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Von den Tagen

Erotisches · Kurzgeschichten
Es geschah alles an einem Donnerstagabend. Ich weiß nicht mehr genau, in wie fern ich zu dem entstandenen Verlust beigetragen habe. Im Endeffekt weiß ich seit diesem Abend gar nichts mehr. Ich habe Dinge gesehen, von denen ich glaubte, sie existieren nicht. Ich habe gefühlt, was kein anderer Mensch gefühlt hat.
Ich war eben mit den Hausaufgaben fertig geworden und spürte auf einmal diesen bekannten Geruch in meinem Zimmer. Mir war so, als hätte ich das schon einmal gerochen, ich weiß nur nicht mehr wo und wann. Ich saß an meinem Schreibtisch, vor meinem Computer und überlegte gerade, was ich als nächstes angreifen könnte, von den unerledigten Dingen, die noch vor mir lagen. Da verirrte sich dieser Geruch in meine Nase. Und von einen auf den anderen Moment lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Meine Nackenhaare sträubten sich und ein unwohles Gefühl zog durch meinen Magen. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Auf jeden Fall war es sehr unheimlich, denn so was ich hatte zuvor noch nicht erlebt.
Mit weit aufgerissenen Augen drehte ich mich rasch um, um mich umzusehen. Aber mein Zimmer war leer, nur ich war hier und niemand anderer. Durcheinander wie ich war, suchte ich mit meinen nervösen Blicken das Zimmer gründlich ab. Aber auch da konnte ich niemanden entdecken. Zuerst zog ich die Möglichkeit in Betracht, es trieb sich jemand einen schlechten Scherz mit mir. Aber als ich diesen Geruch wieder aufgriff, in einer bedeutsamen Ecke meines Zimmers, deren Momente, die damals die wichtigsten in meinem Leben waren, bekam ich Angst. Stillschweigend stand ich in der Mitte meines Zimmers. Meine Hände waren feucht und meine Gedanken weit wie das Meer.
Völlig durcheinander wie ich wirkte, drehte ich mich zum Schreibtisch um, schnappte mir den CD-Player, knipste das Licht mit dem rechten Zeigefinger aus und wollte zu meinem Bett herübergehen, als mich der Moment meiner Erinnerungen aufhielt und ich still stand. Als hätte jemand die Pause – Taste in meinem Leben gedrückt. Dann kam dieser Augenblick zurück in meine Gegenwart, als würde ich alles noch einmal miterleben müssen. Wie ein Schwarz – Weiß – Film spielte sich das vor mir ab. Es waren schon mehr als zwei Jahre vergangen, da saß ich ebenfalls an einem Donnerstagabend in meinem Zimmer, in dieser bedeutsamen Ecke, neben der Heizung. Es war kalt draußen, so wie heute auch. Der Mond schien durchs Fenster. Zusammengekauert saß ich da am Boden, wie ein kleiner Junge, der den Überblick über alles verloren hatte, wie es zu sein scheint. Mein Gesicht wirkte verwaschen, als hätte ich nichts anderes als mehrere Stunden nacheinander geweint. Am Kinn baumelten die Tränen bis sie letztendlich davon heruntertropften.
Wie aus einer dunklen Geisterbahn glitt ich wieder in die reale Gegenwart, nicht mehr in die von Schwarz und Weiß. Erschrocken stand ich da, mit meinen Erinnerungen, die mich an eine Zeit zurückerinnerten, in der ich am liebsten nicht auf dieser Welt gewesen wäre.
Ich setzte mich auf mein Bett, lehnte mich gegen die aufgestellten Kissen und setzte mir die Kopfhörer ins Ohr. Ich legte eine CD auf, und ohne mir dabei einen Scherz zu erlauben, es waren die schönsten Klänge, die es jenseits dieser Halbkugel gab. So knipste ich das letzte Licht aus, dass an der Wand befestigt war und schwelgte nun in einem tiefen Meer an Dunkelheit, die mich umgab. Die Schalosien an meinem Fenster blieben geöffnet, denn ich wollte ja den Vollmond, der am dunklen Himmel glänzte, beobachten.
Und so wie das Lied ansetzte, schloss ich meine Augen und kehrte zurück in eine Zeit, für die mein Herz schlug. In eine Zeit, zu der ich mir gewünscht hätte, dass sie stillsteht und nie mehr weiterlaufen möge. Eine Zeit, in der für mich der Himmel auf Erden existierte und nichts anderes mehr. Alles andere vergaß ich um mich herum.
Ich kann mich noch genau erinnern, als wäre es gestern gewesen. Es war irgendwo zwischen Cape Cod und dem Hafen von Southport. Die Sandstrände zogen sich in ihren wunderschönen Linien bis hin zum Horizont. Ihre Wege verliefen sich im Sande. Und das Meerwasser suchte sich den Weg über viele Tausende Kilometer an der Küste entlang.
Wir spazierten den Strand entlang, Hand in Hand. Es war ein wunderschöner Abend. So einen atemberaubenden Sonnenuntergang hatten wir bis dahin noch nicht erlebt. Der orangefarbene Feuerball senkte sich langsam vom Himmel herab, bis er mit seinen Kanten das Meer berührte und es den Anschein hatte, als würde alles brennen und das Wasser verdampfen. Der Himmel glühte förmlich hellrot und das Meer wurde von Moment zu Moment ruhiger, als würde es von einer uns unbekannten Macht besänftigt werden.
Einander sahen wir uns an. Ihre Augen waren wunderschön blau und ihre sinnlichen Lippen strebten danach, geküsst zu werden. Ihr atemloser Blick machte mich nur noch atemloser, denn ich konnte mich ihrer Schönheit nicht entziehen. Es war wie eine Droge, ohne die ich einfach nicht leben konnte. Und als wir uns ewige Liebe geschworen hatten, umarmten wir uns, und dann küssten wir uns. Ich spürte ihre Lippen, ich spürte ihre Hingabe und die ganze Liebe, die sie mir entgegensteuerte. Sie umarmte mich so fest, dass sie mich nicht mehr loslassen wollte.
Wir hielten uns im Angesicht der Zeit und der einbrechenden Dunkelheit nur noch fest. Ohne den jeweils anderen würden wir nicht lange auskommen. Entzugserscheinungen bahnten sich ihren Weg durch unsere Körper, wenn wir länger als einen Tag getrennt waren. Und der Schmerz, den anderen nicht hören, nicht sehen und nicht spüren zu können, wurde immer größer und unerträglicher, je länger wir uns nicht sahen.
Von all den Tagen, die ich bisher erleben durfte, so sehnte ich mich nach diesem so sehr zurück, dass ich für diesen einen Moment gestorben wäre.
Und dann sah sie mich an, tief in meine Augen und sagte zu mir: „ein Flüstern weit von hier, der Schmerz so stark bei dir, vergessen über das Land rauscht, du musst erkennen die Einsicht, wenn du hinaufschaust.“
Ich öffnete die Augen, hörte die Musik wieder, die im CD-Player vor sich hinlief. Ich wagte einen Blick aus dem Fenster, und der Mond war verschwunden, hinter dem Dickicht an dunklen Wolken, die vorüberzogen. Mit der rechten Hand wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Schluchzend versuchte ich die Fassung zu behalten, aber der Schmerz an die wunderschönsten Dinge in meinem Leben war einfach zu groß. So einfach kam man niemals darüber hinweg. Ich sehnte mich so sehr nach ihr.
Ich erinnere mich, nachdem ich wieder meine Augen geschlossen hatte, an einen Tag, wo ich von der Arbeit nach Hause kam. Es war ein Freitag. Gegen Mittag kehrte ich nach Hause zurück, und als ich gerade dabei war, über die Terrasse ins Haus zu gelangen, da entdeckte ich eine Person unten am Strand. Sie saß im Sand einige Meter vor dem Wasser und beobachtete das schwankende Segelboot in Küstennähe, dass dort über das Wasser zog. Und als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass es sie sein musste. Ich lies meinen Rucksack vom Rücken gleiten, legte ihn neben die Türe und machte mich auf den Weg zum Strand hinunter. „So früh war sie noch nie bei mir gewesen an einem Freitag“, dachte ich laut.
Die Sorgenfalten auf meiner Stirn wurden immer größer, aber ich hoffte nichts schlimmes. Angestrengt von der harten Schule am Vormittag versuchte ich mich ein bisschen aufzulockern, in dem ich durch den Sand zu ihr joggte.
Als ich bei ihr ankam, reagierte sie nicht einmal auf mich. Wie angewurzelt stand ich hinter ihrem Rücken, während sie nur das Segelboot im Kopf hatte. Ich watete durch den Sand an ihr herum um sie anzusehen. Aber ihr Blick war gar nicht auf das Segelboot gerichtet, mehr doch auf das Wasser, welches sich an den Strand hinaufkräuselte, um danach wieder zurückzufließen. Ich atmete tief durch und bemühte mich, ihren Blick aufzufangen.
Als ich versuchte mich zu ihr zu setzen und nach ihrer Hand zu greifen, stand sie unvorhergesehen auf und blickte mir in die sorgenvoll dreinschauenden Augen. Ihr standen die Tränen ins Gesicht geschrieben. Fragend schaute ich sie an.
„Was ist los mit dir?“
„Ich habe dir soviel zu sagen und es gibt soviel zu erklären. Aber im Moment ist mir das einfach nicht möglich. Es wird eine Zeit kommen, da wirst du alles verstehen, dass verspreche ich dir.“
Was sie sagte, machte mir Angst. Und als sie es gesagt hatte, so drehte sie sich um und verließ mich. Auf einmal war es so still, und auf einmal war ich so einsam wie niemals zuvor. Ein Gefühl war in mir, als würde mein Herz zerbrechen und ich weiß nicht warum.
Plötzlich blieb sie stehen, sie drehte sich zu mir um und schenkte mir ein Lächeln. Dieses Lächeln habe ich niemals mehr vergessen. Denn es war ihr letztes. Danach habe ich sie nie wieder gesehen.

Heute erinnere ich mich an einen Ausschnitt aus einem ihrer Gedichte. „Einsam ruhig bis das das Schweigen jemand zu brechen vermag, meine Augen nervös suchend nach dir, in der Hoffnung dich zu
finden, nur wir zwei allein, und hier.“
Ungebrochen trieb es mir die Tränen in die Augen. Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten, denn ich sehnte mich so sehr nach ihr, dass ich für diesen Moment gestorben wäre.
So wie sie ihr Schicksal ereilte. Einen Tag später, nachdem ich sie das letzte Mal gesehen habe, starb sie an einer unheilbaren Krankheit. Ich weiß nicht wieso, nicht warum, und auch nicht, wieso Gott mir ausgerechnet eine Liebe in meinem Leben schenkte, die ich wieder verloren habe.
Die Musik aus dem CD-Player fand ihr Ende und er schaltete sich automatisch mit einem Klicken ab. Jetzt saß ich hier, in meinem Bett, allein, in der Stille und der Dunkelheit. Aber auf einmal war da jetzt etwas anders. Ich roch wieder diesen Duft, diesen vertrauten Duft. Und erst jetzt wurde mir klar, was für ein Duft dies war. „Mein Gott“, dachte ich laut, und meine Tränen hörten auf über meine bleichen Wangen zu laufen. Es war der Duft von ihr, dass Parfüm, dass sie immer trug. Ich roch es ganz deutlich, als stünde sie neben mir. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich sie spüren. Ich weiß auch nicht woher dieses Gefühl kam. Aber es war beruhigend und es tröstete mich. Mir kam es so vor, als wäre ich nicht mehr allein. Die Wärme, die Vertrautheit in diesem Raum und dieses besondere Gefühl, als wäre sie hier, ließen mich auf bessere Zeiten hoffen.
Wie als wäre er vom Himmel gefallen, entdeckte ich einen weißen Zettel neben mir auf meinem Bett liegen. Ich wusste nicht, woher er kam. Eines war jedoch sicher, er war nicht von mir. Ich nahm ihn in die Hand und sah ihn mir an. Etwas stand darauf geschrieben. Und als ich die Handschrift erkannte, wurde mir ganz warm ums Herz. Von einen auf den anderen Moment veränderte sich alles in meinem Leben. Dieser Zettel musste von ihr sein. Nur wusste ich nicht, woher er gekommen war. Die Wärme neben mir hatte mich nicht verlassen. Auf dem Zettel stand geschrieben: „Jenseits von Eden, da einer ist, der an dich glaubt, jener der zu dir hält, jemand der dir hilft abseits von Schmerz und Erinnerung.“
Ich konnte nicht anders, nein, ich begann zu weinen. Nicht aus dem Grund, weil ich mich so sehr nach ihr sehnte und weil ich sie unendlich vermisste, nein, weil ich wusste, dass ich nicht mehr allein war. Mir wurde schlagartig klar, dass ich nicht allein bin, mit meinen Gefühlen, mit meinen Träumen und meinen Ängsten. Sie ist bei mir, ganz nahe, egal wo ich bin und jemals sein werde. Sie hatte mich niemals verlassen.
Jetzt verstand ich auch ihre Worte, als ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Das eine Zeit kommen möge, wo ich alles verstehen würde. Ich wusste, jetzt war diese Zeit gekommen und ich verstand nun alles. Es war so, als wäre ich ein zweites Mal geboren worden. Ein unendliches Glück wurde mir zuteil, dass ich schätzen lernte. Nie wieder hegte ich den Gedanken, aufzugeben. Nie wieder vermochte ich mich dazu zu zwingen, wegzugehen und meine Heimat einfach hinter mich zu lassen.
Für mich begann eine neue Zeit.
Und dann stand ich auf, stand da im Dunkeln meines Zimmers, und sagte zu ihr: „ich liebe dich.“
Von den Tagen, die mir am nächsten und am liebsten waren, wollte ich ferner nicht nur mehr träumen. Ich wollte sie leben. Denn ich war dankbar für das, was mir Gott geschenkt hat. Die grenzenlose Liebe einer Frau, und das meinige Leben.
 
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Kommentare  

Sliese mic Lea an:
Eine traurike udn hofnugslosse Gesite!
Wirklid!
Rechslienfie ldie kdiin diie))

KACKE!!!
DAS ist es!!!!


W. A. Mohart (04.09.2004)

Ich habe schon einige deiner Stories gelesen
(eigentlich habe ich nach etwas von dir gesucht, das
nicht unter der Rubrik "Nachdenkliches"
veröffentlicht wurde) und stelle immer wieder fest,
du kannst sehr schön schreiben und malst mit
Worten gern Bilder. Das spricht mich an. Die
Thematik ist mir allerdings leider zu häufig zu
ähnlich... Verlust, Liebe, Schmerz, Alleinsein, Tränen,
die Suche nach der Einen, Einzigen... ich würde
einfach gern mal was Fröhliches oder Satirisches von
dir lesen. Kannst du das auch?


Trainspotterin (18.12.2002)

Ich bin wahnsinnig beeindruckt - nach dieser geschichte musste ich erstmal tief durchatmen
Sie wird einen Platz in meiner Welt finden



kleinblondi (23.09.2001)

Eine traurige udn hoffnugsvolle Geschichte zugleich. Wahre Liebe bleibt, egal was passiert...

Lea (25.06.2001)

Wenn man die wahre Liebe gefunden hat, so wird sie auch ewiglich halten. Man sollte daran festhalten und die Liebe so sehr behüten wie das eigene Leben, dass man dafür lebt.

Kevin (11.04.2001)

Obwohl die Geschichte traurig ist hat sie doch ein happy End.
Meine Meinung ist, dass die wahre Liebe über den Tod hinausgeht. Und genau das kommt auch in dieser Geschichte vor.
Einfach super geschrieben!!!


Stephanie (06.03.2001)

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