252


16 Seiten

Ahrok 2.Band - 16. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Jingizu
Sechzehntes Kapitel: Tharo

Am Morgen des nächsten Tages stiegen Ahrok und Ragnar, geführt von ihrem Gastgeber Huno, die Serpentinen eines kleinen, dicht bewaldeten Berges hinauf. Der bleiche Ausdruck war über Nacht aus Ahroks Gesicht geschwunden und er hatte Ragnar nach dem Frühstück aus geräuchertem Fisch eingebläut, niemals jemandem, vor allem keinem mit dem Namen „von Lichtenstein“, etwas von seinem Zustand der letzten Tage zu erzählen.
„So, da vorn ist es. Das Haus dort.“
Das „Haus“ auf welches Huno zeigte, war ein riesiger Turm, welcher umringt von einer massiven Steinmauer, auf einer kleinen Lichtung am Berghang in den warmen Frühlingshimmel ragte. Ahrok konnte nicht ein Fenster in dem wohl vierzig Schritt hohen Gemäuer erkennen und eine unerklärliche Dunkelheit lag über diesem Turm, obwohl die Sonne hier nicht weniger hell schien als über dem Rest der Welt. Mit jedem Schritt, der sie näher an die seltsame Behausung heranbrachte, verstimmten die Stimmen der Vögel und das Summen der Insekten immer mehr.
„Ich werde euch jetzt verlassen.“, meinte der alte Mann zögerlich nach einer kurzen Pause, „Ich komme nicht gern hier her, wisst ihr.“
Ahrok wusste ganz genau was Huno meinte. Dieser Ort war nicht normal. Jemand hatte etwas Grässliches in diese Idylle gepflanzt und sie standen jetzt genau davor.
„Ja… geh nur.“, Ahrok konnte seine Augen nicht von dem Turm reißen. Ein Gefühl der Angst nicht unähnlich zog ihn magisch dorthin. „Wir kommen von hier aus auch allein klar.“
Ragnar nickte dem Mann ebenfalls zu.
„Danke für die Gastfreundschaft. Wir stehen tief in der Schuld eures ganzen Dorfes. Wie können wir das nur vergelten?“
Ihr Begleiter winkte ab.
„Euer Dank ist schon genug, denn wir haben gern geholfen. Mögen die Götter auch weiterhin eine schützende über eure Reise halten. Auf Wiedersehen.“, er reichte ihnen beiden noch die Hand und machte sich dann wieder auf den Rückweg.
„Und jetzt?“, fragte Ahrok, als Huno außer Hörweite war.
„Da gibt´s ´n Tor. Klopfen kostet ja nichts.“
„Da wär ich mir in diesem Fall nicht so sicher.“, murmelte Ahrok, der mit hektisch huschendem Blick die unheimliche Umgebung im Auge behielt.
Doch während er noch überlegte ob es nicht sicherer war von hier draußen dem Bewohner des Turms zuzurufen, war Ragnar schon an ihm vorbeigestiefelt und hatte einen Torflügel aufgestoßen.
Ahrok beflügelte seine Schritte und holte den Valr an der Mauer ein.
Was Ahrok durch das geöffnete Tor hindurch sah, verschlug ihm erneut die Sprache.
Zwischen Mauer und Turm befanden sich weit über dreißig Gräber. Einige waren frisch, andere hingegen uralt. Die meisten der Grabsteine hier waren vom Wetter so stark beeinträchtigt worden, dass man keine Schrift mehr darauf erkennen konnte und auf den neueren Gräbern gab es solchen Luxus nicht einmal.
Die Bäume, die hier aus der toten Erde herauswuchsen, waren blattlos und knorrig. Sie sahen damit auch mehr tot als lebendig aus und selbst die lebensspendenden Strahlen der Sonne machten einen Bogen um dieses dunstbedeckte Fleckchen Erde. Über all dies legte sich zusätzlich noch eine unnatürliche Stille.
„Was hältst du davon Ragnar?“
„Auf jeden Fall möchte ich hier nicht wohnen. So viel steht schon mal fest.“
Ahrok bemerkte, dass der Valr seinen Griff um das Heft des Wyrmspaltr veränderte, um ohne Zeitverlust zum Angriff über zu gehen und entschied sich deshalb auch sein Schwert vom Rücken zu ziehen.
Der Zwerg ging ihm voran und schritt vorsichtig um die Gräber herum bis zu der Tür, die als Eingang in den Turm diente. Ahrok presste gespannt die Lippen zusammen und rechnete jeden Augenblick mit dem Angriff einer bösartigen Erscheinung.
Langsam stieß Ragnar die angelehnte Tür mit dem linken Fuße auf.
In dem dahinter liegenden Raum war es nicht so dunkel, wie Ahrok es erwartet hatte. Der Schein einiger Kerzen erhellte das Innenleben des Turms.
Vier große Bücherregale bedeckten die kalten Steinwände und zwischen ihnen standen seltsame Wesen still und starr herum. Eines war ein völlig bleiches Skelett, ein anderes der halb verfaulte Kadaver eines Menschen. Die anderen beiden Figuren hatte Ahrok noch nie zuvor gesehen. Viele seltsame Linien waren mit roter Farbe auf den Fußboden gezeichnet worden und bildeten wirre Kreise und Muster unter anderem das eines fünfzackigen Sterns. Genau in der Mitte dieses Sterns befand sich ein schwerer Tisch aus dunklem Holz auf dem einige Totenschädel, Pergamentrollen und Bücher lagen.
Eine weitere Gestalt stand vor dem Regal an der gegenüberliegenden Seite des Zimmers und blätterte gerade in einem der vielen Bücher. Weißes Haar fiel auf seine schwarze Robe und auf der linken Schulter prangte der bleiche Schädel eines Menschen.
Ohne sich umzudrehen meinte der Mann plötzlich: „Ich hab gerade keine Zeit für eure Probleme. Wenn es sich wieder einmal um einen schwarzen Mann unter dem Bett oder eine Fledermaus im Keller handeln sollte, dann kommt später wieder.“
Ahrok war überrascht.
Sowie das alles hier aussah, hatte er eine tiefe, bedrohliche und dämonische Stimme erwartet, doch diese weiche, fast mädchenhafte Stimme hatte den wohl am wenigsten furchteinflößenden Tonfall an sich, den ein Mann besitzen konnte.
„Wir sind keine Männer aus dem Dorf.“, sagte Ragnar, „Wir suchen hier einen Mann namens Tharo?“
Der Weißhaarige wirbelte ungeahnt flink herum und sah die beiden Krieger mit tiefblauen, stechenden Augen an. Als er ihre gezückten Waffen sah, straffte sich seine Gestalt. Ohne den Blick von ihnen zu wenden legte er das Buch vorsichtig zurück auf seinen Platz im Regal und hob seine rechte Hand in Schulterhöhe. Schwarze Flocken wirbelten zwischen seinen Fingern auf und eine dunkle Wolke bildete sich langsam in der Handfläche des Mannes.
„Ihr habt ihn gefunden.“, hallte es finster von den Turmwänden und seine Augen wurden gänzlich schwarz, „Was wollt ihr von mir?“
„Wir haben gehört Ihr seid ein Gelehrter und dass Ihr uns vielleicht helfen könnt.“
Der Mann entspannte sich kein bisschen: „Und ihr stürmt immer mit gezogenen Waffen in die Behausung von Männern, von denen ihr Hilfe erwartet?“
Etwas verlegen ließen beide ihre Waffen sinken.
„Verzeihung, wir wollten dir schon nichts tun. Nur die Umgebung hier war uns nicht geheuer.“
Der junge Mann sah sie eine Weile mit diesen unergründlich, schwarzen Augen an, dann wurde sein Gesichtsausdruck entspannter, das furchteinflößende Schwarz wich aus seinen Augen und die finstere Wolke in seiner Hand verflüchtigte sich.
„Ja, ich bemerke das schon gar nicht mehr. Jemand der den Tod studiert, der kann sich eben nicht inmitten grüner Wiesen und Butterblümchen niederlassen. Dieser Ort besitzt eine starke Verbindung zu den Wesen der Niederwelten, darum habe ich mich vor einiger Zeit hier häuslich eingerichtet. Aber bitte, setzt euch doch. Besprechen wir bei einer Tasse Tee euer Begehr.“
Zwei fleischfarbene Stühle kamen angehumpelt und hielten am Tisch vor den Kriegern an. Ahrok glaubte in der Lehne eines der Stühle so etwas wie ein Gesicht zu erkennen.
„Bitte, nehmt Platz.“
Ihr Gastgeber setzte sich seinerseits auf einen thronähnlichen Stuhl aus dunklem Holz ihnen gegenüber. Mit einigen Handgriffen räumte er die Bücher und Schriftrollen beiseite und entzündete die Kerzen auf den Totenschädeln.
Sie beide sahen sich einen Moment ratlos an, doch dann setzten sie sich mit mulmigem Gefühl auf die unruhig wackelnden Stühle. Das seltsame Material passte sich nur Augenblicke später genau ihren Konturen an und war sonderbar warm wie aufgeheiztes Leder.
Nachdem ihr Gegenüber seine kleinen Vorbereitungen beendet hatte, konnte Ahrok endlich einen Blick auf sein Gesicht erhaschen. Die Haut des jungen Menschen war faltenlos und glatt wie das eines Jünglings, doch besaß er ebenso die Augen eines sehr alten Mannes.
Sein Gesicht war damit ebenso widersprüchlich wie die schlohweißen Haare, welche einen auffallenden Gegensatz zu der ansonsten pechschwarzen Kleidung bildeten. Ahrok konnte es nicht in Worte fassen, aber etwas stimmte nicht mit diesem Menschen.
„Da ihr zu mir gekommen seid, wisst ihr sicherlich wer ich bin. Falls nicht, mein Name ist Tharo von Rothenburg und mit wem habe ich die Ehre?“
Ahrok rutschte unruhig in seinem Fleischsessel umher. War das eine Nase, die ihm da in den Rücken piekte? Jedenfalls massierte dieser fleischige Knubbel seinen verspannten Rückenmuskel in angenehm kleinen Kreisen.
„Ja… nhhh… hallo“, seufzte Ahrok zufrieden, „Wir sind Ahrok und Ragnar aus der Swanmark. Das ist ein guter… wirklich guter Stuhl.“
„Ach wie schön. Ich bekomme so selten Besucht und noch seltener schaut jemand aus dem hohen Norden hier vorbei. Wie trinkt man bei euch da oben den Tee? Mögt ihr ihn ohne Zucker? Oder mit Milch? Kräutertee, grünen oder schwarzen? Ihr seht recht unentschlossen aus... Ich weiß. Schwarzer Tee mit Milch. Der ist toll, das sag ich euch. Den müsst ihr probieren. Jaina! Dreimal Tee bitte so wie ich ihn mag.“
Erst jetzt bemerkte Ahrok, dass eine weitere Person nahezu lautlos die Treppe vom oberen Stockwerk hinunter gestiegen war. Es handelte sich hierbei um eine blonde, junge Frau mit einem grandiosen Körper, welcher nur sehr dürftig bekleidet war. Sofort entfielen Ahrok sämtliche Gedanken, die ihm gerade noch durch den Kopf gewandert waren und er starrte stattdessen das wunderbare Wesen an, welches nur wenige Armlängen von ihm entfernt in seiner Bewegung innehielt. Ihr langes, braunes Haar umschmeichelte ihren blassen Körper und knappe Kleidung kaschierte auch beinahe die vielen, gut vernähten Narben an ihren Gelenken.
Sie nickte dem Mann in der Robe zu und verschwand dann wieder hüftschwingend die Treppe hinauf in den nächsthöheren Stock. Ahrok blickte ihrem knackigen Hintern nach, bis sie nicht mehr zu sehen war.
„Na Junge, wie gefällt dir meine Kreation? Jaina ist doch echt der schärfste Hase, den ihr je gesehen habt oder? In diesem Arsch möchte man am liebsten sein Gesicht vergraben und nie wieder rauskommen nicht? Ich hab sie einem Mädchen nachempfunden, das ich mal vor vierzig Jahren auf der iberischen Insel getroffen habe. Echt heiß oder?“
„Was bedeutet… Kreation?“
„Na ich hab sie erschaffen. Gebastelt. Sie ist mein kleiner Fleischbaukasten, wenn du so willst. Das ist gar nicht mal so schwer, wenn man erst einmal die elementaren Grundlagen der Fleischwerdung erlernt hat. Es dauert natürlich seine Zeit und ist auch hier und da nicht so gern gesehen in der alten Welt, aber hey! Dafür, dass diese perfekten, punktgenau handgroßen Brüste Nacht für Nacht über einem hüpfen, würde doch jeder Mann sein Leben und obendrein noch seine Seele verkaufen. Wenn nicht sogar noch mehr. Hab ich nicht Recht?
Aber sie hat noch ihre Macken. Ich geb es offen zu, sie ist noch immer nicht perfekt. Ich kriege das mit der Sprache einfach nicht hin. Mein Bettmäuschen ist immer noch stumm. Dummerweise. Das raubt einem ein bisschen den Spaß. Nicht viel, aber doch schon etwas. Ich versuche diesen Fehler schon seit fast zehn Jahren zu beheben, aber meine Magie ist einfach noch nicht ausgereift genug oder ich übersehe bei der Manifestation ihrer Sprachorgane eine Kleinigkeit. Vielleicht liegt es auch an den Stimmbändern oder daran, dass ich zum großen Teil Schweinefleisch verwende. Schweine sind uns zwar sehr ähnlich, können aber immerhin auch nicht sprechen... Ihr habt nicht zufällig Ahnung wie ich diesen Makel beheben könnte?“
„Ähm... erschaffen?“, hakte Ahrok ungläubig in dieser kurzen Pause nach.
„Ja... hab ich mir gedacht. Es ist sehr schwer kompetente Nekromanten aufzutreiben, besonders hier so weitab im Norden. Wie überaus bedauerlich. Tja dann muss ich eben alleine weiter forschen. Ist ja nicht so, als wenn es was Neues wäre, dass ich mich immer allein um alles kümmern muss.“
„Wie war das? Nekromanten?“
„Oh ja Nekromanten... sind allesamt tolle Leute, haben einen klasse Humor und geben außergewöhnliche Geburtstagsfeiern, abgesehen von Janus dem Roten. Der hat echt keine Ahnung wie man eine Geburtstagsfeier aufzieht. Also wenn der euch jemals einladen sollte – dann lehnt lieber ab. Ihr verpasst rein gar nichts. Ich meine… grüne Schleifen an den frischen Leichen? Grüne? Ich bitte euch!
Aber ansonsten sind Nekromanten die tollsten Leute überhaupt. Nehmt mich zum Beispiel. Ich bin auch einer. Witzig, gutaussehend, gebildet wie eigentlich fast alle meiner Zunft… na ja bis auf Marek den Leprösen. Die Miselsucht war nicht gerade nett zu seinem Gesicht, aber muss er sich denn gleich danach benennen? Manchmal glaub ich die Demenz hat ihn schon vor fünfzig Jahren ereilt und er ist nur zu vergesslich, um das zuzugeben.
Ihr… seid doch nicht zufällig fanatische Hexenjäger oder? Ich kann Hexenjäger nämlich nicht ausstehen. Die sind so was von belastend. Uhhh böse Nekromanten hier, böse Nekromanten da. Verbrennt sie! Verbrennt sie! Man das ist so bescheuert. Warum lassen die einen nicht einfach in Ruhe das Totenreich studieren? He?“
„Ja ich...“
„Genau das denk ich auch! Meinungsfreiheit! Es ist doch nun wirklich nicht schlimm, was ich hier tue und ich füge nun wirklich selten jemandem etwas sehr Unangenehmes zu, aber nein, was die Hexenjäger sagen ist ja Gesetz. Darum hab ich mich auch hier hin zurückgezogen, um in aller Ruhe studieren und an meiner Jaina arbeiten zu können. Nekromantie ist ja nun wirklich nichts Schlechtes oder Böses, sondern von Zeit zu Zeit sogar sehr lustig. Habt ihr schon mal mit einem frisch Verstorbenen geredet? Nein? Das ist echt der Hammer! ´Oh, wie ich bin tot? Nein das kann nicht sein! Ich hatte doch noch so viel vor! Ah diese Schmerzen!´ Hahahaha!“, Tharo wischte sich eine Träne aus dem Auge. „Köstlich.“
„Ja, das ist ja sehr interessant...“
„Das ist es auch. Hochinteressant sogar. Ich könnte mich jedes Mal beeumeln, wenn ich eine frische Leiche sehe.“
„Ja, ja, aber wir...“
„Oh, der Tee ist fertig.“, Tharos Geschöpf schwebte gerade leichtfüßig die Treppe hinab. „Wie wunderbar Jaina. Stell ihn doch bitte einfach auf den Tisch und lass uns dann wieder allein. Du bist die Beste.“
Die bezaubernde Kreatur mit den vielen, verblassten Narben stellte ein silbernes Tablett mit den drei Tassen voller dampfenden Tees ab und verließ sie sogleich wieder lautlos.
Ahrok betrachtete Jaina interessiert, wie sie elfengleich in das obere Stockwerk stieg. Vielleicht konnte ihm dieser Tharo auch beibringen wie man sich so was anfertigte.
Der dunkle Magus ergriff sofort eine Tasse und nippte daran.
„Ah, wunderbar. So wie ich ihn liebe. Einfach klasse. Er hat so ein wunderbares Bouquet, so einen weichen Geschmack und beim Abgang haut der dank ein paar Spritzer Zitronensaft noch mal so richtig rein. Los nehmt schon. Das ist ganz besonderer Tee, aus frischen Augen gekocht. Wer eins in der Tasse findet darf es behalten.“
Ahrok, der gerade im Begriff war eine Tasse zu nehmen, erstarrte vor Ekel.
Ihr Gastgeber prustete vor Lachen los. Sein helles Gelächter schallte laut durch den ganzen Turm und war vermutlich bis hinab in das kleine Fischerdorf zu hören.
Erst Minuten später beruhigte er sich wieder. Ahrok, der sich mittlerweile auch etwas von der fleischigen Stuhllehne entfernt hatte, fand das Ganze weniger lustig.
„Ach herrlich! Dein Gesicht, dein Gesicht! Wenn du es nur sehen könntest, einfach zum totlachen! Das war doch nur ein kleiner Scherz unter Nekromanten. Ich komme so selten unter Leute, die darauf noch hereinfallen. Das ist natürlich kein Augentee, der schmeckt nämlich ungeheuer bitter, sonder ist wunderbarer um nicht noch extra zu erwähnen auch äußerst kostspieliger, schwarzer Tee aus Kräutern die irgendwo ziemlich weit im Osten wachsen. Trinkt nur. Der soll sogar sehr gesund sein und richtig Tinte auf die Feder bringen.“
Ragnar nahm sich vorsichtig eine Tasse und schnupperte daran.
„Riecht ganz ordentlich. Ich glaub das kann man wirklich trinken.“
„Ganz ordentlich? Wollt ihr mich etwa beleidigen? Natürlich kann man das trinken. Weit besser noch, das schmeckt als ob euch die Götter persönlich die Zunge kraulen. Ich würde doch meinen Gästen keine minderwertige Bewirtung zukommen lassen.“, um es auch gleich zu beweisen nahm Tharo einen weiteren Schluck zu sich.
Ahrok hingegen war noch lange nicht überzeugt.
Er kannte den Zwerg gut genug um zu wissen, dass dessen Geschmacksnerven und vor allem sein Geruchssinn ziemlich anspruchslos waren, wenn es um Getränke ging, dennoch wollte er den Magier lieber nicht reizen und nahm sich erneut die letzte Tasse vom Tablett, schloss die Augen und trank. Im Gegensatz zu seinen Befürchtungen schmeckte das heiße Gebräu wirklich gut.
„Ja, ja das ist wirklich echt lecker.“
Zufrieden lehnte sich der Nekromant in seinen Stuhl: „Hab ich doch gesagt. Hab ich´s nicht gesagt? Ja ich hab es euch gesagt! Den trink ich so am liebsten. So hat ihn mein Enkel immer gemacht – der alte, griesgrämige Than habe ihn selig. Obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob Than mit dem Enkel eines Nekromanten allzu nett umspringt. Der Gott des Todes hat es nicht gern wenn man mit seinen Toten rumspielt wisst ihr? Der ist da so ein bisschen eigen.“
Der Zwerg nippte fleißig an seiner Tasse: „Toll und jetzt bitte zurück zu unserem Problem.“
„Probleme... Fang gar nicht erst damit an, denn wir alle haben Probleme. Das Leben ist ein einziges großes Problem, deshalb mag ich den Tod auch so sehr. Der ist einfach und unkompliziert. Ich hatte zum Beispiel früher in meinem Heimatort ständig Probleme mit der Inquisition. ´Herr Rothenburg ihre Forschungen verletzen intersphärische Gefüge.´ Pah! Ihr habt ja keine Ahnung wie stressig das mit diesen Jungs ist. ´Verbrennt ihn´ hier! ´Tötet ihn´ da! ´Macht schon mal das Öl heiß!´ Die kommen vor lauter Hexenjagd gar nicht mehr zum Denken. Dabei hab ich noch nie jemanden umgebracht. Ja... zumindest nicht so richtig. Seine Seele ist jetzt irgendwo in der Leere gefangen soweit ich das mitgekriegt habe, aber sein Körper ist noch völlig unversehrt, mit etwas Glück kann er jederzeit zurückkehren.“
„Ähm ja, wie lustig, aber wir wollen nach Kasam.“
„Kasam? Aha... das ist keine Stadt, die ich als besonders schön bezeichnen würde. Abstoßend trifft es da schon eher. Ich kann mir nicht vorstellen, was auch nur irgendjemand in diesem Loch will? Das ist der Arsch der Zivilisation. Besser gesagt das widerliche Furunkel am Arsch der Zivilisation. War erst vorgestern da in der Nähe. Scheußlich. Keinen Stil die Leute da drüben und erst diese stümperhafte Architektur... Diese Trolle haben wirklich keine Ahnung, wie man Häuser aus Stein baut. Ich weiß nicht einmal, ob die überhaupt eine Ahnung haben wie mal Häuser aus irgendetwas baut. Da ruf ich mir doch lieber ein paar niedere Wesenheiten aus dem Totenreich und lass die dann meine Häuser errichten. Wie zum Beispiel diesem Turm. Ist doch ein schöner Turm oder? Also mir gefällt er. Euch etwa nicht?“
„Doch, doch! Du hast hier einen wunderschönen Turm, zwar so ganz ohne Fenster, aber...“
„Ja finde ich auch. Es gab zwar einige Widrigkeiten beim Bau meines Domizils, ihr habt ja keine Ahnung wie unselbstständig frische Leichen sind. Wenn man denen nicht jeden Arbeitsablauf bis aufs Kleinste immer und immer wieder eintrichtert, dann hat man bald eine Pyramide dort, wo sie ursprünglich nur eine Grube ausheben sollten. Geht mal nach Nehekhara und guckt euch da mal an, was unorganisierte Leichenkommandos an der Baukunst verbrochen haben, dann wisst ihr was ich meine... aber genug davon. Ich leb schon die letzten sechzig Jahre hier und hatte noch nie die Lust meinen Turm einmal umzugestalten. Die meisten Nekros, die ich kenne, stehen ja mal so was von auf Spitzen und Haken und so was. Ich nicht so unbedingt. Meint ihr etwa, mein Turm könnte ein paar Zacken gebrauchen?“
„Nein ich denke...“
„Ja wunderbar. Endlich mal jemand mit Vernunft. Ich nämlich auch nicht. Zacken sind nämlich ziemlich gefährlich. Einmal unglücklich gestolpert und schon gibt es böse Wunden oder Schlimmeres. Das ist doch nicht Sinn der Sache oder? Ich meine ich bin Nekromant. Ich will den Tod solange wie möglich von meinem Lebensfaden fern halten und da werde ich mich doch nicht unnötig irgendwelchen Gefahren aussetzen, die mein Ableben nur beschleunigen würden.“
„Nein… ja ich versteh schon, aber... zurück nach Kasam.“
„Zurück nach Kasam? Nein danke. Ich will nicht zurück an diesen Ort, da hab ich nicht den geringsten Grund dazu. Meine Vorräte sind nämlich schon wieder aufgestockt und nach touristischen Aspekten hat Kasam wirklich rein gar nichts zu bieten. So trist und trostlos und trocken und staubig. Da kann man nicht viel mehr sehen als Sand und Trolle. Scheußlich! Ich ziehe jederzeit den Anblick eines eitrigen, verfaulten Kadavers dem eines Trolls vor. Was haben sich die Götter nur dabei gedacht diese haarigen Missgeburten zu erschaffen? Ist doch nicht so schwer Leben zu entstehen zu lassen. Ich mein guckt euch Jaina an. Wenn alle Trolle aussehen würden wie Jaina. Holla die Waldfee dann gäbe es sicher auch ´n Haufen schwitziger und lautstarker Auseinandersetzungen mit denen, aber auf eine viel angenehmere Art und Weise wenn ihr versteht.“
„Nein, Sie verstehen grad nicht Meister Rothenburg. Wir wollen nach Kasam.“
„Wie? Jetzt schon? Ihr seid doch gerade erst gekommen. Ich dachte wir können uns noch etwas unterhalten. Gefällt es euch hier etwa nicht? Ist euch langweilig? Jaina kann jederzeit einen neuen Tee aufsetzen und sogar ein paar Plätzchen backen, wenn euch danach ist. Hier ist es allemal besser als in Kasam.“
Ragnar stockte in seiner Antwort, schüttelte nur hilflos mit dem Kopf und nahm einen weiteren Schluck Tee zu sich.
„Aber man sagte uns Ihr großer Nekromant könntet uns helfen nach Kasam zu kommen.“
„Hm ja, könnte ich. Wieso? Wollt ihr nicht laufen? Oder Rudern? Nimmt sich beides nicht viel und ist gut für die Figur hab ich gehört. Ihr seid doch solch körperbewusste Typen. Hab ich doch gleich gesehen. Solche Muskeln kommen nicht von ungefähr nehme ich an, dafür muss man bestimmt ganz schön trainieren oder?“
„Äh ja... stimmt schon, aber wir haben es sehr eilig.“
„Aha. Wie überaus schade, denn wir hatten doch so ein schönes Gespräch. Nun gut, ich würde euch, nach den üblichen Regeln der kemethischen Gastfreundschaft, meinen Knochenkreis benutzen lassen, aber ich denke ihr könntet nur wenig damit anfangen. Nicht wahr?“
„Euren Knochenkreis?“
„Ja, hab ich mir gedacht. Ein Knochenkreis ist für einen Nekromanten ein Gebiet zentraler Macht und gebündelter Magie. Als erfahrene, ach was sag ich, selbst als stümperhafte Nekromanten könntet ihr durch einen einfachen Zauber eine kleine Reise von Knochenkreis zu Knochenkreis antreten, die so gut wie keine Zeit vergeudet, aber tja... ihr kennt euch damit ja nicht aus. Wie schade.“
Ahrok verzog das Gesicht. Er war langsam mit seiner Geduld am Ende.
„Und es gibt keine Möglichkeit für uns, deinen Kreis trotzdem zu benutzen?“
„Nun ich KÖNNTE euch meinen Knochenkreis benutzen lassen. Da ihr jedoch nicht die geringste Ahnung von der dunklen Magie habt, wird das extrem anstrengend für mich werden, euch hindurch zu schicken, also... Warum sollte ich das tun?“
„Ich weiß nicht. Weil du ein sehr netter Nekromant bist?“
„Ich bitte euch. Ihr versaut mir meinen Ruf. Wo komme ich denn hin, wenn ihr überall rum erzählt, dass ich euch einfach so geholfen habe, weil ich ein netter Nekromant bin? Das ganze Totenreich lacht sich scheckig über mich und jeder Diener, den ich mir rufe, wird nie wieder auch nur den geringsten Respekt vor mir haben. Das kann ich nun wirklich nicht gebrauchen.“
„Und wenn wir jedem erzählen was für ein schrecklich fieser Nekromant du bist?“
„Ist lieb gemeint, aber nein danke. Ich könnte mir selber nicht mehr in die Augen sehen. Nun gut, das kann ich ohnehin nicht, weil ich hier keinen Spiegel eingebaut habe, aber ihr wisst sicherlich wie ich das meine. Was wollt ihr eigentlich in Kasam? Einkaufen?“
„Nein, wir suchen einen verschollenen Caer in der Nähe. Der heißt äh...“
„Kupferglanz.“, meldete sich der Zwerg nun auch einmal zu Wort.
„Ja genau Kupferglanz, danke Ragnar. Und den wollen wir entdecken und ausräumen.“
„Aha... ja ich habe schon diesem Caer gehört. Der hat mich bisher nie wirklich interessiert, da er für mich relativ wertlos ist. Ich könnte aber mal etwas herumfragen, was die Toten so wissen. Die können mir dann verraten, ob der nicht schon längst leer und geplündert ist. Das dauert ein paar Wochen, maximal ein paar Monate, die ihr gern hier bei mir verbringen könnt. Ich mag euch nämlich.“
„I-ja… nein. Wir würden es doch lieber vorziehen, da persönlich nach dem Rechten zu sehen.“
„Nun unter diesen Umständen...“, der junge Nekromant legte die Fingerspitzen an einander und sah sie beide lauernd an.
„Ja?“
„Da gibt es dann doch eine Möglichkeit, wie wir alle zufrieden sein werden. Falls ich euch dahin sende und ich meine falls mit einem großen ´F´, dann könntet ihr doch etwas für mich tun, wenn ihr in diesem Caer seid?“
„Natürlich. Jederzeit.“
„Das hör ich gern. Also, einige wichtige Zutaten zum Beschwören größerer Wesenheiten fehlen mir noch. Habt ihr schon mal einen Dämon beschworen? Ist ´ne Heidenarbeit sag ich euch und saugefährlich. Die Viecher sind echt unberechenbar und wenn man sie nicht in einem gut gefertigten Ritualkreis bannen kann, dann machen die nur Ärger, kann ich euch sagen. Und das will nun wirklich keiner.“
„Ah ja...“
„Ja! Und wisst ihr was man so alles für einen mächtigen Ritualkreis braucht? Natürlich wisst ihr das nicht. Sind ja auch Unmengen von Zutaten, die kann nicht einmal ich mir alle merken, aber dafür hab ich ja meine Bücher. Nun... mir fehlen einige dieser Zutaten. Ihr wisst ja gar nicht, wie schwer manche von denen zu beschaffen und wie teuer andere sind.“
„Und wir sollen dir das Geld geben? Wir haben aber selber nicht...“
„Nein, nein kein Geld. Das wäre doch viel zu umständlich. Besorgt mir lieber ein, zwei Zutaten für mich, das würde mir viel mehr helfen.“
„Aha. Und was brauchst du so?“, Ahrok stellte die leere Tasse ab, auf deren Grund sich nur noch ein paar dunkle Krümel befanden. „Getrocknete Ochsenpimmel oder Jungfrauenblut… oder was?“
„Nein weder noch, das hab ich alles vorrätig. Wunderbvoll wäre es, wenn ihr an ein paar Unzen Vampirstaub kommt oder etwas von einem ausgewachsenem Dämon, das man auch zu Pulver zermahlen kann. Hörner, Zähne, Krallen... oder auch Knochen. Knochen sind immer gut. All so etwas.“
„Und das sollen wir dir alles besorgen, wie stellst du dir das vor?“, schnaufte er ärgerlich.
„Nun ja… zu eurem Glück glaube ich kaum, dass sich Blutsauger in eurem Caer aufhalten, dafür sind wir hier viel zu weit von ihrem normalen Lebensraum entfernt, aber an einem Dämon dürfte es in der Gegend da nicht mangeln. Versprecht mir also einfach ein, Horn oder eine Klaue von einem zu bringen und ich schicke euch nach Kasam.“
„Na klar versprechen wir das. Schick uns los!“
„Wie schön. Ich setze sofort den Vertrag auf. Wo hab ich denn nur...?“
„Vertrag? Was für ein Vertrag?“
„Hm? Ach na eben ein Vertrag, dass ich euch an den richtigen Ort schicke und ihr mir im Gegenzug meine Zutat auch bringt. Reine Formsache, damit hier keiner übers Ohr gehauen wird. Ah, da ist es ja.“, er rollte ein Stück Papier aus und machte sich sofort mit Feder und Tinte an die Arbeit.
Ahrok und Ragnar tauschten einige lange Blicke aus, bevor er sich nach einem Schulterzucken des Zwerges, wieder dem Geschreibsel des Mannes vor ihnen zuwandte. Das Alles war ihn nicht geheuer. Jaina und die Begeisterung für dieses wunderhübsche Konstrukt waren längst vergessen und dieses mulmige Gefühl, welches er vor dem betreten des Turms gehabt hatte, war dafür wieder zurückgekehrt.
Es vergingen einige stille Minuten und Tharo schrieb immer noch an diesem Vertrag. Ragnar sah sich unterdessen gelangweilt in dem Zimmer um und er selber versuchte sein Möglichstes die Schrift des Nekromanten zu entziffern. Der Kerl hatte wirklich eine verwerfliche Sauklaue.
„Wisst ihr welches Datum wir heute haben?“, fragte der Magus plötzlich.
„Ich glaube es ist der achte oder neunte Avril.“, meinte Ragnar und blickte Ahrok fragend an, dieser zuckte nur mit den Schultern. Woher sollte er denn wissen, welchen Tag sie heute hätten?
„Wunderbar! Und welches Jahr? Ich hab da nämlich über das letzte Zeitalter etwas den Überblick verloren. Wie gesagt ich komm nicht viel mit Wesen zusammen denen Zeit etwas bedeutet.“
„Wir haben das Jahr Fünfundfünfzig Dreiundsiebzig.“
Woher wusste der Valr das alles? Führte der heimlich Buch über ihre Abenteuer?
„So. Fertig.“, nickte Tharo, „Bitte Buchstabier noch deinen Namen und ich brauch ein bisschen Blut von euch.“
„Nun Moment… A… H… R, O, K und sein Name ist... ähm… Moment. Wieso Blut?“
„Ich versteh die Frage nicht. Blut eben. Um den Vertrag mit der Magie eures Blutes zu besiegeln. Das ist doch eine ganz übliche Kondition in Verträgen. Also… fürchtet euch nicht, es tut auch gar nicht weh, na ja nur ein bisschen, aber ihr haltet das doch aus. Ihr wollt doch nach Kasam oder?“
„Ja schon, aber... könnte ich den Vertrag mal lesen.“
„Aber gern doch. Lest ihn euch durch. Das ist ja auch wichtig. Niemals etwas unterzeichnen, was man vorher nicht durchgelesen hat. Ich sehe schon ihr seid Leute mit denen es sich lohnt Geschäfte zu machen.“
Ahrok nahm das Stück Papier an sich und versuchte die Schrift zu entziffern.

8. oder 9. Avril im Jahre 5573
Durchreisegenehmigung

Hiermit erteile ich, Meister Tharo von Rothenburg, Großmeister des Mystischen, Geißel von Kemet, Bezwinger des Todes, Beherrscher der verfaulten Legionen, Erwecker des Thont kal Gar, Lebensspender und Menschenfreund, den Unterzeichnern dieses Vertrages die Genehmigung meine beiden Knochenkreise, den einen auf dem Friedhof von Kasam, den anderen auf meinem Privatgrundstück, zur einmaligen Durchreise zu benutzen.
Im Gegenzug dafür erklären sich die Unterzeichner bereit mir, Meister Tharo von Rothenburg, Geißel des Untodes, Fürst der Verrotteten und gefürchteter Frauenheld von Kaier, bis spätestens 8 oder 9. Maia 5573 eine frische Dämonentrophäe mitzubringen.

Bei Zuwiderhandlung erklären sich die Unterzeichnenden bereit sich häuten zu lassen und mir, Meister Tharo von Rothenburg, Herr der Leblosen, Baron des Arkanen und gutaussehendstem aller Nekromanten, für mindestens drei Jahre als Versuchsobjekte zu dienen.

Blut Unterzeichner Ahrok:
Blut Unterzeichner Ragnar:

„Hier steht was Komisches… etwas von Häuten und Versuchsobjekte?“
„Ja schon… aber... es besteht nicht der geringste Grund zur Sorge. Ihr habt doch nicht etwa vor, euer Versprechen zu brechen und euch ohne Gegenleistung einfach aus dem Staub zu machen?“
„Nein, das...“
„Na also, dann braucht euch diese geradezu unbedeutende Klausel doch nicht weiter stören. Begebt euch nur bis spätestens in einem Monat wieder zu dem Knochenkreis, zu dem ich euch schicken werde, und legt die Hörner oder was auch immer ihr findet dort hinein und der Vertrag gilt als erfüllt. Ein ganzer Monat, ich bitte euch, da läuft man doch fünfmal zu einem Caer und wieder zurück. Kein Häuten, keine Experimente an euch. Ist doch in eurem Sinne oder?“
„Nun ja...“
„Das denke ich doch auch. Wenn ihr nun bitte euer Blut hier hintropfen würdet, um den Vertrag abzuschließen, dann kann es auch schon losgehen.“, unter seiner Kutte förderte er einen kurzen Flammendolch zu Tage, „Ein kleiner Schnitt in den Finger würde schon genügen.“
Ahrok und Ragnar tauschten erneut unsichere Blicke. Was geschah, wenn sie einen wohlbehaltenen Caer so völlig ohne Dämon finden würden oder was wenn dieser dort weder Hörner noch Knochen noch Zähne hatte? Das musste alles in Betracht gezogen werden, denn Häuten klang nicht nur ziemlich eklig sondern vor allem sehr endgültig und schmerzhaft, aber andererseits war das die Gelegenheit schlechthin, um ihre Aufgabe doch noch zu erfüllen. Onkel Herbert und Ariane würden in dem Fall mächtig stolz sein.
Als ihr stummes Zwiegespräch auch nach einigen langen Atemzügen zu keinem Ergebnis gekommen war, ergriff Ahrok als Erster den gewundenen Dolch und brachte sich einen kleinen Schnitt am rechten Mittelfinger bei.
Dann reichte er Ragnar den Dolch und presste seine blutige Fingerspitze neben seinen Namen auf das Papier.
„Scheiße ich dachte wir reden hier noch über das Ganze.“, murmelte der Valr, der verdrießlich zwischen Finger und Dolch hin und her blickte. „Ach Scheiße wenn wir keinen Dämon finden oder zu langsam sind und ich deswegen so unrühmlich draufgehe, dann erklärst du das aber meinen Ahnen!“
„Von mir aus… wenn wir sterben, dann red ich mit deinem Vater.“
Ragnar spannte sich an: „Wer hat dir gesagt, dass ich ´nen Vater habe?!“
„Nu ja ähm… dein Name. Rangosson. Nicht wahr? Außerdem… wieso solltest du keinen…?“
„Ja, ja schon gut. Vergessen wir das. Hier.“, auch der Zwerg schnitt sich nun in die Haut und besiegelte den Vertrag.
„Wunderbar meine beiden neuen Freunde. Das war´s auch schon. Ihr könnt nun den Durchgang benutzen, wenn ihr wollt. Oder habt ihr Lust noch etwas hier zu verweilen? Ich bekomme selten solch unterhaltsamen Besuch, mit dem ich so toll reden kann wisst ihr. Ich glaube ich hab auch noch etwas Gebäck.“
„Das kann ich mir vorstellen, aber wir haben es sehr eilig. Ein Monat bis zum Häuten und so weiter.“
„Hm, ja ich verstehe. Schade, das hätte ich vielleicht vorher in Betracht ziehen sollen... aber ihr müsst mich wieder einmal besuchen kommen, wenn ihr in der Nähe seid. Nun dann folgt mir nach draußen.“, enthusiastisch sprang Tharo auf und verließ den Turm.
Die fleischigen Stühle schüttelten Ahrok und Ragnar ab, um dann wieder die Treppe hinauf zu hinken. Ahrok vermied es seiner Sitzgelegenheit hinterher zu sehen. Dieses Möbelstück mit den hervorragenden Massagekünsten war ihm sehr unheimlich. Gemütlich ohne Frage, aber unheimlich.
Draußen zwischen den Gräbern kniete der Nekromant bereits mitten in einem Kreis der aus bleichen Oberschenkelknochen und Rippen gelegt worden war. Links und rechts neben dem weißhaarigen Mann ragten zwei Schädel aus dem feuchten Boden.
Der Magus mit den vielen Beinamen faltete die Hände und begann mit monotoner Stimme die arkane Worte des Transportes zu murmeln. Wind kam urplötzlich auf, riss an ihren Kleidern und Haaren und wehte in einer Aufwärtsspirale um den Knochenkreis herum.
Das Heulen des Windes wurde immer laute und die Luft wurde so kalt, dass ihm die Reste des Tees auf der Oberlippe gefroren. Rings um sie herum wurde es so finster, dass er seine eigene Hand nicht mehr vor Augen sehen konnte. Doch dann riss der Wind mit einem lauten Kreischen plötzlich ab und die Umgebung erhellte sich wieder. Vor dem knienden Nekromanten klaffte ein nachtschwarzer Riss mitten in der Luft und bedrohlich knisternde Blitze zuckten an den Rändern des Durchgangs.
Tharo erhob sich und klopfte sich den Schmutz von der Robe.
„Bitteschön, euer Durchgang zum Friedhof in Kasam ist hergestellt. An eurer Stelle würde ich mich beeilen und schnell hindurch gehen.“
„Wieso? Schließt sich der Durchgang so schnell?“
Der Nekromant grinste: „Nein, das nicht, aber diese Abkürzung führt direkt durch einen Ort, der das Totenreich mit der großen Leere auf bisher ungeklärte Art und Weise verbindet und die Toten mögen es für gewöhnlich gar nicht, wenn Sterbliche durch ihr Gebiet wandeln. Also beeilt euch lieber, bevor es jemandem auffällt, dass ihr als Nicht-Nekromanten meinen Durchgang benutzt.
Seht ihr die Öffnung da hinten?“
Ahrok trat an die Seite des Zauberers und blickte in den Riss hinein.
Er sah nur Dunkelheit wohin er auch blickte. Eine einzige riesige Schwärze ohne Boden, Wände oder absehbares Ende. In etwa einer halben Meile Entfernung durchbrach ein anderer Riss die Dunkelheit. Ahrok erkannte dort hinten das helle Licht der Sonne und ein paar Bäume.
„Da durch?“
„Ja, habt keine Angst. Einfach nur so schnell laufen wie ihr nur könnte und euch kann so gut wie nichts passieren. Na dann. Macht euch mal vom Acker und vergesst nicht euren Teil der Abmachung einzuhalten.“, er wies einladend auf den unruhig zuckenden Riss in der normalen Welt.
„Äh... du zuerst Ragnar.“
Der Zwerg trat vorsichtig näher und setzte einen Fuß durch den Riss.
Er fand Halt. Dann stieg er gänzlich in die Dunkelheit hinein.
„Hey Ahrok, das funktioniert tatsächlich.“, schallte die Stimme des Valrs dumpf nach draußen.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

ziemlich unheimlicher ort, wobei die fleischfarbenen "massagestühle" noch das netteste sind. ;-)
und jetzt kann ich mich auch dran erinnern, an das gequatsche von dem nekromanten, der echt ein witzbold ist. du bist wirklich der meister der unterhaltungen, in diesem fall aber eher der monologe. ;-)
der vertrag kommt mir allerdings sehr haarig vor...


Ingrid Alias I (17.05.2012)

Gruselig und irgendwie auch witzig ist so manches bei Magier Tharo. Hoffentlich geht die Sache mit dem Vertrag auch gut, den sie so leichtsinnig unterschrieben haben.

Petra (11.05.2012)

Ja Tharo ist eines der vielleicht eher albernen Überbleibsel der alten Geschichte, den ich jedoch nicht so einfach weglassen kann, da er (möglicherweise) ja noch von Bedeutung ist.
Ich danke euch jedenfalls für eure beständigen Einblicke in eure Sichtweise auf Ahrok. Danke.


Jingizu (10.05.2012)

Oh du liebe Güte, so eine Quasselstrippe, der kann einem ja regelrecht schwindlig reden. So,so jetzt ahben sie also einen Vertrag unterzeichnet, der recht unangenehme Konsequenzen bei Zuwiderhandlung androht. Na ob das so eine kluge Entscheidung war?

Tis-Anariel (10.05.2012)

Hm, mal ganz etwas anderes, ein nekromantischer Zauberer. Jaina bewegt sich elfengleich obwohl sie viel Totes an sich hat. Irgendwie musste ich trotz allem Gruseligen grinsen. Da haben sich die beiden mit dieser Unterschrift ja auf etwas eingelassen. Aber was tut man nicht alles um besser zu reisen. Schön flüssig und humorvoll.

Jochen (09.05.2012)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Ahrok 2. Band - 41. Kapitel  
Berserkor der übelst Schreckliche - 1. Kapitel  
Nikolas - Inhaltsangabe  
Chris - Inhaltsangabe  
Berserkor der übelst Schreckliche - Inhaltsangabe  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De