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8 Seiten

All Hallows' Eve 3/3

Fantastisches · Kurzgeschichten · Herbst/Halloween
Der große Tag ist da. Halloween. Der 31.10., der Tag vor Allerheiligen. Ein ursprünglich keltisches Fest, das bei den Kelten Samhain gehießen hat. Die auswandernden Iren haben es mit nach Amerika gebracht und dort wohl zu dem umgewandelt, wie wir es heute kennen, samt den Kürbissen. Die Kürbisse deshalb, weil es diese Gewächse in jener Gegend, in der die Iren in Nordamerika sesshaft geworden sind, zu dieser Jahreszeit gegeben hat. In der amerikanisierten Form ist das Fest dann wieder zurück nach Europa gelangt.
Die Kelten glaubten ursprünglich, dass sich an diesem Tag das Tor zum Reich der Toten öffnen würde und die Verstorbenen für einen Tag zurückkämen. Sie haben versucht, sich wie diese zu verkleiden. So sollten die Toten, die plötzlich wieder auf Erden wandelten, glauben, sie seien ihres Gleichen und würden ihnen deshalb nichts antun. Danach, so der Glaube weiter, verschwänden diese unheilvollen Wesen wieder und blieben bis zum nächsten Jahr fort. Es war wohl eine kulturelle Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit und vielleicht auch als Möglichkeit gedacht, das Böse an sich den Rest des Jahres zu bannen.
Michael hat ihnen all dies erklärt. Er ist ja so belesen! Cynthia mag ihn, und sie weiß auch, dass er sie mag. Eine Art Geistesverwandter, der sich für ähnliche Themen interessiert, wie sie selbst.
Heute wurden die Eltern von Tobi auf eine Halloweenparty eingeladen. Eine „Erwachsenenparty“, wie sie extra betonten. Sie waren heilfroh, als Tobi ihnen erzählt hatte, dass er selbst auch eine Party plant. Die Eltern haben ihm das Haus hierfür mit dem Hinweis zur Verfügung gestellt, keinen Unsinn anzustellen und alles so zu hinterlassen, wie er es vorgefunden hat. Tobi hat es ihnen versprochen. Es soll wohl so eine Art Test sein. Würde er diesen Test bestehen, würde er dann vielleicht auch in Zukunft hin und wieder ein sturmfreies Haus zur Verfügung gestellt bekommen.
Es ist jetzt viertel vor zwölf Uhr nachts. Tobi ist mit Cynthia ins Wohnzimmer gegangen. Er denkt gerade an das, was ihnen heute um Mitternacht vielleicht bevorstehen könnte. Wie soll man sich auf so etwas vorbereiten? Wie soll man mit etwas umgehen, von dem man eigentlich überzeugt ist, dass es so etwas gar nicht gibt; gar nicht geben kann? Ein Hirngespinst. Und doch gibt es unleugbare Anzeichen, dass das alles tatsächlich wahr sein könnte. Sie können sich das Alles unmöglich beide gleichzeitig nur eingebildet haben.
„Cynthia, sag ehrlich: glaubst du das alles wirklich?“ Tobi ist gerade damit beschäftigt, ein Pentagramm mit einem Stück Kreide in die Mitten des Wohnzimmers auf den Boden zu zeichnen. Dieses Ritual hat ihnen Michael erklärt. Ob dieser wirklich eine Ahnung davon gehabt hat, wie ernst ihnen Beiden diese Angelegenheit tatsächlich ist? Er muss lächeln, als er daran denken muss, was wohl seine Eltern sagen würden, wenn sie ihm jetzt dabei zusehen könnten, wie er deren Wohnzimmer verunstaltet.
„Wen kümmerts?“ Cynthia scheint nach wie vor voll bei der Sache zu sein. „Glaubst du denn an das, was wir auf dem Flohmarkt gesehen haben?“
„Ja, sicher. Ich habe es doch mit meinen eigenen Augen gesehen“, bestätigt Tobi. „Und außerdem hast du doch das Gleiche gesehen. Es muss also irgendetwas passiert sein.“
Cynthia stellt an ganz bestimmten Stellen des Pentagramms schwarze Kerzen auf. Irgendwie unpassend fröhlich sagt sie dabei: „Wie könnten wir es also leugnen?“
„Doch was ist mit der Vernunft?“, entgegnet Tobi standhaft. „Wie passt das alles in das Konzept der Vernunft hinein?
„Vernunft?“ Cynthia muss kurz auflachen. „Vernunft hat damit doch gerade gar nichts zu tun. Ich glaube, wir haben einen Bereich des Seins kennengelernt, der den meisten Menschen, zumindest so lange sie leben, gänzlich verschlossen bleibt.“
„Doch weshalb?“ Tobi fröstelt es plötzlich. Aus irgendeinem Grund hat er eine Gänsehaut bekommen.
Cynthia streicht ein Streichholz an der Reibefläche des Streichholzpäckchens an, das sie jetzt in ihren Händen hält. Es breitet sich ein schwefeliger Duft im Raum aus. Sie steckt damit eine der schwarzen Kerzen an. „Wie passt denn deiner Ansicht nach die Tatsache des Todes in dieses Konzept?“
„Was?“
„Der Tod. Würdest du denn den Tod leugnen?“
Tobi geht im Geiste noch einmal konzentriert die Zauberformel durch, die er von Michael erhalten hat. Dann sagt er zu seiner Freundin: „Ach Cynthia, wie kann man denn den Tod leugnen? Niemand kann ihn leugnen. Und einfach jeder wird ihn irgendwann ganz sicher einmal kennenlernen.“
„Genauso ist es“; bestätigt Cynthia, während sie eine weitere schwarze Kerze anzündet. „Niemand kann ihn leugnen. Es ist eine unbekannte Welt, und so lange wir leben, wird es für uns auch eine unbekannte Welt bleiben. Und doch ist diese Welt allgegenwärtig; ist sie mit unser aller Leben dennoch irgendwie verbunden. Aber mit der Vernunft hat der Tod nun wirklich absolut nichts zu tun. Es ist geradezu der gegenteilige Aspekt des Lebens.“ Und fast flüsternd fügt sie noch hinzu, während sie ein weiteres Streichholz entzündet, sich dadurch eine weitere schwefelige Wolke im Zimmer ausbreitet und sie Tobi den Rücken zugekehrt hat: „Was wäre denn das Leben überhaupt wert, ohne ein bisschen Tod?“
Das Pentagramm ist jetzt vollendet. Alle Kerzen stehen an den richtigen Stellen. Sie sind entzündet. Tobi schaut auf seine Armbanduhr. Es ist fünf Minuten vor 12 Uhr. Gleich müsste es soweit sein.
Das Lampenlicht erlischt im Wohnzimmer. Ihr Werk sieht jetzt mit den brennenden Kerzen im Dunkeln betrachtet feierlich, ja geradezu magisch aus.
„Das habt ihr aber gut gemacht.“ Tobi läuft es eiskalt den Rücken herunter. Er kennt diese heisere, flüsternde Stimme. Er hat sie schon einmal gehört, und zwar auf dem Flohmarkt. „Es ist alles genau richtig platziert, wie es sein sollte. Ihr erspart mir Arbeit und auch Zeit.“ Cynthia traut sich, sich als erste umzudrehen. Da steht er. Dieser seltsame Typ mit der schwarzen Kutte und der abgefahrenen Sonnenbrille. Da steht er tatsächlich, mitten im Wohnzimmer von Tobis Eltern. Und sie Beide sind ganz alleine hier. Es ist Halloween. Der Tag der Toten. Der Tag vor Allerheiligen. All Hallows' Eve.
Hunderte Mal hat sich Tobi diesen Moment in seinem Geiste vorgestellt. Wie es wohl sein würde, sollte es tatsächlich passieren. Jetzt ist der Moment da, und er ist erstarrt. Wie eingefroren. Er kann keinen einzigen seiner Glieder bewegen. Damit hat er nicht gerechnet.
„Wisst, ihr“, fährt die flüsternde Stimme fort, „euer Zeitalter ist wirklich erstaunlich. Ich habe mir die Zukunft oft vorgestellt, aber so, wie sie ist, da wäre ich niemals draufgekommen. Diese ganzen seltsamen Dinge, die ihr habt, wie Autos, Hochhäuser, Flugzeuge oder eure ganzen Handys. Ihr seid wirklich sehr seltsame Wesen. Bedient euch all dieser Wunder, als sei es das Alltäglichste, das es nur geben könnte; als sei es das Normalste auf der ganzen Welt. Eure ganzen Annehmlichkeiten und eure Nahrung. Und wie einfach ihr drankommt. Ihr schlendert einfach so in einen Supermarkt. Mehr müsst ihr dafür nicht mehr tun. Doch selbst das scheint ihr nicht mehr richtig zu schätzen zu wissen. Ihr esst so viel Fleisch, wie bei uns früher nur die Könige. Ihr habt so viel freie Zeit zur Verfügung. Und was macht ihr mit ihr? Ihr verschwendet sie mit Medien; mit Faulheit; mit Urlaub, All-Inklusive, versteht sich. Alles habt ihr, nur nicht das Bewusstsein, wer ihr seid, woher ihr kommt und wie all diese Wunder, mit denen ihr umgeben seid, überhaupt zustande gekommen sind. Ihr habt damit das Wesentliche vergessen. Nämlich euch selbst. Blind und taub lauft ihr durchs Leben und wundert euch auch noch, wenn es euch unmöglich erscheint, unter diesen Umständen glücklich oder wenigstens zufrieden zu sein. Wie soll ein Mensch mit einer derartigen Lebensweise glücklich werden? Mit einer Lebensweise, die euch systematisch von euch selbst entfremdet. Diese ganze Welt um euch herum hat doch gar nichts mehr mit euch selbst zu tun! Ihr konsumiert sie nur, ohne Wissen oder Gewissen, und das, ohne dass ihr damit wirklich verbunden seid. Markenartikel müsst ihr euch kaufen, um euch eine Identität zumindest vorgaukeln zu können.“ Er macht eine kurze Pause. Dann fährt er fort: „Doch, dass ihr mich nicht falsch versteht: Von den Wundern eures Zeitalters bin ich beeindruckt. Aber von den Menschen, die hier leben, zutiefst enttäuscht.“
Tobi kommt wieder etwas zu sich. Jetzt dreht auch er sich um. Der Kuttentyp steht an der Tür zu seinem Wohnzimmer. Er hat seine Sonnenbrille auf, wie damals am Stand. „Wer bist du?“, flüstert Tobi. Seine Kehle scheint wie zugeschnürt zu sein.
„Ein Niemand. Ich bin nur ein Niemand.“
„Du bist der Assistent des Alchemisten. Und du hast ihn verraten“, platzt es aus Cynthia heraus.
Der Kuttentyp mustert sie argwöhnisch. Dann sagt er aber gelassen: „Wisst ihr, ich will hier weg. Ich will hier schon sehr lange weg. Diese Welt hier ist für mich einfach nicht zu ertragen. Die Menschen sind so anders, als jene, die in meinem Zeitalter leben. Ihr seid so unglaublich oberflächlich. Es beschämt mich regelrecht, mitansehen zu müssen, wie ihr aneinander vorbeigeht, ohne euch richtig anzusehen. Ihr scheint euch gegenseitig Geister zu sein, die paradoxerweise geistig niemals wirklich da sind. Schemen, die keine richtigen Umrisse haben. Gedanken, die an gestern denken, und an morgen, aber niemals an das Hier und Jetzt.“
„Wenn es dir bei uns nicht gefällt, dann verschwinde doch einfach“, sagt Cynthia mutig.
Der Kuttentyp schaut auf den Boden herab, und sagt dann, wie zu sich selber: „Wenn das mal so einfach wäre.“ Er schaut wieder zu Cynthia hoch und sagt zu ihr bedeutungsschwanger und fast wie unter Tränen: „Du hast ja gar keine Ahnung, was ich alles hinter mir habe. Lange habe ich warten müssen. Viel zu lange. Doch jetzt ist es soweit. Das letzte Puzzleteil hat sich eingefügt. Und dein Freund hier, er ist der Schlüssel, um diese geistlose Welt hinter mich lassen zu können.“
„Weshalb? Weshalb ist ausgerechnet er der Schlüssel? Das verstehe ich nicht.“
Tobi steht einfach nur so da. Er sieht niedergeschlagen aus. Das alles ist mal wieder viel zu viel für ihn.
„Das brauchst du auch gar nicht zu verstehen.“ Der Kuttentyp geht in den Raum hinein, zielstrebig in Richtung Tobi. Währenddessen sagt er: „Es wird jetzt Zeit.“ Es ist jetzt eine Minute vor 12 Uhr. „Wo ist das Messer?“, sagt er zu Tobi scharf, als er bei ihm angekommen ist.
„Ich…ich, ich habe das Messer nicht“, stammelt Tobi.
„Doch, du hast es“, antwortet der Kuttentyp und Tobi fühlt etwas in seiner rechten Hand. Es ist das Messer. Es fühlt sich wieder leicht und etwas erwärmt an. „Du hast es. Und du bist bereit.“
„Wofür?“, flüstert Tobi. Er will die Antwort eigentlich gar nicht wissen.
„Wofür du bestimmt bist.“ Der Kuttentyp spricht weiterhin in Rätseln. „Du hast das Messer angenommen. Und wie du dich sicherlich noch erinnern kannst, musst du es auch bezahlen. Du bist mir dafür etwas schuldig.“
„Was bin ich ihnen schuldig?“ Tobi spürt, wie seine Beine etwas weich werden.
„Du weißt es, oder? Heute ist der Tag, an dem sich die Tore öffnen. Um Punkt zwölf Uhr. Dann ist es möglich, sich der Magie zu bedienen, der schwarzen Magie. Es ist der Zeitpunkt, an dem ich endlich wieder nach Hause kommen werde.“ Er geht an Tobi vorbei in die Mitte des Pentagramms. Die Kerzen flackern wild auf, als er in der Mitte dieses Symbols angekommen ist. Er richtet seine Arme nach oben, und sagt dann feierlich und bestimmend: „Und jetzt töte mich!“
„Was?“
„Du hast mich schon verstanden. Töte mich mit dem Messer, das sich in deinen Händen befindet. Das ist der Preis, den du mir schuldest.“
„Tobi, tu es!“, ruft Cynthia plötzlich. Dies verwirrt den Kuttentyp. Er schaut kurz zu ihr rüber. Dann wendet er sich aber wieder voll und ganz Tobi zu. „Tu es! Stich das Messer in meine Brust! Sofort! Sonst ist es zu spät!“ Und er beginnt, irgendwelche Sätze vor sich hin zu murmeln. Es hört sich wie eine alte Gelehrtensprache an.
„Aber, aber, ich kann doch nicht!“ Tobi geht dennoch, irgendwie willenlos, auf den Kuttentyp zu. Es ist jetzt 15 Sekunden vor Zwölf. Der Typ murmelt unentwegt irgendwelche Wörter vor sich hin. Er scheint in Trance geraten zu sein.
„Tu es!“, ruft Cynthia erneut.
Zehn Sekunden vor Zwölf.
Tobi bricht in Tränen aus. „Nein, nein, ich… ich kann es nicht.“ Ein Schritt nach dem Anderen geht er dennoch auf den Kuttentyp zu. „Ich, ich kann nicht!“ Sein Arm mit dem Messer erhebt sich. Die Kerzen leuchten grell auf. Sie blenden ihn. Es wird unglaublich hell in diesem Raum. Das Licht der Kerzen flackert wild an den Wänden. „Nein, wirklich, ich… ich kann es nicht!“
„Doch, Tobi, du kannst es!“ Cynthia versucht sich zu bewegen. Sie will ihm irgendwie helfen. Doch sie kann sich nicht von der Stelle rühren. Sie kann der Szene nur hilflos zusehen.
Der Kuttentyp steht immer noch in der Mitte des Pentagramms, hat seine Arme erhoben, und murmelt in dieser merkwürdigen Sprache. Endlich kommt Tobi bei ihm an. „Jetzt, Tobi!“, brüllt Cynthia. Es ist jetzt Punkt zwölf Uhr. Und Tobi ruft laut, ja fast hysterisch, die Wörter aus, die er seit Wochen auswendig gelernt hat: „Vade ad inferos et numquam redi!“ Dann fährt seine Hand blitzschnell nach vorne und das Messer in seiner Hand wird gerade noch rechtzeitig in die Brust des Kuttentyps getrieben. Es versinkt darin wie Butter. Es hat ihn keinerlei Mühe gekostet. Sein Gegenüber brüllt einmal laut und schmerzerfüllt auf, schreit grell und hysterisch: „Neiiiiiiiiiiiiin!“ und das Licht der Kerzen erlischt. Die Kutte fällt ohne ihren vorherigen Besitzer zu Boden. Und Tobi kippt ohnmächtig geworden zur Seite um.

Er öffnet seine Augen. „Was ist passiert?“, fragt er leise und kraftlos.
„Ganz ruhig. Du musst erst einmal wieder zu Kräften kommen.“ Das ist die Stimme seiner Mutter. Sie wirkt beruhigend auf ihn. Welche Wohltat! Welche innere Wärme er durch diesen Klang verspürt!
Er ist im Krankenhaus und benötigt ein paar Tage, um wieder zu Kräften zu kommen. Cynthia hatte an dem Abend den Notruf gewählt. Der Krankenwagen war mit heulenden Sirenen vorgefahren. Er hat Tobi eingesammelt und ins Krankenhaus gebracht. Zuvor hatte Cynthia noch alle verräterischen Spuren verschwinden lassen. Auf die Frage, was geschehen war, hatte sie nur geantwortet, dass ihr Freund einfach so ohnmächtig geworden ist. Es hat keinerlei Anzeichen gegeben, dass an dieser Geschichte irgendetwas nicht gestimmt haben könnte, weshalb auch niemand weiter nachgefragt hat. Tobi ist ins Krankenhaus gekommen, offiziell wegen eines Schwächeanfalls. Das wird es sehr wahrscheinlich auch gewesen sein. Zwar hatte er, als er im Krankenhaus noch nicht ganz bei Sinnen gewesen war, ab und zu irgendetwas vor sich hingemurmelt, auch irgendwelche Sätze auf Latein. Die Ärzte haben dies aber auf seinen Schwächeanfall bezogen. Bei so etwas könne das Gehirn durchaus in Mitleidenschaft gezogen werden, haben sie zu den Eltern gesagt. Es werde sich aber sicherlich rasch wieder vollständig erholen.
Nach fünf Tagen im Krankenhaus wird Tobi entlassen. Und am darauffolgenden Wochenende ist er schon wieder mit Cynthia unterwegs. Sie spazieren durch einen großen Park in ihrer Stadt. Jetzt sitzen sie auf einer Bank und vor ihnen ist eine große Wiese. Es ist jetzt November. Alles hat sich verändert. Die Welt scheint sich plötzlich in ein Gemälde von Caspar David Friedrich verwandelt zu haben.
„Ist das alles wirklich passiert?“, will Tobi von Cynthia wissen. Seine Stimme ist etwas zittrig.
„Ist es“, sagt Cynthia bestimmt.
„Weshalb ich? Weshalb brauchte dieser Typ mich für diesen ganzen Unsinn?“
Cynthia seufzt. „Ich weiß es auch nicht. Ich habe aber noch einmal darüber nachgedacht.“ Sie schaut in die Ferne. Die Sonne ist gerade im Begriff unterzugehen. „Es hat vielleicht etwas mit der Zeit zu tun. Vielleicht benötigt man eine Art Link in die Vergangenheit, oder in die Zukunft, je nachdem, wohin man möchte. Sonst funktioniert es nicht.“
„Einen Link? Wie meinst du das?“ Tobi schaut auf den Boden. Er ist von der ganzen Sache immer noch erschöpft. Ab Montag soll er tatsächlich wieder in die Schule gehen. Seinen Eltern ist das wichtig. Sie wollen wohl, dass alles so schnell wie möglich wieder ganz normal wird.
„Eine Verbindung zu jener Zeit, in die man möchte. Vielleicht bist du mit jemandem direkt Verwandt, der genau in dem Ort lebt, zu dem dieser Typ wollte. Vielleicht ist dies der Grund, weshalb er dich in diese ganze Sache überhaupt erst hineingezogen hat.“
Tobi ist still. Er hat dazu einfach nichts zu sagen. Dies alles erscheint ihm viel zu verrückt, um darauf irgendetwas erwidern zu können. Plötzlich fällt ihm doch noch etwas ein: „Wo ist eigentlich das Messer?“
„Was?“ Cynthia scheint etwas verwirrt zu sein.
„Na das Messer, mit dem ich diesen Typen erstochen habe. Wo ist es?“
„Es ist wohl verschwunden. Ich habe nicht mehr darauf geachtet. Ich habe mich nur noch um dich gekümmert.“
„Verschwunden?“ Tobi denkt daran, wie das Messer schon einmal verschwunden war, damals auf dem Flohmarkt. So wird es wohl auch dieses Mal gewesen sein. „Sagtest du nicht, es würde sich dabei um schwarze Magie handeln, und dass, sollte diese benutzt werden, es immer auch Unheil für denjenigen mit sich bringt, der sie ausübt?“
Cynthia legt beschützend ihren Arm um seine Schultern. Er zittert ein bisschen. Es ist jetzt auch recht kühl geworden. Sie müssen sich zeitnah auf den Weg nach Hause machen. „Mach dir doch nicht immer so viele Gedanken, Tobi. Diese ganze Sache müsste jetzt eigentlich überstanden sein.“
„Bist du dir da ganz sicher?“
„Bin ich“, sagt Cynthia und fügt dann nach einer Weile noch hinzu: „Zumindest bis zum nächsten Jahr.“
 
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