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5 Seiten

Das Geschäft seines Lebens

Fantastisches · Kurzgeschichten
Gute Nachrichten
Mukhtar verließ den Laden mit schlotternden Knien. Was er eben gehört hatte, stimmte ihn teils froh, teils machte es ihn bestürzt:
„Zwei Jahre? Beim Scheitan, ich war nicht länger als 2 Tage in dieser verwünschten Oase! Wie ist das möglich? Hat mir diese Oase etwa 2 Jahre meines Lebens gestohlen?“ Aber irgendwie spürte Mukhtar, dass diese Zeit vergangen war, denn alles schien ihm so unbestimmbar anders? Er spürte eine sonderbare Veränderung, fast wie eine große Erbauung in Körper und Geist. Er war in sich einfach gefestigt und gereift. So als hätte die Schule des Lebens plötzlich einen mächtigen Sprung getan und ihm die Erfahrung zweier Jahre mit einem Male geschenkt. Alles schien plötzlich einfach. Seine Augen begannen zu leuchten:
„Shakira, meine geliebte Shakira! Der Schah hat sich nun selbst ins Abseits geschossen und wir sind ihn auf so einfache Art und Weise losgeworden! Hast du mich in dieser Zeit vergessen? Oder weinst du gar meinetwegen? Ich muss unbedingt zu dir! Aber warte, nun dauert es nicht mehr lange! Wenn mir mein Plan gelingt, werden wir uns bald wieder sehen und uns nie mehr wieder trennen! Oh, meine Geliebte, du Herrin meines Herzens!“
Mukhtar hatte sich endlich von dem Geschäft des alten Chinesen losgerissen, betrat mit seiner neuen Erkenntnis nach wenigen Schritten den Basar. Er erinnerte sich sofort an die Zeit, wo er wie ein Derwisch über diesen Basar schlich, um sich etwas Essbares zu erbetteln. Er erinnerte sich, wie man ihn behandelt hatte, wie ein Stück Vieh oder wie Dreck. Er hörte noch das Hohngelächter in seinen Ohren und sah die drohenden Fäuste, die sich nach ihm ausstreckten. Jetzt schritt er in feiner Kleidung über diesen Basar, gemessen, mit langem, weißem Bart und einer runden Nickelbrille. Keiner sollte ihn erkennen und alle Ehrfurcht vor ihm haben. Er durchmaß die Verkaufsstände auf dem Basar und achtete nicht auf die freundlichen Stimmen der Händler, die ihre Ware vollmundig und mit trefflichen Worten zum Kauf anboten, nein, er kannte sein Ziel: Die gläsernen Kuppeln der Sultanstadt, unter denen die Reichen und Mächtigen einkaufen ließen oder gar Hochselbst flanierten…
Schnell war sich Mukhtar mit dem Kolonnadenverwalter einig und durfte schon kurze Zeit später gegen das geringe Entgelt von 500 Sultanos einen kleinen Stand unter der gläsernen Kuppel des Marktes belegen. Kaum hatte er sich eingerichtet, die Feigen ordentlich ausgelegt und seinen Plan nochmals durchdacht, schallte seine Stimme schon über weite Strecken des großen Verkaufsareals:
„Kauft ihr hohen Herrn die Feigen
Die sind so fein und schmecken köstlich
Und führt sie rasch bei Hofe ein
Euer Lohn dafür: sei reich und fürstlich!“
Mukhtar stand mit seinem kleinen Verkaufsstand inmitten der anderen Händler und versuchte, wie alle anderen auch, seine Waren an den Kunden zu bringen! Er hatte den Preis der Feigen so hoch angesetzt, dass sie nur von einem sehr reichen Mann erstanden werden können. Mit hellwachen Augen beobachtete er sein Umfeld, taxierte mögliche Kunden und wurde plötzlich unfreiwillig Zeuge von einem Gespräch zwischen zwei Händlern:
„Sagt an, gehen eure Geschäfte auch so lausig?“
„Ja, lausig, das ist das rechte Wort! Seit die neue Verordnung von Raff El Gier, des Sultans erstem Ohrenbläser in Kraft getreten ist, sind die Geschäfte sehr zurückgegangen.“
Rafid Raff El Gier pfui Teufel! Wäre er doch nur oberster Gebieter der großen Kutschen & Droschken AG in der fernen Wolfsburg geblieben, dem Gemeinen und Mittelständler hätte das viel erspart. Nein, er musste sich ja, nur um die angeblich schwer gebeutelten Staatskassen zu entlasten, unbedingt als Oberster Ratgeber und Schatzmeister beim Sultan anbiedern.“
„Und was ist das Resultat? Der Sultan wird immer reicher und mächtiger! Und unseren Kunden, damit meine ich nicht nur die Kleinen und Ge-meinen jenseits des Grabens, denen die letzten Hüllen nur so vom Leib fallen, nein, unseren Kunden aus dem Mittelstand geht es auch langsam an den Kragen! Da wird geprüft, ob Mittelständler, die ein wenig Pech mit ihrer Existenz hatten, arm genug sind! Arm genug, um Almosen von Rafid Raff El Gier zu empfangen! Bei Allah! Hatten wir nicht schon bessere Zeiten? Nun frag ich euch: Wo ist nur die Kaufkraft hin? Unsere schöne Kaufkraft“
„Kaufkraft! Richtig, der Mittelstand verfällt und unsere Kunden müssen den Sultano, wenn sie denn noch einen haben, 10 Mal umdrehen, ehe sie ihn ausgeben. Da kann es uns doch auch nicht gut gehen, Hä!“
„Wisst Ihr, womit man gute, ach was sage ich, die besten Geschäfte macht und wie man auf die dürren Elendsangebote von Rafid Raff El Gier pfeifen kann?
„Keine Ahnung!“
„Das Zauberwort heißt: Direktmarketing!“
„Direktmarketing?“
„Natürlich Direktmarketing, ha, ha, und zwar direkt am Hofe des Sultans. Dort sitzen, bei allen Höflingen und zuletzt beim Sultan selbst, die Dukaten noch locker! Und ich meine Dukaten und nicht etwa Sultanos! Ha, ha und der Eunuch, ja der wechselt für den Harem des Sultans zweimal im Jahr die Kollektion, die Damen haben eben noch wahre Ansprüche! Da geht so mancher Tanga und so manches wertvolle Designerstück oder Dessous über den Ladentisch!“
„Na dann, viel Vergnügen! Habt ihr schon mal was von der Hofmafia gehört, hä? Von hohem Schutzgeld und unverschämten Standgebühren? Dort kommt ihr schon an den Bettelstab, noch ehe ihr den ersten Schleier verkauft habt…Direktmarketing, dass ich nicht lache!“
„Apropos Hof und Sultan: Habt Ihr denn schon den neuesten Tratsch und Klatsch vom Hofe gehört oder gelesen?“
„Nein, mein Weib bringt die „PALACE NEWS „ jeden Tag vom Bäcker mit! Da ich hier fürs Geldverdienen zuständig bin, kann ich die neuesten Nachrichten immer erst in der Mittagspause, wenn mein Weib das Essen bringt, erfahren!“
„Hört zu!“ und er begann mit prahlerischer Stimme:
„Sultan zog sich beim Versuch in neuartigen Pantoffeln zu gehen, einen komplizierten Beinbruch zu!“
Oder hier ha, ha, ha, ist das nicht lustig: „Großwesir ins künstliche Koma gelegt“ Beim Versuch, es dem Sultan nachzutun, zog sich der Großwesir durch all zu hohe Geschwindigkeit mittelschwere Verbrennungen zu! Großwesir im künstlichen Koma. Palastärzte rechnen dennoch mit schneller Genesung“
„Ha, ha, ha, Allah, der Gerechte! Geschieht ihnen recht!
Zu doof in Latschen zu laufen, aber ein ganzes Reich regieren wollen.
Zeigt her, ich kann jetzt nicht warten, bis mein Weib kommt…“
Mukhtar trieb es, als er dieses Gespräch der Händler mit anhörte, heimlich die Freudentränen in die Augen. Er wischte sie sich schnell ab und schaute sich triumphierend um. Da erblickte er eine Menschentraube, die immer wieder einmal vor den Auslagen diverser Handelsgötter wie bei-spielsweise vor der von Gott Ynnep, Gott Akede, Gott Idnok oder Gott Laer stehen blieben. Dann löste sich meist ein verschwenderisch gekleideter, kleiner, dicklicher Mann aus der Mitte der Traube, um dem jeweiligen Gott mit seinem Besuch und den Kauf eines Produktes zu huldigen. Diese menschliche Ansammlung, konnte nur die Dienerschaft eines reichen Mannes sein und ließ Mukhtars Herz höher schlagen. War dieser dickliche Wichtigtuer wirklich der Kunde, auf den er wartete? Voller innerer Anspannung verfolgte er den Auftritt dieses Herren, der wirklich nichts ausließ, um seinen „Hohen Stand“ hervorzukehren. Endlich erreichte der quirlige Haufen, bestehend aus einer Unzahl von Leibsklaven, Lastenträgern und dem „Chef“ selbst, Mukhtars kleinen Stand. Aus ihrer Mitte schob sich der impertinente, dickliche Mann, der auch sofort begann, mit einem schwülstigen und spitzen Karpfenmaul zu reden: „Ich bin Nud El Soup, der 1. Leibkoch am Hofe des Sultans, sprecht guter Mann, was hat es mit dem Sprüchlein, das schon den ganzen Morgen durch diese heiligen Hallen hier schallt, auf sich?“
Mukhtar schluckte, nahm all seinen Mut zusammen und rief geschäftstüchtig:
„Oh, großmächtiger Herrscher über alle Kochtöpfe. Gebieter aller Teller, Schüsseln und Pfannen. Oh, Du großmächtiger Hüter des Feuers und des Zunders. Eigentlich sind diese Feigen unbezahlbar!“
„Strapaziert meine Geduld nicht über Gebühr!“ empörte sich der Dicke, „für mich spielt Geld keine Rolle! Schließlich bin ich des Sultans 1. Leibkoch! Also los, sprecht! Wieviel?“
Mukhtar hatte sich für diesen großen Augenblick, für diesen Augenblick der Rache etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Er schaute den Leibkoch mit einem doofen Hundeblick an und verkündete überzeugend:
„Mein hoher Herr und Gebieter hierbei handelt es sich um die Feigen der Wahrheit! Die Feigen besitzen eine unvergleichliche Süße und ein unbeschreibliches Aroma. Wer sie genießt, wird selbst nur noch die lautere Wahrheit sprechen und alle Wahrheiten dieser Welt erfahren. Das Stück kostet 2 Golddukaten!“
Die Stimme des Kochs wurde habgierig, seine Augen funkelten wie pures Gold, als er ungeduldig rief: „Langweilt mich nicht mit diesem Preis!“
Dann beugte er sich leutselig zu Mukhtar und flüsterte begehrlich:
„Was meint ihr? Werden diese Feigen dem Sultan auch munden? Und wird er mich, trotz seines kleinen Unfalls, dafür reich entlohnen?“
Mukhtar verbeugte sich voller Unterwürfigkeit vor dem Koch und flötete zuckersüß:
„Allah möge mich ewig im Fegefeuer braten, wenn ich jetzt die Unwahrheit sprach. Desweiteren möge Allah unseren allseits geliebten Herrscher wieder die volle Gesundheit schenken! Aber auf eure Frage zurückzukommen: Gewiss doch, er wird euch reich entlohnen…“
 
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Kommentare  

Da stimme ich Else zu. Humorvoll und flüssig geschrieben. Werde gleich das nächste Kapitel lesen, denn ich gespannt wie es mit den Feigen weitergeht.

Gerald W. (29.03.2012)

Ein schönes humorvolles Kapitel und ich denke es wird noch lustig werden, wenn der Koch erstmal die Feigen dem Sultan und dessem ganzen Hofstaat anbietetet.

Else08 (20.03.2012)

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