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Lena Maria (Unser italienischer Sommer Teil 17)

Romane/Serien · Romantisches
Ich war früh mit Eva nach Siena gefahren, weil wir nachmittags einen Termin beim Gynäkologen hatten. Hoffentlich zeigte die Ultraschalluntersuchung heute, ob wir ein Mädchen oder einen Jungen bekamen. Das letzte Mal war sich Dottor Faletti nicht sicher, das Kleine lag zu ungünstig.

Meine Liebste hatte mich bis zur Farmacia mitgenommen. Von dort aus war ich zu Fuß in die Stadt gelaufen. Siena war immer wieder ein Erlebnis, vor allem für die Augen. Ich wollte in der Bank die Überweisung für Signore Filippo in Auftrag geben. Dann gehörte uns die Fattoria endgültig. Ich stieg die vier Stufen zum Eingang der Banca dei Monte Paschi di Siena empor an der Piazza di Salimbeni und ging durch die Glastür in die Bank.
Seinen Scheck, unser Hochzeitsgeschenk, hatte mein Vater selbst hier auf unser Konto eingezahlt. Es schrieb jetzt stolze schwarze Zahlen. Ich ließ mir die Kontoauszüge geben, das Geld von Tante Maria war auch da. Dann hob ich eine Million Lire vom Konto ab und verließ die Bank. Gegenüber in der Pasticceria Nannini kaufte ich mir etwas zum naschen und lief dann die Gassen zum Campo hinunter.

Auf der anderen Seite schlängelte ich mich durch das Gewirr der engen Gässchen und fand endlich den Laden der kleinen Druckerei, die mir Mario empfohlen hatte. Ich zeigte dem Inhaber, Signore Taroni, den korrigierten Entwurf unseres neuen Flaschenetiketts und gab ihm, nachdem wir uns über den Preis einig geworden waren, den Auftrag. Laura verstand ihr Handwerk und Eva und mir hatte der Entwurf auf Anhieb gefallen. Gianfranco war der Stolz auf seine Tochter gestern deutlich anzumerken gewesen.
Über das Honorar hatten wir noch nicht gesprochen. Aber Eva hatte schon eine Idee.

Jetzt saß ich wieder in unserem Ristorante am Campo und beobachtete die vorüber flanierenden Touristen. Anfang Oktober waren es schon deutlich weniger geworden. Wir hatten immer noch Tagestemperaturen über 20°C, aber nachts wurde es schon empfindlich kühler. Gestern früh hatte das Thermometer auf der Terrasse 7°C angezeigt. Zwei hellblonde Schönheiten in Miniröcken, sie wirkten wie Schwestern, warfen mir im Vorübergehen Blicke zu. Ich hörte skandinavische Laute und lächelte zurück. Ettore, der Cameriere, hatte mir einen Teller gebackene Auberginen serviert. Sie schmeckten wie immer vorzüglich. Mit einem Stück Brot tupfte ich den Saft auf. Dazu trank ich noch einen Schluck Campari Orange. Ich schaute auf meine Uhr, nahm den Corriere della Sera und ging langsam in Richtung der Praxis. Das Geld hatte ich auf den kleinen Teller neben die Rechnung gelegt.
Die Praxis von Dottor Faletti lag in einer ruhigen Seitenstraße am Rande der Altstadt. Eva war noch nicht da, jedenfalls sah ich die Giulia nicht.
Am Empfang meldete ich mich.
„Ah, sie sind der Marito der Dottoressa Brandner. Ihre Frau ist noch nicht hier. Warten sie doch bitte dort drüben.“ Sie deutete mit einem Lächeln auf das Wartezimmer. Es war elegant eingerichtet, nicht wie ein übliches Wartezimmer in Österreich. Mehrere Stühle waren besetzt, ich war der einzige Mann und wurde von allen Seiten interessiert gemustert. Es fühlte sich so an, wie – Du bist einer derjenigen, die für unseren Zustand mitverantwortlich sind -.
Ich lächelte in die Runde, suchte mir einen Stuhl und blätterte in einem Reisemagazin. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Was wollte ich lieber, einen Jungen oder ein Mädchen? Wir hatten stundenlang miteinander geredet. Wichtig war doch nur, das unser Baby gesund auf die Welt kam. Ich schaute auf meine Uhr. Eva müsste jeden Augenblick hereinkommen.
Dann hörte ich Evas Stimme draußen. Ich stand auf und begrüßte meine Liebste mit einem Kuss.
Ich zog Eva einen Stuhl heran und hielt ihre Hand. Wir mussten noch warten. Eva wirkte ein wenig erschöpft.
„Ich komme mir immer schwerfälliger vor Peterl“, seufzte sie und legte ihren Kopf an meine Schulter.
„Dottoressa Brandner bitte in Zimmer 4.“ Wir waren dran. Hand in Hand gingen wir über den Flur. Eva zog sich hinter dem Vorhang aus und setzte sich auf den Rand der Liege. Ich setzte mich neben Eva und bewunderte ihr Bäuchlein. Jetzt war es unverkennbar.
Dottor Faletti kam aus einem Nebenraum und begrüßte uns herzlich. Er war ein kleiner, grauhaariger Mann mit einem strahlenden Lächeln und feingliedrigen Händen. Eva hatte großes Vertrauen zu ihm.
Zuerst untersuchte er die Lage des Babys. Ich stand neben Evas Kopf und wischte ihr über die Stirn.
Dr. Faletti wusch sich die Hände, dann legte er Eva die Hand auf die Schulter.
„Das Baby entwickelt sich prächtig Signora Brandner.“
Er zog den Tisch mit dem Ultraschallmonitor heran und rieb Evas Bauch mit dem Ultraschallgel ein. Er bewegte den Fühler gleichmäßig über Evas Bauch.
„Ah, ja“ Er drehte den Monitor zu uns, „schauen sie. Ist sie nicht niedlich?“
„Sie?“, riefen Eva und ich gleichzeitig.
„Ja, ganz eindeutig ein kleines Mädchen. Schauen sie nur. Herzlichen Glückwunsch Signori. Machen sie noch einen Termin aus.“
Er drückte Eva eine Rolle mit Haushaltstüchern in die Hand, verabschiedete sich und verschwand. Im nächsten Moment kam er wieder zurück.
„Warten sie, ich drucke ihnen das Bild noch aus.“
Eva rieb sich den Bauch ab und zog sich wieder an. Ich betrachtete unser Baby. Ehrlich gesagt, ich erkannte nichts. Aber das war unser Baby, unsere Lena.
Lena war der Name von Evas Mutter gewesen, ihrer Mutter um die sie noch immer trauerte.
Wir waren uns gleich einig gewesen. Lena Maria Benedetta sollte unsere Kleine heißen.
Natürlich telefonierten wir in alle Welt um unsere Freunde und Verwandten an unserer Freude teilhaben zu lassen.

Hannes hatte spät abends noch angerufen, wir waren gerade ins Bett gegangen. Er war ganz aufgeregt und verhaspelte sich immer wieder. Anna hatte das Licht der Welt erblickt, vier Kilo knapp und 52 cm groß. Das schönste Baby der Welt wie er stolz verkündete. Wir gratulierten ihm herzlich und bestellten Grüße für die Mama. Maria ging es gut, sie sollte noch ein paar Tage zur Beobachtung in der Frauenklinik in der Bastiengasse bleiben. Nur ein paar Hundert Meter von ihrer Wohnung entfernt, meinte Hannes. Da kam ja alles auf einmal zusammen.



Wir hatten das Ultraschallbild eingerahmt und ins Kinderzimmer gehängt, wo es jeder bewundern musste der uns besuchte. Eva hatte mit Paola Gardinen gekauft, sie umgenäht und ich hatte sie dann aufgehängt. Das Zimmer war jetzt bereit für unser Mädchen.


Wie schön, wir hatten Besuch über nacht. Benedetta und Mario hatten kurzfristig Karten für die Oper bekommen und Tabea und Tommaso bei uns vorbei gebracht. Die beiden schwarzlockigen Zwillinge schauten uns neugierig an. Wer war das denn, schienen sie zu denken? Ich nahm Tabea auf den Schoß, sie gluckste und gab freudige Töne von sich. Jetzt brabbelte Tommaso und reckte seine Ärmchen. Er wollte auch hochgenommen werden. Eva setzte ihn mir auch auf den Schoß und machte ein Bild. Ich ließ mich auf dem Sofa nach hinten fallen und die Kleinen krabbelten auf mir herum. Eva kriegte sich kaum noch ein und lachte Tränen. „Du bist der perfekte Papa. Ach ist das schön.“
Eva setzte sich neben mich und schnappte sich Tommaso. Der Kleine patschte Eva über den Bauch. Tabea zupfte an meinem Shirt und schob ihr Köpfchen darunter. Wir spielten verstecken. Aua, die Kleine versuchte mir die Härchen am Bauch auszurupfen. Es kitzelte. Wir hatten viel Spaß miteinander. Langsam wurden die Zwillinge müde. Eva hatte die Schlafkörbchen neben unserem Bett aufgestellt.

Eva kuschelte sich mit ihrem Po an meinen Bauch. Das war momentan die angenehmste Art uns zu lieben und wir konnten die ganze Nacht vereint bleiben. Ich legte meine Hand auf Evas Bauch und streichelte in Gedanken unser Baby.
Es war ein wunderschönes Gefühl morgens so aufzuwachen. Ich liebte meine Eva.
Die Zwillinge schliefen ruhig durch.
Gegen neun kamen Benedetta und Mario. Sie frühstückten mit uns. Tommaso saß bei seiner Mama auf dem Schoß, während Tabea es sich bei mir gemütlich machte.
„Sie hat einen Narren an dir gefressen, so sagt man doch in Wien?“ Mario lachte, als er Tabea hochnahm und sie das Gesicht verzog.

„Wann liefert ihr den Trester? Oder wollt ihr ihn als Dünger ausbringen? Euer Boden ist so gut, lasst ihn lieber zu exzellenten Grappa Vecchio Santucci brennen. Ihr habt ihn doch bei mir schon probiert.“
„Fratelli Santucci gehört der Familie. Meine Mutter und ihr Bruder haben die Brennerei aufgebaut. Heute gehören Giancarlo und mir je 20%, meine Mutter hat noch 10%, die anderen 50% verteilen sich unter die Nachkommen meines Onkels. Da du jetzt ein reicher Mann bist, hast du vielleicht Interesse....“
Mario verbesserte sich nach einem Rippenstoß Benedettas, „habt ihr vielleicht Interesse euch zu beteiligen. Enzo mein Cousin braucht Geld und will verkaufen.“
„Wie viel wäre das den?“ Eva war nicht abgeneigt und ich schon gar nicht.
„Enzo gehören 12,5% vom Stammkapital. Das wären etwas über 6 Millionen Lire nominell, nach heutigem Stand etwa 40 Millionen wert.“
Tabea war wieder zu mir herüber gekrabbelt und versuchte ihr Köpfchen unter mein Shirt zu schieben.
„Nun schau dir die kleine Maus an, wie sie Peter umgarnt.“

„Enzo würde lieber heute als morgen zum Notar gehen. Wir könnten auch selbst seinen Anteil übernehmen, aber wir finden, das ihr als Nachfolger meiner Eltern und Besitzer der Fattoria ein Recht habt dabei zu sein. Euer exzellenter Wein hat immer einen besonderen Anteil am Erfolg des Grappa gehabt.“
Wir schlugen ein, und Mario wollte den Notartermin mit Enzo ausmachen.
„Warum kommt ihr nicht heute Nachmittag herüber und schaut euch die Brennerei mal an und die Bücher natürlich auch?“
Tabea giekste weiter unter meinem Hemd und patschte mir auf dem Bauch herum. Jetzt drückte sie ihr Näschen in meinen Bauchnabel und prustete los. Das schien ihr großen Spaß zu machen.

„Das ist ein weiterer sicherer Absatzmarkt für unseren Wein“, meinte ich später zu Eva, nachdem Benedetta, Mario und die Zwillinge wieder gegangen waren.
Tabea hatte noch ein paar Tränen vergossen, als Benedetta sie genommen und in ihr Körbchen gelegt hatte. Der kleine Fratz schien mich wirklich zu mögen.

Ich hatte Eva gestern Abend noch die Kontoauszüge gezeigt, die 40 Millionen würde unser Konto gut verkraften.

Vor dem Notartermin saßen wir im Tre Archi zusammen, Mario, Giancarlo, sowie Enzo, Eva und ich. Mario hatte Vollmacht seiner Mutter, während Enzo die Vollmachten seiner Frau, sowie seiner Geschwister vorlegte. Alle Eigentümer mussten zustimmen. Die Geschwister mischten sich nicht ins Geschäft ein, sondern waren nur an der pünktlichen Auszahlung des Ertrages interessiert.
Enzo bestand darauf nur 20 Millionen in den Vertrag zu schreiben, die restliche Summe wollte er aus steuerlichen Gründen auf die Hand haben. Ich war von Mario auf diese - italienische Variante -, wie er sie nannte, schon vorbereitet.
Der Notar verlas den Vertag, die Eigentumsübertragung, dann ließ er uns eine Viertelstunde allein. Ich überreichte Enzo 20 Millionen in bar. Anschließend, nachdem der Notar wieder herein gekommen war, unterzeichneten Enzo, sowie Eva und ich den Vertrag. Der Notar setzte sein Siegel und die Unterschrift auf das Schriftstück, kassierte die Gebühren und wir waren Miteigentümer der Brennerei Fratelli Santucci.

Giancarlo und Benedetta hatten uns einen Tag vorher durch die modern eingerichtete kleine Brennerei am Ortsrand von San Gimignano geführt. In kleinen Holzfässern reifte der Grappa Vecchio Santucci. Der Brennmeister gab uns ein Glas zum verkosten. Strohgelb und überraschend mild glitt der Grappa über die Zunge und durch die Kehle.
„Wir lassen die Hälfte der Produktion ein Jahr länger reifen und verkaufen ihn dann als Riserva.“ Signore Maldini, der Brennmeister, führte uns durch die Brennerei. Er zeigte uns die Brennblasen und das Fasslager, sowie die Abfüllanlage. Natürlich war alles unter Zollverschluss und wir durften nur von dem versteuerten Grappa kosten.
Mario drückte mir eine Flasche Grappa Riserva in die Hand.
„Denn dürft ihr schon mal probieren, der Riserva ist ein Gedicht, er kommt dieses Jahr in den Verkauf.“
Mario lachte und fügte scherzhaft hinzu „Die Flasche wird natürlich eurem Anteil zugerechnet.“


In der letzten Septemberwochen hatten wir noch die Malvasiatrauben für den Vin Santo geerntet und unterm Dach in unserer Vin Santeria aufgehängt. Hier waren sie dem Wetter ausgesetzt, wurden gut durchlüftet und würden langsam während des Trocknens vor sich hin reifen.

Jetzt war etwas Ruhe bis zur Olivenernte im November.

In vierzehn Tagen war in Wien Taufe. In drei Wochen flog Eva für knapp zwei Monate in die Staaten.

Bruno hatte uns nach Florenz gebracht, das Gepäck war eingecheckt und wir warteten im Abflugbereich auf unseren Aufruf. Wir hatten zwei Plätze ganz vorne in der Kabine gebucht. Da hatte Eva mehr Beinfreiheit und einen kurzen Weg zur Toilette. Es war ja nur ein kurzer Flug bis Schwechat, wo Hannes uns abholen würde. Eva fühlte sich gut, wir hielten uns bei der Hand.

Am Flughafen tauschte ich bei der Bank Austria Lire in Schilling um. Der Wechselkurs war nicht gerade besonders günstig.

Es war schön wieder Wiener Luft zu atmen. Hannes, der stolze Papa, freute sich auch uns wieder zu sehen.
„Ich bringe euch erst mal zur Tante Maria. Da könnt ihr euch frisch machen. Wir holen euch um acht Uhr ab und fahren zur Vecchia Fattoria.“
Hannes setzte uns am Unteren Schreiberweg, in der Nähe des Heiligenstädter Friedhofs, ab. Der Grinzinger Steig war für Autos gesperrt. Tante Maria war überglücklich uns wieder bei sich zu haben und umarmte uns voller Freude.

„Traust du dir denn den Flug in die Staaten zu Kind? Du bist dann im 5. Monat.“
Eva nahm sie in den Arm. „Ach meine liebe Tante, ich würde unser Baby doch nie gefährden. Du musst keine Angst haben, ich passe auf Lena auf.“ Beide hatten Tränen in den Augen.
„Deine Mutter, meine Schwester, wäre stolz auf dich Eva. So nun macht euch frisch und genießt euren Abend. Wir haben ja morgen den ganzen Tag Zeit für uns.“


Hannes und Maria holten uns um halb acht Uhr ab. Sie hatten Anna in einem Körbchen mitgebracht. „Ach ist die süß!“ Eva und Tante Maria waren ganz aus dem Häuschen. „Wie lieb sie ausschaut.“
Maria nahm sie aus dem Körbchen und reichte sie Eva. Eva musste schlucken und die Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie wiegte Anna im Arm.
„Wollt ihr Anna mitnehmen, oder lasst ihr sie hier?“
„Nein, wir lassen sie hier. Tante Maria passt auf sie auf. Im Restaurant ist es zu laut und zu verraucht, obwohl uns Carlo den Nebenraum freigehalten hätte. Ich rufe zwischendurch an, wenn sie meine Stimme hört ist Anna wieder beruhigt. Aber sie wird wahrscheinlich bis wir wieder zurück sind durchschlafen.“

Carlo begrüßte uns an der Tür und führte uns zu unserem Tisch. Wir überbrachten Grüße von Benedetta und Mario. Carlo war Marios Cousin und hatte die Vecchia Fattoria von Beiden gekauft. Vorher war er lange Jahre hier Koch gewesen und kochte auch heute noch mit.

„Sonntag, also in drei Tagen, ist die Taufe in St. Josef am Sternwartepark in Währing. Mein Mutter und du seid die Paten, du musst morgen noch mit dem Pfarrer reden.“
Eva nickte, dann brachte Carlos Kellner die Vorspeise.

Fegato di vitello su insalata di valerianella, gebackene Kalbsleber auf Vogerlsalat mit Chili- Mangochutney.
Carlo konnte immer noch ausgezeichnet kochen und kunstvoll dekorieren. Er hatte nichts verlernt seit unserem letzten Besuch.
Als Zwischengang servierte uns Daniela, Carlos Frau, eine sehr aromatische Crema d’ aglio, eine Knoblauchcremesuppe mit Croutons.
Daniela begrüßte uns ganz herzlich, besonders die beiden Mamas. Daniela war eine feurige, rothaarige Schönheit und redete schnell und gestikulierend. Carlo war sehr stolz auf seine Frau.
Dann servierte Flavio der andere Kellner, der schon zu Benedettas und Marios Zeiten da gewesen war, uns einen Vernaccia aus Marios Weinberg. Den Besten, wie ich sofort registrierte.
So einen guten Jahrgang bekam man nicht alle Tage vorgesetzt. Goldgelb funkelte er im Glas, Ein feiner, eleganter Duft und das Aroma von Mandelblüten, Zitrus und Apfel, sowie einem leichten Anflug von Gartenkräutern schmeichelte der Nase. Er war wohl gelungen.
Flavio und sein Kollege trugen jetzt ein Schale auf.
„A qui, un risotto nero con gamberi di fiume, Risotto mit Flusskrebsen und Hummersoße.”
Der tintenschwarze Reis mit den Krebschen schmeckte hervorragend und die Soße dazu einfach delikat.
Carlo freute sich, als wir ihn lobten. „Mi sono impegnato speciali per voi, ich habe mir für euch besondere Mühe gegeben. Mario wird euch doch fragen, wenn ihr wieder daheim seid.“
Doch es sollte noch besser kommen. Kaum hatten die Kellner abgeräumt und wir durchgeatmet, servierten Daniela und Carlo
Filetti di pesce San Pietro, Filets vom St. Petersfisch im Kartoffelmantel mit Safran- Fenchelgemüse.
Das war ein wahrhaftes Fest für die Gaumen.
„Wollt ihr Männer noch ein Glas Wein trinken? Ich fahre ja“, meinte Maria. Dazu mochten Hannes und ich nicht nein sagen.
Maria hatte zwischendurch angerufen und Anna ein Gute Nacht Lied am Telefon vorgesungen.

„Ich führe jetzt schon die halbe Zeit die Marienapotheke. Pharmazierat Marek kommt nur noch zweimal die Woche herein. Sonst lässt er mir freie Hand. Allerdings, wenn ich Tante Maria nicht hätte. Sie kennt sich so gut aus, die Kunden vertrauen ihr und sie macht das in einer Souveränität, da kann ich nur immer staunen.“
Hannes war Feuer und Flamme und er war stolz darauf die Marienapotheke bald zu übernehmen.
„Unsere Eltern haben uns finanziell etwas geholfen. Das war natürlich auch wichtig.“
Ich erzählte ihm von unserer Beteiligung an der Brennerei und versprach ihm für Weihnachten ein kleines Kistchen von unserem besten Grappa zu schicken.
„Im Fluggepäck war leider kein Platz mehr, aber diese Flasche haben wir euch trotzdem mitgebracht. Einen Fratelli Santucci 1984er Riserva.” Der Grappa funkelte goldgelb in der Flasche.
Daniela servierte uns das Dessert. Für Dolce war ja Hannes ganz besonders zu haben.
„Soufflé alla ricotta, ein Topfensoufflé mit Erdbeerschaum. Buon appetito.“
„Carlo hat in der Sommerpause die Küche modernisieren lassen und im Garten wollen wir bis zum Frühjahr auch noch etwas machen. Aber es gefällt uns sehr, jetzt allein verantwortlich zu sein. Außerdem haben Benedetta und Mario für einen guten Ruf gesorgt, den wir unbedingt halten wollen.“


Tante Maria holte ein kleines Bändchen aus dem Bücherschrank. „Hier Eva, das wollte ich dir noch zur Hochzeit schenken.“ Ein kleines Gedichtbändchen, alt, schon etwas abgegriffen. Eva blätterte darin.
„Schau mal Tante Maria, das ist doch der Mann auf dem Bild im Esszimmer, Nikolaus Lenau?“
„Ja Eva, das ist Nikolaus Lenau, oder wie er richtig hieß, Nikolaus Niembsch Edler von Strehlenau. Mein Urgroßonkel, oder war es der Ururgroßonkel? Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls hat das meine Mutter bei der Heirat von ihrem Mann bekommen, eurem Großvater. Vater ist ja im Krieg gefallen, ich habe ihn gar nicht in Erinnerung, ich war ja erst drei Jahre alt. Aber das Büchlein war immer ein Erinnerungsstück. Wenn ich es schon früher gefunden hätte, hätte ich es Josefa zur Hochzeit geschenkt. Aber jetzt soll es dir gehören Eva.“
„Die Oma hieß doch auch Strehlenau?“
„Ja sicher Eva, das ist der Geburtsname von deiner Mutter und mir. Mein Großvater hieß bis 1919 auch Edler von Strehlenau, bis der Titel in der Republik abgeschafft wurde.
Ihn hat das weiter nicht geschmerzt, denn er war glühender Sozialdemokrat. Vater war da anders, er hätte gern den alten Namen geführt. Aber was solls.“




Winternacht
Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten!
Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.
Frost! Friere mir ins Herz hinein,
Tief in das heißbewegte Wilde!
Das einmal Ruh' mag drinnen sein,
Wie hier im nächtlichen Gefilde.
Dort heult im tiefen Waldesraum
Ein Wolf -wies Kind aufweckt die Mutter,
Schreit er die Nacht aus ihrem Traum
und heischt von ihr sein blutig Futter.
Nun brausen über Schnee und Eis
Die Winde fort mit tollem Jagen,
Als wollten sie sich rennen heiß:
Wach auf, o Herz zu wildem Klagen!
Lass deine Toten auferstehn
und deiner Qualen dunkle Horden!
Und lass sie mit den Stürmen gehn,
Dem rauen Spielgesind aus Norden!
Nikolaus Lenau, 1802-1850

„Oh das ist aber finster und schwermütig“, meinte Eva.
„Er wurde schwermütig und ist auch in einer Nervenheilanstalt gestorben, mit 50 Jahren. Aber seine Verse berühren das Herz. Lies mal – Die Waldlieder – Sein Grab befindet sich heute in Waidling bei Klosterneuburg. Ich besuche es manchmal wenn ich bei meinem Bruder auf Besuch bin“, meinte Tante Maria nachdenklich.
Eva drückte ihre Tante an sich.
Nachmittags waren dann Josefa und Miriam zu Besuch gekommen. Wir freuten uns die Beiden wiederzusehen.
„Mama!!!! Holst du den Puppenwagen aus dem Auto?“
„Ja, mein Schatz, gleich, wir müssen doch erst Grüß Gott sagen.“
„Grüß Gott. Mama!!“
„Kleine Nervensäge. Ich komm ja schon.“ Josefa schüttelte lächelnd den Kopf.
Sie holte den Puppenwagen und die Puppe aus dem Auto.
„Miriam, wo bist du? Ich bringe dir den Wagen nicht hinterher. Miriam?“
„Ja, ja Mami, ich komm ja schon. Ich habe nur Mohrle begrüßt.“
Miriam schob den Puppenwagen in den Garten zur Terrasse wo wir Platz genommen hatten.
„Onkel Peter, hol mir mal ein Glas Wasser. Ich zeig euch jetzt wie Ronja Pippi machen kann.“
Ich zuckte die Schultern und ging in die Küche, nahm mir ein Glas und füllte es an der Wasserleitung. Dann eilte ich zurück. Ich hörte schon ihre Stimme.
„Onkel Peter, wo bleibst du denn?“
„Komm, ich nehme die Ronja und du gibst ihr zu trinken. Du musst das aber richtig machen.“
„Nein warte. Warte Onkel Peter. Jetzt habe ich doch der Ronja noch keine Windel gegeben.“
Miriam wickelte der Puppe eine Windel um. Jetzt war es richtig. Ich flößte dem Puppenmund vorsichtig ein wenig Wasser hinein. Aber es passierte noch nichts.
„Ronja muss mehr trinken.“ Also bekam die Puppe noch einen Schluck Wasser.
„Jetzt müssen wir warten.“ Miriam drückte die Puppe ihrer Mama in die Hand.
„Soll Ronja jetzt mich nass machen?“, fragte Josefa.
Miriam nickte, schaute mich an und machte dann eine Schnute. „Mama hat mir verboten, dich in den Po zu zwicken. Tut das weh?“
Ich schüttelte den Kopf. „Siehst du Mama, Onkel Peter hat gesagt, das tut gar nicht weh.“ Ich zuckte die Schultern während Josefa mich leicht vorwurfsvoll ansah.
Aua, das kleine Biest hatte mich schon wieder gezwickt.
„Miriam Schluss jetzt, sonst fahren wir gleich nach Hause. Sie hat uns einen ganzen Tag lang gepiesackt und immer wieder gezwickt. Schließlich hat Jona auch noch damit angefangen.“
„Ja, sie sieht was die Großen machen und macht es nach.“ Tante Maria schmunzelte und wir mussten uns das Lachen verkneifen.
„Och jetzt habt ihr gar nicht geschaut, wie Ronja Pippi gemacht hat.“
„Schluss jetzt kleines Fräulein. Wir können alle sehen, dass die Windel nass ist.“
„Warum heißt denn deine Puppe Ronja Miriam?“ „Na, nach dem Räuber natürlich. Kennst du den nicht?“
Eva warf ein „Miriam du meinst wohl Ronja Räubertochter?“
Miriam nickte „Ja.“
„Und wer ist der Räuber, wollte ich wissen?“
„Du weißt aber auch gar nichts Onkel Peter. Ich natürlich. Papa sagt doch immer Räuber zu mir. Und weil das meine Puppe ist, heißt sie Räubertochter.“
Von so viel Logik musste ich mich geschlagen geben.
„Ja mein Peterl, gegen so viel weibliche Logik seid ihr Männer machtlos. Komm Liebster, lass dich trösten.
„Es ist lieb, das meine beiden Mäderl mal wieder beisammen im Hause sind“ seufzte Tante Maria. Eva und Josefa lehnten ihre Köpfe an Tante Marias Schultern.

Nachdem wir den Anstandsbesuch beim Pfarrer gemacht hatten, besuchten wir Maria, Hannes und Anna in ihrer Wohnung in Währing. Das Taxi hielt in der Bastiengasse mit laufendem Motor und ließ uns hinaus. Es war alles zugeparkt. Eva nahm Tante Maria an der Hand und ich öffnete das Tor zum Garten. Maria und Hannes wohnten in einem beeindruckendem Vierfamilienhaus auf großem schön angelegten Grund. Sie hatten eine großzügige Wohnung mit Terrasse und Gartenanteil in einer Wohnsiedlung in schöner Lage.
Maria hatte Kaffee gekocht und uns mit Donauwellen bewirtet.
„Selbst gebacken“ verkündete sie stolz.

Am Sonntag trafen wir uns vor der Kirche. Hannes begrüßte uns und stellte uns seinen Eltern vor. Seine Eltern waren beide Internisten in Klosterneuburg und sein älterer Bruder würde nach dem Abschluss des Medizinstudiums in die Praxis einsteigen.
Dr. Hertling war ein wuchtiger Mann mit rotem Gesicht und jovialer Stimme, Hannes Mutter dagegen war eher klein und zierlich.
„Johannes hat viel von ihnen erzählt, dass sie sich ihren Traum wahrgemacht haben. Ich könnte sie beneiden.“ Sie lächelte, wandte sich Eva zu, nahm ihren Arm und die Beiden unterhielten sich.
„Was produzieren sie denn, wo kann ich ihren Wein denn mal kosten? Sie müssen wissen, ich bin ein passionierter Weinfreund.“ Dr. Hertlings Stimme dröhnte.
„Wie wärs mit heute Abend Vater? Ich habe eine Kiste von Peters Wein im Keller.“
Hannes boxte seinem Vater gegen die Schulter.
„So jetzt müssen wir aber hinein. Maria wird schon warten.“
Wir nahmen Platz in der ersten Reihe, schließlich war Eva eine der Patinnen. Die Kirche war ziemlich voll. Maria und Hannes hatten reichlich Verwandtschaft. In den hinteren Reihen schienen aber eher Schaulustige zu sitzen. Neben uns saßen Marias Eltern, die Grieshabers waren beide Lehrer. Wir schienen ihnen sofort sympathisch zu sein und Marias Mutter unterhielt sich mit Eva und Tante Maria. Ich tauschte mit Tante Maria den Platz und schaute mich in der Kirche um. St. Josef war im neogotischen Stil errichtet. Der eher schlichte Altar mit einem hohen Aufsatz versehen und von einer Marienfigur gekrönt.

Der Pfarrer Dr. Singhammer kam auf uns zu, begrüßte uns und bat die Eltern und die Paten vorzukommen zum Taufbecken. Anna schien zu schlafen, sie gab keinen Laut von sich. Anna war ein ruhiges Baby, hatte auch Maria gesagt.
Der Pfarrer führte die Taufzeremonie durch und während Eva stolz die Kleine im Arm halten durfte, vollzog Dr. Singhammer die Taufe. Dann nahm Marias Mutter das Baby hielt es auch einen Moment im Arm und übergab Anna an ihre Mama.
Schräg gegenüber wartete schon der kleine Saal des Café Restaurant Bürgerhof auf uns.
Bei Kaffee und Kuchen unterhielten wir uns angeregt. Natürlich waren auch einige neugierig auf Eva, ihr gewölbtes Bäuchlein war ja unübersehbar.
Spät am Nachmittag verabschiedeten wir uns von allen und fuhren mit einem Taxi heim zu Tante Maria. Den restlichen Tag wollten wir noch gemeinsam verbringen, morgen mussten wir schon wieder heim fliegen.
Am späten Vormittag, nachdem beim Abschied ein paar Tränen geflossen waren, fuhr uns das Taxi nach Schwechat zum Flughafen.
Eva hatte mit Tante Maria vereinbart, dass sie ein paar Wochen um den Geburtstermin im März herum, zu uns kommen würde. Da strahlte die Tante wieder und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln.
 
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Kommentare  

Ist ja süß. Eva und Peter bekommen also ein Mädchen. Na, dieses Kind wird es bestimmt später sehr gut haben. Schön die Atmosphäre in Wien beschrieben und vor allem die Kinder. Gutes gemütliches Lesefutter.

doska (25.02.2012)

Wieder in Wien zu sein, ist auch mal schön für Eva und Peter. Vor allem Marias selbstgebackene Donauwellen dürften gut geschmeckt haben. Esse ich nämlich selbst sehr gerne. Drollig die Kinder beschrieben und auch die Erwachsenen zeigen sich gemütvoll.

Jochen (24.02.2012)

Hurra, es wird ein Mädchen. Das Ultraschallbild war eindeutig.
Eva und Peter fliegen zu Annas Taufe nach Wien.
Ein Wiedersehen auch mit dem kleinen Fratz Miriam


Wolfgang scrittore (23.02.2012)

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