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3 Seiten

Becker (Teil 7)

Romane/Serien · Nachdenkliches
© Middel
(24)
Handeln zu müssen, obwohl alles, was man in den nächsten Sekunden tut, nur falsch sein kann, ist mit das Härteste, was einem im Leben passieren kann. Und nichts zu tun ist ja auch eine Aktion. Man muss sich, bewusst oder unbewusst, entscheiden, weil einem die Entscheidung sonst abgenommen wird.
Ich steckte in einem absoluten Dilemma und mir blieben nur Sekunden. Es war mir mittlerweile sonnenklar, dass das, was hier ablief, grundlegend falsch war. Annie und Fisch spielten ein falsches Spiel und Becker, was auch immer er für ein Drecksschwein war, sollte hier eiskalt ausgenommen werden. Das Problem war nur, ich steckte bis zum Hals selber mit in dieser Riesenscheiße. Und wie ich es auch drehte und wendete, ich wusste in diesem Moment, dass ich hier nicht mit einem blauen Auge aus der Sache wieder rauskommen würde. Wenn ich aus dem, was hier abging, überhaupt je wieder raus käme.
Ich musste an Annis Worte von vor ein paar Minuten denken: „Der einzige Zufall war, dass wir dich kennengelernt haben. Das hat einiges leichter, aber leider auch vieles komplizierter gemacht.“ Was meinte sie damit? Was war einfacher geworden, was denn zum Teufel noch
komplizierter? Hatte sie vielleicht auch Gefühle für mich? Zweifelte sie an der Richtigkeit dieser Aktion hier? Warum hatte sie sich überhaupt auf mich eingelassen? Mein Gott, so viele Fragen und nicht der Hauch einer Antwort in Sicht.
Wenn nur diese Nacht nicht gewesen wäre. Diese eine Nacht, die mich in die schiere Verzweiflung trieb. War das alles echt gewesen? Also Annis „Gefühle“ mir gegenüber … meiner Gefühle war ich mir mittlerweile voll und ganz bewusst. Nur diese beschissenen Gefühle für Annika hatten mich doch letztendlich hierher gebracht. So viel stand fest. Aber ebenso fest stand auch, dass ich alles hundertprozentig wieder so machen würde, wenn ich vor der Wahl stünde. All diese Überlegungen sprudelten rasend schnell über mich herein. Es waren nur wenige Augenblicke, in denen ich aber praktisch ohne zu atmen und vollkommen regungslos verharrte.

Eine Entscheidung im eigentlichen Sinne wurde mir dann abgenommen. Gerade als Becker wieder auf die Beine kam und Jonas sich weitestgehend berappelt hatte, sprang hinter mir die Tür auf und Annika hatte dieses blitzende, silberne Ding in der Hand.
Ich war wie gelähmt, vollkommen perplex. Ich wollte schreien, doch es wurde ein lautloser Schrei. Becker rannte an mir vorbei auf Annika zu, während ich vollkommen erstarrt nur zusah, wie das Unglück seinen Lauf nahm. Auch heute noch bereitet es mir Schwierigkeiten die folgenden Momente zu schildern. Momente in denen sich all unsere Leben für immer veränderten. Aus Menschen wurden Mörder …
Annika stand einfach in der Tür. Becker sah sie nicht oder es war ihm schlichtweg egal. Wahrscheinlich war er einfach nur panisch. Alles ging so furchtbar schnell. Was dann folgte waren Sekunden, die sich wie Minuten anfühlten. Obwohl ich unfähig war mich auch nur einen Millimeter von der Stelle zu rühren, wusste ich was passieren würde, bevor es tatsächlich geschehen war. Wie in Zeitlupe sah ich Becker genau auf Annika zurennen.

Nur Augenblicke später lag Annika benommen auf dem Boden und Fisch schrie: „Wo ist das Messer, Anni, wo ist das verdammte Messer?“ Er war inzwischen an mir vorbei gehastet und stand über der am Boden kauernden Annika. „Ich … keine Ahnung …“, stammelte sie nur und sah sich um. Becker war, so schien es, einfach durch sie hindurch gelaufen.
„Wir müssen den Penner finden …“ Fisch stürmte wie ein Irrer Richtung Flur und auch ich begann endlich wieder, mich zu regen.
(25)
Nachdem ich Anni aufgeholfen hatte, rannte ich wie ein besessener hinter Jonas her. Mein Körper war nun pures Adrenalin und ich wusste, falls ich noch irgendwas an dieser verschissenen Situation retten konnte, dann nur, wenn ich nicht zu spät kam. Ich war mir nicht sicher, ob Annika mir folgte oder ob sie im anderen Raum geblieben war und für den Moment war es mir auch völlig egal, denn ich hatte nur diesen einen Gedanken im Kopf und der lautete: „Ich muss Jonas aufhalten!“
Dieser wiederum rannte im Vollsprint den Flur runter und hetzte dann im Höllentempo einen Treppenabsatz rauf. Ich war circa 3-4 Meter hinter ihm und holte sogar etwas auf. Ich glaube, dass mir mein Adrenalinschub neue Kräfte verlieh und ich so die letzten Reserven aus mir rausholen konnte. Vielleicht konnte ich ja doch noch irgendwie aus diesem Alptraum entkommen und es schaffen, dass sich alles zum Guten wendete – irgendwie! Man musste doch nur mal vernünftig mit Becker reden, der ja auch kein Unschuldslamm war und ihn dazu drängen, uns nicht zu verpfeifen, wenn wir dafür im Gegenzug einfach verschwanden. Das musste doch klappen. Was blieb war, Jonas runterzukochen und aufzupassen, dass er nicht eine große Dummheit beging. Ich rannte also noch schneller Richtung Treppe.
Doch am Treppenabsatz blieb ich plötzlich stehen. Fassungslos starrte ich die nach oben gehende Treppe an.
Denn, was ich dort erblickte, ließ mir sprichwörtlich das Blut in den Adern gefrieren und mein Herz setzte ein, zwei Schläge aus. Irgendwie hatte ich es ja schon geahnt, aber meine schlimmsten Befürchtungen wurden nun tatsächlich bestätigt. Das Treppengeländer war blutverschmiert.


(Fortsetzung folgt)
 
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Kommentare  

Gut geschrieben, denn man kommt trotz langer Zeit Pause wieder vollständig in die Story rein. Immer noch sehr spannend und ich hoffe, dass es rasch weitergeht.

Gerald W. (29.09.2013)

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