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9 Seiten

Ahrok - 45. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Fünfundvierzigstes Kapitel: Tavernengespräche

„Nu hör Scheiße noch eins auf, so einen Flunsch zu ziehen, das iss ja nich mehr feierlich! Sieh dich doch nur mal um. Wir leben hier wie scheiß Könige.“
Ragnar wies mit ausgestreckten Armen auf die Einrichtung ihres Zimmers in der „Herberge zum weißen Fluss“.
Der Valr hatte natürlich Recht, aber das machte sein Leben trotzdem nicht besser.
Ihr Zimmer war größer als jeder Raum, in dem er bisher gelebt hatte, mit Ausnahme der einen Nacht im Roten Drachen. Es gab hier zwei gemütliche Betten samt daunengefüllten Decken und Kissen, dazu zwei Schränke in denen man fünfmal mehr verstauen konnten als sie besessen hatten, ja es gab sogar zwei Nachttöpfe.
Ein nicht mehr ganz so sauberer, aber dafür umso bunterer Teppich trennte den Raum in seine beiden Hälften. Es gab Kerzen und eine Öllampe und aus dem Fenster konnte man hinunter auf die Ilv blicken, wie sie zugefroren und schneebedeckt vor sich hin träumte. Vor allem in den frühen Nachmittagsstunden sah man immer viele Kinder auf dem dünnen Eis spielen und das Krakeelen ihrer dünnen Stimmen ließ dann erst gegen Abend nach.
Die Bewirtung war auch nicht zu verachten.
Sie bekamen drei Mahlzeiten am Tag und frisch dazu den neuesten Tratsch und Klatsch aus der Region serviert, denn die Frau des Wirtes liebte nichts mehr als das Reden.
Hier hatte es sie also nach alledem hin verschlagen. Nachdem sie Olga fünf ihrer Goldstücke überreicht hatten, waren sie eine Weile ziellos durch die Stadt gewandert, hauptsächlich um den überschwänglichen Danksagungen und den Tränen der überglücklichen Frau zu entgehen.
Mit dem restlichen Geld hatten sie sich dann am Abend in eben diese Herberge eingemietet.
Sie bezahlten für ihren Luxus drei Goldstücke in der Woche und hatten sich seitdem keine Sorge mehr über Nahrung oder ein Nachtlager Gedanken machen müssen. Es war herrlich, die ganzen Strapazen einmal abzustreifen und sich für ein paar Tage völlig sorgenfrei durch den Welt zu bewegen.
Den Gerüchten zufolge hatte der Statthalter Sigurds Schule im Nachhinein zu einer der bedeutendsten Institutionen Märkteburgs und der Swanmark ernannt. Dank dieser Auszeichnung war die mittlerweile rassenübergreifende „Kampfschule des Trutzes“ unter der Leitung von Sigurds Tochter und einigen seiner alten Schüler wieder aufgeblüht.
So vieles hatte sich zum Guten gewendet.
Nur Hans hatten sie bislang nicht aufstöbern können. Seine Spur verlor sich recht schnell in den umliegenden Dörfern, aber sie hatten ohnehin kaum noch Gold, um den guten Mann zu entschädigen.
Aber was auch geschah, wie gut der Tag begann, wie lecker das Essen war, so musste er doch immer nur an sie denken. Es nagte an seinem Herzen, nicht bei ihr sein zu können, es nahm ihm alle Kraft und jeglichen Spaß an ihrem jetzt so überwältigend schönen Leben. Alles war öde und grau, nur weil er ihr Lachen nicht hören konnte und sie aus seinem Leben verschwunden war. Für lumpige zwanzig Goldstücke hatte Ragnar seine Zukunft mit dieser Göttin verschachert.
„Wie spät ist es?“, fragte er unvermittelt.
„Keine Ahnung. Spät.“
„Gehen wir was trinken?“
„Scheiße ja, jetzt gefällst du mir!“

Gleich gegenüber gab es eine Taverne, deren Namen Ahrok auch nach dem dritten Mal lesen sogleich wieder vergessen hatte. Das war keine Schande, denn dieser Laden war ein absolutes Dreckloch.
Aber wenn man ihm momentan die Wahl ließ, auf der Suche nach einer gut betuchten Schenke in den schlecht beleuchteten Straßen durch den Schnee zu stapfen oder aber er einfach nur aus der Tür fallen musste, um sich in einer miesen Spelunke zu betrinken, dann wählte er das Letztere.
Er stieß die Tür auf.
Lautes Gejohle und Schifferlieder sprangen ihm entgegen und er verdrehte nur die Augen. Nicht einmal in einem solch heruntergekommenen Schuppen hatte man um die Zeit seine Ruhe. Müde vom vielen Nichtstun spazierte er auf einen der vielen, freien Tische zu.
Es war kalt und spät und dreckig hier. Nur die hoffnungslosesten Saufnasen und einige Seeleute, die aufgrund des zugefrorenen Flusses hier festsaßen, ließen sich zwischen Hundekot und Schaben bedienen, um ihr übliches Pensum zu vertrinken.
Ragnar trat nach ihm ein.
Der Zwerg breitete die Arme aus und nahm einen tiefen Zug abgestandenen Kneipendufts.
„Ahhhh… los lass und was trinken!“
Ahrok winkte den Wirt an seinen Tisch: „Brings uns zwei Humpen Steinberger Bräu.“
„Sowas hamma hier nich.“
Ahrok ließ genervt den Atem entweichen: „Na gut, dann Märkteburger Wiesenbräu.“
„Hamma auch nich.“
„Bevertaler…“
„Äh-äh.“
„Dann bring uns, was du da hast.“
Ragnar hatte derweil neben ihm Platz genommen und blickte sich neugierig um.
„Weißt du, woran mich das erinnert?“, fragte der Zwerg.
„An eine Kneipe die du mal kanntest?“,
Ahrok war wirklich nicht in Stimmung, irgendetwas zu bereden. Er wollte einfach nur trinken, damit es ihm besser und danach noch schlechter ging.
„Ja, genau. Damals, das muss zwanzig Jahre her sein, haben wir in den Ruinen von Silberberg nach Schätzen gesucht. Wir sind zwei Wochen durch die zerstörte Stadt gelaufen, ohne auf Feinde oder Drachen oder Schätze zu stoßen und dann…“
„Dann kamt ihr in eine Taverne.“
„Was? Ja… schon… aber lass mich erzählen! Da haben wir also dieses Gebäude betreten. Eigentlich war es kaum mehr als ein Haufen Schutt in dem sich Spinnen, Eidechsen und sonstiges Getier rumtrieb. Dort haben wir dann drei große Fässer Steinberger gefunden. Was soll ich sagen. Rumms waren sie angestochen und wir haben uns gleich vor Ort die Hucke voll gesoffen. Genau daran erinnert mich das jetzt.“
„Aha…“
„Ja, ich meine nur. Die Spinnweben, die Krabbelviecher… auf eine seltsame Weise macht das diesen Ort sehr urig.“
Die Worte „Schnauze Ragnar!“ wurden glücklicherweise dadurch übertönt, dass der Wirt ihnen die bestellten Humpen auf den Tisch stellte.
„Hier. Zwei Kupferstücke.“
Zwei Kupferlinge für zwei große Krüge Bier? Ahrok graute jetzt schon davor, das Zeug über seine Lippen laufen zu lassen.
„Besten Dank“, Ragnar drückte ihm das Geld in die Hand, „und jetzt verzieh dich. Wo war ich gerade?“ Der Zwerg stieß den Hund weg, der sich gerade an ihrem Tischbein verging. „Ach ja. Hoch die Krüge und zum Wohl!“
Ragnar folgte auch gleich seiner eigenen Anweisung, hob den Krug und trank. Nach dem er ihn geleert hatte, ohne einmal abzusetzen, schüttelte er sich kurz, fischte etwas Dunkles zwischen den Zähnen hervor und orderte einen neuen.
Ahrok starrte indes nur auf den Hund, der, von seinem Tischbein verjagt, traurig in der Ecke kauerte und sich wehmütig die Eier leckte. Armer Junge. Auch er war just in diesem Moment gewaltsam von seiner großen Liebe getrennt worden und wieder hatte Ragnar Schuld an Allem.
„Warum trinkst du nicht? Ja, es schmeckt scheiße, aber… es macht dich garantiert betrunken. Was willst du mehr an einem Abend wie diesem?“
Ahrok ignorierte ihn einfach.
Es war am einfachsten, diesem Gespräch und allen weiteren zu entgehen, indem er seinen Kopf ganz tief in diesem Krug vergrub.
Nach den ersten beiden Schlucken wusste er sogleich, warum Ragnar sich so geschüttelt hatte. Es schmeckte, als wäre etwas Pelziges in den Humpen gekrochen und vor Jahren dort verendet, bevor der Wirt etwas gelbe Pisse darüber geschüttet hatte. Ahrok schwenkte den Krug, um sicher zu gehen, nicht vielleicht doch noch eine tote Ratte darin zu finden, dann setzte er ihn jedoch wieder an. Es war eh alles scheiße ohne sie.

„Hast du davon gehört? Dieser irrsinnige Ahrok der Schlachter soll sich immer noch hier in Märkteburg aufhalten.“
„Na klar, wer hat nicht davon gehört.“
Das Gespräch der Männer am Nebentisch erregte Ahroks Aufmerksamkeit. Da sprach jemand von ihm.
„Es heißt, er soll hundert Männer erschlagen haben und noch einmal so viele Frauen und Kinder. Gestern habe ich mit einem Händler gesprochen, der beschwört, dass der Kerl mit Dämonen im Bunde ist.“
„So ein Quatsch.“
„Doch ehrlich. Jede Nacht steigt er aus der Dunkelheit und geht durch die leeren Straßen auf der Suche nach neuen Opfern. Jeder, der nicht rechtzeitig fliehen kann, ist des Todes.“
„Das ist doch Aberglaube.“
„Nein, ehrlich.“
„Niemals. Nachdem was ich so gehört habe...“
„So? Was hast du denn gehört.“
„Was ich so gehört habe ist nicht bloß der Tratsch eines vernachlässigten Waschweibes. Ich hab gehört, sie haben diesen Kerl fast ein halbes Jahr lang gesucht. Steckbriefe von ihm hingen an jeder Straßenecke und wöchentlich kommen neue dazu. Dann plötzlich. Alles weg. Keine Steckbriefe mehr. Die waren von einem Tag auf den nächsten alle entfernt worden.“
„Ich sag doch - mit Dämonen im Bunde.“
„Quatsch! Denk doch mal nach. Warum sollte ein Dämon Steckbriefe entfernen. Ich denke eher, dass er ein ganz hohes Tier ist. Vielleicht der Sohn des Statthalters oder der Sohn des Königs und deshalb tut ihm keiner was. Deshalb kann er ungestört weiterhin sein Unwesen treiben.“
„Uhhhh, das klingt auch schlimm.“
„Ja… diese Stadt macht mich krank. Ich kann es nicht erwarten, dass der Fluss uns wieder trägt und wir hier wegkommen.“
„Weg von Ahrok dem Schlachter meinst du.“
„Es heißt Ahrok der Schlächter.“
Ahrok war es leid, dass diese beiden heruntergekommenen Seeleute seinen Beinamen nicht einmal richtig aussprechen konnten.
„Was willst du Junge?“, wandte sich nun einer der Männer an ihn.
„Er heißt nicht Ahrok der Schlachter, sondern Ahrok der Schlächter.“
„Schlechter? Schlechter als wer?“
„Nicht… schlechter. Schlächter!“
„Ah ja.“
Der Mann wandte sich wieder seinem Gesprächspartner zu. Sie steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten von nun an so leise, dass Ahrok sie nicht mehr verstehen konnte.
„Schlächter!“, rief er noch einmal zu ihnen herüber.

Weit nach Mitternacht saßen sie immer noch dort an ihrem Tisch. Seine Geschmacksnerven hatten sich schon vor Stunden verabschiedet und so saß er über seinem mittlerweile dritten Krug dieses Gesöffs, mit dem er sich normalerweise nicht einmal den Arsch waschen würde.
Oh, diese Haare. Wie vermisste er es, zu sehen, wie sie sich eine Strähne hinter das Ohr strich und sich dann, wie aus versehen, ihm zu nähern, damit er ihren herrlichen Duft einatmen konnte.
„Noch etwa drei Wochen“, waren die Worte, die diese wundervollen Bilder verschwinden ließen und ihn wieder zurück in diese Spelunke holten.
„Was?“, die Zunge war ihm über dem letzten Krug Bier schwer geworden.
„Unser Gold reicht noch etwa drei Wochen. Dann sind wir wieder bei null angelangt.“
„Was nervst du mich jetzt damit und nicht in drei Wochen?“
Ahrok hatte keine Lust sich Gedanken über irgendetwas zu machen. Gedanken waren öde.
„Ich hab darüber nachgedacht, die Stadt zu verlassen.“
Die Stadt verlassen? Um noch weiter von ihr getrennt zu sein?
„Warum?“
„Es ist scheiß Winter in Märkteburg. Die ganze Stadt ist tot oder liegt im Tiefschlaf. Was auch immer, hier lässt sich kein Gold machen und hier gibt es keine Kämpfe zu bestreiten.“
„Und wo willst du hin?“
„Keine Ahnung. Irgendwo wird immer ein Krieg gefochten, nehm ich an. Oder… ich such mir eine Expedition, die ´nen Caer öffnen will.“
„Ah ja…“, Ahrok nahm einen weiteren Schluck.
„Ich weiß nicht… irgendwo wird schon…“
„Was ist ein Caer?“, erst jetzt waren seine Gedanken bei Ragnars vorletztem Satz angekommen.
Ragnar schenkte ihm einen Blick, den er nicht recht deuten konnte.
„Ein Caer ist eine gigantische Festung unter Tage. Abgeschottet durch magische Siegel und mechanische Barrieren, um das Überleben während der Zeitalter der Bestrafung zu gewährleisten.“
„Das was während der was?“
„Mann, Mann, Mann du wirfst ein mieses Licht auf euch Menschen, ey.“
„Ja, ja, ich bin nur grad nich in Stimmung, um über sowas nachzudenken.“
„Worüber denn dann? Was willst du eigentlich machen?“
„Ich will nur nochmal mit ihr reden…“
„Oh, jetzt fängt das wieder an.“
„… in ihre Augen blicken und nochmal so tanzen.“
„Ja, ja, ja.“
„Weißt du, das war der schönste Tag in meinem Leben.“
„Ja, meiner auch und jetzt trink was, das kann man sich ja nicht mehr mit ansehen.“
Ragnar schüttelte den Kopf. Es war jedes Mal dasselbe. Die Frauen bekamen Ahrok eben nicht. Scheiße, die Frauen bekamen den Männern im Allgemeinen nicht.
Ihn erneut so weinerlich zu sehen, war abstoßend. Was konnte er nur tun? Er machte sich hier Gedanken darüber, wie es weitergehen sollte und Ahrok versank mehr und mehr in Selbstmitleid.
„Na dann, streng dich an, Junge. Werde ein großer Held. Sammle Reichtümer und Adelstitel und du kannst sie vielleicht eines Tages wiedersehen. Alles ist besser, als ständig rumzujammern, wie toll ihre Haare doch waren. Pff, ich bitte dich.“
Ahrok antwortete nicht. Er starrte einfach nur über den Rand seines Bierkrugs hinweg in den Raum, aber Ragnar konnte sehen, dass seine Worte irgendetwas in Gang gebracht hatten. Etwas rumorte hinter Ahroks Augen.
„Meinst du wirklich?“
„Oh, ja.“
„Hmmmm…“
„Ja, hmmmm! Denk drüber nach… Na los, trink aus. Ich muss Pissen und ins Bett und wir sollten gehen, solange ich das mit der Reihenfolge noch richtig hinbekomme.“

Bernhard wartete seit Stunden in dieser Taverne, aber bisher gab es kein einziges Anzeichen dafür, dass sein Kontakt ihn nicht belogen hatte. Keine der Schnapsdrosseln hier hatte etwas Auffälliges an sich und er war sich sicher, mit seinem geschulten Auge selbst den besten Schauspieler zu erkennen. Nein, das hier waren alles ganz normale Bürger, die ihren Abend damit verbrachten, ihr sauer verdientes Silber mit billigem Fusel zu vergeuden.
Er war nun schon zum wiederholten Male kurz davor, einfach aufzustehen und diese kleine Scharade zu beenden, doch dann entschied er sich erneut, noch eine Stunde zu warten.
Nur noch eine.
Mehr konnte er sich nicht erlauben, ansonsten würde er zu spät zum Dienst erscheinen und das konnte er sich in der heutigen Zeit nicht erlauben.
Die Stadtwache von Märkteburg stand noch immer unter Beobachtung durch Abgesandte, welche direkt vom Königshaus herbeordert worden waren. Diese peniblen Bürokraten hatten seit mehr als einer Woche ein Auge auf ihn und seine Männer, um ihr Versagen zum Winterball eingehend zu prüfen. Eine jede Unregelmäßigkeit seinerseits würde umgehend sehr unangenehm auffallen.
Es war beschämend, dass er wie ein Verbrecher im Schatten operieren musste, um Gerechtigkeit in diese verkommene Stadt zu bringen.
Er schwenkte den leeren Kelch, um der Bedienung zu signalisieren, dass er noch etwas trinken wollte.
„Sie sollten nicht so viel trinken. Das trübt das Urteilsvermögen.“
Diese junge Stimme hinter ihm gehörte weder einer Bedienung, noch einem der Gäste hier.
„Meines nicht“, antwortete er schlicht, ohne sich umzudrehen.
„Was sagt man nicht alles über Ausnahmen und Regeln.“
„Der Abend war lang genug. Lassen wir also das kryptische Gesülze und setzen Sie sich.“
Ein Mantel raschelte leise und feine Lederstiefel wanderten langsam um ihn herum.
Bernhard wäre am liebsten aufgesprungen und hätte den Bengel auf den Stuhl ihm gegenüber gedrückt. Diese arrogante Heimlichtuerei ging ihm gegen den Strich. Der Mann war unpünktlich und offenkundig narzisstisch. Er verstand nicht, wie so jemand jemals den Ruf eines herausragenden Attentäters erringen konnte.
Als sein Gegenüber endlich in sein Sichtfeld trat, prüfte Bernhard jede seiner Bewegungen und Eigenarten, die ihm auffielen. Noch bevor der junge Mann auf einem Stuhl Platz genommen hatte, hatte Bernhard schon einige interessante Dinge über ihn erfahren.
Der berüchtigte Attentäter war ein dunkelhaariger Mann von etwa zwanzig Jahren. Er war etwas größer als er selber und von sehniger Statur. Seine Schritte waren vorsichtig und geschmeidig wie die einer Raubkatze. Die Füße berührten fast nur mit den Ballen den Boden, um keinen Laut zu verursachen. Eine dunkle Kutte aus billigem, nicht zurückzuverfolgendem Stoff umrahmte seine Gestalt. Das gute Stück war weit geschnitten, viel zu weit für jemanden seiner Statur. Bernhards Vermutung nach gehörte sie entweder jemand anderem oder er neigte dazu, Dinge unter dem schwarzen Stoff zu verstecken. Den Degen trug er links am Wehrgehenk, was ihn als Rechtshänder auszeichnete.
Dieser Bengel hatte vielleicht einige Übungsstunden in einer Fechtschule absolviert und womöglich schon einige Duelle bestritten, aber er konnte niemals der Mann sein, den er suchte. Der Mann, der seit über dreißig Jahren in seiner Branche als einer der Besten galt.
„Ich muss gehen.“ Bernhard raffte Mantel und Hut zusammen und erhob sich vom Stuhl. Wer auch immer ihm diesen Betrüger auf den Hals gehetzt hatte, wollte ihn entweder ausnehmen oder gar von hoher Stelle aus ausspionieren.
„Sie wollen ein Problem gelöst haben.“
„Mag sein, aber nicht von Ihnen. Schönen Tag noch.“
„Machen Sie sich nicht lächerlich, guter Mann. Jemand hat Ihnen gesagt, dass Sie mich hier treffen können und dann erscheinen Sie zur vereinbarten Zeit und warten geschlagene drei Stunden lang und nun da Sie mich endlich sehen, wollen Sie auf einmal wieder gehen, weil… was? Ich Ihnen vielleicht zu jung erscheine? Vielleicht bin ich gar nicht derjenige, den sie suchen oder vielleicht gibt es ihn auch gar nicht, sondern er ist nur ein Name, den schon so viele vor mir trugen.“
Bernhard hielt inne. Der Versuchung seinen Worten zu glauben, war groß, aber er hatte schon sehr schlechte Erfahrungen damit gemacht, Abgesandten zu vertrauen.
„Setzen Sie sich doch bitte wieder, Hauptmann Schreiber. Ich denke, wir beide gehen ein ähnlich großes Risiko ein, uns hier zu treffen.“
In Bernhards Kopf rumorte es. Er war schon so weit gegangen. Jetzt zurückzuweichen war zwar der Vorsicht halber geboten, aber die Zeit saß ihm im Nacken.
„Sie kennen mich also.“
„Nur Titel und Namen und Sie kennen ja auch den meinen.“
„Nun gut, führen wir ein kurzes Gespräch bei einem Krug Wein. Doch bei dem leisesten Verdacht, dass hier etwas nicht stimmt, werde ich verschwinden.“
„Das ist nur legitim, denn bei dem leisesten Verdacht meinerseits werde ich Euch töten.“
Bernhard lächelte ein saures Lächeln.
„Zwei Leute müssen sterben.“
„Ihr seid der oberste Stadtwächter. Könnt ihr nicht selber dafür sorgen, dass sie verschwinden?“
„Wenn es so einfach wäre, so hätte ich es längst selbst getan! Nein, diese wurden vom Statthalter selbst begnadigt. Offiziell sind sie für mich unantastbar.“
„Was sind das für Leute? Barone? Fürsten? Landgrafen? Großhändler oder vielleicht sogar Magier?“
„Nichts von alledem.“
„Und warum wendet ihr euch dann an mich und nicht irgendeinen gewöhnlichen Meuchelmörder. Zwei Bürger zu töten, die Euch missfallen… das ist wahrlich nichts wofür man jemanden aus meiner Preisklasse braucht.“
„Wenn ich euren Preis bezahle, sollte es Euch einen Dreck kümmern, ob ihr nur eine Fliege zerquetschen oder den König meucheln sollt.“
„Ha, da sprecht Ihr wiederum ein wahres Wort. Wer sind diese Leute? Wo finde ich sie?“
„Es handelt sich um einen jungen Mann und einen Zwerg, aber wo Ihr sie finden könnt, das weiß ich nicht.“
„Das macht es komplizierter – und damit teurer.“
„Aber! Ich weiß wie man sie hervorlocken kann.“
„Das macht es nun wieder einfacher.“
„Und günstiger dadurch.“
Sein Gegenüber lachte kurz auf.
„Für zwei einfache Männer sollte der Preis…“
„Es sind keine zwei einfachen Männer. Das müsst Ihr Euch stets vor Augen halten. Erst vor Kurzem haben sie sich vollkommen unbewaffnet einer kleinen Armee entgegengeworfen und sind als Sieger daraus hervor gegangen. Das sind wahre Monster.“
„Ich werde ein paar Männer mitnehmen, wenn es Euch beruhigt.“
„Es geht nicht darum, ob mich das beruhigt oder nicht. Ich will sie nur endlich tot sehen. Tun Sie dafür, was immer nötig ist. Morden Sie, zerstören Sie, brennen Sie nieder, die Stadtwache wird Ihnen bei der Ausführung ihrer Taten nicht im Weg stehen.“
„Das freut mich zu hören. Sie sagten, Sie wissen wie man sie aufspürt?“
„Ja. Einer von ihnen pflegt eine innige Beziehung zu einer jungen Komtess. Bedrohen Sie das Mädchen, töten Sie sie und ihre Familie oder was auch immer bei Ihnen so üblich ist – und er wird kommen.“
„Das wird ja immer schöner, jetzt soll ich so nebenbei auch noch ein Adelsgeschlecht ausrotten.“
„Es klingt aus Ihrem Munde so viel schlimmer als es ist. Die von Lichtensteins sind bereits jetzt so gut wie ausgestorben. Es gibt nur noch zwei echte Mitglieder dieser alten Häretikerfamilie und niemand würde den Nachkömmlingen eines verurteilten Nekromanten eine Träne nachweinen.“
„Ich verstehe. Das klingt gut durchdacht.“
„Danke.“
„Ich werde weitere Informationen einholen müssen.“
„Die Zeit drängt.“
„Oh? Bis wann muss es denn getan sein?“
„Es gibt keinen festen Zeitpunkt es ist nur… erledigen Sie es dennoch so schnell wie möglich.“
„Ich verstehe… dann beginne ich umgehend mit den Vorbereitungen.“
 
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Kommentare  

Spannend und und humorvoll ist dieses Kapitel. Herrlich amüsant die Szenen mit Ahrok und Ragnar. Und Hauptmann Bernhard kämpft weiter, wenn auch hinterhältig, (aber das ist er ja eigentlich immer) gegen seine beiden Erzfeinde.

Petra (03.03.2012)

Danke Ingrid, es gibt immer mal wieder einige Worte, die einfach nicht ganz passend sind, aber mir gar nicht mehr auffallen, da sie schon so lange in der Geschichte sind... und das mit dem Attentäter - nun ja ich bin gespannt wie ihr die Wendungen in den nächsten Kapiteln beurteilt.

Jingizu (02.03.2012)

uaah, die beschreibung von dem bier mit dem pelzigen darin... da gruselt es mich doch sehr. ;-) ahrok trauert ariane hinterher – und ist sauer, dass er schlachter genannt wird – und nicht schlechter.. ääähh schlächter. super unterhaltung! nur das mit den absoluten hardcoretrinkern würde ich eventuell in absolut harte Trinker ändern.
wie auch immer, nun bin ich gespannt, wie der attentäter sich so anstellt. hoffentlich schlecht!


Ingrid Alias I (02.03.2012)

Schön, dass es dir gefällt, denn es hat mir unheimlich Spaß gemacht gerade diese mit Gesprächen vollgestopften Kapitel zu schreiben.

Jingizu (01.03.2012)

Na, jetzt wird`s aber richtig ernst. Hauptmann Bernhard sucht selber einen Killer für Ahrok und Ragnar aus, während die - noch ahnunglos - es sich inzwischen gut gehen lassen. Selbst Ariane scheint sich in großer Gefahr zu befinden. Spannend und sehr athmospärisch das alles.

Jochen (01.03.2012)

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