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2 Seiten

Gelegenheiten

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© Waldkind
Verpasste Gelegenheiten ziehen sich an einer roten Schnur durch so ziemlich jedes Menschliche Leben auf diesem Planeten.
Nur, warum verpassen wir auf unseren jeweiligen Lebenswegen so viele begehrenswerte Situationen?
Ich selbst wurde erst im letzten Jahr wach. Ich verpasste bis dato Gelegenheiten, die ich nur all zu gerne wahrgenommen hätte und ärgerte mich maßlos über mich selbst. Ich war wütend wegen meiner "Selbstverantwortungslosigkeit" und auch darüber, dass ich mich quasi ohnmächtig fühlte mir meine Bedürfnisse zu erfüllen, auch wenn die Gelegenheiten dazu mir quasi auf zahllosen Silbertabletts serviert wurden. Ich saß also still im Speisesaal meines Lebens und sagte stets artig: "Nein, ich möchte jetzt kein Rindercarpaccio mit herrlich Parmesan und bestem Olivenöl! Ich möchte auch keinen trockenen, vollmundigen Rotwein. Höchstens ein Wasser. Ein stilles. Sonst muss ich wieder aufstossen." Das stille Wasser war es dann auch, was ich bekam. Hübsch serviert aber eben schal und nichtssagend. Es war farblos und ohne Geschmack. Auch wenn es seinen Sinn erfüllte, mir den Durst zu löschen, konnte es mich nicht wirklich befriedigen. Mir fehlte Leben darin. Ein Fizzelchen Zitrone und Geist sozusagen. Allerdings musste ich nicht aufstossen, als ich das Wasser wie immer artig leer trank, um kein halb volles oder leeres..... schlicht um keinen Rest stehen zu lassen, denn das macht man nicht. Ich funktionierte hervorragend und konnte mich tadellos benehmen in diesem Restaurant. Immer perfekt gekleidet und nie negativ auffallend, war ich stets die perfekte Tischdame für jedweden Gast. Ich passte mich eben an. Jedem Gegenüber. Ich aß, was mein Tischnachbar essen wollte, ich trank, was die Gesellschaft trank und auch genau so viel. Allerdings hätte ich dabei nie meine Haltung vergessen. Ein vom Grunde her stocksteifes, "Contenance bis zum Schluss!" charmant lächelnd gebrüllt und immer mitgehalten. Im Flow sozusagen. Aber in wessen?
Ich hatte mich wohl selbst auch ein wenig verpasst mit diesen Gelegenheiten und verlor mich mehr und mehr mit jeder einzelnen der nicht (für) WAHRgenommenen. Aber ich konnte mich so herrlich von mir ablenken in diesem Restaurant. Ich trug Pailettenkleider, massigst glitzernden Schmuck, hatte einen von diesen Nuttenstengelzigarettenhaltern und sah herrlich elegant und begehrenswert aus. Allerdings war ich auch unter einer dicken Schicht von Make Up und Fett verschwunden. Ich ging quasi nie unmaskiert aus. Ich erfüllte Rollen, die mir andere Menschen angedacht hatten, oder von denen ich gedacht hatte, dass ich sie erfüllen wollen würde. Ich war sozusagen die Hollywooddiva in meinem eigenen Leben. Ein Abklatsch meines Selbst.
Ich kann niemand einen Vorwurf machen, noch nicht einmal mir selber. Niemand hat hin gesehen. Auch ich nicht. Ich habe mich nicht wahrgenommen. Wie betäubt muss ich an dem runden Tisch mit dem hübschen Kerzenleuchter gesessen haben, die Stühle waren mit cremefarbenen Hussen bezogen und Gestecke mit herrlich duftenden Blüten standen überall im Raum. Die Gesellschaft schien ruhig und elegant, jeder war gut angezogen. Ich bewunderte all diese Dinge und wusste im gleichen Atemzug, dass ich nichts, aber auch gar nichts von diesem Restaurantbesuch mit nach Hause nehmen dürfte. Ich kam und ging mit leeren Händen und war nur ein wirklich schlechtes Selbstporträt in viel zu grellen Farben.
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