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2 Seiten

Der Esel und der Josef

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© rosmarin
Jungbauer Josef aus Niederbayern hatte sich in Schale geworfen. Der Gamsbart wippte lustig auf seinem grünen Hütchen. Seine Beine mit den strammen Waden steckten in frisch geglänzten Schnallenschuhen, seine kräftigen Hände schnippten die Hosenträger mit den Edelweißen nervös hin und her. Er wartete auf seine Verlobte, die schöne Melanie, die in der Stadt Arbeit gefunden hatte.

Sechs lange Wochen war er schon von ihr getrennt. Das war nicht mehr zum Aushalten, wo sie doch sonst fast täglich zusammen gewesen waren. Vom Sonntag bis zum Freitag hatten sie sich in der Alten Mühle am Bach getroffen und geliebt. Jeden Abend. Manchmal auch zweimal, bevor jeder wieder zu sich nach Hause eilte.

Die Eltern durften nichts davon wissen, denn sie waren ja nicht verheiratet. Noch nicht. Also nicht im
Stand der Heiligen Ehe. Und weil das Lieben unter
diesen Umständen eine Sünde war, war am Freitag
Schluss damit. Da gingen sie, wie alle Dorfbewohner,
in die kleine Kirche am Ende des Dorfes und beichteten ihre Sünden.

Die Pause währte bis Sonntagmittag. Da bekamen sie die Hostie, die ihnen ihre Sünden vergab, und erst am Abend nach der Sportschau lief jeder aus einer anderen Richtung wieder zur Alten Mühle am Bach. Dort sammelten sie wieder ihre gemeinsamen Sünden bis zum nächsten Freitag.

Melanie, die schöne Braut, brannte ebenfalls vor Ungeduld. Sie wollte wieder nach Hause, ihren Josef umarmen und lieben. Und sie vermisste die Alte Mühle am Bach. Also hatte sie dem Josef ein Telegramm geschickt und ihn gebeten, sie am Bahnhof zu erwarten, was er ohnedies getan hätte.

Der Bahnhof war etwa eine Stunde Fahrt entfernt vom Dorf. In freudiger Erwartung spannte Josef seinen Esel, dem die Bewegung auch gut tun würde, vor den Wagen und ließ den Traktor in der Scheune stehen.
Am Bahnhof angelangt, wartete er geduldig mit seinem Gespann. Doch der Zug kam und kam nicht. Bald wusste der Josef nicht mehr:
War der Zug schon weg?
Oder würde er noch kommen?
Also musste er warten, machte es sich auf dem Kutschbock bequem und träumte von seiner Melanie. Er stellte sich einen der Tage von Sonntag bis Freitag
vor und vergaß die Welt und die Ausbuchtung an einer gewissen Stelle seiner Hose verriet: Er war ein
Mann mit Fantasie.

„Sakrament!“, rief er und rieb heftig diese verräterische Stelle, „wann kommt das damische Weib denn endlich? Mich zerreißt‘s fast. Die pack ich mir gleich unterwegs!“

Ein paar Frauen kamen im Gänsemarsch vorbei. Sie grüßten den Josef, schauten zu dem Esel und kicherten hinter ihren vorgehaltenen Händen. Das wiederholte sich einige Male.
Der Josef, der sich dieses ungebührige Verhalten nicht erklären konnte, stieg vom Wagen. Er guckte
dahin, wohin die Frauen geguckt hatten, und erschrak.
Der Esel, was sollte er auch anderes tun aus Langeweile, war mit seiner Männlichkeit aus der Haut gefahren und ließ das Zeugs nun ungeniert hin und her
baumeln.
Da übermannte den Josef die Wut. Er gab dem Esel einen kräftigen Tritt in sein zitterndes Hinterteil und schrie:

„Du verdammter Saukerl! Du miserabler! Hast du das Telegramm bekommen? Oder ich!“

***
 
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Kommentare  

oh danke, das stimmt. werde es gleich ändern in - seine beine mit den strammen waden steckten ...
sei gegrüßt.


rosmarin (10.02.2013)

Hallo rosmarin,

das ist wirklich eine amüsante Geschichte :-)

Ich bin nur hier gestolpert:
Seine strammen Waden steckten in frisch
geglänzten Schnallenschuhen, ...

Das erzeugt ein schiefes Bild, da ja die Füße und
nicht die Waden in den Schuhen stecken.

LG
C.


Calliope (10.02.2013)

Eine süße kleine Geschichte. Na das müsste der Josef doch eigentlich verstehen.

Else08 (10.02.2013)

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