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2 Seiten

Melodie des Lebens [undefinierbar... ist er experimentell? oder ein modernes märchen?]

Nachdenkliches · Experimentelles
© Becci
(für Richard)






Sie war traurig.
Starr geradeaus blickend, ging sie den Weg entlang. Sie sah ihn nicht, sie ging einfach nur. Gedankenverloren und traurig nahm sie die Schönheit der Wegrandblumen nicht wahr. Sie hörte nicht das süßliche Zwitschern der Vögel und roch nicht den zarten Duft der blühenden Kirschbäume, die den Wegrand säumten. Ihr war kalt, obwohl die Sonne warm schien, sie fühlte sich einsam, alleine mit ihren Gedanken und Gefühlen und in ihr war nur Leere. Sie wurde noch trauriger. Eine verlassene Bank lud sie zum Troste ein, sie setzte sich auf sie und weinte. Weinte die innere Leere noch leerer, bis auch der allerletzte Schmerz aus ihr raus war. Sie saß da wie eine tote Lebende, sämtliche Gedanken und Gefühle schienen sie nun verlassen zu haben. Nicht einmal die Traurigkeit blieb ihr nun zur Gesellschaft. Nur Leere.
Sie muss wohl eine Weile gesessen haben, als in diese Leere langsam zarte Töne eintauchten. Sie öffnete ihre, noch tränennassen Augen, und schaute sich suchend nach der Quelle um. Neben ihr saß ein junger fremder Mann auf der Lehne der Bank, unbemerkt dazugekommen. Er schaute sie nicht an, sondern blickte gedankenverloren auf seine Gitarre und so konzentriert auf sein Spiel, brachte er Klänge hervor, die ihr das Herz wärmten. Er spielte sachte eine langsame und traurig klingende Melodie, die sie nicht kannte, aber ihr so vertraut schien, als wäre es das, was sie schon lange unbewusst suchte. So verging einige Zeit und der junge Mann steigerte langsam sein Spiel, schlug die Saiten stärker an und glitt langsam in eine fröhliche Stimmung um. Diese Veränderung trat scheinbar so unbemerkt ein, dass sie, versunken in einem Meer voller berauschender Klänge, sie in sich aufnahm, sich zu eigen machte, ohne dass es ihr bewusst war. Sie hörte nun auch die Vögel, mit eingebunden in das Lied, süßlich singen und roch den zarten Duft der Kirschbaumblüten und sah die wunderschönen Blumen, die am Wegesrand strahlten. Alles verband sich zu einer Melodie, so rein und klar, dass ihr warm ums Herz wurde. Diese Wärme breitete sich in ihr aus und füllte die Leere, die sie so quälte. Immer lauter, immer mitreißender spielte der junge Mann und immer fröhlicher.
Sie, die sich bisher nur im Takt mit dem Körper mitschwang, wurde fortgerissen von der Intensität der Melodie und fand sich tanzend mit dem jungen Mann auf einer Blumenwiese wieder. Die Gitarre spielte wie von Zauberhand weiter und die Luft war erfüllt von sprühender Energie. Sie war glücklich. Sie glaubte, sie habe gefunden, was sie schon so lange gesucht habe. Ihre Leere war erfüllt und ein ungekanntes Glücksgefühl durchströmte ihren Körper. Sie drehten sich im Kreise, die Melodie war so schön, sie glaubte zu schweben und.......



PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP



Ihr Herz blieb fast stehn, sie schreckte auf. Was ist das??? Was war los??? Sie war total verwirrt und durcheinander. Wo war sie???



PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP



Der Nebel in ihrem Kopf verschwand, raubte ihr die wunderschöne Melodie und riss diese mit sich. Langsam kam sie in die Wirklichkeit zurück.



PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP PIEP



Sie schlug wütend auf den Wecker und ließ sich kraftlos wieder nach hinten auf ihr Bett fallen. "Nur ein Traum...", flüsterte sie leise. Die eben so intensiv gefühlten Glücksgefühle verschwanden augenblicklich und machten einer noch größeren Leere Platz. Sie versank wieder in Traurigkeit...

...anstatt selbst ihre Augen zu öffnen und einen Blick auf die Wegesrandblumen zu werfen, den Duft der Kirschbaumblüten zu riechen und die Vögel süßlich zwitschern zu hören, verschloss sie sich noch mehr alledem.
...anstatt selbst ihre Gitarre in die Hand zu nehmen und die Melodie des Lebens zu spielen (sie glaubte wohl, sie könne es nicht - hatte sie es denn je versucht?), wartete sie darauf, dass jemand kam und ihr das abnahm, ihre Leere füllte und ihre Traurigkeit wegfegte...
...und sie wurde noch trauriger.





Und wenn sie nicht gestorben ist, wartet sie wohl noch immer...
 
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Kommentare  

Ist schon erschreckend, mit der kalten Realität konfrontiert zu werden, wenn man gerade noch im gleißenden Licht des Traumes gebadet hat.
Auf der einen Seite: Wenn sie ihre Leben nicht selbst in die Hand nimmt, sondern wartet, bis es jemand anderes für sie tut (das, was Stefan geschrieben hat), ist sie selber Schuld daran, dass sie den Traum nicht weiterleben kann.
Aber auf der anderen Seite: Sind die Probleme allgegenwärtig überwältigend, erscheint doch dieser Traum nur als Ironie, als das komplette Gegenteil der Situation und kann ihren Schmerz auch nicht heilen.

Der Weckereffekt könnte vielleicht voraussehbar sein, was natürlich die Wirkung beeinträchtigt, soll heißen die Traumszene müsste weniger Traum werden. Ist nur ein fakultativer Vorschlag.
Kannst Situation und Emotion gut beschreiben, so dass die Hintergründe belanglos, die Welt herum egal ist. So bringst du die Sache schnell auf den Punkt.

Gut.


Redfrettchen (27.03.2004)

Absolutes Respekt. Das isses. Arsch huh - Zäng ussenander. :-) Fünfe. Mehr hab ich nicht zu sagen.

Graf Zahl (*****)


Graf Zahl (31.03.2003)

Deine Geschichte gefällt mir.
Da schon sehr viel dazu gesagt wurde, insbesondere schließe ich mich Stefan an, brauche ich nichts mehr zu tun, als fünf Punkte zu geben.


Norma Banzi (25.03.2003)

Die arme Protagonistin tut mir von ganzem Herzen Leid.
Traurig, wenn sie wach ist. Traurig, wenn sie schläft. Scheint in die Märtyrerrolle verliebt zu sein.
Traurig nur dann nicht, wenn jemand mit einer Gitarre hinter ihr herrennt. Davon ist sie abhängig. Ist ihr gitarrenspielender Schatten wieder weg und sie wieder alleine und in der Realität, geht das Selbstmitleid von vorne los: Wann kommt endlich von irgendwo irgendwer und macht mich irgendwie glücklich?
Als ob das die Aufgabe von irgend jemandem als ihr selber wäre...
Sehr gut dargestellt, sehr schön rübergebracht, sehr subtil und ohne den moralischen Hammer, der es - wie sonst in ähnlichen Geschichten der Fall ist - ins Überzogen/Lächerliche hätte gleiten lassen.
5 Punkte


Gwenhwyfar (12.12.2002)

ach ja hatte vergessen zu unterschreiben... it was me

sam (20.11.2002)

*ggg* noch merkwürdiger wie doof kommentare sein können... oder sollte ich lieber sagen kommentatoren? wem der intellektuelle zugang zu einem text fehlt, der sollte das vielleicht nicht so openminded hier ins comment texten, dadurch könnte er eine ziemliche blamage riskieren... :)

 (20.11.2002)

MERKWUERDIK WIE DOHF EIN TEKST SEIN KANN!!
TOTAHL BÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ!


HANNES wallner (19.11.2002)

Merkwürdig, was Lethargie in einer litherarisch angehauchten Seele so alles hervorruft... die schönsten Texte entstehen wohl meistens aus Liebeskummer oder Liebestaumel... wie auch hier, wie du mit den worten spielst und den Gefühlen die Bahn frei machst und der Leser ein so klares Bild von dem Glücksmusiktaumel spürt und sieht....

Ninsche (14.11.2002)

sehr nachdenklich macht mich deine storry. ein mahnendes und lehrsames beispiel über die bequemlichkeit, oder das menschliche laster verantwortung am liebsten an andere zu deligieren, statt selber das leben in die hand zu nehmen. alle achtung wieder einmal gekonnt verpackt der zeigefinger.
lieber wolzenburg depression ist etwas anderes und wovor du dich fürchtest, wer weiß wer weiß?


siehdichfuer (31.10.2002)

(*würgen zurückhalten muss - jürgen drews?! ahhrgs...*)

Ich finde, die Umstände des Traurigseins sind nicht wirklich wichtig... das mädchen in der story ist namens- und aussehenslos - und das vielleicht mit grund?!

(Steini hat den "sinn" der geschichte übrigens gut erkannt ;o)


*Becci* (25.10.2002)

...hmpff..(tschuldigung, aber ich kann es nicht mehr zurückhalten)..der Junge Mann mit der Gitarre,....es ist Jürgen Drews (mit der Gitarre hab´ ich ihr erzählt von meinem Leben..), oder?gnihi....nein, jetzt aber mal im Ernst.
Eine schöne phantastische Geschichte. Experimentell,...ja. Finde ich besonders am Schluß. Weil es kein Happy End ist und auch keine trauriges. Nichts für eine Schublade. Regt zum Nachdenken an und läßt vieles offen. Ich glaube, ich hätte es gut gefunden, wenn der Anfang etwas länger gewesen wäre. z.B. eine nähere Erläuterung der Umstände ihres Traurigseins.


Oliver (25.10.2002)

Fand ich sehr sehr gut und intelligent. Auf feînfühlige Art und Weise kritisch.

pascal gut (25.10.2002)

Guter Text.
Endlich spricht mal jemand die Eigenverantwortung an, die jeder für sich trägt. Wer nur rumsitzt und jammert und drauf wartet, dass Andere seine Probleme für ihn lösen, der schafft es nie.
Auch schön poetisch. Man wird so richtig reingezogen in die Geschichte.
Trotzdem gefällt mir der realistische und einiges zurechtrückende Schluss am besten.
Gut gemacht.


Stefan Steinmetz (12.10.2002)

Man spürt förmlich wie aus der traurigkeit ein Glücksgefühl, aus dem Glücksgefühl Euphorie entsteht. Beim piepen dachte ich das es sich um ein Nahtod Erlebnis handelt was durch das piepen eines Gerätes im Krankenhaus unterbrochen wird. Das Interesse, die Spannung auf dem Höhepunkt gebracht wird der Leser in die nüchterne Wirklichkeit eines gemeinen Weckers entlassen. Totaler Spannungsabfall. Was schön begann endet Depressiv, und Depressives mag ich nicht. Aber der Anfang war Klasse. 4 Punkte

Wolzenburg (05.10.2002)

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