!“, rief ein Regenwurm, der sich ebenfalls ins Freie gewühlt hatte. „Ist doch ganz klar ... der hat die Frühjahrsmüdigkeit!“
„Ich habe eine Idee, wie wir ihn vollständig aufwecken könnten“, meinte die Amsel nach kurzem Nachdenken. „Ich hole meine Freunde herbei und wir singen alle zusammen ein Lied. Vielleicht hat der Frühling dann Lust, an die Erdoberfläche zu kommen und endlich hinaus ins Freie zu treten!“
Gesagt, getan. Bald hatte sich eine riesige Schar Vögel auf dem freien Ackerland versammelt. Die Nachtigall gab den Takt an und dann sangen sie alle zusammen ein so schönes Lied, dass die Erde erbebte, sich kleine Risse in ihr zeigten und dann endlich feine, grüne Härchen in ihr zu sehen waren. Der Frühling reckte und streckte sich und man sah schließlich seine grünen Hände, dann sein frisches, ebenso grünes Gesicht. Er gähnte laut und kroch dann gänzlich hervor. Er bestand völlig aus jungen Blättern und frischen Blüten. „Danke, ihr Lieben“, sagte er glücklich, „dass ihr mich mit diesem wunderschönen Frühlingslied geweckt habt. Ich hatte ganz vergessen, wie schön es an der Sonne ist.“
Und dann wanderte er los, die Schar Vögel folgte ihm zwitschernd und überall wo er ging wurde es saftig grün, machmal blühten sogar kleine Schneeglöckchen auf und wenn er die Zweige nur ganz sacht berührte zeigten sich zarte Knospen an ihnen und bließ er die Backen auf und pustete seinen warmen Atem über das Land, krochen Pflanzen hervor und erschauerten wohlig. Die Sonne schaute zufrieden von oben herab, denn überall war lauter Jubel und große Freude zu hören.
Wenn du also, wenn es gerade noch kalt ist, Vögel auf einer freien Fläche versammelt siehst, dann störe sie bitte nicht, denn vielleicht rufen sie ja gerade den Frühling herbei? Wer weiß es?
 
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Kommentare  

@Michel, ich danke dir. Ja, wenn wir für positive Stimmung sorgen, wird wohl jeder "wach", selbst bei trübsten Wetter. Aber bei uns scheint gerade die Sonne. Da werde ich mal gleich an die frische Luft gehen und den Frühling genießen.
@Ingrid, auch dir danke ich sehr. Ich habe mir tatsächlich einen kleinen Zeichentrickfilm dazu vorgestellt. Mir juckt`s jetzt schon in den Fingern, mindestens ein Bild dazu anzufertigen.
@Holdriander, dir ein dickes Dankeschön, ich habe mir auch dazu vorgestellt, wie wir alle zusammen Vögel sind und singen. Singen ist etwas ganz Herrliches, was wir Menschen eigentlich viel mehr selber praktizieren sollten, als immer nur zu hören, wie andere singen.

Einen lieben Frühlingsgruß


doska (19.03.2011)

Einfach entzückend.
Ja, da bekommt man doch direkt Lust auf ein Frühlingssingen.
Dass selbst der Frühling die Frühlingsmüdigkeit bekommen kann, ist menschlich . . .
lg


holdriander (17.03.2011)

ich kann sie mir richtig vorstellen, diese tierchen - und auch den müden frühling. aber es hat ja geklappt mit dem singen... ;)

Ingrid Alias I (15.03.2011)

Wie doch frohlockende Frühlingslieder den Lebensgeist unserer Tiere, aber natürlich auch den von uns Menschen, wieder wachküssen können.
Sehr schönes Frühjahrsmärchen!


Michael Brushwood (15.03.2011)

Hallo ihr Zwei, ich danke euch für die lieben Kommentare.
@Else schön, dass du Verständnis für den armen Frühling hattest.
@ Sven, freut mich, dass du die Story magst. Ich denke mal der Frühling hat nichts gegen das Singen einzuwenden, hehe.


doska (14.03.2011)

Ja, dann werd ich mal fleißig den Frühling wachsingen. Hoffentlich mag er meine Stimme. - Jedenfalls mag ICH deine Geschichte.

Sven Jaelin (14.03.2011)

Ja, warum sollte der Frühling nicht auch mal unter Frühjahrsmüdigkeit leiden. Ein ganz entzückendes kleines Märchen.

Else08 (14.03.2011)

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