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3 Seiten

Gesundes Leben

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Krischan Kahlau lebt gesund
"So, so, Taxifahrer sind sie also. Na, wo fehlt es denn sonst noch?"
Krischan versucht vergeblich es sich auf dem Designerstuhl des Arztes bequem zu machen. Schlimmer als bei der regelmäßigen Gesundheitsprüfung für den P-Schein konnte es ja auch nicht werden. Dieses Ziehen im Kreuz haben die Kollegen ja meist auch zu verzeichnen und bisher hat er noch keinen Kutscher im Streckverband kennengelernt.
Krischans alter Freund Kutte hat ihm auch einen homöopathische Rat gegeben, der da lautet: "wenn's hinten weh tut soll man...", mit irgendwas aufhören. Mist, jetzt hat er den Rest vergessen.
"Ja, Herr Kahlau. Sie bewegen sich einfach zu wenig. Haben sie ein Fahrrad?"
Klar hat Krischan ein Fahrrad, ein tolles 18er mit Dreigang-Kettenschaltung. Hat er schließlich zur Einsegnung bekommen und damals war es das schnellste und beste Rad in der Straße.
Das damals noch Adenauer Bundeskanzler war, verdrängt Krischan etwas verschämt aus seiner Erinnerung. Aber das er dieses Schmuckstück irgendwo im Keller, hinter den alten Illustrierten gelagert hat, weiß er noch.
Tatsächlich dauert es auch nur drei Stunden, etwas Schweiß und Blumen und das Traumgefährt steht restauriert zur ersten Ausfahrt bereit.
Krischans Frau winkt mit Tränen in den Augen ihrem sportlichen Mann hinterher, während seine Kinder sich mit roten Köpfen vor ihren Freunden verstecken.
Offensichtlich ist er wohl doch noch ganz gut in der Übung.
Elegant, wie er mit seinen 98 Kilo in der engen Radlerleggin und dem T-Shirt aussieht, umrundet er den Großen Stern und schaltet rasant in den dritten Gang, als hinter ihm schrilles Klingeln ertönt.
Drei weitere Radsportler strampeln in geschlossener Front, von hinten, auf Krischan zu.
Haben sich wohl doch ein paar Regeln geändert, zu meiner Zeit mußte man noch hintereinander fahren. Überlegt er, als die drei wie Lützows wilde verwegene Jagd vom Radweg nach rechts ausweichen, die dort stehenden Kinderwagen umkurven und unter lauten Drohungen die dazugehörigen Mütter in die Flucht schlagen.
Krischan spürt einen Einschlag am Kopf. Er wird von einer Babyflasche mit gaumengerechtem Sauger an der Schläfe getroffen, als eine der Mütter ihn, als einzigen noch greifbaren Radfahrer attackiert. Nach einigen tausend Entschuldigungen, darf er dann auch weiterfahren, nur um an der Klopstock-Ecke auf eine rote Ampel zu treffen.
Mit dumpfen Rubbeln drückt sich der Gummi seiner Bremse auf den Vorderreifen und es gelingt ihm im grade noch vor der weißen Linie zum Stillstand zu kommen.
"Dämlicher Idiot!" Grüßen zwei junge Mädchen auf schicken neuen Rädern, während sie ihn umrunden und selbst beherzt über die Straße jagen. Die Pneus kreischen, als der Kollege irrtümlich auf die grüne Ampel vertrauend, in die Eisen steigt. Krischan winkt ihm kollegial-mitleidig zu und erntet dafür ein dankbares "Sch... Radfahrer!"
Mit einem etwas nachdenklichen Gesicht, wartet er auf das Erscheinen des grünen Lichtes und tritt weiter in die Pedale auf seinem langen Weg zum Ernst-Reuter.
Aber nur für dreißig Meter. Am Bahnhof Tiergarten wird wieder mal gebaut. "Radfahrer absteigen" steht da. Klar, Krischan ist ja heute Radfahrer, also steigt er ab und schiebt sein Rad an der Baustelle vorbei.
Dankbar erntet er die Anerkennung seiner neuen Sportfreunde:
" Dämlicher Hund. Fahr´ doch weiter, die Autofahrer schieben ihre Stinkekarren doch auch nicht!"
Auch den Flohmarkt umgehen die Zweiradlenker weiträumig, wobei sie die beiden rechten Fahrspuren locker auffüllen.
Das Hupen der intoleranten Autofahrer, spornt sie nur zu neuem Eifer an und Krischan beobachtet zu seinem Erstaunen ballettreife Einlagen, mit denen einzelne Autotüren durch Tritte freundlich geschlossen werden.
Endlich hat er den Radweg erreicht und schwingt sich erneut auf sein Vehikel. Zügig strampelnd erreicht er den Reuterplatz und umkreist diesen ungeachtet der Tatsache, daß er an jeder roten Ampel überholt und beschimpft wird. Jedenfalls von den Radlern, die den Radweg benutzen, die Fußweg- und Fahrbahnbefahrer tangieren ihn nicht besonders.
Als er wieder auf die Straße des 17. Juni einbiegt, spürt er, wie sein Adrenalinspiegel langsam aber sicher an sein Limit gerät. Den Rückweg legt er ziemlich einsam zurück, da es offensichtlich unter echten Radsportlern verpönt ist den Radweg zu benutzen. Überflüssig zu sagen, daß er auch in der Bartningalle fast alleiniger Benutzer dieser Einrichtung ist.
Lediglich ein Sportrad ohne Licht, Kotflügeln und funktionsfähigen Bremsen begegnete ihm.
Leider auf seiner Spur und frontal.
Die Ärzte in der Notaufnahme lachten sehr herzlich, als sie hörten, daß Krischan seiner Gesundheit zuliebe mit dem Radfahren begonnen hat.
"Kreuzschmerzen haben sie? Nehmen sie lieber Massagen, die sind gesünder."
Seitdem sind Krischans Kreuzschmerzen, ebenso wie sein Fahrrad weg. Und wenn es nur ein wenig im Rücken piekt, schaut er sich nachdenklich die Narben an seinem Schienbein an und schon massiert ihm seine Frau den Rücken.
Fazit: Wenn Ihr Euch wieder mal über einen Radfahrer ärgert, der bei Rot, im Dunkeln ohne Licht, oder in der Fußgängerzone Euren Weg kreuzt, bedauert ihn. Er hat niemanden, der ihm den Rücken massiert.
 
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Kommentare  

Köstlich, wunderbar, so schön zu lesen, wie wenn man gerade nach einer Stunde den Berg hochstrampeln endlich ins Tal runtersausen kann!!

Pascal (08.12.2001)

Nette Geschichte.

Gudrun (21.05.2001)

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