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8 Seiten

Ahrok - 51. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Einundfünfzigstes Kapitel: Doktor Kruger

Vorsichtig verließ Graf Herbert von Lichtenstein mit vorgehaltenem Dolch das Zimmer, in welches er sich eingeschlossen hatte.
Vor einigen Minuten waren heftiger Streit und Kampflärm erklungen und kurz danach war alles totenstill geworden. Niemand hatte versucht, ihn aus seinem Zimmer zu holen, es gab keine Schreie mehr, aber auch keine Jubelrufe. Nur alles erdrückende Stille.
Mit schreckgeweiteten Augen passierte er die Leichen in seinem Speisesaal. Wer waren all diese Leute? Da lagen sogar zwei Elfen inmitten der Toten. So viel Blut, so viel Tod. Er hatte gehofft, solchen Schrecken nie wieder begegnen zu müssen.
Sein Herzschlag beschleunigte sich rasant, als er die reglosen Körper seiner beiden unfähigen Beschützer zwischen den Leichen sah. Man hatte sie also dahin gemeuchelt. Das warf eine wichtige Frage auf: Waren die Attentäter vielleicht noch immer im Haus? Er schnellte herum, aber da war niemand, der sich in den Schatten duckte, um ihn zu meucheln.
Dann traf es ihn.
Wo war seine Nichte? Nicht nur sämtliches Personal war mit einem Mal verschwunden, Ariane war ihm bislang ebenfalls nicht begegnet. Hatte sie es in Sicherheit geschafft?
Hektisch stürzte er die Treppe wieder hinauf und hämmerte an der Zimmertür seiner Nichte. Es traf ihn wie ein Stich in die Eingeweide, als die Tür lautlos aufschwang und den Blick auf ein vollkommen leeres Zimmer freigab.
„Ariane?“
Wieder war da nur diese unnatürliche Stille.
Sofort begann er alle möglichen Verstecke wie die Schränke und das Bett zu durchsuchen, aber von seiner Nichte gab es auch weiterhin keine Spur. Hilflos stieß er einen schmerzlichen Schrei aus. Was hatte er nur getan? Die Knie wurden ihm weich und er stützte sich am Bettpfosten ab, um nicht zu stürzen.
Sein Herz schmerzte so sehr, als ob es in seiner Brust zerspringen wollte.
Kraftlos ließ er sich auf ihr Bett fallen.
Doch nicht Ariane. Nicht seine kleine, unschuldige Nichte. Er hätte sie fortschaffen müssen, wie er es geplant hatte. Oh, hätte er doch nur nie auf diesen Zwerg gehört.
Jetzt war alles vorbei. Der Name von Lichtenstein starb mit ihm aus.
Hätte er doch nur andere Helden angeheuert - richtige Kämpfer und nicht nur diese Maulhelden, dann könnte seine Ariane vielleicht noch leben.
Mit zittrigen Knien erhob er sich wieder und verließ ihr Zimmer. Sich an der Wand und dem blutigen Geländer entlang tastend, arbeitete sich der Graf die Treppe hinab in den Speisesaal.
Es herrschte eine Totenstille.
Ihm war zum Speien zumute.
Auch hier unten reagierte niemand auf sein Rufen. Nicht einmal einer seiner treuesten Diener ließ sich blicken. Er war ganz allein in dem großen Haus. Von nun an bis an das Ende seines traurigen Lebens.
Der eiserne Geruch des überall vergossenen Blutes stach ihm in die Nase und er wandte sich angewidert ab. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ziellos wanderte er durch das Anwesen auf der Suche nach weiteren Überlebenden.

Stimmen.
Worte ohne Zusammenhang schwirrten an ihm vorbei. Ragnar konnte sich nicht darauf konzentrieren, was sie ihm sagen wollten. Jeder Gedanke entglitt ihm sofort wieder in die nachtschwarze Dunkelheit, aus der er gekommen war. Noch mehr Stimmen. Ein leichtes Ziehen irgendwo zwischen seinen Rippen.
Schlafen. Einfach nur weiter schlafen. Er hatte sich diese lang ersehnte Ruhe so sehr verdient.
„Doktor! Doktor!“
Schon wieder Stimmen, schon wieder Worte. Dieses Mal ergaben sie einen Sinn.
„Ich glaube, dieser hier wacht gleich auf.“
„Den Schlafschwamm. Schnell! Ich hätte wissen müssen, dass wir für Zwerge mehr Schierling in die Mischung einbinden müssen.“
Seine Augen waren so schwer. Ragnar konnte sie nicht öffnen.
Ein stechender Geruch drang in seine Nase, dann entglitt ihm auch dieser Gedanke wieder.

Nach der zweiten Flasche Pinot Noir, die ursprünglich einmal als Mitbringsel für seinen Neujahrsbesuch beim Statthalter gedacht waren, vernahm Herbert von Lichtenstein Stimmen aus anderen Zimmern. Zuerst tat er es nur als eine der vielen Nebenwirkungen des Spätburgunders ab. So wie das leichte Kribbeln in seinen Händen und der schwere Kopf, aber als diese Stimmen nach einer Weile immer noch nicht verklungen waren, entschloss er sich, entgegen aller guten Vorsätze, den Weinkeller heute doch noch zu verlassen.
Möglicherweise waren Nachbarn oder Stadtwächter auf das Chaos aufmerksam geworden und suchten nun nach ihm. Er wischte sich die Tränen aus den Augen. Er hatte auch trotz der Tragödie noch immer eine Verantwortung gegenüber dem Namen „von Lichtenstein“. Sicherheitshalber griff er jedoch nach einer anderen eingestaubten Flasche und machte sich auf den Weg, die morschen Holzstufen hinauf in die Küche.
Tatsächlich war es so, dass je weiter er kam, die Stimmen immer deutlicher wurden.
Leicht angetrunken torkelte er durch die Küche und stieß dabei Töpfe und Pfannen vom Tisch.
„Schhhh, Herbert“, flüsterte er sich selber zu und nahm einen für einen Grafen seines Kalibers unziemlichen Zug direkt aus der Weinflasche.
Er hielt kurz inne. Dieser Wein hier lagerte schon viel zu lange. Er war schon vor einer kleinen Ewigkeit gekippt und schmeckte geradezu scheußlich. Schulterzuckend trank er tapfer noch einen Schluck. Irgendjemand musste das Zeug ja trinken. Und da es niemanden mehr außer ihm gab, der sich dieser ehrenvollen Aufgabe widmen konnte, blieb es wohl oder übel an ihm hängen. Dann konnte er auch gleich heute damit anfangen.
Er setzte die Flasche noch einmal an, um den Geschmack genau zu definieren. Der Wein hatte eine klassische Altersnote von Nuss mit einem überwältigenden Hauch schimmligen Pilzes.
Abstoßend.
Auch der sechste und siebte Schluck bestätigten seine vorherigen Beobachtungen.
Weswegen hatte er noch einmal den Keller verlassen, der voll so viel geschmacklich ansprechenderer Weine war?
Ach ja, die Stimmen.
Er stieß sich vom Küchentisch ab und torkelte ihnen entgegen.

Ariane schlug die Hände über ihrem Kopf zusammen und wanderte rastlos auf und ab.
Auf Anraten des guten Doktor Kruger hatte man die zwei Schwerverletzten auf Tischen aufgebahrt und jetzt sprangen ein halbes Dutzend Leute mit Tüchern, Sägen, Messern und anderen Gerätschaften um sie herum. All das machte sie nur noch nervöser.
Der beißende Geruch von Alkohol, Chlorwasser und anderen Mittelchen, die der Doktor mit sich führte, überdeckte mittlerweile den Gestank des Blutes hier im Anwesen ihrer Familie.
„Wie geht es ihm, Doktor? Bitte sagen Sie mir, wie es ihm geht!“
„Bitte, Fräulein. Wir brauchen hier absolute Ruhe!“
Er warf seinen Assistenten am Tisch gegenüber einen Blick zu. Die beiden Männer versuchten sich seit zehn Minuten erfolglos an der Herzmassage sowie einer Blasebalgbeatmung bei dem Jungen. Sein Blick wurde nur mit einem leichten Kopfschütteln erwidert.
„Weitermachen“, lautete die simple Anweisung des alten Wundarztes. „Wie sieht es hier bei dem aus?“
„Puls ist kaum noch tastbar, Atmung flach und schnell, aber wir konnten die Blutung stillen.“
„Legt die Beine hoch und wickelt ihn in ein paar Decken, um die Körpertemperatur zu erhalten. Den da kriegen wir durch!“
Doktor Kruger wandte sich wieder dem Jungen zu und schob den schimmligen Lappen zurück auf die Bauchwunde, von der er gerutscht war.
„Doktor, bitte.“
Der Alte drehte sich ihr zu.
„Mein liebes Fräulein, wir tun, was wir können, aber es handelt sich hierbei um ein schweres Abdominaltrauma. Erschwerend dazu gibt es noch weitere Stichverletzungen im Thorax. Wenn die Götter es gut mit ihm gemeint haben, so hat das Messer einen sauberen Wundkanal hinterlassen, ohne dabei eines der inneren Organe oder große Blutgefäße zu verletzen. Das, wertes Fräulein, ist jedoch äußerst unwahrscheinlich. Wir können derzeit nur versuchen, ihn zu stabilisieren und alles daran setzen, eine Sepsis zu verhindern.“
Graf von Lichtenstein stand in der Tür und beobachtete das Geschehen in seinem Haus. Träumte er? Sein Speisesaal war voller Leute und unter ihnen befand sich auch seine Nichte.
Wie konnte das sein?
„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, er wankte mit der Flasche in der Hand auf die seltsame Ansammlung von Menschen zu.
„Ah, Herr Graf…“, begrüßte ihn der alte Doktor.
„Onkel!“
„… es ist mir eine Freude, Sie wieder zu sehen. Ich bin hier auf Wunsch Ihrer Nichte. Dies steht doch nicht im Gegensatz zu Ihren Belangen. Oder?“
Doktor Kruger schob seine Brille zurecht. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein ambitionierter Sporn nach einem gescheiterten Attentat im eigenen Haus die Dienste eines erfahrenen Medicus beanspruchen wollte, um Spuren zu verwischen.
Herbert von Lichtenstein brauchte einen kleinen Moment, um seine Gedanken zu ordnen.
„Nein, mein lieber Vincent. Bitte fahren Sie fort und tun Sie Ihr Möglichstes“, und an seine Nichte gewandt, „Ariane. Wo warst du nur? Ich hab mir solche Sorgen gemacht!“
Er ließ die Flasche fallen, stolperte auf sie zu und nahm sie in die Arme.
„Ich war nur kurz fort, um Doktor Kruger zu rufen. Wir müssen ihm doch helfen, Onkel.“
Die Augen seiner jungen Nichte füllten sich mit Tränen.
„Ach, Mädchen…“, er drückte sie fest an sich, „Tu mir das bitte nie wieder an! Hörst du? Nie wieder.“
„Bitte lass nicht zu, dass ihm etwas passiert“, ihre Stimme ging in einem leisen Schluchzen unter.
Behutsam führte er sie zu einem der wenigen, noch nicht zerstörten Stühle in diesem Raum und setzte sie dort ab. Das Mädchen brachte ihn noch ins Grab.
„Wie steht es um sie, Vincent?“
„Herr Graf, ich kann wirklich nicht jede Minute…“
„Ich bin mir sicher wir haben noch einige Kräutermischungen liegen. Heiltränke. Gegengifte. Die ganze Palette. Sie sind zwar schon etliche Jahrzehnte alt aber…“
„Mein werter Graf, bitte reden Sie gar nicht erst weiter. Solchem Hokuspokus bin ich nicht sonderlich zugetan. Die Wissenschaft hat seit dem letzten Zeitalter große Fortschritte gemacht und ich habe nicht vier Jahre lang studiert, um mich dann den ominösen Künsten einer Kräuterhexe geschlagen zu geben.“
„Ich will nichts unversucht lassen, Vincent.“
Der Doktor massierte seine Stirn: „Hören Sie, Herr Graf. Ich bin für das Leben der Männer hier verantwortlich. Ich bin es, weil Sie mich gerufen haben und ich werde ihren ohnehin kritischen Zustand nicht dadurch gefährden, dass man vergorenen Mist in ihre Wunden träufelt, nur weil der bei fahlem Mondlicht von einer mit Warzen übersäten Giftmischerin besprochen wurde. Das wäre unverantwortlich.“
„Mein Bruder war ein großer Gelehrter. Er schwor auf diese Mittelchen.“
„Herr Graf, was glauben Sie, wie oft ich diese Diskussion schon führen musste. Großmutters Hausmittelchen sind keine Wissenschaft und nur weil sie von Generation zu Generation weitergegeben wurden, heißt das noch lange nicht, dass sie auch etwas Wahres beinhalten. Meist sind sie für den Patienten schädlicher, als dass sie ihm nützen.“
Er drehte sich wieder seinen Helfern zu.
„Wie sieht es aus?“
„Keine Veränderung, Herr Doktor.“
„Weitermachen. Einfach weitermachen.“

Der gute Doktor Kruger hatte ihm wieder den Rücken zugewandt und beugte sich über den bleichen Ahrok, der auf dem guten Eichentisch aus seinem Musikzimmer lag. Herbert von Lichtenstein war in den letzten paar Minuten schlagartig nüchtern geworden. Seine Nichte verließ sich auf ihn und diese beiden heldenhaften Recken, die ihr Leben gerettet hatten, brauchten jede nur erdenkliche Hilfe, um die nächsten Minuten zu überstehen.
Sein Bruder August hatte sicher so manches Leid über die Familie gebracht und er war alles andere als ein umgänglicher Mensch gewesen, doch wenn er sich mit einer Sache ausgekannt hatte, dann war es die Heilkunst. Er hatte selber einmal gesehen, wie es seinem Bruder gelungen war, ein frisch geschlachtetes Schwein für ein paar Minuten wieder laufen zu lassen.
Ja, August hatte sich auf dunkle Pfade begeben und dafür die gerechte Strafe erhalten, aber er hatte immer das Leben studiert und nicht den Tod. Er hatte um die Wirkung einer jeden Pflanze und eines jeden Elixiers gewusst. Sein Bruder hätte in seinem Wahn und auf der Suche, einem Weg den Tod zu überlisten, niemals unsinnige Tinkturen in ihrem Haus geduldet. Nein, die Fläschchen in dem kleinen Alchemiekasten auf dem Dachboden mussten etwas Gutes enthalten.
Vielleicht konnten Augusts Elixiere dem Jungen helfen und seiner Tochter damit ein bisschen von der Freude wiedergeben, welche er ihr damals so rücksichtslos genommen hatte.
Er rannte die Treppen in einem Tempo hinauf, das wirklich nicht gesund für einen Mann seines Alters war. Noch im Laufen nestelte er die Kette mit den Hausschlüsseln von seinem Hals. Der eine für den Dachboden war schon lange nicht mehr benutzt worden.
Vor der Tür kurz unter dem Dach angekommen, rang der Graf erst einmal kurz nach Luft.
So viele Stufen.
Der Schlüssel drehte sich im rostigen Schloss und nachdem er ein paarmal kräftig gegen die Tür getreten hatte, gab sie auch endlich den Weg frei. Sofort stieg ihm ein muffiger Geruch in die Nase. Staub, Schimmel sowie Tauben- und Mäusekot bedeckten den Boden unter den Dachbalken.
Er nahm sich nicht die Zeit, sich genau umzusehen oder gar in Erinnerungen zu schwelgen. Gleich hier vorn zwischen ausrangierten Gemälden der hingerichteten Familienmitglieder musste auch dieses Kästchen liegen.
Er wühlte sich durch alte Spielzeuge und mottenzerfressene Kleider bis zu dem kleinen Holzkasten mit den verkorkten Phiolen. Sein Gedächtnis hatte ihn nicht im Stich gelassen.
Die Stimmen des Wundarztes und seiner Helfer verfolgten ihn noch bis hier oben. Er hörte diese kurzen, präzisen Anweisungen, die das Leben der beiden retten sollten.
Hastig raffte er alles zusammen und machte sich auf den Rückweg.

„Hier!“, Herbert von Lichtenstein legte das Kästchen neben Ahroks Kopf.
„Was soll das, Herr Graf. Wir hatten dieses Gespräch bereits.“
Unbeirrt öffnete er den Deckel.
„Da. Verwenden Sie diese Elixiere. Ich bitte Sie.“
Im Deckel sowie auf dem Boden des Holzkästchens befanden sich jeweils sechs kleine Phiolen in ihren Halterungen. Das Glas der zugekorkten Behälter war milchig weiß und angelaufen und man konnte ihren Inhalt unmöglich erkennen.
„Und was soll ich damit anfangen? Selbst wenn es sich hierbei um eine Ansammlung medizinisch sinnvoller Utensilien handelt, so sind sie nicht einmal beschriftet.“ Doktor Kruger nahm eine der Phiolen aus ihrer Halterung. „Das hier könnte Hustensaft oder Furunkelsalbe sein oder aber auch Tollkirschenextrakt oder wer-weiß-was. Ich kann mit diesem Zeug nichts anfangen.“
Er reichte es zurück an den Grafen.
„Aber…“
„Außerdem... so ich mit dem alchemistischen Aberglauben vertraut bin, helfen diese mystischen Heiltränke nur bei lebenden Zielen. Unser Patient hat seit Minuten keinen Puls mehr.“
„Aber… Sie haben selbst gesagt, dass dies nicht ihr Fachgebiet ist. Es könnte sein, dass der Inhalt dieser Fläschchen ihnen hilft.“
Die plötzlich aufkommenden Schuldgefühle des Grafen waren ihm völlig neu. Den Jungen so leblos liegen zu sehen, versetzte ihm einen unerwarteten Stich ins Herz.
„Was ist? Soll ich es etwa selber machen?“
Vincent Kruger ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. Überall starrten ihm nur ratlose Gesichter entgegen. Sie hatten ohnehin kaum noch etwas zu verlieren.
„Nun gut, meinetwegen. Das Ganze geht dann aber auf Ihre Verantwortung.“ Er nahm das Fläschchen wieder aus der Hand des Grafen und entkorkte es. Ein grüner Rauch, von dem er annahm, dass es sich hierbei um Schimmelsporen handelte, entwich dabei aus der Öffnung.
„Entfernen Sie bitte den Blasebalg“, befahl er seinem Assistenten. Mit den Fingern öffnete er Ahroks Kiefer und ließ den Inhalt der Phiole in seinen Mund gleiten, dann hob er den Kopf des Jungen etwas an, damit die Flüssigkeit die Kehle hinunter rann.
„Zweites Fläschchen“, er stand immer noch Ahrok zugewandt und streckte die Hand Richtung des Grafen aus.
„Sofort, sofort!“
Herbert von Lichtenstein löste mit vor Aufregung zittrigen Fingern weitere Phiolen aus ihren Halterungen und überreichte sie dem Medicus.
Dieser bedachte den Grafen nur mit einem skeptischen Schnalzen der Zunge und dann begann er den Inhalt des zweiten und dritten Glasfläschchens um Ahroks Bauchwunde herum zu verteilen.
„Was, was, was, was tust du da?“, mischte sich der Graf ein.
„Wenn dieses Zeug wirklich so toll ist, vielleicht hilft es ja dann auch von außen. Wir sollten schließlich nichts unversucht lassen.“
Graf von Lichtenstein nickte.
„So.“
Vincent Kruger lehnte sich zurück. Was er soeben getan hatte, verstieß gegen so viele seiner Prinzipien, dass er nicht weiter darüber nachdenken wollte. Er war zu alt, um noch an Wunder zu glauben.
Gespannt beobachteten alle Anwesenden den Körper des Jungen. Insgeheim hoffte ein jeder Zeuge dieser wundersamen Magie zu werden, die in den Fläschchen innewohnte - aber es geschah rein gar nichts.
Ahroks Körper zeigte keinerlei Reaktion auf die Tränke.
Enttäuscht ließ Herbert von Lichtenstein den angehaltenen Atem fahren.
Die Anspannung verschwand aus den Schultern des Doktors und seiner Helfer und es wurde für einen Moment still.
„Packt zusammen. Wir haben getan was wir konnten.“
Mit einem zutiefst bedauernden Gesichtsausdruck, welchen er schon so oft hatte bemühen müssen, wandte er sich dem Grafen und seiner Nichte zu. Die junge Frau blickte ihn nicht an, sondern starrte nur ausdruckslos auf die schmutzigen Dielen.
„Sagen Sie dem Fräulein, dass es mir leid tut, aber wir konnten nichts mehr für den Jungen tun. Seine Zeit war einfach gekommen.“
„Ja… ja natürlich.“
Der Graf ergriff die ihm dargebotene Hand. Er fühlte sich plötzlich so unendlich elend.
„Herr Doktor!“
„Was ist?!“, antwortete Vincent Kruger gereizter als beabsichtigt.
„Sehen Sie sich das an. Ich glaub wir haben hier einen Puls.“
Der Medicus wirbelte herum.
„Worauf warten Sie dann noch. Beatmung fortsetzen aber schnell.“
 
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Kommentare  

der graf verhält sich zuerst wie ein echter feigling, der wein hat eine klassische altersnote, ein wunderschöner ausdruck für schimmligen geschmack, aber er liebt seine nichte, der graf natürlich, er kriegt ein schlechtes gewissen und rückt die lebensrettenden phiolen heraus. und tatsächlich... tja, manchmal versagt die kunst der ärzte, und etwas anderes hilft... schönes spannendes kapitel!

Ingrid Alias I (10.03.2012)

Nun der Gesinnungswechsel des Grafen von "zu Tode betrübt" nach "himmelhoch jauchzend" ist durchaus beabsichtigt um seinen spontanen Charakter besser zu untermauern.

Jingizu (10.03.2012)

Erst denkt man, der alte Graf hätte gar kein Interesse daran anderen zu helfen, aber dann setzt er sich doch sehr ein. indem er versucht, noch eine Möglichkeit zu finden, Ahrok zu retten. Wirklich sehr gut geschrieben.

Jochen (09.03.2012)

Danke Petra, das ist ein wirklich schönes Kompliment.

Jingizu (09.03.2012)

Donnerwetter, du stellst Fantastisches so realitätsnah dar, dass man denkt so etwas müsste es wirklich geben. Große klasse!

Petra (08.03.2012)

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