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Memoiren eines Schriftstellers - 8. Kapitel

Romane/Serien · Fantastisches
Kapitel 8


Seitdem William im Besitz dieser Schreibfeder war, schien das Glück sein unausweichlicher Begleiter zu sein. Als er am nächsten Mittag am Hafen von Constanta entlang schlenderte und verzweifelt nachdachte, wie er schnellstmöglich in die Vereinigten Staaten zurückkehren könnte, erblickte er an der Pier eine beachtliche Motoryacht. Am Fahnenmast des Achterdecks flatterte, sachte im Sommerwind, eine amerikanische Flagge. Man hörte lautstark den Song von The Rolling Stones
Satisfacition, zwischendurch waren Jubelschreie und das Lachen von jungen Leuten zu hören. William stellte sich direkt vor die Luxusyacht, horchte und schaute zum Bug hinauf. Er blickte kurz auf den Namen des Schiffes, welcher mit einem blauen Schriftzug lackiert wurde: Godspeed. Der Schiffsname war mehrdeutig und er fragte sich, was damit wohl gemeint war. Etwa, viel Glück? Gute Reise oder, viel Erfolg? Es könnte jedoch auch bedeuten: Gott behüte dich.
„Hey du!“, hörte William plötzlich von oben herab rufen. „Du bist Amerikaner, stimmt’s? Das sehe ich dir doch an! Sag mal, kommst du grad aus dem Krieg?“
Ein gutaussehender Kerl lehnte sich gegen die Reling und grinste ihn an. Nachdem er seinen Freunden zugerufen hatte, dass dort unten an der Pier vermutlich ein Vietnamveteran stehen würde, verstummte die Musik. Zwölf Personen, junge Männer und Frauen die durchschnittlich Williams Alters waren, blickten neugierig hinunter. William lächelte und hob grüßend seine Hand. Dann wurde die Schiffsluke geöffnet…

Chapter 7 aus meinen Memoiren: Mein Mädchen aus L.A.

Dass sie mich zuerst für einen Kriegsveteranen hielten, war für mich nicht sehr verwunderlich. Meine Jeans war schmutzig und an beiden Knien aufgerissen, außerdem trug ich trotz dem herrlichen Wetters einen Army-Parka, den ich damals von Gary geschenkt bekommen hatte. Mein einziges Hab und Gut war ebenfalls in einem Armee-Rucksack verstaut und mein langes Haar sowie der Vollbart verrieten, dass ich schon eine sehr lange Zeit unterwegs war. Ich sah schmuddeliger und verwegener aus als damals, als ich noch ein Obdachloser war. Eigentlich war ich jetzt wieder ein Obdachloser und stand nun auf dem Bootsdeck einer Luxusyacht, umgeben von reichen Leuten, von denen nur wenige älter als ich waren (bis auf den dicklichen Typ mit der Halbglatze, den ich um die Vierzig schätzte).
Sie sahen alle toll aus, vor allem die Frauen. Die meisten waren nur mit Bikinis bekleidet und schlürften Champagner. Der Kerl, der mich als erster begrüßt hatte, das war George Wright. George war ein schlaksiger Typ mit schulterlangen Haaren und buschigen Koteletten. Er trug eine weiße Jeans mit Schlag und lief barfüßig rum. Sein weißes Hemd war aufgeknöpft, sodass man seine behaarte Brust sah, und um seinen Nacken lag eine beachtliche Goldkette, die im Sonnenschein glitzerte. George war mit seinen siebenundzwanzig Jahren der Zweitälteste dieser Clique und wirkte auf mich sehr gebildet, trotzdem nicht spießig. Kurz gesagt, George war ein absolut cooler Typ. Überhaupt waren nur coole Leute an Bord, denn sie kamen aus Los Angeles und waren gerade dabei den Anker zu lichten, um wieder in die Heimat zu fahren. Da hatte ich wirklich riesiges Glück gehabt, dass die Destiny bereits im Morgengrauen verschwunden war. Nicht auszudenken, wenn ich nur zehn Minuten später am Hafen erschienen wäre.
Man muss sich das einfach so vorstellen: Ich war ein einfacher Bursche aus Massachusetts und ich, sowie alle meine damaligen Schulkammeraden und Kameradinnen waren früher der Meinung gewesen, dass alles was in New York angesagt war, absolut cool war. Sei es Musikbands oder der Modetrend. Doch was aus Kalifornien kam, das setzte nochmal einen oben drauf. Und wenn der kalifornische Trend uns endlich auch an der Ostküste erreicht hatte, hatte San Francisco und L.A. längst etwas Neues zu bieten.
Dann lernte ich noch drei weitere Personen kennen, die mich in meinem zukünftigen Leben begleiten sollten. Adam Hopkins war, genauso wie George, weiß bekleidet, nur sah er nicht lässig sondern vielmehr souverän und smart aus. Er trug eine weiße Buntfaltenhose und ein gebügeltes T-Shirt, außerdem hatte er schwarze Lackschuhe an und auf seinem Kopf lag eine Kapitänsmütze. Ich war selbstverständlich davon ausgegangen, dass er auch der Kapitän der Godspeed war. Es stellte sich jedoch heraus, dass Adam eine wahre Landratte war und er nicht einmal Steuerbord von Backbord unterscheiden konnte. Adam war der Besitzer dieser Motoryacht und hatte extra einen Kapitän plus eine vierköpfige Besatzung angeheuert, die das Schiff steuerten und die Herrschaften gegebenenfalls betreuten. Unter den Besatzungsmitgliedern war sogar ein Sternekoch.
Adam Hopkins war grad mal drei Jahr älter als ich und war bereits ein Multimillionär. Das Schicksal hatte es wirklich zu gut mit ihm gemeint, denn er wurde reich geboren. Außerdem sah er fabelhaft aus und charmant war er obendrein. Adam war ein typischer Sonnyboy und ein ausgesprochener Witzbold, der für jeden Spaß zu haben war. Diesen Eindruck hatte ich sofort als er mir die Hand schüttelte. Adam ahmte einen kauzigen Seebär wie Popeye nach, indem er ein Auge zukniff und ein zerknautschtes Gesicht machte, und mich mit verstellter Stimme begrüßte: „Hi. Ich bin der Matrose Adam. Aye-Aye-Aye-Aye Captain.“ Daraufhin lachten wir alle. Mir wurde einfach ein Champagner Glas in die Hand gedrückt, dann sollte ich es mir in einem Liegestuhl bequem machen und erzählen, wie es mich hierher nach Rumänien verschlagen hatte. Dann wurde der Anker gelichtet. Wir stachen in See und ließen Europa hinter uns.

Ohne dass ich darum bitten musste stand es fest, dass sie mich in die USA mitnehmen würden. Sie konnten mich in Cape Cod praktisch vor der Haustüre absetzen, denn an unserer kleinen Anlegestelle war auch der Schiffskutter meines Vaters befestigt, die von meinem Zimmer in der Dachgaube aus von Weiten gut zu sehen war.
Bei ihnen fühlte ich mich sofort wohl. Ich bekam erstmal etwas Gutes zum Essen, konnte duschen und weil Adam und ich die gleiche Statue hatten, durfte ich seine Garderobe benutzen und mich anständig ankleiden. Wenn man die Besatzungsmittglieder nicht mitzählte, waren inklusiv meiner Anwesenheit, sechs Männer und sieben Frauen an Bord. Zwei Blondinen und eine Brünette, umschwärmten und bedienten Adam die ganze Zeit. Ein Küsschen hier und ein Küsschen da, manchmal schmuste Adam mit den drei Hübschen sogar gleichzeitig. Ja, irgendwie war er zu beneiden. Adam war ein König, jedenfalls lebte er wie einer.
Dann war da noch Melissa, die jeder nur Missey nannte. Sie war die Jüngste an Bord, zwei Jahre jünger als ich, und sah, im Gegensatz zu den anderen Frauen, eher unscheinbar aus. Ihr dunkelblondes Haar hatte sie stets zu einem schlichten Zopf gebunden, außerdem war sie mit einer kurzen Jeans und T-Shirt bekleidet, statt wie die Anderen nur mit einem Bikini. Wenn sie sich sonnen wollte nahm sie ein Handtuch, stieg die Treppe hinauf zur Kommandobrücke und legte sich alleine auf das Dach. Sie war ein bisschen pummelig, aber es passte zu ihrem Wesen und außerdem war sie ja hübsch, nur war sie eben nicht solch eine Sexbombe, wie die anderen Damen.
Missey und George waren, wie ich es dann später erfahren hatte, miteinander verheiratet. Mir war zwar schon anfangs aufgefallen, dass die beiden sich ausgezeichnet verstanden und scheinbar sehr gute Freunde waren, jedoch wäre ich nie darauf gekommen, dass sie ein Ehepaar waren. George war eindeutig die attraktivere Person. Zudem war er cool und sehr smart, meiner Meinung nach hätte er jede andere haben können.
Übrigens war George Wright ein junger Rechtsanwalt und hatte kürzlich die Kanzlei seines Vaters übernommen, und Missey studierte Medizin und wollte Chirurgin werden. Sie war wirklich ein kluges Köpfchen, äußerst intelligent, bodenständig und sehr selbstbewusst. Ich muss zugeben, dass Missey wesentlich reifer als ich war, dementsprechend wirkte sie auch älter als ich. Ja, ich glaube sie musste auch unbedingt selbstbewusst und klug sein, damit so ein taffer Kerl wie George sich für ein sieben Jahr jüngeres graues Mäuschen überhaupt interessierte und sie sogar heiratete. Na ja, wo die Liebe eben hinfällt, aber eigentlich hatte ich von Liebe genauso viel Ahnung, wie Adam vom Segeln. Missey war eben eine der typischen Frauen die man näher kennen lernen musste, um ihre Attraktivität zu erkennen.

An Bord war allerdings eine einzige Frau, die selbst Adams halbnackte Sexbomben in den Schatten stellte. Sie verdeckte ihre reizende Figur ebenfalls täglich, mit einem Sommerkleid, obwohl gerade sie es sich leisten konnte, ständig im Bikini herumzulaufen.
Diese atemberaubende Dame hieß Penélope Martinez, sie war eine in Los Angeles geborene Spanierin, war so alt wie ich und hatte wundervolles, langes hellbraunes Haar. Noch nie zuvor hatte ich in solch ein anmutiges, makellos hübsches Gesicht geblickt. Sie hatte wunderschöne dunkle Augen und ihre wohlgeformte Nase sowie ihr verführerischer Mund, betörten mich seitdem sie mir unter all den Schönheiten aufgefallen war. Obendrein war sie witzig, sie stand öfters im Mittelpunkt und unterhielt die Clique mit starken Sprüchen oder lustigen Ereignissen, die sie erlebt hatte. Bis auf den ersten Tag, als ich an Bord der Godspeed kam, da stand ich zwangsweise im Mittelpunkt. Mir gegenüber verhielt sie sich etwas schüchtern und begrüßte mich nicht persönlich, so wie es die anderen taten. Penélope blieb abseits, während alle anderen um mich herumstanden und mich befragten, nur wenn sich unsere Blicke kreuzten, dann schenkte sie mir ein zauberhaftes Lächeln. Ich konnte gar nicht anders und musste bei jeder Gelegenheit zu ihr rüber schauen. Bald war mir dann aufgefallen, dass sie mich beobachtete. Sie nippte an ihrem Champagner Glas und starrte mich konstant an, was mich zugegeben etwas nervös machte. Ich war es schließlich nicht gewohnt, dass mich eine dermaßen atemberaubende Frau länger als zwei Sekunden anblickte, dass mich überhaupt ein weibliches Geschöpf beachtete. „Die kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen, Carter“, dachte ich mir im Stillen. „Die lächelt nur der Höflichkeit wegen. Da musst du schon ein cooler reicher Typ wie Adam oder George sein, um bei einer Frau wie sie es ist, landen zu können.
Eine der jungen Frauen zog sogar extra wegen mir aus ihrer Kajüte aus, damit ich einen eigenen Schlafplatz hatte. Dies wäre kein Problem, meinte die schöne Blondine, weil sie sowieso jede Nacht bei Adam schlafen würde.
Ich schaute mich um. Diese Kajüte war zwar auch nicht viel größer, als die ich auf der Destiny bewohnt hatte, dafür war diese umso gemütlicher. Mir stand ein nobles Ehebett zur Verfügung, mit weichen Bettbezügen darauf unzählige Stofftiere lagen. Vor dem Bett stand ein kleiner Tisch und in dem Einbauschrank war sogar ein Plattenspieler mit wuchtigen Lautsprecherboxen. Stereo, wohlbemerkt! Ich besaß zu Hause zwar auch einen mickrigen Plattenspieler (Mono selbstverständlich), dessen Tonqualität zu wünschen übrig ließ, doch dieser Plattenspieler war klobig und es leuchteten sogar kleine Lämpchen auf, wenn man das Gerät einschaltete. Der Sound war einfach ein Ohrenschmaus. Man sah es dem guten Stück an, das es mindestens 500 Dollar gekostet hatte. Aber das war nicht verwunderlich, schließlich befand ich mich unter Millionäre.
Dann stutzte ich, weil auf dem Tisch ein kleiner Spiegel lag, darauf die Reste einer weißen, pulvrigen Substanz haftete. Daneben lag ein eingerollter Geldschein und ich war erstaunt als ich diesen aufrollte, denn es war eine 100 Dollar Note. Ich legte den Schein zurück und fragte mich, wie man es nur fertig bringen konnte, Hundert Dollar einfach achtlos liegen zu lassen. Spät am Abend, während ich eine Schallplatte nach der anderen auflegte und gespannt der Musik zuhörte, klopfte es plötzlich an meiner Kajüte und ich war völlig überrascht, als die bezaubernde Spanierin Penélope einfach unaufgefordert hereintrat.
„Ich will mit dir ein bisschen Musik hören“, sprach sie mit einem ausgeprägten spanischen Akzent, der in meinen Ohren unheimlich sexy klang und mein Herz ein paar Takte schneller schlagen ließ, als gewöhnlich.
„Tja, also … Ja klar, setz dich doch“, antwortete ich sichtlich perplex.
Da hockte sie nun barfüßig, bekleidet mit einem roten Sommerkleid im Schneidersitz auf dem Ehebett, lächelte und sah mich mit ihren großen dunklen Augen an. Die Yacht schunkelte leicht und ich erinnerte mich, dass auch an manchen Tagen die Destiny geschunkelt hatte, dann tobte aber über dem Meer ein gewaltiges Unwetter.
Draußen auf dem Bootsdeck hatte sie auf mich wie eine reife Frau gewirkt (Penélope war ebenfalls 22 Jahre alt), aber jetzt entpuppte sie sich zu einem Mädchen, die mit mir rumalberte und kicherte. Sie warf mir nacheinander die Stofftiere, die überall auf dem Bett lagen, gegen meinen Kopf, bis ich mich rächte und sie durchkitzelte, daraufhin wir letztendlich eine wilde Kissenschlacht machten.
Mein gehemmtes Gefühl ihr gegenüber verflüchtigte sich rasch, denn wir waren auf einer Wellenlänge und entdeckten viele Gemeinsamkeiten. Sie mochte genau die gleichen Songs und hatte den gleichen Humor wie ich. Ganz besonders mochten wir die aktuellen Songs von Scott McKenzie San Francisco und von The Mamas And The Papas California Dreamin`, diese Singles wir abwechselnd auflegten und dabei verrückt tanzten. Insbesondere machte uns der Song California Dreamin` regelrecht süchtig, sodass wir dieses Lied sobald es ausklang, erneut auflegten.
Irgendwann griff Penélope unter dem Tisch auf die Ablage, holte einen kleinen Beutel hervor, darin ein weißes Steinchen steckte, nicht größer als eine Murmel, und quiekte freudig: „Wusste ich`s doch.“ Sie zerhackte es mit einer Rasierklinge, während sie munter über ihre Kindheit redete. Als der kleine Stein nur noch ein Pulverhäufchen war, bereitete sie daraus vier Portionen zurecht und zog diese mit der Rasierklinge in die Länge auseinander. Das restliche Häufchen schob sie zur Seite, klopfte die Rasierklinge vorsorglich ab und schob selbst das letzte Krümelchen dorthin. Sie behandelte sogar die Reste des weißen Pulvers, als wäre es Goldstaub.
„W-was machst du da? Sind das etwa Drogen?“, fragte ich unsicher. Bevor Penélope mir antwortete, nahm sie den eingerollten Hunderter und beugte sich über den Spiegel. Ich konnte nicht sehen was sie machte, weil ihr langes Haar über den Tisch fiel und dabei ihr Gesicht verdeckte, aber ich hörte wie sie das Pulver in ihre Nase einsog. Sie warf sich zurück aufs Bett, rieb sich ihre Nase und schniefte. Dann richtete sie sich wieder auf, saß im Schneidersitz aufrecht und lächelte mich an.
„Ach Will, das ist doch bloß Koks. Nehmen die Anderen alle auch“, antwortete sie arglos.
„Wie, Adam auch? Und sogar George?“, fragte ich erstaunt.
Da war ich wirklich verblüfft. George war äußerst gescheit, dass merkte man schon wie er sich ausdrückte. Und der nahm tatsächlich Drogen?
„Missey etwa auch?“
„Nein, Missey raucht nur ab und zu einen Joint. Ihr gefällt der Kokskopf nicht, hat sie mir letztens gesagt. Wenn die Wirkung nämlich nachlässt, fühlt man sich manchmal beschissen und abgefuckt. Darauf hat sie kein Bock.“ Sie schmunzelte. „Dabei muss man nur ein paar Joints rauchen und eine Flasche Wein trinken, um wieder runter zu kommen. Dann ist alles wieder okay“, meinte sie.
„Und es macht ihr gar nichts aus, dass George, ihr Ehemann, Kokain nimmt?“, fragte ich verwundert. Penélope zündete sich eine Zigarette an, inhalierte und blies mir den Qualm entgegen. Es machte mir jedoch gar nichts aus, von ihr eingenebelt zu werden. Ich hätte sogar ihre Spuke getrunken.
„Nö, wieso auch? George macht ihr ja auch keine Vorschriften, was sie zu tun und zu lassen hat. Die sind ein cooles Pärchen. So einen Mann will ich auch … Nur so einen Mann!“, fügte sie ausdrücklich hinzu. „Ist wohl dein erstes Mal? Komm schon, Will. Da ist wirklich nichts dabei und es wird dir gefallen.“

Was hätte ich denn machen sollen? Diese tolle Frau, auf die ich vom ersten Augenblick scharf gewesen war, empört hinauswerfen und sagen, dass ich mit dem Zeug und mit dir nichts zu tun haben will? Bin ich denn ein Narr? Außerdem war ich neugierig, war für alles offen, und wollte ohnehin schon immer mal wissen, was es mit den Drogen so auf sich hatte. Was war daran so unwiderstehlich, dass es jeder unbedingt haben wollte und man davon sogar süchtig werden konnte, fragte ich mich. Zwar hatte ich die warnenden Worte von Gary noch sehr gut im Gedächtnis, dass nur abgefuckte Junkies die verdammten Drogen nehmen würden und sogar noch schlimmer dran wären, als die Penner, aber die Leute hier auf der Godspeed, das waren sicher keine Junkies. Nein, wahrlich nicht. Diese Jungs und Mädels waren unheimlich reich und hatten bereits in ihren jungen Jahren was erreicht, glaubte ich. Erfolg und Reichtum, trotz dass sie Kokain konsumierten. Also sprach doch gar nichts dagegen, dass auch ich es mal ausprobierte. Außerdem wollte ich um keinen Preis diesen wunderschönen Abend vermasseln, dass Penélope mich für spießig halten und schließlich verschwinden würde. Also nahm ich den eingerollten Hunderter und sog die Koka-Line in meine Nase ein.
Dann blickte ich sie fragend an. Ich hatte irgendetwas erwartet, mindestens ein leichtes Brennen in der Nase, dass mir sogleich schummrig wurde oder so, aber nichts dergleichen spürte ich. Nur einen undefinierbaren Geschmack und das mein Herz plötzlich etwas schneller pochte.
„Komisch, ich merk jetzt aber nix“, sagte ich.
Penélope schmunzelte.
„Du Dummerchen. Ein paar Minuten musst du schon noch abwarten. Das ist schließlich kein Heroin, dass sofort knallt“, sagte sie mit ihrem wundervollen Akzent, während sie ständig schniefte. „Adam besorgt sich das Koks immer von einem Dealer, der es aus Kolumbien beschafft. Glaub mir, der Stoff ist jedes Mal der Hammer!“
Nun fiel mir auf, dass sie sich etwas verändert hatte. In ihrem Verhalten, meine ich. Man merkte es schon, wie sie sich eine Zigarette anzündete und rauchte. Nun war sie nicht mehr das unbeschwerte Mädchen, sondern wirkte unnahbar, absolut cool und selbstsicher auf mich. Aber dieser Eindruck verflüchtigte sich bald, weil ich ihr folgte und mir auffiel, dass auch ich mich ebenfalls fremdartig verhielt. Aber ich wehrte mich gar nicht dagegen, sondern genoss es und wollte es ausreizen, mich endlich auch mal verdammt cool zu fühlen.
Ich merkte etwas im Hals, es schmeckte bitter und lief an meiner Kehle runter. Ein dezentes Taubheitsgefühl verbreitete sich in meinem Rachen – ich musste ständig schlucken und bekam einen wahnsinnigen Durst auf Bier, obwohl ich doch ein Erzfeind des Alkohols war. Ebenso fühlten sich meine Zähne taub an. Möglich, dass es absurd klingt, aber dieser bittere Kloß im Hals und dieses Taubheitsgefühl empfand ich als angenehm. Und mit jedem Schluck spürte ich, wie das Kokain sich entfaltete.
Ein wohliges Gefühl umhüllte mich, ganz sachte, und ich meinte, dass es in meinem Gehirn gleichzeitig, wie ein Dimmer, heller wurde. Mir ging sprichwörtlich ein Licht auf und glaubte den totalen Durchblick zu haben. Mein Mitteilungsbedürfnis stieg immens, gleichzeitig mochte ich ihr zuhören.
Ich nahm meine Umgebung plötzlich intensiver wahr und fühlte mich in dieser engen Kajüte noch wohler als zuvor. Aber am angenehmsten war mir die Anwesenheit von Penélope.
Eine unbeschreibliche Euphorie überkam mich. Ich freute mich plötzlich über alles. Nichts war mehr langweilig. Wir sahen bestimmt gemeinsam eine halbe Stunde durch das Bullauge hinaus und beobachteten die dunkle See.
Es war faszinierend. Der Horizont schimmerte in der sternenklaren Sommernacht wie ein bläulicher Lichtstreifen, und das Meer sah wie eine schwarze, wellige Masse aus.
Zum Rumalbern hatten wir keine Lust mehr sondern führten stattdessen rege, ernsthafte Gespräche. Über unsere Kindheit, philosophierten über das Leben und den Tod sowie auch über unsere Zukunft. Es stellte sich heraus, dass Penélope sich ebenfalls sehnlichst ein Kind wünschte, jedoch war ihr sehnlichster Wunsch, genauso wie ich mir eine Tochter wünschte, dass sie unbedingt einen Sohn haben wollte. Wir hatten sehr viele Gemeinsamkeiten und als sie so in meinen Armen lag und von ihrem Leben erzählte, realisierte ich wie nah sie bei mir lag und meinte, dass unsere Seelen sich vereinen würden. Das war ein unglaublich wundervolles Gefühl.

Penélope hatte, genauso wie ich, vor einigen Jahren ihr Elternhaus im Streit verlassen. Sie war gar nicht reich, im Gegenteil. Sie lebte im Grunde auch nicht viel besser als ich. Penélope hatte nicht einmal einen Schulabschluss absolviert, wohnte in Los Angeles zur Untermiete in einem kleinen Zimmer und bestritt ihren Lebensunterhalt als Bedienung im bekannten Rockclub Whisky a Go Go. Dort traten viele Musiker live auf, die später auch berühmt wurden, wie beispielsweise Alice Cooper, The Doors oder Frank Zappa mit seiner Band.
Penélope träumte von einer Schauspielerkarriere in Hollywood. Dass sie eine Kämpferin war und verbissen ihren Traum verfolgte, hatte ich sofort erkannt. Sie hatte einen immensen Vorteil, sie sah umwerfend aus und konnte ein Selbstbewusstsein geschickt schauspielern. Dabei war Penélope nämlich gar nicht selbstbewusst, sondern äußerst schüchtern und verletzbar und gestand mir, dass sie es eigentlich als unangenehm empfindet, wenn ihr die Männer ständig nachstellten. Sie gestand mir außerdem, dass einige einflussreichen Herren von Hollywood ihr zwar eine Filmrolle versprochen hatten, aber als Gegenleistung dafür sollte sie ihre Beine breit machen oder sie anderweitig befriedigen. Penélope erzählte mir arglos, wozu sie gedrängt wurde (obszöne Worte auszusprechen, damit hatte sie keine Probleme und ich gewöhnte mich schnell daran). Darauf hatte sie sich aber nie eingelassen, beteuerte sie. Penélope erzählte mir, dass sie schließlich auf einer Party von Andy Warhol, in seiner sogenannten Factory, eines Tages Adam kennen gelernt hatte. So war sie in seine Clique geraten.
„Wow“, sagte ich. „Du hast tatsächlich Andy Warhol kennen gelernt?“
„Ja. Und Bob Dylan und Mick Jagger auch.“ Sie lag in meinen Armen und blickte zu mir hoch. „Das ist völlig normal wenn man in L.A. wohnt und mit Adam unterwegs ist. Dann trifft man automatisch irgendwelche Stars“, erklärte sie mir mit ihrem wundervollen Akzent.
Da war ich baff. Wir hatten in dieser Nacht den kompletten Stein, circa zwei Gramm Kokain, verputzt und sind erst am frühen Morgen, als die glutrote Sonne langsam aus dem Meer stieg, friedvoll umschlungen eingeschlafen. Gegen Nachmittag klopften George und Missey an unsere Kajüte.

Im Gegensatz zu Penélope ging es mir, trotz der durchzechten Nacht, ausgesprochen gut. Eher gesagt, fühlte ich mich fabelhaft. Es war ihr anzumerken, dass dieser unerwartete Besuch sie störte. Irgendwie war ich stolz darauf, denn das sagte doch aus, dass Penélope nur meine Nähe bevorzugte und mich sogar liebte?
George und Missey wollten nur wissen, ob es mir gut ginge und ob sie etwas für mich tun könnten. Die Zwei drehten einen Joint und wir plauderten, dies Penélope sichtlich nervte und sie manchmal bissige Kommentare von sich gab. Manchmal brummelte sie irgendwas Unverständliches vor sich her, wobei sie einen äußerst zickigen Eindruck auf mich machte.
Jetzt erlebte ich meine Göttin (Shirley Temple war nun vom Thron gestoßen worden) von ihrer unschönen Seite. Sie quatschte dauernd etwas Spanisches dazwischen und warf dem Ehepaar warnende Blicke zu (Oh ja, rasch giftig konnte sie schon immer werden). George jedoch blieb gelassen und hielt ihr den Joint entgegen, daran sie dann hektisch zog und eine Zeit lang Ruhe hielt. Aber selbst ihr temperamentvolles, wütendes Wesen, empfand ich als äußerst attraktiv und sexy. Es stand seit dieser Nacht fest: Penélope war meine Traumfrau und es war realistisch, sie eines Tages sogar zu heiraten.
George und Missey waren wirklich dufte Kerle. Besonders hatte ich George in mein Herz geschlossen, weil er einfühlsam war und sich dennoch konstruktiv äußerte und mir wirklich gute Ratschläge in jeder Hinsicht gab. Da ich ja wusste, dass ich ausschließlich sensibel und feinfühlig war und dementsprechend auch des Öfteren kopflos handelte, und somit schon manch wichtige Entscheidungen zu meinen Nachteil gemeistert hatte, bewunderte ich George und vertraute ihm anstandslos.
Ich plauderte also auch das heraus, was ich eigentlich nie wieder erwähnen wollte – dass ich Romane schrieb. George und Missey beharrten daraufhin, dass ich ihnen meine Notizblöcke aushändige, um sie zu lesen. Nach einem langen Hin und Her drückte ich dem jungen Ehepaar schließlich meine Geschichten und Manuskripte in die Hand. Manuskripte? Davon konnte eigentlich keine Rede sein, denn es war nur ein Roman, diesen ich höchstens bis zur Hälfte geschrieben hatte und der Rest – abgesehen von den dreiundvierzig abgeschlossenen Kurzgeschichten –, waren bloß niedergeschriebene Ideen, die eventuell irgendwann Romane hätten werden sollen.
„War das jetzt alles? Können Will und ich endlich wieder alleine sein? Wir wollen ficken!“, meldete sich Penélope wieder patzig zu Wort.
George sah sie nur ausdruckslos an und zuckte mit den Schultern.
„Klar, ist cool. Wir verduften ja schon. Missey und ich lesen derweil Williams Roman.“
Dann klopfte er auf den Tisch neben dem Spiegel. „Bis später dann … Viel Spatz.“
Dann verließen die Beiden kichernd unsere Kajüte.

„Wieso hast du George so abgewiesen? Kannst du ihn etwa nicht leiden? Warum hast du gesagt, dass wir ficken wollen?“, fragte ich und nahm sie in meinen Arm. Es war ein herrliches und unbeschreiblich schönes Gefühl, meine Traumfrau an mich zu schmiegen, die es obendrein erwiderte. Selbstverständlich hätte ich gerne mit ihr geschlafen, aber ich war mir absolut sicher, dass unsere Zeit noch gar nicht gekommen war. Es hätte unsere Romanze sicherlich vermasselt, war ich der Meinung. Und das Beste daran war, dass Penélope genauso wie ich tickte.
„Doch“, antwortete sie kleinlaut. „Von allen mag ich George sogar am liebsten, weil er ehrlich ist und mich noch nie zu irgendwas bedrängt hatte. Sie glauben doch sowieso, dass wir es die ganze Nacht miteinander getrieben haben. Wenn wir das Gegenteil behaupten, dann denken die nur, dass wir lügen. Und dann ziehen sie über uns her. Für sie bin ich doch sowieso nur die … PENNY“, sagte sie abfällig, mit zornverzerrtem Gesicht.
Penélope seufzte und schmiegte sich näher an mich ran. Ich küsste ihren Kopf und streichelte über ihr langes Haar. Ich liebte sie zwar, unter anderem weil sie für mich eine selbstbewusste Frau und jeder hinter ihr her war, aber als ich merkte, wie verwundbar sie doch war, daraufhin liebte ich sie sogar noch mehr. Wenn das überhaupt noch möglich war.

Am späten Nachmittag wurden die Maschinen der Godspeed plötzlich gestoppt, woraufhin die Luxusyacht langsam mit den sachten Wellen auf offener See dahin triftete. Wir lagen alle in unseren Liegestühlen vorne auf dem Bug Deck und schlürften Champagner. Penélope hatte, nachdem ich überredet wurde, meinen Bart rasiert und meine langen Haaren bis zu den Schultern abgeschnitten (Dabei hatte ich es genossen, wie sie mit ihren Fingern durch mein Haar wühlte). Aber ich wollte unbedingt die Koteletten stehen lassen, genauso wie George sie hatte. Das musste man Penélope wirklich lassen, sie war eine ausgezeichnete Frisöse. Das wäre der optimale Beruf für sie gewesen, dachte ich mir insgeheim. Dann würde sie wenigstens vernünftig Geld verdienen und müsste sich nicht mehr nachts in Bars herumtreiben. Aber ich konnte sie verstehen, wusste schließlich selbst wie es ist, einen Traum hinterher zu eifern.
Plötzlich klatschte Adam energisch in die Hände und rief: „Auf geht’s Kinder, lasst uns alleine. Geht euch amüsieren, wir haben etwas Geschäftliches zu besprechen!“
Daraufhin jubelten die Damen in Bikinis und sprangen mit den zwei Kerlen, die ich bislang überhaupt nicht kennen gelernt hatte, kopfüber ins Meer.
Missey erhob sich als Letzte aus dem Liegestuhl, schnappte sich ein Handtuch und stieg die Treppe hinauf zum Dach der Kommandobrücke. Penélope stand abseits, lehnte sich gegen die Reling, schaute den plantschenden Wassernixen zu und rauchte.
Jetzt saßen nur noch Adam, George und ich in der Runde, sowie der Vierzigjähriger mit der Halbglatze und runden Sonnenbrille, der die ganze Zeit über wie ein Bodyguard neben Adam stand.
„George hat mir erzählt, dass du ein vielversprechendes Manuskript geschrieben hast“, eröffnete Adam das Gespräch. „Hey, Penny!“, rief er, „Mach mal einen zurecht. Ich will einen Rüsseln.“ Adam blickte uns an. „Ach, was sage ich da? Wir alle wollen einen Rüsseln. Also Penny, hack ordentlich einen auf! Einschließlich für dich, mein Schatz! Du weißt ja, wo es ist.“
Penélope hatte ein hinreißendes, helles Sommerkleid an, welches in der lauen Meeresbrise sachte flatterte. Sie schmunzelte und stieg graziös hinunter zu unseren Kajüten. Ich schaute ihr hinterher, genauso wie ich immer diese wunderschönen, für mich sowieso unerreichbaren Frauen hinterher geschaut hatte. Ich konnte es immer noch nicht wirklich fassen, aber das war nun mein Mädchen. Für mich stand das jedenfalls fest. Sie war faszinierend und hatte einen traumhaften Hintern. Alles an ihr war traumhaft.
„Penny gefällt dir wohl, William. Kann ich sehr gut verstehen. Ich habe wirklich alles versucht, sie rumzukriegen, aber sie ist eine wirklich verdammt harte Nuss. Und dann kommst du daher geschneit, hast wie ein Penner ausgesehen aber du bist charismatisch, und Penny verbringt mit dir sofort die Nacht“, sagte Adam, wobei er lächelnd mit dem Finger auf mich deutete. „Respekt, Alter. Hundertprozentig cool.“
Ich war erstaunt aber zeigte es nicht. Penélope hatte mir schon am Abend zuvor erzählt, dass Adam früher scharf auf sie gewesen war, aber sie hatten ihn abblitzen gelassen. Da war keinerlei Spur von Ironie in seinem Unterton herauszuhören, weil es auch nicht ironisch gemeint war, sondern ehrlich.
„Wieso nennt ihr sie eigentlich alle Penny?“, fragte ich neugierig.
„Geh mal mit der spanischen Grazie einkaufen, dann wirst du schon verstehen“, antwortete Adam amüsiert woraufhin George und der Vierzigjähriger sachte lachten.
„Ich mache nur Spaß. Penny ist ein gutes Mädchen. Wir alle mögen sie sehr und haben sie gerne bei uns. Also, verarsch sie nicht, das hat sie nicht verdient!“, stellte Adam klar.
Ich nickte. „Das würde mir im Traum niemals einfallen“, antwortete ich ebenso ernst.

Penélope erschien wieder mit einem Spiegel in ihren Händen haltend, darauf zehn Lines Kokain aufgeteilt waren. Adam setzte sich seine Kapitänsmütze verkehrt rum auf, nahm das silberne Röhrchen und schnupfte das Kokain ein. Er ließ das Röhrchen fallen, rieb sich mit seinen Händen langsam über das Gesicht und schüttelte sich.
„Aye-Aye-Aye-Aye Captain. Puh … Verdammt guter Stoff. Okay Homeboys, Butter bei die Fische.“
Nachdem der Vierzigjähriger und dann George ihr Koks verputzt hatten, schniefte auch ich meine Portion weg. Kokain war echt geil! Ich fühlte mich verdammt lässig, jetzt war ich auf der gleichen Wellenlänge wie George und Adam. Adam sah witzig aus mit der verdrehten Kapitänsmütze, trotzdem hatte ich unheimlichen Respekt vor ihm. Ich war äußerst gespannt, was er zu sagen hatte. Scheinbar spielte ich irgendeine Rolle dabei, sonst hätte Adam mich schließlich auch zum Baden fortgeschickt.
„George und Missey haben deine Manuskripte gelesen und sind der Meinung, dass sie ausbaufähige wären und Gewinn einbringen könnten. Ich muss dir vorweg was erklären – Mein Vater hatte 1938 einen Verlag gegründet und in ein paar Jahren werde ich den Laden schmeißen. Zurzeit bin ich nur der Juniorchef und bin für das Marketing zuständig. Die Präsentation ist meine Stärke, die verdammte Literatur langweilt mich ehrlich gesagt und geht mir voll am Arsch vorbei. Aber ich bin, wie mein ehrenwerter Vater, ein ehrgeiziger Geschäftsmann! Ich habe bisher noch nie im Leben ein Buch aus unserem Verlag gelesen, dazu orte ich mich hiermit öffentlich.“
Hektor, der Vierzigjährige mit der Halbglatze und George lachten gleichzeitig. Ich blickte kurz über die Reling und sah, wie die bezaubernden Wassernixen mit den zwei jungen Kerlen im Meer plantschten und sich gegenseitig einen aufgeblasenen Plastikdelfin zuwarfen. Zweifelsohne fühlten sich insbesondre die Burschen, als befänden sie sich im Paradies. Adam schniefte kräftig und schüttelte sich erneut.
„Scheiße Mann, astreiner Stoff“, betonte er. „Nun zu dir, William. George und sogar Missey haben dich empfohlen. Das soll was heißen denn die Zwei sind Leseratten, wie sie im Buch stehen. Mein alter Herr hatte ihnen schon des Öfteren ein Manuskript eines unbekannten Autors zum Probelesen gegeben, weil er ihre Meinung schätzt. Es sind meine Freunde und selbstverständlich schätze auch ich ihre Meinung.“
Adam blickte George fragend an.
„Sag mal, wie lange kennen wir uns jetzt? Zehn oder fünfzehn Jahre?“
George verzog seinen Mund und zuckte mit der Schulter, während seine Beine lässig auf einem Liegestuhl lümmelten.
„Was weiß ich. Keine Ahnung … Seit der Highschool mindestens?“
Adam zeigte mit dem Daumen hinter sich, auf den bärtigen Vierzigjährigen, der mich stetig angrinste.
„Das ist Hektor, mein bevorzugter Lektor, und auch er meint, dass deine Ideen Potenzial haben und mächtig Dollars ausspucken könnten.“ Adam klatschte seine Hände zusammen und rieb sie. „Möge auf unseren Grabsteinen gemeißelt werden: Jubel den Rubel!“
Wieder erklang Gelächter und sogar ich musste schmunzeln, weil ich genauso vom Koks breit war wie sie, und ich ihren Humor verstand.
„Hey, Penny!“, rief Adam plötzlich. „Bring uns doch bitte ein paar Dosen Budweiser, mein Liebling. Aber eiskalte, meine Süße!“
Dass Penélope sich ebenfalls eine Line gegönnt hatte, war ihr anzumerken. Sie lächelte wieder, war gut drauf und machte mit Adam ihre Späßchen, indem sie ihm die eiskalte Bierdose in die Hose zu stecken versuchte, wobei Adam sich schreiend dagegen wehrte.
„Du sollst nicht immer Penny zu mir sagen, du Arsch“, lachte sie.
Ob ich in diesem Moment Eifersucht empfand? Nein, absolut gar nicht. Ich erkannte, dass sie nur gute Freunde waren und mir wurde bewusst, dass selbst ein unwiderstehlicher Sonnyboy wie Adam doch nicht jede Frau erobern konnte, ihm es aber letztendlich scheißegal war, weil ihm genügend andere schöne Frauen hinterher liefen.

„Hör mir genau zu, William. Ich kann dich berühmt machen“, sagte Adam. „Ich bin immer auf der Suche nach jungen Autoren, nach charismatischen Autoren wohlbemerkt, die obendrein astreine Geschichten schreiben können. Ich kenne einflussreiche Leute in L.A. und selbstverständlich auch in Hollywood. Ich kann dich in Talkshows bringen, ja, sogar dafür sorgen, dass du in der sagenhaften Ed Sullivan Show auftrittst, weil ich Ed Sullivan persönlich kenne. Du gefällst mir und die Leute haben es schon immer geliebt, wenn jemand wie du, aus dem Volk, es nach ganz Oben schafft. Ich sag dir, was mich langweilt: Es langweilt mich, dass unser Land sich nur an den alten Wichsern orientiert, wie beispielsweise an Hemingway oder H. G. Wells und wie sie alle hießen. Howard Robinson, der sich vor ein paar Jahren in New York umgebracht hatte, war auch nur ein alter Knacker gewesen doch Amerika und der Rest der Welt brauchen ab sofort neue Helden, junge Helden. Die Welt explodiert grade wie ein Vulkan und schreit nach Veränderung. Der beschissene Vietnamkrieg wird langsam vor der Tür des Weißen Hauses geführt, der Sektenführer Charles Manson zieht wie Jesus Christus alle in seinen Bann, wir und die Russen kämpfen zurzeit sogar über die Herrschaft des Weltalls, und jeder will als erster den Mond erobern. Und die bescheuerten Hippies, diese bekloppten Pazifisten aus dem Volk, wollen nur drauf sein, sich gegenseitig ungehemmt bumsen und glauben an Außerirdische, die irgendwann den Frieden auf der Welt bringen würden. Ich sage dir, scheiß auf Präsident Johnson, scheiß auf Elvis Presley, scheiß auf die Idealen und Vorbilder unserer Eltern. WIR sind die neue Generation und müssen eine Stele setzen, ein Merkmal für die Zukunft, denn WIR junge Leute sind die Zukunft! In zweieinhalb Jahren beginnen die Siebziger, und das wird UNSER Jahrzehnt sein, unsere Zukunft!“
Jetzt erst realisierte ich, dass ich mich doch in der Tat auf einer Motoryacht eines Verlegers befand. Konnte denn dieses unbeschreibliche Glück eigentlich noch übertrumpft werden?

Adam schnippte mit den Fingern, woraufhin Penélope ihm wieder den Spiegel hinhielt und die Brünette, die gerade aus dem Meer gestiegen kam, ihm eine weitere Dose Budweiser brachte. Nachdem Adam seine Line weggeschnieft hatte, schluckte er das Bier in einem Zug hinunter, zerquetschte die Dose und schleuderte sie achtlos hinter sich über die Reling, glotzte mich schauspielerisch belämmert an und rülpste mächtig. Dann grinste er wie ein Spitzbube.
Wir alle lachten. Ich klatschte sogar auf mein Bein und dachte, WOW, verdammt nochmal ist der cool. Der hat Ahnung und kann mich tatsächlich berühmt machen. Er war kein dieser großkotzigen Sprücheklopfer, die einem das Blaue vom Himmel versprachen und es letztendlich gar nicht verwirklichen konnten. Nein. Adam war ein großkotziger visionärer Sprücheklopfer, der ehrgeizig war und obwohl er reich geboren wurde, war er hungrig auf weiteren Erfolg. Zudem verfügte er über die nötigen Beziehungen, seine Visionen auch tatsächlich zu verwirklichen. Und wenn seine Visionen für alle utopisch erschienen, spornte es ihn erst recht an, diese in die Tat umzusetzen.
Daraufhin zog ich noch eine White Line weg, und George und Hektor selbstverständlich auch. Adam verlangte nach einer Zigarette und fuhr fort.
„William, ich mache aus dir nicht nur einen berühmten Schriftsteller, mein Freund, sondern einen Superstar. Verstanden? Hinfort mit den langweiligen Autoren und Dichtern, die allesamt nur unbescholtene Familienväter sind oder es nur vorgaukeln. Du sollst authentisch sein, in der Öffentlichkeit mal mit der Faust kräftig auf den Tisch hauen und dem dämlichen Volk sagen, was Sache ist. Einen Prominenten hört man schließlich zu. Und die pubertierenden Schulkinder, sowie auch die Erwachsenen, sollst du faszinieren. Du brauchst Fernsehauftritte und musst in Hollywood über den roten Teppich stolzieren, damit sie dich wie einen Rockstar feiern. Selbst diejenigen, die bislang noch nie ein Buch in die Hand genommen haben sollen wissen, wer du bist. Und dann werden sie nämlich doch mal ein Buch kaufen, und zwar ausschließlich eins von dir. Das bringt den verdammten Rubel rein und macht uns alle reich und berühmt, Mann!“
„So berühmt wie die Beatles? Ja, das wäre absolut cool“, platzte es freudig aus mir heraus.
Daraufhin lachten und buhten sie mich aus und meinten, dass ich mich schämen sollte, ein gottverdammter Beatles Fan zu sein. Nur kleine kreischende Schulmädchen, die nicht einmal einen BH tragen müssten und sehnsüchtig auf ihre erste Periode warten, würden die Konzerthallen der englischen Wichsern füllen. Die wirklich coolen Jungs wären The Rolling Stones, Led Zeppelin oder Jimi Hendrix. Eventuell noch The Beache Boys wären akzeptabel und Johnny Cash als Person akzeptierten sie grad noch als cool, aber seine Country Musik fanden sie zum Kotzen, wie sie sich ausdrückten. Janis Joplin wäre übrigens die coolste Frau auf dem Planet, meinte Adam. Aber die absolut coolsten Jungs, die bisher niemand zu übertreffen vermochte, wären The Doors.
„Jim Morrison, mein Lieber … DER ist cool. Kapiert? Da kommt nichts mehr drüber, verstehst du? Doch nicht Lennon und McCartney und die anderen zwei dämlichen Gurus Ringo Starr und George Harrison. Ich hab Morrison vor ein paar Monaten in Andys Factory kennen gelernt“, behauptete Adam, „Und genau in diese Liga gedenke ich dich zu bringen, insofern du das Zeug dafür hast. Stell dir das aber ja nicht so leicht vor. Wenn es nämlich tatsächlich soweit ist und du mir einen Roman ablieferst, welcher die Bestsellerliste anführt, dann vereinbare ich mit dir einen Vertrag. Aber dann verlange ich von dir jedes Jahr, mindestens ein geschriebenes Manuskript. Es dürfen selbstverständlich auch mehr sein“, fügte er grinsend bei und prostete mir mit einer weiteren Dose Budweiser zu.
George und Hektor lachten. Adam zog an seiner Zigarette und sah mir scharf in die Augen. „Um weltberühmt zu werden, William, dazu musst du das Zeug auch haben. Verstehst du, was ich dir erklären will?“, sprach er beruhigend auf mich ein. „Es ist nicht damit abgetan, mal einen Knaller abzuliefern und sich dann im Erfolg zu aalen. So funktioniert das nicht. Um ein Superstar zu werden, musst du stets dran bleiben und abgewichst sein und mit allen Höhen und Tiefen fertig werden. Du musst etwas von deiner Privatsphäre preisgeben und sie gleichzeitig hüten. Sonst bist du erledigt. Beschissene Kritiker werden dir voll auf den Sack gehen. Einige Kritiker musst du ernst nehmen, andere dagegen sind nur Pisser, die deinen Erfolg nicht gönnen und dich nur fertig machen wollen. Dafür werden aber deine Fans dich vergöttern, und nur allein darauf kommt es an. Also, immer lächeln … Smile, egal was auf dich zukommt. Selbst wenn du private Niederlagen erlebst.“
Adam zog seine Kapitänsmütze ab, blickte mich einen Moment nachdenklich und sagte: „Der Ruhm ist wie ein wilder Hengst, darauf ich dich setzen kann. Nur musst du dann ganz alleine dafür sorgen, dass du auch fest im Sattel bleibst und niemals die Zügel verlierst!“

Als die Godspeed eines Tages die Küste von Cape Cod erreichte, verabschiedete sich William Carter von seinen Freunden. Möwen kreischten und umkreisten die Luxusyacht. Adam hatte versprochen, wenn er ihm ein vollständiges Manuskript zusendet, dass er ihm ein Flugticket nach Los Angeles vergüten würde. George überreichte ihm seine Telefonnummer und verlangte nachdrücklich, dass er sich regelmäßig bei ihm melden sollte. George wollte unbedingt über den aktuellsten Stand seines Manuskriptes informiert sein. Missey küsste ihm zum Abschied auf die Wangen, drückte ihn und wuschelte durch sein Haar und meinte zuversichtlich, dass er es schaffen würde.
Nur Penélope war nicht auf dem Bootsdeck anwesend. Sie hatte sich in ihrer gemeinsamen Kajüte verschanzt, hockte im Schneidersitz auf dem Bett, rauchte eine Zigarette und schmollte. Als William sie umarmen wollte, stieß sie ihn beleidigt beiseite.
„Lass mich doch in Ruhe“, sagte sie mürrisch, mit ihren wundervollen spanischen Akzent. Penélope wirkte ungewöhnlich distanziert, kaltherzig und verweigerte sogar einen Abschiedskuss. „Du hast doch schon mit mir abgeschlossen. Sei ehrlich, du willst mich sowieso nie wiedersehen.“
William entgegnete ihr nur mit einem Lächeln, denn diese Frau, die Frau seiner Träume, würde er niemals enttäuschen wollen. Sie war doch sein Mädchen.
„Was sagst du da bloß? Selbstverständlich werden wir uns wiedersehen. Das verspreche ich dir. Ich liebe dich doch. Also, bis bald, Penélope.“
„Ja, ja. Adios amigo. Vaya con Dios“, antwortete sie schnippisch ohne ihn dabei anzusehen.
Als William schwermütig von seinen neuen Freunden Abschied nahm, rückwärtsgehend über den Steg lief und ihnen zusah, wie sie ihm zuwinkten, hörte er lautstark den Song von The Mamas And The Papas: California Dreamin. Dann blickte er den Strand entlang. Von Weiten erkannte er sein Elternhaus.
 
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