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Rhabarber

Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise · Erinnerungen
"Einer der schönsten Yachthäfen der Umgebung", so wurde die Marina in den Prospekten des Fremdenverkehrsvereins und des örtlichen Yachtclubs genannt. Und es war auch etwas dran, an dieser Bezeichnung. Es war ein ausgedehntes Gelände, direkt in der Flußmündung gelegen. Keine Schleuse mit ihren Wartezeiten versperrte den Zugang zu offenen See. Und doch waren die Liegeplätze auch für die kleinen Angelboote, die in großer Zahl in der Nähe der Slipanlage an Land lagen, genau so geeignet, wie für die schnellen Katamarane und für die Surfer.

Den schönsten Anblick boten unbestritten die größeren Yachten, die an den Schwimmstegen lagen und darauf warteten gesegelt zu werden. Es war nicht einfach ein Yachthafen, es war ein Lebensgefühl. Entsprechend heroisch waren die Namen der Yachten. Die Adler lag da neben dem Sturmvogel, die Vineta neben Störtebeker. Man drückte seinen Stolz auf die Yacht und den Stolz seiner Yacht in eben solchen Namen wie Eichbaum oder Pacific aus. Alle hielten sich an das ungeschriebene Gesetz der Ernsthaftigkeit bei der Namensgebung. Eine Yacht zu haben war schließlich eine ernsthafte Angelegenheit. Alle im Yachtclub hatten das begriffen. Alle? Na ja, fast alle. Alle bis auf einen.

Seine Yacht war wohl die Schönste hier in dieser Marina und in vielen Marinen weit und breit. Es war eine klassische, traditionelle Holzyacht, 35 Fuß lang, aus massiver Eiche. Der Rumpf war schneeweiß und der Besitzer der Yacht achtete strikt darauf, dass das Boot in einem hervorragenden Zustand war und blieb. Das galt für den Rumpf genau so wie für das Teakdeck, die beiden Holzmasten und den flachen Aufbau. Die Messingbeschläge sahen genau so gepflegt aus wie die Edelstahlwinches und die weiße Selbststeueranlage am Heck. Das Schiff war ein Traum. Nicht so ein Dödelding aus Plastik wie man es jetzt immer mehr hatte. Es war ein Zeugnis alter Schiffbauerkunst. An diesem Schiff stimmte alles.

Fast alles. Alles bis auf den Namen. So wie die Yacht aussah hätte ein Name wie z. B. ?König Ludwig? oder wenigstens "Seelöwe" gut zu ihr gepaßt. So hieß sie aber nicht. Sie hatte nicht einmal einen Namen wie "Klara" oder ähnliches, was man hätte gerade noch so durchgehen lassen können. Nein, diese stolze Yacht, die schönste Yacht der ganzen Gegend trug den profanen Namen ?RHABARBER?. Mein Gott, das war vielleicht der Name für ein Angelboot. Möglichst noch für ein selbstgebautes aus Sperrholz oder Plastik, aber doch nicht für diese Yacht.

Alle Mitglieder im Yachtclub waren sich einig: der Name mußte geändert werden. Er paßte einfach nicht. Wie konnte ein Mensch nur auf die Idee kommen seinem Boot einen solchen Namen zu geben? Man mußte irgendwie Druck ausüben auf Jan Peters, dem Eigner der, man mochte es gar nicht sagen, "Rhabarber". Aber "Druck ausüben" das war leichter gesagt als getan. Jan Peters war Gründungsmitglied des Yachtclubs. Zudem entstammte der Größte Teil der Stiftungen für die Schwimmstege, und die waren nicht billig, seinen Zuwendungen. Was also tun?

Damals, als dieser Fremde mit seinem Boot hier aufgetaucht war, der mit dem Bootsnamen "Kowalsky", da war es einfach. Man ging ihm aus dem Weg. Jan Peters, der es hätte verhindern können, und der das sicher auch getan hätte, war zu der Zeit nicht im Lande. So war der Fremde schnell wieder rausgemobbt. Später als Jan wieder zurück war, da hatte es noch ein bißchen Ärger gegeben, aber das war ja eh zu spät und nach einiger Zeit beruhigten sich alle wieder. Außer, dass Jan Peters seinen Bootsnamen in "Rhabarber" änderte, was alle verdroß.

Mit Jan Peters war in dieser Beziehung nicht zu reden. Er stand auf dem Standpunkt, dass er, nachdem er aus dem Wrack, das er vor Zeiten mal gekauft hatte, mit unendlicher Mühe dieses Schiff gemacht hatte, auch berechtigt sei, ihm den Namen zu geben, der ihm, Jan, paßte. Zum Bedauern der übrigen Clubmitglieder ließ sich dagegen nicht gut argumentieren. Doch dann kam der Moment wo man doch noch etwas tun konnte. Der Yachtclub war schon immer wild gewesen auf das Nachbargrundstück. Hier hätte man endlich das neue Winterlager für die Boote bauen können. Der Besitzer des Grundstücks, einer der reichsten Bauern im Ort war nicht auf das Geld angewiesen. Sein Schwiegersohn, Mitglied im Vorstand des Yachtclubs, hatte ihm aber eingeredet das Grundstück an den Club zu verkaufen. Und zwar unter der Bedingung, dass Jan Peters den Namen seines Bootes änderte.

Das war nun allerdings ein Argument. Wie konnte Jan dem Aufblühen seines Clubs im Wege stehen? Was sollte er also tun? Er erbat sich anstandshalber erst einmal eine Woche Bedenkzeit. Nach dieser Woche wurde eine, ungewöhnlich gut besuchte, Versammlung der Clubmitglieder abgehalten, an der auch der Grundstückseigentümer teilnahm. Jan Peters teilte seinen Clubkameraden mit, dass er gewillt sei den Namen seines Schiffes zu ändern, wenn das Grundstück noch heute in das Eigentum des Yachtclubs überginge. Er hatte auch eine diesbezügliche schriftliche Erklärung vorbereitet, die von allen akzeptiert wurde.

Nun, der Notar war auch ein Mitglied des Clubs, und so zogen die wichtigsten Mitglieder zusammen mit dem alten Bauern und dem Notar los und fixierten den Kaufvertrag. Das Grundstück und der Scheck wechselten ihre Besitzer und alles war unter Dach und Fach. Jan Peters, das wußten alle, war ein Ehrenmann, der sich an sein Wort halten würde. Zur Not hatte man ja noch die schriftliche Erklärung. Nur warum Jan immer so grinste, wenn man ihn auf die Namensänderung am kommenden Sonntag ansprach, das konnte man nicht verstehen. Aber schließlich, was sollte es, man hatte gesiegt. Jan mußte den Namen seines Bootes ändern.

Der Sonntag kam und alles strömte zum Yachthafen. Der ganze Ort war auf den Beinen. Auch die, die nicht Mitglied im Yachtclub waren. Alle wollten sehen wie Jan Peters' Yacht nun wohl hieß. Die wildesten Gerüchte kursierten. Keiner wußte wirklich etwas. Jan war vor zwei Tagen ausgelaufen, noch mit der "Rhabarber", und wollte heute um 11.00 Uhr mit dem neuen Namen zurück sein. Und Jan war pünktlich.

Der Vorsitzende hatte eine kleine Ansprache vorbereitet, die er hielt, während Jan am vorbereiteten Platz anlegte. Der Schffsname, sowohl am Bug als auch am Heck, war mit jeweils einer Plane verdeckt. Nach Beendigung der Rede des Vorsitzenden wurde unter den Klängen der Feuerwehrkapelle die Plane langsam zurückgezogen. Man konnte nicht glauben was man da las. Jan Peters hatte seine Verpflichtung eingehalten. Er hatte den Namen seiner Yacht geändert. Das Schiff hieß nun "SELLERIE".
 
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Kommentare  

Hallo Gwenhwyfar,
du hast mit der Seglerei/Seglerszene nichts zu tun, oder? Der Name hätte auch "Petersilie" oder "Maggi flüssig" lauten können, der Effekt wäre gleich gewesen.


Wilfred P. Teiser (14.01.2003)

Sellerie?!
Fritzchen-freu-dich-Frucht?
Ach Göttchen auch, wie kann man nur...?
Na ja, wenigstens hat er sein Schiffchen nicht "Fußschweiß" oder "Kondomeratia" genannt - worüber regt sich die Haute Volaute denn so auf?
4 Punkte


Gwenhwyfar (14.01.2003)

muahahahahahaaa...!!!!!!!!!!
*lach mich wech*
*bauch halt*
*mich nich mehr einkrieg*
*köstlichst amüsiert*
geile schreibe :)


*Becci* (12.01.2003)

Ja die feine Gesellschaft.
Hast die Typen schön auf den Arm genommen.
Der Jan gefällt mir.
Knappe 4 Punkte


Maxson (12.01.2003)

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