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DER NARR: Der Narr/Murad Marat Hon´s Gegner

Fantastisches · Kurzgeschichten
Die Atmosphäre im Thronsaal zwischen Sultan, Großwesir und Mukhtar sowie den gaffenden Zuschauern wie Ministern, Hofdamen, Lakaien und besonders mutigen Sklaven schien zum Zerreißen gespannt und glich einem mächtigen Pulverfass, kurz vor der Explosion oder einem schweren Gewitter, kurz vor seiner Entladung direkt über dem Palast.
Der Narr, der bei seinen Standesgenossen, also bei dem Heer der Bediensteten und Lakaien aller Dienste, uneingeschränktes Vertrauen genoss, war nicht nur Anführer der heimlichen Sklavengewerkschaft und begehrter aber pseudonymer Kolumnist der PALACE NEWS, sondern auch noch die erste inoffizielle Verbindungsperson zwischen Thron- und Lakaiensaal.
Noch während die ungeheuerlichen Begebenheiten im Thronsaal für heftige Debatten und erbitterte Wortgefechte sorgten, versammelte der Narr alle dienstfreien Lakaien, um über die Vorgänge und möglichen Folgen beim Sultan zu berichten. Er informierte in kurzen Sätzen über Mukhtars heldenhaften Mut, beschrieb in eindrucksvollen Bildern die Einfältigkeit von Sultan und Großwesir und wies mahnend auf den alles entscheidenden Auftritt Murad Marat Hon´s hin, der ja noch ausstand und letztendlich Mukhtars Schicksal entscheiden sollte. Die Lakaien hingen an seinen Lippen, hielten den Atem an, lauschten bedächtig seinen Worten und machten sich Gedanken oder tauschten ihre Ängste, um dieses beispiellose Geschehen, aus. Der Narr erklärte mit großer Stimme und glühenden Augen:
„Es ist noch nicht entschieden, wie Mukhtars dreistes Spiel, das er wie die Maus gegen die Katze, wie David gegen Goliath oder wie Ohnmacht gegen Macht treibt, ausgehen wird? Der gesamte Hof ist in zwei Lager gespalten. So etwas gab es noch nie! Die einen sagen, dass es Mukhtar schließlich bis Dato geschafft habe noch immer seinen Kopf zu behalten, und dass sie der felsenfesten Meinung seien, dass das auch so bleiben werde! Sie glauben einfach, dass der Sultan wahrhaftig um sein Wohl bedacht sei, weil er an Mukhtar einen Narren gefressen habe.“ Der Narr guckte bei dem Wort „Narren“ so verschmitzt, dass viele Lakaien laut lachen mussten. Doch dann gebot er Schweigen und fuhr fort:
„Sie behaupten, dass Mukhtars selbstsicheres Auftreten bei dem Sultan väterliche Gefühle wachgerufen habe, schließlich hätte ihn Allah nie einen Sohn als Thronnachfolger geschenkt!“
Jetzt lachte niemand mehr, denn alle waren gespannt, was sie von dem Narren noch erfahren würden. Dieser winkte sie mit großen Gesten näher zu sich und flüsterte mit angespannter Miene:
„Das waren diejenigen, die an Mukhtars Sieg glauben! Aber es gibt auch gegnerische Stimmen im Thronsaal, die sagen: „Mukhtar wird die nächsten Stunden nicht überleben. So ein aberwitziges Spiel mit dem Sultan, so ein respektloses Verhalten wird sich dieser Herrscher nicht mehr lange bieten lassen!“
In den Augen des Narren begann das Feuer noch heftiger zu brennen. Ein Feuer, das alle seine Zuhörer gleichsam mit Hoffnung versorgte.
„Wir können zwar nicht helfen, aber ihr sollt wissen: Mukhtar ist der Mann der Stunde! Er ist unser Mann, der die Dinge unbedingt zu seinem gerechten Ausgang führen muss!“ Und er fügte mit euphorischer Stimme nach: „Und unsere Sklavengewerkschaft sicherlich unterstützen wird!“
Er hörte vereinzelt verhaltene, aber entschlossene Kampfschreie, blickte in Runde und sah viele hoffnungsfrohe, aber auch einige verstörte Gesichter. Er senkte den Kopf und fuhr sich nachdenklich mit der Zunge über die Lippen und fügte entschlossen an:
„Es ist schon sonderbar mit diesem Mukhtar! Keiner kann sich dieses Phänomen erklären, niemand kennt Vergleichbares! Nicht einer wagt eine echte Prognose abzugeben, vielleicht zu mutmaßen oder gar diesen oder jenen Ausgang zu verkünden! Ich weiß auch nicht, was geschieht? Vielleicht sind wir, jetzt gerade in diesem Augenblick, Zeugen! Zeugen, die sehen, wie Geschichte geschrieben wird? Geschichte, die nicht nur den Denkprozess des Sultans positiv beeinflussen, sondern vielleicht sogar eine Zeitenwende herbeiführen könnte?“

Zeitgleich hatten sich die Höflinge im Thronsaal in zwei erbitterte Lager gespalten. Diese beiden Lager schienen nicht nur bis aufs Äußerste gespannt, sondern auch im höchsten Wettfieber. Die Wett-Fronten hatten sich, nach den letzten Worten des Sultans und noch vor dem Erscheinen Murad Marat Hon´s, immer weiter verhärtet! Emotionen gingen hoch, denn zu ungeheuerlich und zu unglaublich waren die Begebenheiten, die sich während Mukhtars Auftritt am Hofe des Sultans abgespielt hatten.
In diesem großen Durcheinander gelang es der Traumdeuterin Abida, die sich heimlich unter das Palastvolk gemischt hatte, nicht nur einen kühlen und berechnenden Kopf zu bewahren, sondern zudem noch ein besonders gutes Geschäft zu wittern. Sie gab die neutrale Person, stellte sich gelassen zwischen die Lager, rief mit großer Stimme ein Wettbüro aus. So kanalisierte sie geschickt die Erregungen beider Parteien. Plötzlich wollte es niemand mehr versäumen, seine felsenfeste Meinung mit hohen Wetteinlagen, sprich in purem Gold, bei Abida anzulegen! Bald lasen sich die Wetteinsätze beider Blöcke, deren beträchtliche Kapitalien nun, bei der unparteiischen Traumdeuterin, auf Mehrung warteten, wie das Who as Who eines großen Börsen-Barometers und jeder hoffte, mit einer guten Rendite groß aus der Wette herauszukommen…

Murad Marat Hon´s Gegner
Des Sultans Worte waren noch nicht ganz verklungen, da erschien Murad Marat Hon in seiner flapsigen Art vor dem Throne des Sultans. In seiner Begleitung befand sich sein privater Stab an Ärzten, Trainern, Diätköchen und anderen Assistenten. Der Sultan hatte Mukhtar gedeutet, sich nun von seinem Stuhle zu erheben, um seinen Wettkampfgegner Murad Marat Hon besser einschätzen zu können. Murad Marat Hon warf sich ohne ein Wort zu sagen sofort zu den Füßen des Sultans nieder. Der bezeichnete Murad großzügig, sich zu erheben. Dann schaute er, so als sei der Leibläufer nicht anwesend, durch den Thronsaal, senkte den Blick auf seine Hände und besah sich seine zahlreichen Brillantringe. Er drehte, hauchte, polierte leidenschaftlich an ihnen herum und rief salopp, wie beiläufig:
„Nun, Murad Marat Hon sagt an, zu welcher Mahlzeit wollt ihr diesen Zwerg zu eurer Rechten hier verspeisen?“
Murad Marat Hon, der solche Auftritte vor seinem Sultan und Brötchengeber überhaupt nicht liebte, bekam plötzlich Kuhaugen, die, über Mukhtar hinweg, direkt zu dem Sultan glotzten: „Großmächtiger Herrscher aller Gläubigen und Ungläubigen gepriesen sei Allah und gepriesen sei euer Name oh, du oberster Hüter des wahren Glaubens, ich weiß nicht, was Hoheit von mir wollen. Ich weiß nur, dass der Koran das Menschenfressen verbietet!“
Der Sultan griff sich an den Kopf, verdrehte die Augen und rief laut und ungehalten:
„Oh, du hirnrissiger Sohn einer ägyptischen Haremsdame und eines osmanischen Plattfüßlers. Stellt unsere Geduld nicht zu sehr auf die Probe!“
Er beugte sich nach vorn und deutete Murad Marat Hon an, es ihm gleichzutun und flüsterte entnervt:
„Wir meinten: Wann wollt ihr gegen diesen Konkurrenten, der da gleich neben euch steht, antreten, rennen, flitzen oder eure Fitnessrunden drehen, hä?“
Zuerst gab sich Murad Marat Hon unwissend! Er blickte zur Seite, erblickte Mukhtar, erschrak theatralisch unecht, lachte dann höhnisch und rief siegessicher:
„Oh du Herrscher über alle Gläubigen und Ungläubigen! Konkurrent wäre da ein wenig übertrieben! Ich werde dieses bucklige Nichts noch vor dem Frühstück fordern und besiegen, damit ich während meines Frühstücks seiner Hinrichtung beiwohnen kann.“
„Na das ist doch mal ein Wort!“, freute sich der Sultan über die Antwort, nickte väterlich, tippte Murad Marat Hon auf die Schulter, stand auf und bestieg mit watschelndem Gang und feinem Lächeln seine Sänfte...
 
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Kommentare  

Der Narr hat mit seinen Nachrichten indirekt dafür gesorgt, dass sich die Höflinge des Sultans in zwei Lager gespalten haben. Einige wollen dass Mukhtar gewinnt, andere widerum sind auf Murad Marat Hon´s Seite. Dem Sultan macht das alles jedenfalls Freude. So scheints jedenfalls.

Gerald W. (19.02.2012)

Ein mieses Geschöpf ist dieser Sultan, da er aber an Mukhtar einen "Narren " gefressen zu haben scheint, wirkt er auf mich so ein winziges bisschen auch sympathisch.

Else08 (18.02.2012)

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