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2 Seiten

Glück gehabt

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© eli fante
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Das Kleid, das sie so gerne trug und aus dem sehr viel später ein schöner Vorhang wurde, war in seiner Grundfarbe gelb. Nicht dieses leuchtende Sonnengelb, nein, es war ein gelb mit einem Stich ins erdfarbene. Eine Vielzahl von Schmetterlingen tummelte sich auf ihm, Admirale und Pfauenaugen, prächtig anzusehen. Ein luftiges Oberteil mit einer Art Schleppe, die wie zwei Schmetterlingsflügel die schlanken Schultern umschlossen und einem weit schwingenden plissiertem Rock, der ihre Knien umspielte, ließen die junge Frau selbst wie einen Schmetterling aussehen. Sie fühlte sich auch als ein Schmetterling – meistens jedenfalls. Nur die letzten 4 Monate ließen ihren Bauch, den Po und die Brust immer größer und unförmiger werden. Sie war schwanger und sie litt. Sie litt so, daß selbst ihre wunderschönen braunen Augen einen kalten Blick bekamen und die sonst so langen schwarzen Locken ihren Glanz verloren.
Sie wollte das Kind nicht. Es verbaute ihr die unbändige Lust auf das Leben, die Männer, auf die Karriere als Model für Schmuck und als Top - Model für einen bekannten Modemacher.
Sie war die ungekrönte Schönheitskönigin und flatterte wie ein Schmetterling von Blütennektar zu Blütennektar und nun war sie wie eine unförmige Raupe, die kurz vor der Verpuppung stand.
Nichts hatte ihr geholfen. Weder heiße Wannenbäder, warmer Rotwein in Massen, Blutreinigungstropfen aus der Apotheke, noch Teeaufguß aus Petersilienwurzeln und Mutterkorn. Selbst das Springen von der viert letzten Kellertreppenstufe brachten ihr nur einen verstauchten Knöchel. Und die alte weise Frau im Nachbarstädtchen war hinter Gittern, sie hatte mit einer infizierten Stricknadel das „ Problem „ für einige Frauen endgültig für diese gelöst und war somit nicht greifbar. Zu der Engelmacherin im Heimatort traute sie sich nicht, die war bekannt dafür, daß sie tratschte und Gerüchte gerne weiter verbreitete.

Doch das wachsende Leben in der Schmetterlingsfrau dachte nicht daran, kampflos den weichen und warmen Bauch zu verlassen. Es wehrte sich. Und mit jedem Tag wurde es kräftiger und kampfbereiter. Es wehrte sich so heftig auf die Welt zu kommen, daß es bereits drei Wochen nach dem errechneten Geburtstermin war.
In der Walpurgisnacht hätte das Wechselbalg kommen sollen und die Frau hatte sich vorgenommen, es höchstens einmal anzusehen – mehr nicht. Sie hielt sich auch sehr lange an diesen Vorsatz und erst 40 Jahre später wurde ihr das auch verziehen.
Der Vater, die Oma oder Lotte, das Hausmädchen, sollen sich doch kümmern, immerhin sind die ja Erzeuger, Verwandte oder Unbeteiligte, aber voller Vorfreude.
Schon der errechnete Geburtstermin war eine Beleidigung für sie – mit Hexen und Teufeln tanzen und Spaß haben – ja, danach stand ihr der Sinn – nicht aber nach Preßwehen und einschießender Milch.

Am 17 . Mai blieb sie bis zum Mittag im Bett. Ihrem Mann hatte sie mal wieder eine Szene gemacht und ihn verwünscht – war er doch Schuld am ganzen Ungemach. So lag sie mit Tagträumen befaßt in ihrem Bett und dachte an die Zeit vor und nach ihrer persönlichsten Katastrophe.









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Ihr stand der Sinn nach einem jungen, sonnengebräunten, muskulösem, hirnlosen Mann oder einer großen Portion Rühreier mit Kartoffelsalat. Ein schier unbändiger Appetit, worauf auch immer, ließen ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen.

6 Eier, mit einer Gabel aufgeschlagen
salzen und pfeffern
Schinken- und Zwiebelwürfel anbraten,
die Eier dazugeben und mit einem Holzlöffel zusammenschieben.
Es muß noch leicht und locker – so richtig fluffig sein.
Dazu warmer Kartoffelsalat aus
6 Pellkartoffeln in einer Sauce Vineigrette
mit Petersilie, Schnittlauch
und eventuell kleinen krossen Speckwürfelchen.


Nach diesem voluminösen Mahl bekam die Frau heftigst Bauchschmerzen.
Natürlich kam ihr nicht in den Sinn, daß das die Folge des Essens sein könnte - sie dachte nur an Wehen und Geburtsschmerz und an den Augenblick des Befreitseins von der Schwangerschaft.
Die weise alte Frau wurde trotz aller Vorbehalte gerufen, half ein wenig nach und das Wechselbalg mußte, ob es wollte oder nicht, an einem Samstag zwischen zwei Rülpsern der Frau, weg vom Rührei und warmer Geborgenheit in die laue 17. Maiennacht des Jahres 1950.

Ich war geboren, denn die Frau war meine holde Frau Mutter.
„ Was für ein schönes Engelchen – sie hat wenigsten 104 Jahre vor sich ! „ – soll die Hebamme gerufen haben, als sie mich auf die Welt beförderte.

Ich strahlte und war froh – eine Engelmacherin nannte mich Engelchen.
Glück gehabt !!!
 
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Kommentare  

Ujujui? Eine Muttertagsgeschichte ganz besonderer Art. Hat mir sehr gut gefallen, hehe.

doska (17.03.2009)

Hallo Stefan Steinmetz,
es fehlen noch ein paar Jahre bis 104 - also geht es wohl weiter.


eli fante (27.08.2002)

Ganz nett geschrieben. Geht das noch weiter, oder ist hier Schluss?

Stefan Steinmetz (25.08.2002)

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