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4 Seiten

Der Rosenkavalier

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Es gibt einen Tag in jedem Jahr, den man als liebender Gatte einfach nie vergessen kann und darf.
Nicht das Weihnachten unwichtig wäre, aber daran erinnert einen die Werbung ja früh genug. Nicht umsonst kann man bereits im September die erste
Weihnachtsdekoration in den einschlägigen Geschäften vorfinden.
Niemand soll das Fest der Liebe vergessen und wird so laufend
mit aller Kraft an seine Liebe erinnert.

Ein Ehemann sieht seine Liebe täglich personifiziert vor sich und braucht nur die zugehörigen Daten immer vor Augen zu haben.
Im Februar hat das geliebte Weib Geburtstag und im April ist Hochzeitstag.
Dies ist der wirklich vordringlich wichtigste Tag im Jahr.

Jedenfalls ist es bei meiner geliebten Frau und mir so.
Schon Tage vorher winkt sie diskret mit jedem sich bietenden Zaunpfahl.
"Guck mal Schatz, mein Hochzeitskleid paßt mir noch. Mein Gott mir ist als wäre es wirklich erst gestern, daß ich es getragen habe. Dabei sind es in vier Tagen schon 20 Jahre."
Selbst der größte Idiot wird jetzt wach und blättert heimlich im Branchenbuch die Telefonnummern der Mehr-Sterne-Lokale nach.

Nun war ich noch nie der größte und als meine Angetraute am nächsten Tag triumphierend ein Foto ihrer Schwester, aufgenommen auf unserer Trauung schwenkte und mir stolz mitteilte, daß meine Schwägerin seit damals 5 Kg zugenommen hatte, "... und in drei Tagen ist das erst 20 Jahre her."
verzog ich mich in mein Arbeitszimmer und reservierte neben dem
Tisch in besagtem Lokal, auch noch die Flitterwochensuite im
nahen Luxushotel.

"Guck mal, der Wetterbericht sagt übermorgen haben wir genau dasselbe Wetter, wie vor 20 Jahren. Weißt du noch, wie du geschwitzt hast in deinem Anzug beim Gruppenbild vorm Standesamt?"

Derartig unauffällig auf kommende Ereignisse hingewiesen, brachte ich meiner lieben Frau am Morgen unseres gemeinsamen Ehrentages das Frühstück ans Bett was sie überrascht und glücklich quittierte:
"Nein, daß du daran gedacht hast! Ich hätte es selbst fast vergessen."

Geschmeichelt kuschelte ich mich an meine Gattin und noch bevor wir uns gemeinsam über die Schrippen hermachen konnten, klingelte das Telefon. Unser Sohn, wie immer im unpassenden Moment, gratulierte mit knappen Worten und ermahnte uns zur Vorsicht, bei unseren Aktivitäten "In Eurem Alter". Erfreut, keine offizielle Feier mit Gästen zu veranstalten, beschimpfte
ich ihn noch schnell als Frechdachs, ehe er lachend auflegte.

Zwischen dem Auftragen von Butter und Marmelade rief dann auch unsere Tochter an, rekapitulierte mit ihrer Mutter kurz die Ereignisse der letzten Woche und vergaß darüber warum sie angerufen hatte.

Das die Anrufe unserer beider Mütter, den Frühstückskaffee endgültig erkalten ließen, sei nur am Rande erwähnt und nur insofern wichtig, als sie einen nicht mehr endenden Reigen von Tefefonaten eröffneten, die unseren Wunsch nach einem geruhsamen Tag allein ad absurdum führten.

Wir hatten extra niemanden angerufen, um unter uns zu sein, dafür rief die ganze Bande jetzt in kurzen Abständen an.
"Na, ihr lieben! Alles Gute wünsche ich euch, Karl grüßt natürlich auch."
"kennst du einen Karl?" erkundigte ich mich bei meiner Frau.
"Nie gehört, wahrscheinlich falsch verbunden." beruhigte sie mich, während sie sich beeilte vor mir ins Badezimmer zu gelangen.

Neidisch blickte ich ihr nach, den Hörer auflegend, und die Tür öffnend. Der Bote mit dem Rosenstrauß, von mir bezahlt, von meiner lieben Frau erwartet, grinste mich unverschämt an und machte erst Anstalten zu verschwinden, als er ein gradezu fürstliches Trinkgeld erpreßt hatte.

Inzwischen hatte das Telefon meine nasse Frau unter der Dusche hervorgelockt. Sie stand tropfend und splitternackt im Wohnzimmer über den Spiegel auch im Flur zu sehen und ich hatte den Verdacht, der Blumenbote hatte diese Situation viel eher als ich erkannt.

"OOOOhhh Schatz die herrlichen Rosen. Danke mein Liebling. -
Schönen Gruß von Helmut übrigens, er wünscht uns alles Gute."
"Helmut ist doch letzten Sommer gestorben?"
"War wohl nen Ferngespräch." erwiderte meine Holde zerstreut
und begann ihre Haare zu fönen.

Trotz unseres fortgeschrittenen Alters, ist mein geliebtes Weib immer noch ein hinreißender Anblick und als ich ihr einen Kuß in den Nacken streichelte, schickte sie mich lachend ans klingelnde Telefon.

Diesmal war wirklich falsch verbunden, aber da ich mich von vornherein mit "Brauthaus Fama." meldete, gratulierte der Anrufer uns trotzdem.

Der weitere Verlauf des Nachmittags war nur unterbrochen von diversen Telefonaten und erneuten Besuchen verschiedener Blumen- und Telegrammboten. Der Rosenbote vom Vormittag schien mir tief enttäuscht, die Dame des Hauses jetzt völlig bekleidet vorzufinden und ich überlegte, ihm den nächsten Strauß um die Ohren zu schlagen.

Der Ansturm auf unsere vier Wände flaute erst ab, als wir uns bereits zum Weggehen umgezogen hatten.
"So, jetzt haben wir endlich Ruhe. Kein Aas weiß wo wir hingehen." zeufzte meine gestreßte Frau und hakte mich liebevoll auf dem Weg zum Lokal unter.

"Frau Fama, Herr Fama, unser Haus freut sich ihnen zum Hochzeitstag gratulieren zu dürfen. Wir haben den Ecktisch für sie reserviert."
Mein gebeuteltes Weib lächelte höflich und süßsauer. "Petze!" zischte sie mich von der Seite an.
Mein errötender Kopf leuchtete uns den Weg zu unserem Tisch, wo der Weinkellner uns erwartete um seine Gratulation loszuwerden.

"Endlich!" seufzten wir beide, allein mit der Suppe und einem Aperitif. Ich ergriff die Hand meiner Frau, blickte ihr in die Augen und erinnerte mich an die Nacht vor 20 Jahren, als wir den Grundstein zu unserer Familie legten.
Auch sie schaute mich an und griff nach ihrem Glas. -

"... Zeitung von Morgen?"
Ein junger Mann, unbestimmter Nationalität, mit einem Arm voller Druckerzeugnisse blickte uns erwartungsvoll an. Ich fühlte, wie mein Adrenalinspiegel in bedenkliche Höhe schnellte und fauchte nur:
"Danke nein ich bin Analphabet!". Beleidigt zog sich der reitende
Bote zurück und ließ mich mit dem Problem allein, mein Konzept
wiederzufinden.

Diesmal ergriff meine bessere Hälfte die Initiative und auch meine Hand. "Weißt du noch, ..." setzte sie an., während Giovanni unsere Filets in Sahnesouce servierte.
"Guten Apetit." Folgsam begannen wir mit dem Genuß unserer Mahlzeit.
Wegen der Bestecke, konnten wir nicht Händchen halten, ich erfreute mich aber, wie immer wieder an dem verliebten Augenaufschlag meiner Angetrauten.

Zwischen einer Gabel voll Gemüse und einem Kuß, drängte sich ein riesiger,
nicht mehr ganz frischer, Rosenstrauß zwischen uns.
"Schöne Rose für schöne Frau?" radebrechte ein Schwarzafrikaner, der die Blüten scheinbar von zu Hause mitgebracht hatte. "NEIN! Danke!" hob ich meine Stimme um einige Nuancen, wobei ich mit dem versilbertem Messer und dem Gedanken an Mord spielte.

Erschrocken verließ uns auch dieser ungebetene Gast fast fluchtartig. Mühsam brachte ich meinen Blutdruck wieder unter Kontrolle und wir verzehrten unsere Beilagen schweigend.
Zögernd kehrte die zärtliche Laune zurück und die Mutter unserer Kinder verbesserte meine Stimmung fast schlagartig, als sie mir von unten mit dem Fuß ins Hosenbein tastete.

Mein Hormonpegel erreichte bereits ungeahnte Höhen, als ein fröhlicher Koreaner neben uns erschien und mit einem einen Strauß Tulpen wedelte.
"Hau ab, ich hab' schon Gemüse gehabt!"
Beleidigt trollte auch dieser fliegende Händler sich wieder, nicht ohne mich böse anzufunkeln.

Das gemütliche Essen war hiermit völlig verdorben und wir löffelten mißmutig unser Dessert, wobei ich noch rasch einen weiteren Zeitungsverkäufer mit dem Bratenspieß vom Nebentisch, aus dem Lokal jagte.

Als Giovanni sich bei uns während des Präsentierens der Rechnung erkundigte, ob es uns gefallen habe, soll ich, nach der glaubwürdigen Zaugenaussage, meiner lieben Frau, hysterisch gelacht haben.

Sicher ist, daß ich auf der Straße einen blumentragenden Inder anfiel
und ihn mit seinem welkem Gemüse vor mir her in die U-Bahn prügelte.
Einige Skinheads, die dort die Qualität von mehrerer Paletten Bier verglichen, beschimpften mich als "Rassisten" und "Bullenschwein", während mein mich liebendes Weib, mit Hilfe des freundlichen Türstehers eines nahen Etablissements, meine Einlieferung in das reservierte Hotelzimmer bewerkstelligte.

In der Stille der Hochzeitssuite, mit einem Glas Sekt beruhigt, fand ich bald meine Fassung wieder und bemühte mich auch die Frau glücklich zu machen, die es seit zwanzig Jahren mit mir ausgehalten hat.

Präzise in dem Moment, als unsere Lippen sich berührten, öffnete sich die Tür und ein Page, negroiden Aussehens, einen Strauß Rosen schleppend, betrat den Raum.

Ich erfuhr erst viel später, in der ersten Hilfe des Krankenhauses,
daß es sich um ein Präsent der Geschäfstleitung handelte, das alle Bewohner der Flitterwochensuite erhalten.

Ich soll mich mit einem wüsten Schrei auf den armen Jungen gestürzt und
ihn so lange gewürgt haben, bis der herbeieilende Direktor mir die Bodenvase über den Hinterkopf gezogen hatte. Daraufhin sei ich sehr umgänglich geworden.

Der Notarzt beförderte den Pagen und mich mit zwei getrennten Krankenwagen
in die Notaufnahme. - Man wollte kein unnötiges Risiko mehr eingehen.

Nur meine Leidgeprüfte Frau durfte ohne Begleitung eines bewaffneten Wächters, zu mir und während sie mich von der Zwangsjacke befreite, planten wir an unserem nächsten Hochzeitstag alle Bekannten und Verwandten zu uns einzuladen, während wir in ein Land fliehen wollen, wo es keine Blumen, Zeitungen und wenn möglich keine Menschen gibt.

Fabian Fama
 
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Kommentare  

"Wollllen `L(rr)ose klaufen???" *smile*

den Spruch kennt jeder... habe köstlich gelacht.


Teleny (18.03.2003)

~~~hehe~~~
*****


*Becci* (14.08.2002)

Dafür die volle Punktzahl!
Ich habe mich vor Lachen fast eingemacht bei den vergeblichen Versuchen des Protagonisten, dem Hobby sämtlicher Asylsuchenden das da heißt Öffentlicher Blumenverkauf, zu entgehen. Wer schon mal durch unsere Altstadt schlendert, kann an guten Abenden mit einem ganzen Treibhaus heimkommen, wenn er jedem nur eine einzelne Blume abkauft...
Sollte die Story autobiographische Züge aufweisen: Mein Mann und ich haben vor der Hochzeit bereits anderthalb Jahre lang zusammengelebt. Unsere Heirat war eine Viertelstundensache vor dem Standesbeamten - basta. Ich kenne das Datum meines eigenen Hochzeitstages nicht und habe mir den Hochzeitstag bei allen gründlich verbeten. Stattdessen feiern wir den Tag unseres ersten Kennenlernens, ganz still und klammheimlich für uns - und kein Aas kennt das Datum!
Vielleicht im nächsten Leben macht ihr es uns ja nach?


Heike Sanda (13.06.2002)

Au! Mein Bauch! Habe vor Lachen keine Luft mehr gekriegt. Mann, für so ne Geschichte braucht man ja einen Waffenschein! Absolut klasse!

Stefan Steinmetz (29.01.2002)

Wunderbar, ich habe während des Lesens die ganze Zeit gelacht.

Gudrun (24.05.2001)

köstlich

Selma Palue (28.04.2001)

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