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Das Märchen - Die Hänselbraterei

Fantastisches · Kurzgeschichten
Amelia schaute in die gut gefüllte Gefriertruhe. Es war alles da, Ente, Gans, Puter und Schweinebraten. Sie hatte sich beim Discounter eingedeckt. Doch irgendwie fehlte ihr der Kick, etwas besonderes, etwas außergewöhnliches, so wie früher einmal, tja die Zeiten waren wohl vorbei.
Sie lächelte, ging zur Tür hinaus und betrachtete ihr Häuschen. Etwas baufällig, der Putz blätterte ab und die Dachschindeln gehörten längst erneuert, aber es war ihr Heim, das Lebkuchenhaus wie es alle spöttisch nannten.
Lebkuchenhaus, den Namen hatten ihm die Brüder Grimm verpasst. Die beiden Brüder hatten ihr damals böse mitgespielt, sie eine böse, alte Hexe genannt und ihr unterstellt, dass sie senil sei. Und dass ihr diese beiden Teenager damals entwischt seien, nun gut, Gretel war ihr tatsächlich entkommen, aber Hänsel endete, wie es sein sollte, als fetter Braten im Ofen. Sie und ihre Nachbarn damals hatten tagelang geschlemmt und sich die Bäuche vollgeschlagen.

Nun gut, das war Vergangenheit.

Amelia ging zurück ins Haus und stellte sich vor ihren wandhohen Spiegel.
„Spieglein, Spieglein an der Wand. Wer ist die schönste im ganzen Land?“ Aber der Spiegel gab schon lange keine Antwort mehr.
„Du bist ein verdammt attraktives Weib“, dachte sie und drehte und wendete sich vor dem Spiegel. Die Jeans saßen wie eine eins an ihrem schlanken Körper und betonten ihre sinnlichen Kurven.

Morgen wollte ihre Nichte Gretel mit ihrem Freund zu Besuch kommen. „Was soll ich nur kochen“, grübelte sie.

Früh am nächsten Morgen trafen Gretel und ihr Freund ein. Amelia spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Die beiden waren wortkarg, keine erotische Spannung war zu verspüren. Gretels Freund wusch draußen im Hof das Auto, während sie Amelia ihr Herz ausschüttete.
„Was hast du denn Kindchen?“ Sie nahm ihre Nichte in den Arm.
Gretels Worte sprudelten nur so heraus. Unter Tränen rief sie „Er hat mich die ganze Zeit schon betrogen. Ich wünschte, Hans wäre tot.“
Amelia stutzte, Hans, Hänsel? Was für ein merkwürdiger Zufall war das denn?
Dann reifte in ihr ein Plan.
Gretel war zuerst schier entsetzt, dann aber nach beharrlichem einreden ihrer Tante, fand sie Gefallen am Plan.
Sie wusste, dass ihre Tante eine Hexe war und dass mancherlei um sie gemunkelt wurde.
Gesagt, getan.
Nachdem Abendessen, es gab Gänsebraten, hockte sich Hans vor den Fernseher und qualmte ihr mit seinen Zigaretten die Bude voll. Amelie musterte ihn. Sein Bauch quoll schon merklich über den Bund und die Hose war auch zu eng. Er hatte früh angefangen sich gehen zu lassen und wurde langsam aber sicher fett.

„Magst du noch einen Likör zur Verdauung?“ Amelia bedachte ihn mit einem zuckersüßen lächeln. Sie nahm sein Grunzen als Zustimmung und schenkte ihm ein, ihren speziellen Likör, den sie schon lange nicht mehr benutzt hatte.
Sollte heute der Tag sein, an dem sie ihre Tradition fortsetzte, nach so vielen Jahren?
Hans sackte zusammen und verlor das Bewusstsein.
Gemeinsam mit Gretel entkleideten sie ihn, dann wuchteten sie ihn die steile Treppe hinab in die Küche. Sie zerrten und schoben den rosigen, fleischigen Körper auf eine große Holzbank. Dort lag er nun.
„Heiz du den Kessel und den Ofen an, ich will die Messer schleifen.

Stunden später verbreitete sich ein köstlicher Bratenduft durchs Haus.
Amelia hatte ihre Nachbarn, Schneewittchen mit ihren sieben Zwergen, einer Horde ewig hungriger Mäuler, und ihre Enkelin Rotkäppchen eingeladen. Alle hatten zugesagt.

„Kommt, lass uns im Garten feiern. Das Wetter ist so schön. Ich liebe Barbecue im Freien.

Nun saßen sie da, schmausten entspannt und erzählten sich Geschichten. Der Tag verging wie im Fluge und alle waren pappsatt.

„Das müssen wir öfter mal machen, Oma Amelia.“ Rotkäppchen strahlte.
 
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Kommentare  

Upps, nun haben wir wohl gleichzeitig einen Kommi zu Wolfgangs Scrittores Märchen geschrieben. Über deinen Kommentar musste ich nun doch lachen. Sehr gelungen.

Marco Polo (27.12.2012)

Da gefriert einem das Grinsen. Gehört das nicht eher unter Schauerliches? Ansonsten sehr guter Schreibstil. Liest sich locker und flüssig.

Marco Polo (27.12.2012)

Und Gretel ergänzte: "Ich werde den Riesen aus dem tapferen Schneiderlein heiraten, dann haben wir nächstes Jahr länger zu beißen."

Wolfgang Reuter (27.12.2012)

eine modernisierte Hänsel und Gretel Variante

Wolfgang scrittore (27.12.2012)

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