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Schwarze Schwäne - Weiße Schwäne, Teil 27 - WIE VIELE MÄNNER? -*-*- TREU WIE SCHWÄNE

Romane/Serien · Nachdenkliches
Ich verdränge das Mädchen Marion vorerst aus meinen Gedanken - und meine Mutter auch. Das klappt gut in Hardys Bett.
„Sag mal, kennst du den Ausdruck penetrieren? Kann es sein, dass er auch eine sexuelle Bedeutung hat?“ Wieder führen Hardy und ich eins unserer Nachdemsexgespräche. Ich muss nur aufpassen, dass ich keine Probleme von mir aus Versehen ausplaudere. Aber da er ja auch keinen Arm um mich gelegt hat, könnte ich theoretisch über meine Probleme reden, wenn ich welche hätte ... Gut, ich habe welche, aber die haben nichts mit meiner Trennung von Parker zu tun, sondern eher mit meiner Mutter.
„Hat irgendwas mit Bumsen zu tun. Wie kommst du drauf?“ Hardy scheint interessiert zu sein.
„Ich war da letztens mit Madame Medusa auf einer seltsamen Grillparty, und da hat so ein Idiot erzählt, sie hätten früher die Frauen penetriert. Nach dem Motto: Gern hab ich die Frau’n penetriert, da gibt es doch so ein Operettenlied ...“ Wie schön, dass die Medusa immer noch hilfreich ist, obwohl ich kaum noch Kontakt zu ihr habe.
Hardy muss lachen. „Aber dieses Wort kann man wirklich in dem Zusammenhang benutzen.“
„Echt jetzt? Das ist doch Mist! Das heißt doch eigentlich, jemanden auf die Nerven gehen. Wenn schon, dann würde ich eher perforieren nehmen. Das heißt doch durchbohren, oder nicht?“
Wieder muss Hardy lachen. „Das trifft vielleicht nicht die Größenverhältnisse.“
„Also ich muss bei perforieren immer an Schneewittchen denken.“
„Wieso?“
„Na ja, ein Jungfernhäutchen mit sieben Löchern drin ...“
„Du bist verrückt, Tony!“ Hardy schaut mich aufmerksam an und fragt dann etwas für mich völlig Unerwartetes, nämlich: „Wie war eigentlich dein erstes Mal?“
Was ist denn jetzt los? Wieso interessiert ihn das? Ach so, vermutlich will er mehr wissen über Frauen allgemein - und was soll's auch, ich habe nicht viel zu berichten.
„Hmmm ...“, sage ich nach einer Weile. „Da war ich vielleicht siebzehn oder achtzehn sogar – ich war immer schon ein Spätzünder - und der Typ, ja, wie hieß er noch mal? Habe ich vergessen, er war mit Sicherheit nicht der Knaller, aber angeblich sehr erfahren.“ Ich muss lachen, bevor ich weiter spreche: „Er hatte lange blonde Haare, war sehr groß und es geschah im Wald, an dieser Ruine. Genau! Ich weiß nicht mehr, wie es war, also war es wohl nichts Tolles. Und ich glaube, mein Jungfernhäutchen war schon weg. Oder hatte ich nie eins?“
„Hast wohl dran rumgespielt“, Hardy grinst.
„Kann schon sein, es war mit einer Cousine in meinem Heimatdorf, da haben wir zusammen manchmal Spielchen getrieben.“
„Warst du länger mit ihm zusammen?“
„Warte mal ... Ich glaube, keine zwei Monate, er hatte noch eine andere Perle, und so toll war er nicht, dass ich mir das hätte gefallen lassen.“ Spreche ich hier eine Warnung an Hardy aus? Wenn ja, dann ist sie nicht beabsichtigt.
„Und wie viele Männer hattest du?“
Warum interessiert ihn das nun wieder? Aber was soll's ... „Da muss ich erstmal nachrechnen. Und was gilt: Nur vollzogener Akt? Abgebrochener Akt, Impotenz, zu klein, zu groß, voll besoffen eingepennt und nüchtern dann abgehauen? Oder alles?“
Hardy schaut erstaunt drein, vielleicht hat er solche Details nicht erwartet. Vermutlich hält er selber immer zielgerade hinein wie vor ein paar Wochen bei mir. Und seitdem bestimmt auch in ein paar andere ...
Er schweigt und beobachtet mich. Ich lächele geheimnisvoll wie die Sphinx von Gizeh, warte und überlege schon im Geiste, was mir je passiert ist so aktmäßig. Es ist nicht viel.
„Nur vollzogener Akt“, sagt er schließlich und schaut mich lauernd an, wie mir scheint.
„Okay!“ Ich bin in Offenbarungslaune, so was will man selber ja auch wissen. Also rechne ich das durch:
Als erstes der Entjungferer mit dem vergessenen Namen, danach Parker. Habe in einer Pause von Parker dann Ulli kennengelernt bei einer dieser sagenhaften Folkwang-Parties, er war graphischer Künstler, sah unglaublich gut aus und ich musste unbedingt mit ihm ins Bett hüpfen. Nein, das ging nicht, zu klein, abgebrochen. Ich schüttele den Kopf. Schade, ich mochte ihn und er hat seinen Hund, wie hieß der noch? Stimmt ja, ‚Frau Meier’. Jedenfalls hat er danach Frau Meier manchmal bei mir geparkt, sehr zum Missfallen meines damaligen Katers Felis. Ulli ist eigentlich der einzige, der mein Freund blieb nach einem missglückten Akt. Er ist dann nach Hamburg gezogen und ich hoffe, er ist ein großer grafischer Künstler geworden. Und meine Eltern haben Kater Felis dann mitgenommen, als sie zurück in die Heimat zogen. Mein Felis entpuppte sich dort als Superkater, der alle Katzen im Dorf tyrannisierte, obwohl er kastriert war ...
Wo war ich, ach das: Also bis jetzt nur zwei. Sehr bescheiden, diese Summe. Danach lange Jahre keiner mehr. Ich war Parker treu. Was bin ich nur für eine Idiotin! Nach der Trennung von Parker: Robert ... einwandfrei Sex. Ich nicke. Dann Bruce, na ja, er war dabei. Das geht auch. Wieder nicke ich. Danach Fredo, da bin ich vorher eingepennt, und nach dem Aufwachen war ich nicht mehr bereit dazu. Dann Hardy, einwandfrei Sex, guter Sex, bester Sex, ich muss grinsen. Dann Salvador, der Inkakönig, nicht vollzogen, und diese Aktion tut mir immer noch leid, warum weiß ich auch nicht. Zuletzt dann Harald bei diesem gruseligen Fest, abgebrochen. Ich glaube, ich schaue genervt drein, ich will nicht mehr dran denken. Dann wieder Hardy.
Also nur fünf Richtige, hört sich an wie beim Lotto. Nämlich der namenlose ‚Entjungferer’, danach Parker, Robert, Bruce und Hardy. Und seitdem keiner.
WAS JETZT, NUR FÜNF? Das ist übel. Ganz übel! Susanne hat im Monat mindestens zehn Sexpartner, und Andrea hat vermutlich ähnliche Erfolge oder noch mehr. Und was ist mit mir? Ich bin eine verdammte Stümperin in Sachen Sex.
„Es bleiben nach Abzug aller Kriterien nur noch fünf übrig“, gebe ich kleinlaut zu, „und du bist schon mit eingerechnet!“ Ich schaue Hardy beschämt an. „Susanne hat gesagt, ich solle doch öfter mal reinhalten lassen! Reinhalten lassen? Geiler Ausdruck, was! Aber immerhin sind meine Freundinnen dafür gut, um für MICH reinhalten zu lassen. Es ist so praktisch, man kommt aus der Nummer raus, und der Typ ist auch zufrieden, wenn er woanders reinhalten kann.“ Dabei muss ich an Michael aus Frankreich denken.
Ich fange an zu lachen, und das entwickelt sich zu einem Lachanfall. „Reinhalten lassen! Ich liebe dieses Wort - und was bin ich nur für eine Pfeife in Sachen reinhalten lassen!“ Das sage ich zwar verzweifelt, aber in Wirklichkeit ist mir das schietegal. Bin eher lustig drauf. Sollte ich mich schämen wegen meiner nur fünf Männer? Nee, tu ich nicht. Damit muss Hardy klarkommen.
Er scheint nachzudenken. Aus purer Gemeinheit oder wohl eher aus Abscheu frage ich ihn nicht, wie viele Frauen er denn gehabt hat. Er weiß es bestimmt nicht mehr, und seine Akte kann man wohl massenhaft zu den anderen Akten legen. Ich will eigentlich gar nichts von seinem Sexleben wissen, egal ob von früher oder von jetzt.
Hardy schweigt. Steht er unter Schock? Dann lächelt er und sagt: „Fünf also. Das reicht doch vollkommen!“
Der hat vielleicht Nerven. Ich bin im Vergleich zu dem quasi eine Jungfrau! „Ich will jetzt reinhalten!“, sagt er im nächsten Augenblick brutal.
„Lass dich nicht davon abhalten. Ich will auch gerade reinhalten lassen!“ Es ist erstaunlich, wie verschwenderisch Hardy mittlerweile mit dem Sex umgeht. Beim ersten Mal hat er sich nachts einmal dazu aufgerafft und am Morgen danach noch mal. Und später hat er mich ein paar Stunden lang genervt, ohne meinen Körper überhaupt zu betrachten. Jetzt ist es anders. Nämlich viel besser!
Und es wird wieder Level 42 dazu gespielt, nämlich ‚Love Games’. Oh ja, Mark King, der Bassgitarrist hat den absoluten Funkdaumen, und Hardy hat den absoluten Fuckdaumen, Hilfe, was denke ich da? Ist aber geil.

-*-*- TREU WIE SCHWÄNE

Ich wache früh und vor allem überaus befriedigt auf. Ich habe gut geschlafen. Trotzdem muss ich immer noch an die kleine Marion denken mit der zerrissenen Bluse und an die Tränen in ihren Augen. Was könnte man da tun?
Hardy wusste es auch nicht. Er meinte, wenn man zum Jugendamt geht, dann muss sie womöglich weg von zu Hause, und das wäre vielleicht noch schlimmer als daheim zubleiben. Vielleicht hat er Recht.
Aber ich habe wirklich nicht übel Lust, mal mit dieser Frau zu reden und ihr klarzumachen, was sie ihrem Kind antut. Meine eigenen Erfahrungen, lange verdrängt, sind wieder voll in mir aufgebrochen.
Ich kann nicht mehr schlafen. Also stehe ich auf. Hardys Hemd liegt auf dem Boden, weil wir es ziemlich eilig hatten, ins Bett zu kommen. Ich streife es mir über. Das Hemd ist weich, es riecht gut, und es reicht mir fast bis über die Knie.
Ich gehe ins Kellergeschoss, um am Billardtisch weiter nachzudenken. Als ich gerade ein paar Kugeln spiele, höre ich, wie hinter mir jemand in den Raum kommt. Erschreckt drehe ich mich um. Es ist ein älterer gutaussehender und vor allem großer Mann mit längerem Haar, und er hat viel Ähnlichkeit mit Hardy. Aua, das ist dann wohl sein Vater, der ‚Proff’ genannt wird.
„Ja, wer ist denn das?“
„Oh ...“, ich bin verlegen. „Ich wollte nicht ... Ich gehe sofort ...“
„Bleib ruhig hier. Bist du mit Oliver zusammen?“
Gute Frage. Was könnte ich darauf antworten? „Nicht wirklich“, sage ich nach einer kurzen Pause.
„Mein Sohn ist recht eingebildet, was?“
„Ich komm schon damit klar ...“ Er sieht Hardy wirklich sehr ähnlich. Und er hat Charme, Hardy hat natürlich auch verdammt viel Charme, wie ich damals auf meiner Party erfahren musste, aber an mir lässt er den nicht aus. Weil er weiß, dass ich nicht drauf anspringe? Ja, das könnte es sein.
„Du magst Billardtische und drauf zu spielen?“
„Oh ja! Ein Onkel von mir hat auch einen Billardtisch, der ist auch Frauenarzt - das hat Hardy mir erzählt, dass Sie Frauenarzt sind. Und ich war so enttäuscht, als ich ihn gesehen habe, das ist nämlich einer ohne Löcher.“ Nach zwei Sekunden fällt mir dazu noch ein: „Ich meine natürlich den Billardtisch und nicht den Onkel.“
Der Proff fängt an zu lachen. „Carambolage, nee, das ist auch nicht mein Ding. Sag mal, wie heißt denn dein Onkel?“ Er duzt mich einfach, er scheint mehr der volkstümliche Arzttyp zu sein, so wie dieser berühmte Professor Doktor Sauerbruch, oder wie der hieß. Da habe ich gerade ein Buch drüber gelesen.
Ich muss überlegen, wie heißt denn dieser Onkel noch mit Nachnamen? Dann fällt es mir ein und ich sage: „Norbert Spemmer heißt er.“
„Was? Nobbie? Den kenne ich! Wir haben in Dortmund zusammen studiert. Das ist ja wohl ein Ding! Was macht er denn noch so?“
„Wohnt in der Nähe von Heilbronn und hat eine gutgehende Praxis.“
„Und das ist ein Onkel von dir?“
„Nur ein angeheirateter. Aus meiner Familie kommen keine Ärzte, wir sind waschechte Proletarier.“
Der Proff fängt wieder an zu lachen. „Na, dann lass uns mal Billard spielen, du waschechtes Proletarierkind. Und sag bitte DU zu mir und nenn mich Proff. Das kommt nicht von Professor, sondern stammt noch aus meiner Jugend, und ich habe keine Ahnung, wie die Jungs oder die Mädels drauf kamen.“ Wieder muss er lachen. „Hast du auch einen Namen?“
„Tony heiße ich, und das kommt von Antonie her.“ Ich baue die Kugeln auf und lasse ihn anstoßen. Er spielt echt gut, und ich muss mich anstrengen, um mithalten zu können.
Ich bitte den Proff so nebenbei, Hardy nicht zu sagen, dass ich ihn hier getroffen habe.
„Warum nicht?“
„Ich möchte es nicht. Vielleicht würde er dann denken, ich wolle mich bei Ihnen einschleimen.”
„Bei DIR einschleimen“, verbessert er mich. „Hast wohl einen Heidenrespekt vor meinem Sohn, was?“
„Irgendwie schon ... Er ist so furchtbar dominierend“, gebe ich zögernd zu.
„Respekt ist manchmal besser als Liebe. Oder die Vorstufe dazu.“
Ich gucke ihn ungläubig an. Ich habe nichts von Liebe gesagt, ha, das wäre zu abartig im Zusammenhang mit Hardy, aber einen gewissen Respekt habe ich schon vor ihm. Er hat so eine gewaltige Autorität, das muss ich anerkennen.
„Du bist schon öfter hier gewesen“, sagt der Proff, während er gerade gekonnt eine seiner Kugeln über die Bande ins Loch spielt.
„Drei oder viermal.“ Er spielt so gut, dass ich Angst habe, in diesem Spiel nicht mehr dranzukommen.
„Dann gehört also dir das niedliche Auto, der Karmann?“
„Ja, das ist meiner“, bestätige ich. Endlich komme ich dran, und ich kann sogar vier Kugeln hintereinander einlochen, aber danach zieht er mich voll ab.
„Hast du zufällig die Adresse von deinem Onkel bei dir?“
„Nee, die hab ich zu Hause, aber ich könnte sie beim nächsten Mal mitbringen – falls ich noch mal hier hinkomme.“
„Warum solltest du nicht mehr hier hinkommen? Du bist schon viel länger hier geblieben als alle anderen zusammen, die er angeschleppt hat.“
„Wirklich?“, frage ich ungläubig. Und muss an die Kneipe denken, als die Wirtin mir tatsächlich erzählte, dass Hardy kaum was mit nach Hause nimmt. Tja, dann wird er es wohl woanders treiben, dort, wo man ihn nicht identifizieren kann. Ich in meiner Wohnung war so ein Fall, ich wusste nichts von ihm, absolut nichts ... Geniales System! Denn wenn ich jetzt wirklich schwanger geworden wäre ... Nein, ich will nicht dran denken!
„Er bringt nicht gerne Frauen hierhin“, sagt der Proff gerade, „ich glaube, er hat Angst, dass er sie nicht mehr los wird, wenn sie erst seine Adresse wissen.“
Ich schweige daraufhin. Oh mein Gott, was will Hardy von mir? Ich bin doch B-Klasse oder eher C-Klasse. Zu was will er mich bringen? Soll ich ihm meine Liebe gestehen? Da kann er lange drauf warten. Nein, Sex ist das einzige, was er von mir will! Oh je, stimmt ja: Ich will auch nur Sex von ihm.
„Hat er auch eine Mutter?“ Die Frage kann ich mir nicht verkneifen, und ich halte mir beschämt die Hand vor den Mund.
„Sie ist gestorben, als er vier Jahre alt war.“ Jetzt sieht der Proff traurig aus, und ich ärgere mich, ihn überhaupt so was gefragt zu haben. „Sie hatte eine Vorerkrankung an ihrem Herzen und sollte eigentlich kein Kind mehr bekommen. Aber sie war so stur und ließ sich nicht davon abbringen ...“
„Das tut mir sehr leid“, sage ich nach einer langen Pause. „Haben Sie...“, ich verbessere mich, „hast du danach nicht mehr geheiratet?“
„Nein, in unserer Familie sind die Männer treu wie Schwäne“, er lächelt schmerzlich. „Wenn sie erst die Richtige getroffen haben, dann gibt es keine Trennung mehr - außer dem Tod. Und vielleicht auch darüber hinaus. Ich wollte nicht noch einmal heiraten, brachte es nicht über mich. Natürlich hatte ich ein paar Affären, aber es war nie etwas Vergleichbares. Oliver bekam ein Kindermädchen, und Irene hat sich auch gut um ihn gekümmert.“
„Irene?“
„Seine Schwester, sie ist acht Jahre älter als er - und zur Zeit in den USA bei einem Ärztekongress.“
Stimmt ja, der Name Irene was weiß ich, steht auf der untersten Schelle in diesem Haus. Und es war bestimmt nicht leicht für Hardy, ohne Mutter aufzuwachsen. Vielleicht fehlte da die weibliche Komponente. Ha, von der habe ich ja reichlich abgekriegt ... Und Hardy kannte vielleicht nur die Affären seines Vaters und ist deswegen so arrogant und hart geworden. Kann aber auch sein, dass er einfach ohne Grund so arrogant und hart ist. Und seine ältere Schwester hat ihn bestimmt auch beeinflusst. Fragt sich nur, wohin beeinflusst?
Dieses Spiel verliere ich natürlich. Aber wir spielen noch ein zweites, und das gewinne ich. Der Proff ist nett, und wenn Hardy ein Zehntel von dessen Nettigkeit hätte, würde ich ihn vergöttern. Aber Hardy ist nun mal so, wie er ist.
„Gut, falls ich noch mal hier herkomme, dann stecke ich die Adresse von Onkel Nobbie in deinen Briefkasten. Das müsste klappen.“
Der Proff lächelt und sagt: „Irgendwie erinnerst du mich an meine Frau. Du bist genauso leidenschaftlich und stur, wie sie es war.“
Ich muss lachen. „Kann sein, dass ich stur bin. Aber leidenschaftlich? Das glaube ich nicht.“
-*-*-
Ich gehe langsam die Treppe hoch. Was für ein seltsames Wochenende! Erst das kleine Mädchen, das alles in mir wieder aufgeweckt hat, was ich eigentlich für tot und begraben hielt. Dann die Begegnung mit dem Proff. Und Hardy ist ohne Mutter aufgewachsen.
Das mit den treuen Schwänen kann ich allerdings nicht glauben, so was vererbt sich nicht. Nein, Hardy ist ein tiefschwarzer Schwan, nicht bindungsfähig und polygam.
Und was bin ich? Wieder muss ich an die kleine Marion denken, und automatisch fällt mir meine Mutter ein. Was hat sie mir angetan? Denn man kann nicht einfach sein Herz verhärten, ohne dafür etwas anderes einzubüßen. Gefühle zu verlieren. Leider hat Mutter keine Ahnung davon, sie hat auch keinerlei Schuldbewusstsein. Und falls doch, dann habe ich das nie bemerkt.
Aber ich werde mich an ihr rächen, denn sie wird kein Enkelkind von mir bekommen, nein niemals! Diese Frau behauptete tatsächlich, mein Kind aufziehen zu wollen, falls ich denn als ledige Mutter eins kriegen würde. Klar doch! Als ob ich ihr mein Kind jemals überlassen würde, damit sie es total verklemmt und verkorkst aufzieht. Nein, niemals! Außerdem habe ich nicht den Wunsch, ein Kind zu bekommen. Vielleicht habe ich Angst davor, dass ich nach dem gleichen Muster handeln würde wie Mutter, und das könnte ich meinem Kind niemals antun.
Schlagartig kommt mir zu Bewusstsein: Ich bin kein schwarzer Schwan. Aufgewachsen in einer Familie, in der männlicher Betrug und weibliche Misshandlungen Alltag waren, bin ich anders, ich würde so etwas nie dulden, ich würde mein Kind aufziehen, ohne es zu misshandeln, ich würde es lieben, ja genau! Ich würde es lieben! Ich bin in Wirklichkeit ein weißer Schwan. Was natürlich zu beweisen wäre.
 
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Kommentare  

Liebe Rosmarin,
danke für deinen Kommentar! Ich bin mir selber noch nicht sicher, ob Hardy ein weißer Schwan sein könnte. Aber mal gucken oder lesen ...
Einen lieben Gruß sende ich dir


Ingrid Alias I (09.09.2021)

Ein sehr schönes Kapitel. Weißer Schwan. Vielleicht
ist ja der Hardy auch einer. Du weißt ja, es ist nicht
immer, wie es scheint.
Gruß von


rosmarin (08.09.2021)

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