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2 Seiten

Ohne Worte

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© Chaosk_nd
Sie sitzen sich gegenüber, der eigene Blick streift nur einmal kurz seine glasigen, bedrücktend wirkenden Augen.
Sie schließt die Augen, trinkt einen Schluck Kaffee, atmet tief durch und versucht die Tränen zurückzuhalten.
Es ist schwer aber nicht unmöglich. Sie erinnert sich zurück an den Tag als sie sich kennen lernten. Damals, als er sie mit seiner tollpatschigen, aber für sie dennoch süßen Art anrempelte. Ihre Tasche fiel zu Boden und beide bückten sich um sie aufzuheben. Die Hände berühren sich und beide guckten sich tief in die Augen.
Sie wird nie dieses kribbeln in ihrem Bauch vergessen. Dieses unbeschreiblich schöne Gefühl, als sie sich in den darauf folgenden Tagen jeden Tag getroffen haben, bis zu dem Tag an dem sie sich zum ersten Mal küssten und zusammen die Nacht verbrachten.

Jetzt nach einer 10-jährigen Beziehung und einer gemeinsamen Wohnung sitzen sie sich gegenüber und haben sich nichts mehr zu erzählen. Sie wissen alles über sich und aufgrund dieser Tatsache vertrauen sie sich blind. Sie vermisst die Zeit in der sie sich lachend auf die Couch geschmissen haben und sie dann in seinen Armen versunken ist. Sie öffnete ihre Augen und suchte wieder nach diesen hübschen, grünen Augen, in die sie sich damals so verliebte. Sie blickte umher, aber fand sie nicht. So in Gedanken versunken bemerkte sie nicht einmal das er aus dem Raum ging. Ein Gefühl der Unsicherheit überkam sie.
Sie bemerkte, dass ihr Kaffee in der Zwischenzeit schon kalt geworden ist. Sie steht auf, stellt die Tasse weg und geht ins Wohnzimmer. Sie sieht ihn da sitzen, er dreht ihr den Rücken zu und sitzt vor dem Computer. Sie geht zu ihm doch noch schenkt er ihr keine Beachtung und starrt sturr auf den leuchtenden Bildschirm. Sie küsst ihn auf den Nacken und er dreht den Kopf zu ihr, gibt ihr einen kleinen Kuss auf die Wange und lächelt. Aber nicht ein nettes oder freudiges lächeln, es kommt schon so alltäglich rüber, fast gezwungen.

Sie dreht sich um und geht ins Schlafzimmer.

Nimmt eine große Tasche und packt ihre wichtigsten Dinge zusammen. Dann zieht sie sich an und geht in den Flur. Sie holt ihren Schlüssel mit einem komischen Gefühl in ihrem Herzen. Ohne auch nur ein Wort zu sagen stellt sie ihre Tasche ab, geht noch einmal zu ihm und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Doch diesmal reagiert er nicht. Kein Kuss, kein Lächeln, als wenn er irgendetwas wüsste. Sie läuft Richtung Flur und nimmt ihre Tasche. Sie dreht sich nochmal um und hofft das er sie aufhällt oder sich wenigstens noch einmal umdreht, aber das passiert nicht und insgeheim wissen es beide. Den Schlüssel legt sie auf den Wohnzimmertisch, da sie nicht vor hat zurückzukommen. Mit gesenktem Kopf und wässrigen Augen verlässt die die Wohnung, in der die beiden schon so viel erlebten.

Sie zieht die Tür hinter sich zu und hält noch einmal einen Moment inne.

Sie läuft die Treppen hinunter, die ihr so vertraut waren und ihr kommt es so vor, als wenn der Weg sich fürchterlich in die Länge ziehen würde. Sie tritt auf den Gehweg und schaut noch einmal rauf auf das Fenster ihrer Vergangenheit. Anscheinend wussten beide, dass es an der Zeit ist auf Wiedersehen zu sagen. Wenn auch ohne Worte aber sie waren sich so vertraut und kannten einander so gut das sie die noch nicht einmal brauchten. Es wird noch einige Zeit dauern bis sie sich wiedersehen können, Monate vielleicht auch Jahre, aber selbst dann werden sie einander noch so vertraut sein, wie an dem Tag als sie ging. Ein Tag an dem sie so innig verbunden waren wie lange schon nicht mehr, und mit respektvoller, hochachtungsvoller Liebe.

Die jetzt wieder frei ist, wie sie es lang nicht mehr war.
 
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